Landgericht Lüneburg
Urt. v. 12.03.1998, Az.: 1 S 272/97

Vorzeitige Auszahlung eines vereinbarten Sicherheitseinbehalts für geschuldeten Werklohn; Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach der Insolvenzeröffnung; Auswirkungen auf einen Werklohnanspruch bei Eröffnung des Konkurses

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
12.03.1998
Aktenzeichen
1 S 272/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 32600
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:1998:0312.1S272.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lüneburg - 24.07.1997 - AZ: 12 C 149/97

Fundstellen

  • BauR 1998, 1018-1019 (Volltext mit amtl. LS)
  • IBR 1998, 429 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • MDR 1998, 834-835 (Volltext mit red. LS)
  • NJW-RR 1998, 1100-1101 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.1997
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
den Richter am Landgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 24.07.1997 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lüneburg wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die vorzeitige Auszahlung eines vereinbarten Sicherheitseinbehalts.

2

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma .... Die Gemeinschuldnerin führte aufgrund eines Bauvertrages für die Beklagte umfangreiche Zimmerer- und Holzarbeiten aus. Die Beklagte nahm die Werkleistung ab. Mängel sind bisher nicht aufgetreten. Mit Schlußrechnung vom 25.11.1996 rechnete die Gemeinschuldnerin ihre Arbeiten ab. Die Beklagte entrichtete den Werklohn, behielt jedoch vereinbarungsgemäß 5 % des von ihr geschuldeten Werklohns, einen Betrag von 1.984,83 DM, als Sicherheit ein. Der Sicherheitseinbehalt zur Sicherung etwaiger Gewährleistungsansprüche war für den Zeitraum der Gewährleistung von 3 Jahren bis 1999 vereinbart. Mit Beschluß vom 05.12.1996 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter ernannt.

3

Der Kläger begehrt im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten nunmehr Zahlung des restlichen Werklohnes. Er ist der Auffassung, daß durch die Eröffnung des Konkursverfahrens die von der Beklagten einbehaltene Sicherheit vorzeitig fällig geworden ist.

4

Das Amtsgericht hat die Klage als zur Zeit unbegründet abgewiesen, weil der Anspruch auf Zahlung des restlichen Werklohnes noch nicht fällig sei. Der Sicherheitseinbehalt sei unstreitig für die Dauer der Gewährleistungsfrist, die ebenfalls unstreitig noch nicht abgelaufen sei, vereinbart. Ein Anspruch auf vorzeitige Zahlung des Sicherheitseinbehaltes ergebe sich weder aus den §§ 17, 54, 65 KO noch aus allgemeinen konkursrechtlichen Erwägungen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

5

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts und verfolgt sein erstinstanzliches Prozeßziel weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

7

Die Klage ist zur Zeit unbegründet. Der Kläger hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Auszahlung des als Sicherungseinbehalt zurückbehaltenen restlichen Werklohns gegen die Beklagte.

8

Der Kläger hat als Konkursverwalter den Vertrag in dem rechtlichen Bestand, in dem er sich zur Zeit der Konkurseröffnung befunden hat, übernommen. Zwar wird das Rechtsverhältnis zwischen Gemeinschuldnerin und ihrem Vertragspartner durch die Konkurseröffnung dahingehend umgestaltet, daß an die Stelle des gegenseitigen Vertrages der einseitige Anspruch des anderen Teils auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung tritt. Dabei erlischt lediglich der Erfüllungsanspruch. Die Forderung als solche wandelt sich lediglich in einen einseitigen Schadensersatzanspruch (st.Rspr; BGH JZ 1992, 424 [BGH 21.11.1991 - IX ZR 290/90] m.w.N.). Die vereinbarten Sicherheiten bleiben hingegen bestehen. Die Eröffnung des Konkurses hat auf die vereinbarte Sicherheit keinen Einfluß (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., B § 17 Rdnr. 100). Ebenso wie vor Konkurseröffnung bestellte akzessorische Sicherheiten wie Bürgschaft, Pfandrecht oder Hypothek für den vorgenannten Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach Konkurseröffnung bestehen bleiben, bewirkt die Konkurseröffnung auch keine vorzeitige Fälligkeit des zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Vertragspartner vereinbarten Sicherheitseinbehalts (vgl. Uhlenbruck JZ 1992, 425 f [BGH 21.11.1991 - IX ZR 290/90]).

9

Der Kläger kann sich zur Stützung seiner Argumentation auch nicht auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg vom 08.07.1988 (teilweise veröffentlicht in MDR 1988, 861 f) berufen. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg sowie aus dem der Berufungsentscheidung zugrundeliegenden erstinstanzlichen Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16.10.1987 (72 O 92/87) ergibt sich, daß es in jenem Rechtsstreit um die Frage ging, ob der Besteller einer Werkleistungnach unstreitigem Ablauf der Frist, für die ein Sicherheitseinbehalt vereinbart worden war, die Zahlung restlichen Werklohns an den zwischenzeitlich in Konkurs geratenen Unternehmer bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist verweigern kann, obwohl Mängel nicht vorlagen und es ungewiß war, ob und wann ein Gewährleistungsanspruch noch entstehen würde. Das Oberlandesgericht Hamburg hat in diesem Fall der Klage des Konkursverwalters auf Zahlung restlichen Werklohns stattgegeben, weil der Besteller wegen dieser Ungewißheiten über keinen berücksichtigungsfähigen Gewährleistungsanspruch, der schon einem Forderungsrecht i.S.v. § 241 BGB entspreche, verfüge. Die spekulative "Chance", ob jemals ein Gewährleistungsanspruch gegen die Gemeinschuldnerin entstehen werde, dürfe in einem Konkursverfahren keine Berücksichtigung finden. Ferner führt das OLG Hamburg in den Entscheidungsgründen aus, daß "mangels einer anderweitigen vertraglichen Absicherung" der Besteller den Vermögensverfall der Gemeinschuldnerin in einem solchen Fall hinnehmen müsse (ebenso: OLG Hamm, BauR 1994, 537 f, Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl., § 17 Rdnr. 4).

10

Anders liegt es jedoch hier. Im vorliegenden Rechtsstreit beruft sich die Beklagte gerade auf eine "anderweitige vertragliche Absicherung". Die Frist, die die Gemeinschuldnerin der Beklagten vertraglich für den Sicherheitseinbehalt eingeräumt hat, ist unstreitig noch nicht abgelaufen. Die Beklagte kann deshalb bis zum Ablauf dieses Zeitraums, auch ohne daß Mängel gegenwärtig ersichtlich sind, die Auszahlung des einbehaltenen restlichen Werklohns verweigern.

11

Auch aus § 17 KO läßt sich für den Standpunkt des Klägers nichts gewinnen. Diese Vorschrift findet nur Anwendung, wenn ein beiderseits noch unerfüllter Vertrag vorliegt. Die vollständige Erfüllung des Vertrages durch nur eine Partei schließt bereits die Anwendung von § 17 KO aus (Kilger, Konkursordnung, 16. Aufl., § 17 Anm. 3 a)). So liegt es hier. Die Gemeinschuldnerin hat die ihr aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Bauvertrages geschuldete Leistung vollständig erbracht. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, daß Mängel am hergestellten und abgenommenen Werk bisher nicht aufgetreten sind. Damit hat die Gemeinschuldnerin ihrerseits den Vertrag vollständig erfüllt. Die bloße Möglichkeit, daß das hergestellte Werk bei Abnahme unerkannt mangelbehaftet gewesen ist und sich Mängel im Laufe der Gewährleistungszeit zeigen werden, führt nicht dazu, eine noch nicht vollständige Vertragserfüllung der Gemeinschuldnerin anzunehmen.

12

Die Ausführungen des Klägers zu § 54 Abs. 3 KO führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Vorschrift ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Die Beklagte rügt keine Mängel und beruft sich nicht darauf, daß ihr i.S. v. § 54 KO betagte oder aufschiebend bedingte Gegenforderungen zustünden, was auch nur möglich wäre, wenn der rechtliche Bestand eines Anspruchs gewiß ist (BGH MDR 1994, 573). Vielmehr beruft sie sich noch während der laufenden Frist, für die eine Sicherheit vereinbart worden ist, auf die weiterhin gültige vertragliche Vereinbarung, die sie in zulässiger Weise vor Konkurseröffnung mit der Gemeinschuldnerin getroffen und die ihre Wirkung auch nach Konkurseröffnung behalten hat.

13

Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels trägt der Kläger gem. § 97 Abs. 1 ZPO.