Landgericht Lüneburg
Urt. v. 26.11.1998, Az.: 6 S 150/98

Auslegung eines Werkvertrages

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
26.11.1998
Aktenzeichen
6 S 150/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 30696
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:1998:1126.6S150.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lüneburg - 30.07.1998 - AZ: 10 C 69/98

Fundstellen

  • BauR 1999, 936-937 (Volltext)
  • IBR 1999, 589 (Volltext mit red. LS u. Anm.)

Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg hat
auf die mündliche Verhandlung vom 05. November 1998
durch
die Richter am Landgericht ... und ...
den Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 30. Juli 1998 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

2

Der Kläger kann dem Grunde nach für die von ihm erbrachten und in der Rechnung vom 12. Juni 1995 aufgeführten Werkleistungen von dem Beklagten Werklohn gemäß §§ 631, 632 BGB verlangen.

3

1.

Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten steht nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme für die Kammer fest, dass zwischen den Parteien ein Werkvertrag über die erbrachten Werkleistungen zu Stande gekommen ist. Am Freitag, dem 24. März 1995, gab der Beklagte auf der Baustelle in ... dem Kläger den Auftrag, die erbrachten Werkleistungen zu erbringen. Der Beklagte konnte auf der Baustelle die von dem Kläger ein 3/4 Jahr zuvor installierten Grundleitungen nicht vorfinden, um diese mit den übrigen im Hause verlegten Leitungen anschließen zu lassen. Aus diesem Grunde hatte er den Kläger zuvor angerufen und ihn an Ort und Stelle gefragt, wo die verlegten Grundleitungen sich befänden. Nachdem der Kläger dies ungefähr gezeigt hatte, hat der Beklagte nach Aussage des Zeugen ... zum Kläger gesagt: "Dann sehen Sie zu, wie Sie die rauskriegen." Bei dieser Bekundung handelt es sich um eine auslegungsbedürftige Willenserklärung gemäß §§ 133, 157 BGB, da die Erklärung selbst keinen eindeutigen Inhalt nach dem Wortlaut hat. Jedoch durfte der Kläger diese Willenserklärung als Auftragsvergabe für die von ihm erbrachten Werkleistungen verstehen. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nämlich so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (BGH NJW 1990, 3206; NJW 1992, 1446). Bei der vorzunehmenden Auslegung ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger die ihm vom Bauherrn ... in Auftrag gegebenen Leistungen zwar nicht vollständig fertiggestellt hatte, da vor Vollendung durch die zuständige Bauordnungsbehörde ein Baustop auf der Baustelle verhängt wurde. Jedoch wurden aber die noch offenen Leistungen des Klägers von einer Drittfirma ausgeführt, die der Bauherr hierzu beauftragte. Da der Kläger für die bischer erbrachten Bauleistungen von dem Bauherrn die vertragsmäßige Vergütung erhielt, ist von einer vorzeitigen Vertragsbeendigung zwischen dem Bauherrn und dem Kläger auszugehen. Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten ist in diesem Fall eine Abnahme des unvollendet gebliebenen Teilwerkes für die Fälligkeit des Werklohnanspruches nicht erforderlich (BGH, BauR 1987, 95 - für den VOB-Bauvertrag -; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 8. Auflage, Rn. 1337 m.w.N.) Insoweit durfte der Kläger die Aufforderung des Beklagten als eine gesonderte Auftragsvergabe verstehen und konnte sie nicht als ein Verlangen deuten, seine bisherigen erbrachten Werkleistungen zu vollenden.

4

Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten ging es bei der erteilten Auftragsvergabe nicht nur um die Klärung, an welcher Stelle sich die verlegte Grundleitung im Erdreich unterhalb der darüber geschütteten Betondecke befand. Vielmehr wurde der Beklagte aus der Sicht eines objektiven Empfängers mit den Worten: "Dann sehen Sie zu, wie Sie die rauskriegen" auch beauftragt, die gefundene Grundleitung im Erdreich insoweit wetterzuverlegen "rauskriegen", dass sie mit den vorhandenen Installationsleitungen angeschlossen werden konnte. Hierzu war aber die weitere Verlegung des Schmutzwasserkanals (Grundleitung) einschließlich der hierzu erforderlichen Erdarbeiten notwendig. Nur durch diese Arbeiten konnte die Grundlegung aus der Betondecke - im Sinne von "rauskriegen" - herausgeholt werden.

5

2.

Das Verlangen des Beklagten konnte der Kläger als Erklärungsempfänger auch nicht als eine Aufforderung zu einer Mängelbeseitigung der bisher erbrachten Werkleistungen verstehen. Denn im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten hat das Amtsgericht nach durchgeführter Beweisaufnahme zutreffend festgestellt, dass die im Jahre 1994 für den Bauherrn erbrachten Werkleistungen des Klägers mangelfrei waren: Insbesondere ergibt sich aus der Beweisaufnahme, dass der Kläger die ihm obliegende Verpflichtung zum Zeitpunkt des Baustopps, nämlich das Ende der von ihm verlegten Leitungen durch eine Bohle zu kennzeichnen, erfüllt hat. Hierdurch hat er seien vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Bauherrn gemäß Ziffer 8 der zwischen ihnen getroffenen Allgemeinen Vertragsbedingungen Genüge getan. Nach Aussage des Zeugen ... wurde nämlich am Ende des verlegten Rohres in dem Boden eine Bohle in eine Tiefe von 40/50 cm gesteckt und hierdurch das Ende der erbrachten Leitungen gesichert. Diese Absicherung ist nach Auffassung der Kammer auch Ausreichend gewesen, da hierdurch für alle weiteren Beteiligten am Bauvorhaben deutlich sichtlich auf das Ende der gelegten Leitungen hingewiesen wurde. Eine zusätzliche Beschriftung der Bohle war hingegen nicht erforderlich. Die Bohle stellte für sich genommen eine ausreichende Warnung für alle am Bau Beteiligten dar und verpflichtete diese sich gegebenenfalls bei dem bauüberwachenden Architekten über den näheren Hintergrund dieser Warnung zu informieren. Jedenfalls durfte der Kläger davon ausgehen, dass diese Kennzeichnung nachfolgende Handwerker davor abhalten würde, ohne nähere Nachforschungen die von ihm verlegten Leitungen einzubetonieren. Die Einwendung des Beklagten, dass die Bohle dies gerade nicht verhindert hat, widerlegt nicht ihre ausreichende Warnfunktion. Denn insoweit ist nicht auszuschließen, dass Dritte diese Bohle im Nachhinein beseitigt haben. Dieses aber kann dem Kläger, der nach dem Baustop aufgrund des ausdrücklichen Wunsches des Bauherrn nicht mehr seine Arbeiten zu Ende führte, nicht vorgeworfen werden.

6

3.

Die vorbezeichnete empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach dem Empfängerhorizont auszulegen ist, kann der Beklagte auch nicht gemäß § 119 Abs. 1 BGB anfechten, wobei dahingestellt bleiben kann, ob aus seinem Vorbringen überhaupt eine ausdrückliche Anfechtungserklärung zu entnehmen ist. Nach der Darlegung des Beklagten mag es zwar zutreffend sein, dass er bei der Willensbildung von der falschen Vorstellung ausging, der Kläger müsse im Rahmen einer notwendigen Mängelbeseitigung die von ihm in Auftrag gegebenen Arbeiten verrichten. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Irrtum über die Rechtsfolgen der Erklärung bzw. um einen Irrtum im Beweggrund. § 119 bar, wenn der Irrtum sich auf die Rechtsfolgen bezieht, die sich nicht aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts ergeben, sondern nach der Gesetzeslage eintreten (BGH NJW 1995, 1485 [BGH 15.12.1994 - IX ZR 252/93]). In diesem Umfang hat sich aber der Beklagte geirrt, wenn er die Auffassung vertrat, dass der Kläger aus Rechtsgründen zur kostenlosen Erbringung Werkleistungen wegen angeblicher Mängelgewährleistung verpflichtet ist.

7

4.

Schließlich hat der Beklagte auch im eigenen Namen den Auftrag erteilt. Es mag zwar rechtlich zutreffend sein, dass ein Architekt grundsätzlich berufsspezifisch für seinen Auftraggeber (Bauherrn) tätig wird, so dass die Vermutung für ein Handeln in seinem Namen spricht. Die Frage, ob der Beklagte als Architekt für den Bauherrn oder im eigenen Namen bei der Auftragsvergabe tätig wurde, stellt sich hier jedoch schon nach dem ausdrücklichen Vorbringen des Beklagten nicht. Denn er hat - wie er selbst zutreffend in der Berufung ausführt - zu keinem Zeitpunkt behauptet, er habe als Architekt im Namen des Bauherrn gehandelt Daher hatte auch der Beklagte bei Auftragsvergabe keinen Vertretungswillen, der für den Kläger erkennbar hervorgetreten ist. Wenn es aber bei Abgabe der Erklärung bei dem Beklagten an dem Willen fehlte, im fremden Namen zu handeln, so folgt daraus zwingend, dass der Beklagte selbst als Handelnder aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet ist. Dies folgt auch aus einem Umkehrschluss zu § 164 Abs. 2 BGB. Wenn danach der Wille im fremden Namen zu handeln, nicht erkennbar hervortritt, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht. Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass ein Handeln im eigenen Namen aber immer auch dann vorliegt, wenn bei dem Handelnden grundsätzlich kein Vertretungswille vorliegt.

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Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.