Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 09.03.2005, Az.: 11 B 813/05

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
09.03.2005
Aktenzeichen
11 B 813/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 43247
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0309.11B813.05.0A

Amtlicher Leitsatz

Angesichts der allgemeinen Menschenrechts- und politischen Lage in Syrien dürfen Asylanträge von dortigen Staatsbürgern nur in seltenen Ausnahmefällen als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden.

Gründe

1

Das nach § 80 Abs. 5 VwGO, § 36 Abs. 3 und 4 AsylVfG zu beurteilende Begehren ist begründet.

2

Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers nach den hierfür bestehenden gesetzlichen Vorgaben (§ 30 AsylVfG) und den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 1983 - 1 BvR 1470/82 - BVerfGE 65, 7695 ff.) zu Unrecht als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Zumindest das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG bezüglich Syrien kann nicht eindeutig verneint werden.

3

Ob die Behauptung des Antragstellers, er sei nach einer Versammlung von kurdischen Intellektuellen in einem Vorort von Kamishli am 20. Dezember 2004, die er mit anderen geleitet haben soll, vom Sicherheitsdienst seines Heimatlandes gesucht worden, der Wahrheit entspricht, kann erst nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der der Antragsteller erneut zu seinen Ausreisegründen befragt werden wird, mit der erforderlichen Sicherheit beurteilt werden.

4

Die Richtigkeit des Vortrages erscheint nach der allgemeinen Lage in Syrien nicht ausgeschlossen. Syrien ist kein demokratischer Rechtsstaat. Politische Freiheiten sind praktisch und formal-juristisch weitgehend außer Kraft gesetzt. Alle Lebensbereiche werden kontrolliert, so dass eine direkte politische Opposition nicht möglich ist. Organisierte Formen des Widerstands sind weitgehend zerstört. Es gibt mindestens 300 politische Gefangene. Auch gegen Aktivitäten kurdischer Volkszugehöriger wird vorgegangen, wenn sie als politisch konkretes Handeln gegen die Integrität des syrischen Staates angesehen werden. Schon im normalen Polizeigewahrsam sind Misshandlungen an der Tagesordnung. Bei Fällen mit politischem Bezug wird in erheblichem Ausmaß Folter angewendet (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Dezember 2004).

5

Vor diesem Hintergrund muss bei syrischen Staatsbürgern die Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet die seltene Ausnahme bleiben. Eine solche ist im Falle des Antragstellers nicht erkennbar. Er ist vom Bundesamt umfangreich angehört worden. Sein Vortrag ist dabei weder unschlüssig noch in gravierender Weise unsubstanziiert oder widersprüchlich gewesen. Er hat zudem eine erhebliche Zahl von Dokumenten eingereicht. Für die Würdigung der Angaben des Antragstellers - schon dies spricht indiziell gegen die Richtigkeit der Einschätzung der Antragsgegnerin - hat das Bundesamt im Bescheid vom 16. Februar 2005 acht Seiten benötigt.