Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 31.10.2003, Az.: 2 A 99/00
Bodenwerterhöhung; Sanierungsausgleichsbetrag; Sanierungsgebiet; Sanierungsmaßnahme; Vorauszahlung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 31.10.2003
- Aktenzeichen
- 2 A 99/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48261
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 133 Abs 3 S 1 BauGB
- § 154 Abs 6 BauGB
- § 136 Abs 1 BauGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Erhebung einer Vorauszahlung auf den Sanierungsausgleichsbetrag hängt nicht davon ab, dass eine den Zielen der Sanierung entsprechende Grundstücksnutzung gerade erst durch die bislang durchgeführten Sanierungsmaßnahmen ermöglicht worden oder dass der endgültige Abschluss der Sanierung zeitlich bereits absehbar ist.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Vorauszahlungen auf den Sanierungsausgleichsbetrag.
Er ist Eigentümer der 276 m², 170 m² und 232 m² großen Grundstücke G. 7 (Flurstück 102/6, Flur 9), G. 17 (Flurstück 150/24, Flur 9) und G. 20 (Flurstück 106/4, Flur 8), die im unmittelbaren Ortszentrum der Stadt H. liegen und jeweils mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut sind. Für diese Grundstücke existierte ursprünglich kein Bebauungsplan; im Flächennutzungsplan der Beklagten war insoweit jeweils eine Mischgebietsfläche und eine Geschossflächenzahl von 0,8 vorgesehen.
Durch ihre am 30.03.1990 in Kraft getretene Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „I. - Innenstadt“ vom 27.11.1989 hatte die Stadt H. das in der Satzung näher bezeichnete Gebiet - in dem auch die Grundstücke des Klägers liegen - als Sanierungsgebiet festgesetzt. Ziel der Sanierung war zum einen die Erneuerung verschiedener Straßen und Plätze bei gleichzeitiger Reduzierung der als problematisch empfundenen Verkehrsbelastung im Innenstadtbereich sowie die Modernisierung der dort vorhandenen, zum Teil als mangelhaft angesehenen Bausubstanz, um auf diese Weise - unter größtmöglicher Erhaltung des gewachsenen innerstädtischen Charakters bzw. des äußeren Erscheinungsbildes - sowohl den zentralen Geschäftsbereich zu sichern und zu stärken als auch die allgemeine Attraktivität der Innenstadt zu steigern. Zum anderen sollten die im Innenstadtbereich vorhandene Wohnnutzung u.a. durch Verbesserung der Bausubstanz und des Wohnumfeldes erhalten und stabilisiert und darüber hinaus verschiedene bislang unzureichend genutzte bzw. geordnete Flächen neu gestaltet bzw. einer neuen Nutzung zugeführt werden. Zu diesem Zweck wurden in der Folgezeit zahlreiche Straßen, Wege und Plätze umgestaltet, eine Reihe von innerstädtischen Grundstücken neu geordnet und verschiedene Gebäude modernisiert bzw. in Stand gesetzt; ein Teil des unmittelbaren Ortszentrums wurde verkehrsberuhigt ausgebaut bzw. - im Bereich des Marktes - in eine Fußgängerzone umgewandelt. Darüber hinaus erließ die Stadt H. im Zuge der Sanierung u.a. die Bebauungspläne Nr. 1.1 („J.“) und Nr. 27.2 („K.“), deren Geltungsbereiche u.a. auch die Grundstücke des Klägers erfassen und diese - mit Ausnahme eines an der Nordseite des Grundstücks G. 20 befindlichen, zu einem rückwärtigen Parkplatz führenden Durchgangs - nunmehr als zwei- bzw. dreigeschossig bebaubares Kerngebiet mit einer Grundflächenzahl von jeweils 1,0 und einer Geschossflächenzahl von 2,0 (Grundstück G. 20) bzw. 2,6 (Grundstücke G. 7 und 17) ausweisen.
Im Mai 1998 informierte der im Auftrag der Stadt H. handelnde Sanierungsträger den Kläger darüber, dass die Sanierung zwar noch nicht allen Bereichen des Sanierungsgebietes abgeschlossen, eine Fortführung bzw. ein endgültiger Abschluss der Sanierung derzeit jedoch noch nicht absehbar sei, und wies gleichzeitig darauf hin, dass für die Sanierung grundsätzlich ein entsprechender Ausgleichsbetrag zu entrichten sei. In der Folgezeit kam es zwischen dem Kläger und der Beklagten zunächst zu Verhandlungen über eine etwaige Ablösung des Sanierungsausgleichsbetrages; diese führten letztlich jedoch nicht zu einem Ergebnis.
Mit Bescheid vom 13.04.1999 setzte die Beklagte daraufhin für die Grundstücke des Klägers Vorauszahlungen auf den Sanierungsausgleichsbetrag in Höhe von insgesamt 30.474 DM (14.904 DM für das Grundstück G. 7, 7.650 DM für das Grundstück G. 17 und 7.920 DM für das Grundstück G. 20) fest. Zur Begründung führte sie aus, dass der Wertermittlung die vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte für den Bereich des Landkreises L. im Sanierungsgebiet zum Stichtag 07.10.1997 ermittelten besonderen Bodenrichtwerte zugrunde lägen, aus denen sich für die Grundstücke G. 17 und 20 jeweils ein Anfangswert von 650 DM/m² und ein Endwert von 700 DM/m² und für das Grundstück G. 7 ein Anfangswert von 840 DM/m² und ein Endwert von 900 DM/m² ergebe. Von der daraus für die Grundstücke des Klägers insgesamt resultierenden Bodenwerterhöhung (33.860 DM) würden 90 % als Vorauszahlung festgesetzt.
Nachdem der Kläger hiergegen fristgerecht Widerspruch eingelegt hatte, bat die Beklagte den Gutachterausschuss um die Erstellung von Einzelgutachten für die Grundstücke des Klägers. Diesem Ersuchen entsprach der Gutachterausschuss und kam in seiner Sitzung am 07.03.2000 unter Berücksichtigung der von ihm ermittelten besonderen Bodenrichtwerte und von in der Vergangenheit gezahlten, mittels eines Baulandpreisindexes auf das Jahr 1999 hochgerechneten Kaufpreisen für unbebaute Grundstücke sowie nach Auswertung verschiedener ihm zugänglicher Mietverträge zu dem Ergebnis, dass - jeweils bezogen auf den Wertermittlungsstichtag 07.03.2000 - Anfangswerte von jeweils 650 DM/m² für die Grundstücke G. 17 und 20 sowie 840 DM/m² für das Grundstück G. 7 anzusetzen seien. Die Endwerte ermittelte der Gutachterausschuss in Anwendung des sog. „Modells Niedersachsen“ mit 880 DM/m² für das Grundstück G. 7, 680 DM/m² für das Grundstück G. 17 und 700 DM/m² für das Grundstück G. 20; daraus ergab sich für diese drei Grundstücke im Ergebnis eine sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung von insgesamt 27.740 DM.
Im Hinblick darauf reduzierte die Beklagte mit Bescheid vom 07.06.2000 den vom Kläger insgesamt zu entrichtenden Vorauszahlungsbetrag auf 27.740 DM und zahlte ihm anschließend die Differenz zu der bereits geleisteten Vorauszahlung in Höhe von 2.734 DM zurück; im Übrigen wies sie den Widerspruch des Klägers unter Hinweis auf die eingeholten Gutachten zurück.
Der Kläger hat daraufhin rechtzeitig Klage erhoben und (zunächst) geltend gemacht: Es sei bereits zweifelhaft, ob die Beklagte überhaupt berechtigt sei, Vorauszahlungen auf den Sanierungsausgleichsbetrag zu erheben. Insoweit könne nicht allein darauf abgestellt werden, ob eine den Zielen der Sanierung entsprechende Nutzung seiner Grundstücke „überhaupt“ möglich sei. Entscheidend sei vielmehr, ob sich in dieser Hinsicht durch die Sanierung Veränderungen ergeben hätten, insbesondere etwa zusätzliche, vor der Sanierung nicht bestehende Nutzungsmöglichkeiten eröffnet worden seien; dies sei hier jedoch nicht der Fall. Im Übrigen gehöre es zum Wesen einer Vorauszahlung, dass in absehbarer Zeit eine endgültige Abrechnung zu erwarten sei; auch diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Die Beklagte habe im Vorfeld der Veranlagung zwar zu erkennen gegeben, dass sie die Sanierung im Grunde für beendet ansehe; dann aber müsse die Sanierung (zumindest teilweise) für beendet erklärt und der Sanierungsausgleichsbetrag endgültig festgesetzt werden. Andererseits habe die Beklagte weitere Sanierungsmaßnahmen für die Zukunft nicht gänzlich ausgeschlossen; insoweit sei ein Ende der Sanierung jedoch in keiner Weise absehbar, so dass aus diesem Grunde für die Erhebung von Vorauszahlungen kein Raum sei. Abgesehen davon seien die angefochtenen Bescheide jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil seine Grundstücke durch die Sanierungsmaßnahmen der Stadt H. keinen Sanierungsvorteil erfahren hätten. Ein solcher ergebe sich insbesondere nicht aus den vom Gutachterausschuss im März 2000 erstellten Einzelgutachten, da diese in wesentlichen Teilen unrichtig seien. So sei schon nicht nachvollziehbar, wie der dort genannte Anfangswert von 650 DM/m² zu Stande gekommen sei. Er selbst habe die Grundstücke G. 17 und 20 in den Jahren 1987 und 1988 zu einem Kaufpreis von jeweils lediglich 250 DM/m² - bzw. die Teilfläche des Grundstücks G. 20, auf der sich die Passage befinde, sogar nur zu einem Preis von 125 DM/m² - erworben. Auch unter den vom Gutachterausschuss selbst aufgelisteten Verkaufsfällen habe der Kaufpreis lediglich in vier Fällen mehr als 250 DM/m² betragen, wobei es sich im Übrigen jeweils um Sonderfälle mit entsprechenden „Spitzenpreisen“ gehandelt habe. In diesem Zusammenhang habe der Gutachterausschuss auch den von ihm verwendeten Baulandpreisindex, mit dem er die länger zurückliegenden Kaufpreise hochgerechnet habe, nicht näher erläutert, so dass nicht nachvollzogen werden könne, ob diese Hochrechnung allein unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse erfolgt sei. Zweifelhaft sei die Wertermittlung auch insoweit, als der Gutachterausschuss vorrangig die Kaufpreise für unbebaute Grundstücke herangezogen habe, die durch eine Bauleitplanung erfahrungsgemäß die höchste Wertsteigerung erführen. Außerdem sei nicht berücksichtigt worden, dass seine Grundstücke im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bebauungspläne bereits bebaut gewesen und ab Anfang der 90er Jahre die Preise für Wohnbauland zwar erheblich gestiegen seien, die Preise für gewerblich genutzte Grundstücke dagegen seit dieser Zeit stagnierten. Die vom Gutachterausschuss ergänzend angestellten Ertragsberechnungen seien ebenfalls nicht nachvollziehbar; insbesondere seien die dort für den Bereich des Marktes genannten, vom Gutachterausschuss für erzielbar gehaltenen Erdgeschoss-Rohmieten jedenfalls zum Wertermittlungszeitpunkt absolut unrealistisch. Er selbst habe vielmehr seit dem Jahre 1998 massive Probleme bei der Vermietung der im Gebäude G. 20 gelegenen Ladengeschäfte, die teilweise sogar (vorübergehend) hätten geschlossen werden müssen; entsprechende Nachmieter seien entweder gar nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten zu finden gewesen, obwohl er seine Mietzinsforderungen bereits deutlich reduziert habe. Vor diesem Hintergrund sei auch bei den innerhalb der Gebäude G. 7 und 17 gelegenen Mietobjekte an etwaige Mieterhöhungen nicht zu denken. Soweit der Gutachterausschuss den Endwert anhand des sog. „Modells Niedersachsen“ ermittelt habe, begegne die Wertermittlung ebenfalls erheblichen Bedenken, weil bei der Klassifizierung seiner Grundstücke die ursprünglich vorhandenen städtebaulichen Missstände und (insbesondere) die zur Behebung dieser Missstände durchgeführten Maßnahmen nicht konkret und damit im Ergebnis letztlich nicht nachvollziehbar benannt worden seien. Darüber hinaus habe die Schaffung einer Fußgängerzone im Bereich des Marktes weder zu einer Verbesserung der Verkehrssituation noch zu sonstigen Sanierungsvorteilen, sondern im Gegenteil zu Nachteilen für die anliegenden Geschäftsgrundstücke geführt, weil deren Erreichbarkeit trotz Schaffung einiger zusätzlicher Parkplätze insgesamt verschlechtert worden sei. Hinsichtlich des Grundstücks G. 20 sei schließlich darauf hinzuweisen, dass der maßgebliche Bebauungsplan an der nördlichen Grundstücksgrenze einen Durchgang vorsehe, was im Vergleich zu anderen in der Nachbarschaft gelegenen Grundstücken zu einer erheblichen Wertminderung führe.
Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, dass die Grundstücke des Klägers durch die von der Stadt H. durchgeführten Sanierungsmaßnahmen, mit denen insgesamt eine Erhöhung der Aufenthaltsqualität und eine Revitalisierung des historischen Stadtkerns erreicht worden sei, einen Sanierungsvorteil erfahren hätten. Die vom Kläger im Einzelnen gegen die Wertermittlung erhobenen Einwände seien unbegründet, weil sie sich im Wesentlichen lediglich auf allgemeine wirtschaftliche Gegebenheiten wie z.B. überregional zu erkennende fehlende Binnennachfrage im Einzelhandel, geringeres Einkommen verschiedener Bevölkerungsgruppen, Vermehrung von Geschäftslokalen der verschiedenen Branchen u.ä. bezögen. Zu Unrecht beklage der Kläger auch das Fehlen ausreichender Parkmöglichkeiten in der Nähe seiner Geschäftsgrundstücke. Vielmehr komme gerade den Grundstücken im Bereich des Marktes der neu geschaffene Parkplatz an der Brunnenstraße zugute; darüber hinaus befänden sich in relativ geringer Entfernung drei weitere innenstadtnahe und fußläufig gut erreichbare Parkplätze. Warum der Kläger aus der Existenz des auf dem Grundstück G. 20 vorhandenen Durchgangs eine erhebliche Wertminderung ableite, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar; vielmehr sei hierdurch die Erschließung des Grundstücks - nämlich zu einem rückwärtig gelegenen Parkplatz - verbessert und dem Kläger eine Erweiterung der Schaufensterfläche des entsprechenden Ladengeschäftes ermöglicht worden.
Auf Grund der Erörterungen in der anschließend auf den 31.05.2002 anberaumten mündlichen Verhandlung hat die Kammer mit Beweisbeschluss vom 17.06.2002 Beweis darüber erhoben, welche sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung die Grundstücke des Klägers durch die im Bereich der Stadt H. durchgeführten Sanierungsmaßnahmen zum Wertermittlungsstichtag 07.03.2000 erfahren haben. Der mit der Erstattung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens beauftragte Obere Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Niedersachsen kam daraufhin in seinen am 30.07.2003 ausgefertigten (Einzel-)Gutachten - auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird - zu dem Ergebnis, dass zum maßgeblichen Wertermittlungsstichtag auf Grund entsprechender Ertragsberechnungen Anfangswerte von 340 DM/m² für das Grundstück G. 20, 450 DM/m² für das Grundstück G. 17 und 425 DM/m² für das Grundstück G. 7 als sachgerecht anzusehen seien. Die Endwerte ermittelte der Obere Gutachterausschuss auf der Grundlage des „Modells Niedersachsen“ und gelangte insoweit zu prozentualen Bodenwerterhöhungen von 15 % für das Grundstück G. 20 (unter Berücksichtigung eines Abschlages von 10 % des Grundstückswertes wegen der auf diesem Grundstück vorhandenen Passage) sowie jeweils 9 % für die Grundstücke G. 7 und 17. Daraus ergaben sich Endwerte von rd. 391 DM/m² für das Grundstück G. 20, rd. 490 DM/m² für das Grundstück G. 17 und rd. 463 DM/m² für das Grundstück G. 7 bzw. (in dieser Reihenfolge) sanierungsbedingte Bodenwerterhöhungen von 11.832 DM, 6.885 DM und 10.557 DM (insgesamt mithin 29.274 DM).
Der Kläger hat daraufhin erklärt, dass der Obere Gutachterausschuss seinen Bedenken gegen die ursprünglichen Gutachten des örtlichen Gutachterausschusses zwar weitestgehend Rechnung getragen habe. Gleichwohl könne den Gutachten im Ergebnis nicht zugestimmt werden, weil der Gutachterausschuss im Rahmen seiner Ertragsberechnungen den Faktor zur Ermittlung der Anfangswerte zu hoch angesetzt habe. Es sei nicht gerechtfertigt, die Stadt H. mit den Städten Esens und Wittmund zu vergleichen, weil Letztere in touristisch geprägten Gebieten mit erhöhter Kaufkraft lägen; insoweit sei daher statt des Faktors 25 lediglich der Faktor 18,5 anzusetzen. Die vom Gutachterausschuss angenommene Bodenwertsteigerung könne auch nicht allein mit der Einrichtung einer Fußgängerzone im Zentrum von H. begründet werden, weil sich eine derartige Maßnahme - wie die tatsächlichen Erfahrungen zeigten - jedenfalls in Kleinstädten eher negativ auf die Höhe der Geschäftsraummieten auswirke.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB hat der Eigentümer eines in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks zur Finanzierung der Sanierung einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwertes seines Grundstücks entspricht. Die sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung besteht dabei nach § 154 Abs. 2 BauGB aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebietes ergibt (Endwert). Auf den hiernach zu entrichtenden Ausgleichsbetrag kann die Gemeinde gemäß § 154 Abs. 6 BauGB von dem betroffenen Eigentümer eine Vorauszahlung verlangen, sobald auf dem Grundstück eine den Zielen und Zwecken der Sanierung entsprechende Bebauung oder sonstige Nutzung zulässig ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Soweit der Kläger bereits die grundsätzliche Berechtigung der Beklagten zur Erhebung von Vorauszahlungen bezweifelt, ist dieser Einwand unbegründet. Voraussetzung hierfür ist - im Hinblick darauf, dass es sich bei der Vorauszahlung letztlich um eine Art Abschlagszahlung auf den endgültigen Sanierungsausgleichsbetrag handelt - zunächst, dass die Sanierung (rechtlich) noch nicht abgeschlossen sein darf. Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Stadt H. bzw. der in ihrem Auftrag handelnde Sanierungsträger hat im Vorfeld der streitigen Veranlagung zwar zum Ausdruck gebracht, dass die Sanierung in weiten Teilen des Sanierungsgebietes faktisch als beendet angesehen werde, gleichzeitig aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Sanierung noch nicht in allen Teilen des Sanierungsgebietes abgeschlossen sei. Demgemäß sind - worauf es rechtlich letztlich allein ankommt - Maßnahmen nach §§ 162, 163 BauGB (gänzliche oder teilweise Aufhebung der Sanierungssatzung, Entlassung einzelner Grundstücke aus der Sanierung) jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Erlasses der hier angefochtenen Bescheide nicht durchgeführt worden. Im Übrigen setzt die Erhebung einer Vorauszahlung - lediglich - voraus, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Gemeinde mit einem entsprechenden Verlangen an den Eigentümer herantritt, eine den Zielen und Zwecken der Sanierung entsprechende Grundstücksnutzung zulässig ist. Die in § 154 Abs. 6 BauGB enthaltene Formulierung „sobald“ bezeichnet daher insoweit allein eine zeitliche Grenze (vgl. Bielenberg/Koopmann/Krautzberger, Städtebauförderungsrecht, Bd. I, Stand: Juni 2003, § 154 BauGB, Rn. 283, 284, 291 sowie - dies als selbstverständlich voraussetzend - Nds. OVG, B. v. 13.03.1997 - 1 M 4892/96 -, NVwZ-RR 1998, 582), setzt dagegen nicht zusätzlich voraus, dass eine bestimmte (erstmalige oder weitergehende) Grundstücksnutzung gerade erst durch die (bislang) durchgeführte Sanierung ermöglicht worden ist. Abgesehen davon wäre auch Letzteres hier der Fall, weil im Zuge der Sanierung u.a. die Bebauungspläne Nr. 1.1 und 27.2 aufgestellt worden sind, durch die die rechtlich zulässigen Nutzungsmöglichkeiten der - vor der Sanierung unbeplanten - Grundstücke des Klägers sowohl hinsichtlich der Art als auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung geändert bzw. erweitert worden sind.
Soweit der Kläger weiter meint, eine Vorauszahlung auf den Sanierungsausgleichsbetrag könne zumindest deshalb nicht verlangt werden, weil Art, Umfang und insbesondere Zeitpunkt der von der Stadt H. künftig noch für erforderlich gehaltenen weiteren Sanierungsmaßnahmen in keiner Weise absehbar seien, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden, weil § 154 Abs. 6 BauGB eine dem § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB vergleichbare Regelung - wonach eine Vorauszahlung auf den Erschließungsbeitrag u.a. nur dann verlangt werden kann, wenn die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist - bzw. eine anderweitige zeitliche Begrenzung gerade nicht enthält. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 136 Abs. 1 BauGB. In dieser Vorschrift kommt zwar die Erwartung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass städtebauliche Sanierungsmaßnahmen grundsätzlich „zügig“ durchzuführen sind; eine bestimmte zeitliche Grenze, bis zu der entsprechende Sanierungsmaßnahmen abgeschlossen sein müssen, lässt sich daraus jedoch so lange nicht ableiten, als der Gemeinde - wofür hier nichts ersichtlich ist - nicht vorzuwerfen ist, sie betreibe die Sanierung ohne schlüssiges Gesamtkonzept oder aus sonstigen Gründen unsachgemäß bzw. „missbräuchlich“ (vgl. BVerwG, U. v. 10.07.2003 - 4 CN 2.02 -). Abgesehen davon dürfte sich ein etwaiger Verstoß gegen das Gebot der „zügigen“ Sanierung ohnehin in erster Linie auf die Wirksamkeit der Sanierung (bzw. der zugrunde liegenden Sanierungssatzung) als solche, nicht dagegen auf die Frage auswirken, welche Bodenwertsteigerung ein bestimmtes Grundstück durch die bislang bereits durchgeführten Sanierungsmaßnahmen erfahren hat. Die angefochtenen Bescheide sind schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt zu beanstanden, dass der im Widerspruchsbescheid vom 07.06.2000 festgesetzte (reduzierte) Betrag von 27.740 DM der vom örtlichen Gutachterausschuss in den drei Einzelgutachten (insgesamt) ermittelten Bodenwerterhöhung der klägerischen Grundstücke entsprach und die Beklagte daher - zumindest aus damaliger Sicht - im Ergebnis 100 % des (vermutlich) endgültigen Sanierungsausgleichsbetrages als Vorauszahlung verlangt hat. Dies mag zwar insoweit nicht ganz konsequent erscheinen, als die Beklagte im Ausgangsbescheid vom 13.04.1999 lediglich 90 % der seinerzeit angenommenen Werterhöhung als Vorauszahlung gefordert hatte. Rechtlich ausgeschlossen ist eine derartige „volle“ Abschöpfung allerdings solange nicht, als der zu erwartende endgültige Sanierungsausgleichsbetrag der Höhe nach durch die geforderte Vorauszahlung nicht überschritten wird (vgl. Bielenberg/Koopmann/Krautzberger, aaO, Rn. 283, 293, 294; Nds. OVG, aaO); dafür ist hier jedoch - schon im Hinblick darauf, dass der Obere Gutachterausschuss für die Grundstücke des Klägers nunmehr eine insgesamt höhere Bodenwertsteigerung ermittelt hat - nichts ersichtlich.
Auch in der Sache ist der Kläger zu Recht zu Vorauszahlungen auf den Sanierungsausgleichsbetrag herangezogen worden, weil seine Grundstücke, die innerhalb des durch die Sanierungssatzung der Stadt H. förmlich festgelegten Sanierungsgebietes liegen, durch die Sanierung einen Sanierungsvorteil im Sinne des § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB erfahren haben. Dieser resultiert zum einen aus der tatsächlichen Neuordnung des Sanierungsgebietes durch die u.a. im angefochtenen Widerspruchsbescheid im Einzelnen genannten Sanierungsmaßnahmen - insbesondere auch durch die Schaffung einer Fußgängerzone im Bereich des Marktes (vgl. dazu B. der Kammer v. 29.11.1995 - 2 B 43-45/94 -; VG Bremen, U. v. 19.05.1993 - 1 A 153/89 -, GuG 1994, 59 m.w.N.) - , zum anderen aus der rechtlichen Neuordnung des Sanierungsgebietes durch die im Zuge der Sanierung aufgestellten Bebauungspläne Nr. 1.1 und 27.2, durch die die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke des Klägers sowohl hinsichtlich der Art der zulässigen Nutzung (Kerngebiet statt zuvor Mischgebiet) als auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung (insbesondere Erhöhung der Geschossflächenzahl auf 2,0 bzw. 2,6) erheblich verändert bzw. erweitert worden ist. Einen entsprechenden Sanierungsvorteil bestreitet der Kläger - wie sein (letzter) Schriftsatz vom 25.08.2003 belegt - dem Grunde nach auch selbst nicht mehr.
Die gegen den Kläger (zuletzt auf insgesamt 27.740 DM) festgesetzten Vorauszahlungen sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die nach §§ 154 Abs. 2 BauGB, 28 Abs. 3 WertV maßgeblichen Anfangs- und Endwerte sind nach § 28 i.V.m. § 7 Abs. 1 WertV (alternativ oder kumulativ) im Wege des Vergleichswertverfahrens, des Ertragswertverfahrens oder des Sachwertverfahrens zu ermitteln, wobei im Rahmen des - auch im vorliegenden Verfahren angewandten - Vergleichswertverfahrens die Wertermittlung entweder durch die Heranziehung von Kaufpreisen vergleichbarer Grundstücke (§ 13 Abs. 1 WertV) oder durch die Heranziehung geeigneter Bodenrichtwerte (§§ 13 Abs. 2 WertV, 196 Abs. 1 Satz 5 BauGB) erfolgen kann. Letzteres hat hier auch der - von der Kammer mit der Erstattung entsprechender Sachverständigengutachten beauftragte - Obere Gutachterausschuss getan und die hieraus gewonnenen (Teil-)Ergebnisse sodann durch ergänzende und vergleichende Berechnungen anhand der von ihm für erzielbar gehaltenen Mieteinnahmen (sog. „Relation Bodenwert/Ladenmiete“) sowie des „Modells Niedersachsen“ - bei denen es sich ebenfalls um zulässige und in der Rechtsprechung als geeignet anerkannte Wertermittlungsmethoden handelt (vgl. u.a. Nds. OVG, U. v. 24.01.1992 - 1 L 46 u. 47/90 -; B. v. 13.03.1997, aaO; U. v. 30.05.2001 - 1 L 3318/00 -) - weiter modifiziert. Die insoweit erstellten Einzelgutachten enthalten schlüssige und nachvollziehbare Berechnungen bzw. Bewertungen und lassen die vom Gutachterausschuss für die Grundstücke des Klägers (nunmehr) angenommenen Bodenwertsteigerungen im Ergebnis als sachgerecht erscheinen. Auch der Kläger selbst hat in seinem Schriftsatz vom 25.08.2003 ausdrücklich eingeräumt, dass der Obere Gutachterausschuss seinen Bedenken gegen die zugrunde liegende Wertermittlung durch den örtlichen Gutachterausschuss „weitestgehend Rechnung getragen habe“; daraus ist zu schließen, dass er seine ursprünglichen, in der Klagebegründung erhobenen Einwände gegen die Ermittlung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung - mit Ausnahme der nachfolgend zu erörternden Gesichtspunkte - nicht mehr aufrechterhält.
Soweit der Kläger die nunmehr ermittelten Anfangswerte für überhöht hält, erweist sich dieser Einwand als unbegründet. Der Obere Gutachterausschuss hat insoweit in erster Linie auf Untersuchungen von M. sowie des örtlichen Gutachterausschusses für den Bereich Emden/Aurich/Wittmund abgestellt, in denen - was im Grundsatz sachgerecht ist und auch vom Kläger nicht angezweifelt wird - für eine Vielzahl von niedersächsischen Städten eine Relation zwischen den dort ermittelten Bodenrichtwerten und den in den zentralen Geschäftsbereichen erzielbaren Ladenmieten hergestellt und mit einem bestimmten Vervielfältigungsfaktor versehen worden ist, der nach den Untersuchungen von M. in Kleinstädten (bis zu 16.000 Einwohnern) 12 - 30 bzw. in Fußgängerzonen durchschnittlich 18,5 und für den Bereich Esens/Wittmund nach den Ermittlungen des dortigen Gutachterausschusses 25 - 30 beträgt. Die darauf aufbauende Einschätzung des Gutachterausschusses, die für den Bereich Esens/Wittmund ermittelten Daten seien mit denen aus H. vergleichbar und rechtfertigten deshalb die Ansetzung des niedrigsten für den Bereich Esens/Wittmund ermittelten Faktors 25, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Wie sich aus der jeweils auf S. 15 der Einzelgutachten abgedruckten Tabelle ergibt, ist die Stadt H. sowohl hinsichtlich der Einwohnerzahl als auch hinsichtlich der für die jeweiligen Innenstadtbereiche ermittelten Bodenrichtwerte am ehesten mit den Städten Esens und Wittmund vergleichbar, während der Vervielfältigungsfaktor - bezogen auf solche Bodenrichtwerte, wie sie auch für den Innenstadtbereich von H. ermittelt worden sind (650 DM/m² bis hin zu 840 DM/m²) - schon bei „mittelgroßen“ Städten wie Aurich, Emden und Norden deutlich höher, nämlich bei 32 - 36 liegt; angesichts dessen ist die vom Gutachterausschuss vorgenommene Einstufung grundsätzlich als eher „moderat“ anzusehen. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Verhältnisse in Esens und Wittmund seien mit denen in H. deshalb nicht vergleichbar, weil Erstere in touristisch geprägten Gebieten mit erhöhter Kaufkraft lägen, was sich unmittelbar auf die Höhe der erzielbaren Geschäftsraummieten auswirke. Denn unabhängig davon, ob zumindest die Stadt Wittmund überhaupt als in besonderem Maße „touristisch geprägt“ anzusehen ist, kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der insoweit mit besonderer Sachkunde ausgestattete Obere Gutachterausschuss derartige Wechselbeziehungen - wenn sie denn tatsächlich bestehen sollten - übersehen bzw. bei der Wertermittlung nicht berücksichtigt hat. Im Übrigen liegt der für den Bereich Esens/Wittmund ermittelte Faktor (25 - 30) innerhalb dessen, was auch die umfassender angelegte Untersuchung von M. über die Verhältnisse in (anderen) niedersächsischen Kleinstädten ergeben hat (Faktor 12 - 30). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang allein einen Faktor von 18,5 für angemessen hält, überzeugt dies schon deshalb nicht, weil dieser Faktor lediglich den sich aus der Untersuchung von M. für Kleinstädte mit Fußgängerzonen ergebenden Durchschnittswert darstellt und daher naturgemäß auch „Ausreißer nach unten“ einschließt. Abgesehen davon hat der Obere Gutachterausschuss die sich aus den vorgenannten Ertragsberechnungen ergebenden Anfangswerte (340 - 450 DM/m²) zusätzlich dadurch abgesichert, dass er verschiedene Verkaufsfälle sowohl aus dem Stadtgebiet von H. (Zeitraum 1987 - 1997) als auch aus anderen kleineren Städten im Regierungsbezirk Weser-Ems (Zeitraum 1991 - 2000) ausgewertet hat und dabei zu dem Ergebnis gekommen ist, dass in diesem Zeitraum auch bei geschäftlich genutzten Grundstücken eine erhebliche Preissteigerung zu verzeichnen gewesen sei und sich der durchschnittliche Bodenrichtwert für derartige, in zentralen Geschäftslagen gelegene Grundstücke mittlerweile um ca. 50 % auf 520 DM/m² - und damit deutlich mehr als für die Grundstücke des Klägers angenommen worden ist - erhöht habe. Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung unzutreffend ist, sind nicht ersichtlich und auch vom Kläger selbst nicht geltend gemacht worden.
Auch die für die Grundstücke des Klägers ermittelten Endwerte sind rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit hat der Obere Gutachterausschuss die prozentuale Bodenwertsteigerung jeweils in erster Linie auf der Grundlage des „Modells Niedersachsen“ ermittelt und in diesem Zusammenhang - ohne dass der Kläger dem im Einzelnen widersprochen hätte oder sonst Rechtsfehler erkennbar wären - die einzelnen Grundstücke in bestimmter Weise in den Klassifikationsrahmen dieses Modells eingestuft. Angesichts dessen kann der Kläger - unabhängig von der sachlichen Berechtigung dieses Einwands - nicht mit Erfolg geltend machen, die vom Gutachterausschuss ermittelte Bodenwertsteigerung lasse sich nicht allein mit der Einrichtung einer Fußgängerzone im Innenstadtbereich von H. begründen. Denn diese (jeweils auf S. 18 der Gutachten) enthaltene Aussage des Gutachterausschusses stellt ersichtlich nicht die alleinige bzw. maßgebliche Begründung für die ermittelten Endwerte, sondern lediglich einen ergänzenden - die zuvor gewonnenen Ergebnisse quasi „absichernden“ - Hinweis darauf dar, dass sich die angenommene Bodenwertsteigerung nach den Untersuchungen von M. „auch schon“ mit der im Zuge der Sanierung geschaffenen Fußgängerzone begründen lasse.