Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 08.10.2003, Az.: 2 B 59/03

Allgemeinheit; Entziehung; Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung; Fahrgastbeförderung; Körperverletzung; persönliche Zuverlässigkeit; Trunkenheitsfahrt; Verantwortungsgefühl; Verkehrsverstöße; Zuverlässigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
08.10.2003
Aktenzeichen
2 B 59/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48231
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Einem Taxifahrer, der im Zusammenhang mit einem von ihm verschuldeten Verkehrsunfall eine fahrlässige Körperverletzung und in der Folgezeit außerdem eine Trunkenheitsfahrt (Atemalkoholkonzentration: 0,49 mg/l) begangen hat, fehlt die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit i.S.d. § 48 Abs. 4 Nr. 2 FeV; dies gilt auch dann, wenn die Trunkenheitsfahrt möglicherweise nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Fahrgastbeförderung stand.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller war seit März 2001 im Besitz einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung mit Taxen und Mietwagen. Durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts C. vom 28.03.2003 wurde er wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 600 € verurteilt; dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller am 04.02.2003 anlässlich einer Fahrt mit einem Taxi beim Abbiegen in eine Straße einen ihm entgegenkommenden vorfahrtberechtigten Radfahrer nicht beachtete und deshalb mit diesem zusammenstieß, wobei sich der Radfahrer schwere Verletzungen im Rückenbereich zuzog. Mit - ebenfalls rechtskräftigem - Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.06.2003 wurde der Antragsteller darüber hinaus mit einer Geldbuße von 250 € und einem Fahrverbot von einem Monat belegt, weil er am 18.04.2003 um 08:10 Uhr mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,49 mg/l ein Kraftfahrzeug (Taxi) im Straßenverkehr geführt hatte.

2

Im Hinblick auf diese Verkehrszuwiderhandlungen entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 19.08.2003 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Zur Begründung führte sie aus, dass die aktenkundigen Verkehrsverstöße des Antragstellers, die zudem jeweils mit einem Taxi begangen worden seien, eine rücksichtslose Fahrweise bzw. ein rücksichtsloses Verhalten demonstrierten, wodurch andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere auch Fahrgäste, schwer geschädigt werden könnten. Angesichts dessen biete der Antragsteller nicht mehr die Gewähr dafür, der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht zu werden.

3

Der Antragsteller hat hiergegen Widerspruch erhoben und gleichzeitig um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Er ist der Auffassung, dass eine Entziehung seiner Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung ungeachtet der von ihm unstreitig begangenen Verkehrsverstöße nicht gerechtfertigt sei. Zum einen sei er dringend auf diese Fahrerlaubnis angewiesen, weil bei einem Wegfall seiner Einnahmen aus dem Taxifahren praktisch seine gesamte wirtschaftliche Existenz gefährdet sei. Zum anderen habe es sich bei der Verkehrszuwiderhandlung am 18.04.2003 um einen Vorfall gehandelt, der nicht im Zusammenhang mit einer Taxifahrt gestanden, sondern sich im Privatbereich abgespielt habe. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass er bis auf diese beiden Vorfälle in verkehrsrechtlicher Hinsicht bislang nicht aufgefallen sei.

4

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

5

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.08.2003 wiederherzustellen.

6

Die Antragsgegnerin beantragt unter Vertiefung der Gründe des angefochtenen Bescheides,

7

den Antrag abzulehnen.

II.

8

Der Antrag hat keinen Erfolg.

9

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen belastenden Verwaltungsakt, dessen sofortige Vollziehung die Behörde - wie hier - gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung bedarf es einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung einerseits und dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers andererseits, bei der insbesondere auch die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen sind. Diese Interessenabwägung fällt hier zulasten des Antragstellers aus, weil sich der angefochtene Bescheid aller Voraussicht nach als rechtmäßig und der hiergegen erhobene Widerspruch deshalb als erfolglos erweisen wird.

10

Nach § 48 Abs. 10 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 FeV ist - ohne dass der Behörde insoweit Ermessen eingeräumt ist - die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (u.a.) zu entziehen, wenn deren Inhaber nicht (mehr) die Gewähr dafür bietet, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird. Mit diesem Merkmal wird die persönliche Zuverlässigkeit des Fahrerlaubnisinhabers bzw. -bewerbers umschrieben, die - neben der erforderlichen körperlichen und geistigen Eignung - eine zusätzliche Voraussetzung für die Erteilung oder Belassung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung darstellt und eine Charaktereigenschaft bezeichnet, die sich in einer dauernden Haltung äußert und eine gewissenhafte Erfüllung der aus der Fahrgastbeförderung erwachsenden Pflichten voraussetzt; zuverlässig in diesem Sinne ist daher nur derjenige, der keinen Anlass zu der Befürchtung bietet, er werde sich bei der Fahrgastbeförderung über Bestimmungen hinwegsetzen, die allgemein dem Schutz vor Schädigung und Gefährdung dienen (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 48 FeV Rn. 12 m.w.N.). Im Rahmen der (prognostischen) Beurteilung dieser Frage ist es der Behörde dabei nicht verwehrt, aus dem bisherigen Verhalten des Betroffenen, insbesondere aus etwaigen strafrechtlichen Verfehlungen oder Zuwiderhandlungen gegen die Verkehrvorschriften - auch wenn diese ggf. nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Fahrgastbeförderung stehen - negative Folgerungen für die Zukunft zu ziehen (vgl. BVerwG, B. v. 19.03.1986 - 7 B 19.86 -, NJW 1986, 2779; VGH Mannheim, B. v. 17.04.1989 - 10 S 750/89 -, NVwZ-RR 1990, 164). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Antragsgegnerin hier aller Voraussicht nach zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit - jedenfalls derzeit - nicht besitzt. Denn die den beiden aktenkundigen Verkehrsverstößen des Antragstellers zugrunde liegenden Verhaltensweisen rechtfertigen die Annahme, dass der Antragsteller jedenfalls bei seiner Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr dazu neigt, seine persönlichen Interessen über diejenigen anderer Verkehrsteilnehmer zu stellen und dabei auch Verstöße gegen solche Rechtsvorschriften in Kauf nimmt, die gerade im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit zum Schutz der Allgemeinheit erlassen worden sind. Derartige Verhaltensweisen aber können im Hinblick auf die damit verbundenen Gefährdungen für die Allgemeinheit, nicht zuletzt auch für potenzielle Fahrgäste, grundsätzlich nicht hingenommen werden, wobei im vorliegenden Fall zulasten des Antragstellers zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass er die beiden Verkehrsverstöße innerhalb einer kurzen Zeitspanne von lediglich rd. 2 ? Monaten begangen hat und ihm auch der zwischenzeitlich (wegen des ersten Verstoßes) gegen ihn erlassene Strafbefehl offenbar kein hinreichender Anlass war, sein tatsächliches Verhalten den Erfordernissen des Straßenverkehrs bzw. den Schutzinteressen der Allgemeinheit anzupassen. An dieser Einschätzung ändert auch der Hinweis des Antragstellers nichts, der zweite Verkehrsverstoß (Trunkenheitsfahrt am 18.04.2003) sei nicht im Zusammenhang mit der Fahrgastbeförderung, sondern anlässlich einer „Privatfahrt“ begangen worden. Denn unabhängig davon, ob dieser Sachvortrag zutrifft (immerhin handelte es sich bei dem zum Vorfallszeitpunkt vom Antragsteller geführten Fahrzeug um ein Taxi, und zwar um dasselbe, das er auch bei dem ersten Verkehrsverstoß benutzt hatte), weist diese - bereits in den Morgenstunden und mit einer nicht unerheblichen Atemalkoholkonzentration von 0,49 mg/l (dies entspricht einer Blutalkoholkonzentration von knapp 1,0 g ‰) begangene - Trunkenheitsfahrt jedenfalls einen unmittelbaren Bezug zum öffentlichen Straßenverkehr auf und zeugt von einem unzureichend ausgeprägten Verantwortungsgefühl des Antragstellers gegenüber den Schutzinteressen der Allgemeinheit, das nicht allein dadurch „kompensiert“ wird, dass er zu dem fraglichen Zeitpunkt - was auf bloßem Zufall beruhen kann - mit seinem Fahrzeug gerade keinen Fahrgast befördert hat.

11

Bestehen demgemäß keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, so ist es nach den eingangs dargelegten Grundsätzen auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin dessen sofortige Vollziehung angeordnet hat; die vom Antragsteller geltend gemachten beruflichen bzw. wirtschaftlichen Nachteile können daher im vorliegenden Verfahren keine Berücksichtigung finden.