Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 06.10.2003, Az.: 5 A 66/03
Arbeitnehmer; drittstaatsangehöriger Ehegatte; Erwerbstätigkeit; EU-Mitgliedstaat; Freizügigkeit; strafrechtlich; Visum
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 06.10.2003
- Aktenzeichen
- 5 A 66/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48239
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die europarechtlichen Vorschriften betreffend die Freizügigkeit von EU-Bürgern beeinträchtigen grundsätzlich nicht das Recht der Mitgliedstaaten, ihre innerstaatlichen Angelegenheiten selbst zu regeln.
Bei der Rückkehr eines in einem EU-Staat wohnhaften Deutschen in die Bundesrepublik Deutschland benötigt sein Ehegatte, der Staatsangehöriger eines Drittstaates ist, zur Einreise ein Visum nach dem AuslG, es sei denn, der deutsche Staatsangehörige war im EU-Ausland erwerbstätig und will die Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik fortsetzen.
Gründe
Auch aus seiner bereits vor der dauernden Wohnsitznahme in Italien erfolgten Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen und aus der Beziehung zu seinen in den Jahre 1992 und 1996 in Italien geborenen Kindern kann der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung herleiten.
Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 23 Abs. 1 AuslG steht bereits gem. § 8 Abs. 1 AuslG der Versagungsgrund der Einreise ohne das erforderliche Visum entgegen. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser - Ems vom 09.01.2003 Bezug genommen.
Auch das Vorbringen im Klageverfahren und die durchgeführte Beweisaufnahme rechtfertigt keine andere Entscheidung. Zwar hat der EuGH im Urteil vom 25.07.2002 - RSC - 459/99 - (DVBl. 2003, S. 259; EZAR 814 Nr. 8) entschieden, dass Art. 4 RL 68/360 und Art. 6 der RL 73/148 dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedsstaat nicht gestatten, dem Staatsangehörigen eines Drittstaates, der seine Identität und Tatsache, dass er mit einem Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates verheiratet ist, nachweisen kann, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu verweigern und ihm gegenüber eine Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zu ergreifen, nur weil er illegal in das betreffende Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedsstaates eingereist ist. Aber der Kläger ist gerade nicht als Ehegatte eines Bürgers eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union im Sinne des Vorschriften in das Bundesgebiet eingereist, sondern als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen. Die europarechtlichen Vorschriften betreffend die Freizügigkeit von EU - Bürgern beeinträchtigen nicht das Recht der Mitgliedstaaten, ihre innerstaatlichen Angelegenheiten eigenständig zu regeln (EUGH, Urteil vom 18.10.1990 - RS. C - 297/88 -, EZAR 811, Nr. 12). Außerdem hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 25.07.2002 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Privilegierung des aus einem Drittstaat stammenden Ehegatten bei der Einreise nur dann gilt, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne vom Art. 10 RL 68/360 und Art. 8 RL 73/148 darstellt. Das ist beim Kläger, der vor seiner im Jahre 1990 erfolgten Übersiedlung nach Italien in erheblichem Maße strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und gegen den zuletzt durch Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 21.04.1988 eine nachträgliche gebildete Gesamtstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe wegen Verstoßes gegen des Betäubungsmittelgesetz, unerlaubten Führens einer halbautomatischen Selbstladewaffe und Unterschlagung verhängt wurde, der Fall. Denn er hat nach der am 06.04.1989 endenden Vollstreckung seiner Haftstrafen die Bundesrepublik Deutschland auf Dauer verlassen, so dass nur aus der Tatsache, dass er im Bundesgebiet keine weiteren Straftaten begangen hat, nicht darauf geschlossen werden kann, dass er sich in Zukunft straffrei verhalten wird.
Allerdings ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Mitgliedsstaat verpflichtet, dem Ehegatten eines Angehörigen dieses Staates ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit den Aufenthalt zu gestatten, wenn sich der Angehörige dieses Staates mit seinem Ehegatten in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates begeben hat, um dort eine berufliche Tätigkeit auszuüben und er danach zurückkehrt, um im Hoheitsgebiet des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, beruflich tätig zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 07.07.1992 - RSC - 370/90 - NVwZ 1993, S. 261; Urteil vom 23.09.2003 - RSC 109/01 -).
Voraussetzung für die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften ist stets, dass der Ehegatte im EU - Mitgliedsstaat erwerbstätig war und in sein Heimatlang zurückkehrt, um dort eine unselbständige Berufstätigkeit auszuüben (vgl. Ziffer 4 der Leitsätze des Urteil des EuGH vom 23.09.2003), wobei es auf die Motivlage für die Ausreise und die Rückkehr nicht ankommt.
Die Ehefrau des Klägers hat aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereits vor ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr den Status einer freizügigkeitsberechtigten Arbeitnehmerin aus der EU innegehabt. Denn Arbeitnehmer nach EU - Recht sind diejenigen Ausländer, die eine Beschäftigung als Arbeitnehmer oder Angestellte ausüben oder ausüben wollen. Ein Recht auf Freizügigkeit wird vom EuGH nur solchen Personen eingeräumt, die eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis wirklich ausüben oder ernsthaft ausüben wollen (Hailbronner, § 1 Aufenthaltsgesetz - EWG, Rdnr. 25 m.w.Nachw.). Dies war bei der Ehefrau des Klägers schon Jahre vor ihrer Rückkehr ins Bundesgebiet nicht mehr der Fall. Sie selbst hat dargelegt, dass sie etwa ein halbes Jahr nach der Geburt ihres ältesten Sohnes nicht mehr erwerbstätig war, weil ihr Ehemann, der Kläger, ein Beschäftigung aufgenommen hatte und sie sich um die Kinder kümmern wollte. Hinzukommt, dass die Ehefrau des Klägers nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt ist, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Sie hat selbst erklärt, dass sie sich vor ihrer Arbeitsaufnahme mehr als 1 Jahr nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik nicht um eine Stelle bemüht habe, weil sie es als vorrangig angesehen habe, sich um die Betreuung ihrer Kinder zu kümmern und ihr Ehemann sich vorrangig um eine Arbeitsstelle gekümmert habe.