Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.06.2022, Az.: 3 K 59/22

Auflage; Aufteilung; Vermögensabschöpfung; Abzug einer Vermögensabschöpfung als Betriebsausgabe

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.06.2022
Aktenzeichen
3 K 59/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 66453
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2022:0629.3K59.22.00

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: X R 6/23

Fundstelle

  • GStB 2024, 1

Amtlicher Leitsatz

Stellt eine Zahlung an die Staatskasse sowohl eine Auflage gem. § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO als auch eine Vermögensabschöpfung nach § 73 Abs. 1 StGB dar und hat es das Strafgericht unterlassen, die einzelnen Komponenten des Zahlungsbetrages aufzugliedern, so hat das erkennende Gericht im Schätzungswege jenen Betrag zu ermitteln, der auf die Vermögensabschöpfung entfällt und als Betriebsausgabe abgezogen werden kann.

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob ein im Zusammenhang mit der Einstellung eines Strafverfahrens gezahlter Geldbetrag eine Vermögensabschöpfung darstellt und steuerlich abgezogen werden kann.

Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielte neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch gewerbliche Einkünfte aus einem Handel mit Telefon- und Kommunikationsanlagen. Der Kläger war zudem 2. Vorsitzender des Sportvereins ... e.V. In dieser Funktion war er als Manager der Herrenfußballmannschaft zuständig. 1. Vorsitzender des Vereins war Herr E. Der Verein verfügte über eine Vereinsgaststätte, die mit Vertrag vom 1. Juli 2004 an Frau R. verpachtet wurde. Der Kläger erweiterte zum 30. Juni 2009 seine Gewerbeanmeldung um den Betrieb einer Schankwirtschaft. Außerdem erklärte sein Steuerberater, dass der Kläger seit dem 1. Juli 2009 die Bewirtschaftung des Fußballstadions in H übernommen habe.

Gegen den Kläger und E wurde im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Vereinsvorsitzende des ... e.V. ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dabei ging es um den Vorwurf, dass der Verein für Spieler Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben nicht abgeführt und nicht sämtliche Umsätze aus dem Spielbetrieb erklärt sowie Arbeitsentgelte von Spielern vorenthalten und veruntreut habe. Diese Tatkomplexe kamen mit Anklageschriften vom 17. Mai 2017 (Veruntreuen von Arbeitsentgelt, § 266a StGB) und 2. Juni 2017 (Steuerhinterziehung, § 370 AO) zur Anklage. Bereits im Vorfeld hatte am 28. November 2011 beim Kläger eine Hausdurchsuchung durch die Steuerfahndung stattgefunden.

In der Zeit vom 3. Mai 2012 bis zum 26. Februar 2014 fand beim Kläger eine Außenprüfung bezüglich des Handels mit Telefonanlagen statt. Ausweislich des Betriebsprüfungsberichts ergaben sich folgende Gewinnerhöhungen:

Gewinn vor BPGewinn nach BP
2006./. 3.254,- €+ 32.509,- €
2007./. 1.405,- €./. 1.759,- €
2008+ 46.856,- €+ 113.822,- €
2009+ 36.997,- €+ 52.534,- €
2010+ 1.614,- €+ 1.880,- €

Im Rahmen der Prüfung wurden auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geprüft. Neben verschiedenen im Ergebnis unstreitigen Feststellungen ohne steuerstrafrechtliche Relevanz kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Kläger zu Unrecht Einkünfte für das im November 2007 im Rahmen einer Zwangsversteigerung erworbene Gebäude H nicht erklärt habe. Für dieses Objekt ermittelte er Einkünfte in Höhe von 139,- € (2008), 9.309,- € (2009) und 7.765,- € (2010).

Hinsichtlich der Gewinnerhöhungen für die Jahre 2008 und 2009 erklärten die damaligen Steuerberater, dass die Nichtversteuerung von ca. 71.000,- € aus Telefonverkäufen auf einem Büroversehen der Steuerberatungskanzlei beruhen würde. Der Kläger habe alle diesbezüglichen Einnahmen dem Steuerberater mitgeteilt. Die Einnahme sei auf einem ungewöhnlichen Konto verbucht worden. Da der Kläger zu dieser Zeit erhebliche Verluste im Zusammenhang mit der Finanzkrise erlitten und seine Konten durch Nachschießen von privaten Geldern habe stabilisieren müssen, habe der Steuerberater die betrieblichen Einnahmen irrtümlich übersehen und nicht gebucht. Der Kläger habe aufgrund der jahrelangen vertraulichen Zusammenarbeit mit dem Steuerberater die Steuererklärung nur kursorisch geprüft und das Fehlen der Einnahme nicht erkannt. Der Kläger hat die Feststellungen der Außenprüfung bezüglich des Handels mit Telefonanlagen akzeptiert und die im Jahre 2014 festgesetzten Steuern gezahlt.

Frau R hatte in der Vergangenheit für den Gaststättenbetrieb steuerliche Jahresabschlüsse eingereicht. Im Rahmen eines gegen sie eingeleiteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erklärte sie, dass sie mit dem Kläger bereits 2004 vereinbart habe, für einen Stundenlohn von 9 € in der Vereinsgaststätte zu kellnern. Da bei der Hausdurchsuchung beim Kläger am 28. November 2011 einige Unterlagen (u.a. Aufzeichnungen über den Einkauf von Bier in 2005 und 2006; Gesamtübersicht der Einnahmen des Vereinsheims August bis Dezember 2007) vorgefunden wurden, die nach Ansicht der Steuerfahndung die Behauptungen der Frau R zu bestätigen schienen, ordnete der Beklagte mit Prüfungsanordnung vom 10. April 2013 gegenüber dem Kläger zusätzlich eine Außenprüfung für die Gaststätte im Vereinsheim an. Der Prüfer kam zu der Feststellung, dass der Betrieb der Gaststätte ertragsteuerlich bereits ab 2004 dem Kläger zuzurechnen sei. Die Höhe der erzielten Gewinne ermittelte er wie folgt:

200415.178,- €
200516.220,- €
200634.442,- €
200735.620,- €
200836.343,- €
200935.789,- €
201034.586,- €

Die Zurechnung und die Höhe der Einkünfte aus der Vereinsgaststätte blieben ebenso wie die Höhe der Einkünfte aus dem Vermietungsobjekt H streitig. Der Beklagte gewährte für die Nachzahlungen, die sich aus den geänderten Einkommensteuerbescheiden ergaben, Aussetzung der Vollziehung. Nachdem der Beklagte den Einspruch des Klägers gegen die Einkommensteuerbescheide 2005-2009 mit Einspruchsbescheid vom 10. März 2016 zurückgewiesen hatte, schloss sich unter dem Aktenzeichen 10 K 106/16 ein Klageverfahren beim 10. Senat des Nds. Finanzgerichts an. Die Klage hatte überwiegend Erfolg. Mit Urteil vom 6. Februar 2020 entschied der 10. Senat, dass der Gaststättenbetrieb im Vereinsheim im Streitzeitraum 2005 bis 30.6.2009 nicht dem Kläger zuzurechnen sei. Hinsichtlich der Höhe des Gewinns nahm das Gericht eine abweichende Schätzung vor; der 10. Senat schätze die Höhe des Gewinns für das gesamte Veranlagungsjahr 2009 griffweise mit 22.000,- €, wovon er 11.000,- € dem zweiten Halbjahr zuordnete. Diesen Gewinn rechnete das Gericht weiterhin dem Kläger zu. Hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hatte die Klage keinen Erfolg. Im Nachgang zu dem Klageverfahren erledigten die Beteiligten den noch offenen Einspruch für 2010 außergerichtlich, indem sie den dem Kläger zugerechneten Gewinn aus dem Betrieb des Vereinsheims auf 22.000,- € minderten.

Zwischenzeitlich waren die Komplexe des Handels mit Telefonanlagen, der Betrieb des Vereinsheims und die Vermietungseinkünfte aus dem Objekt H ebenfalls strafrechtlich mit Anklageschrift vom 21. Januar 2016 zur Anklage gebracht worden, und zwar ab 2006, weil für die vorangehenden Veranlagungszeiträume bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten war. Die mehreren Verfahren gegen den Kläger und den 1. Vorsitzenden des ... e.V. E wurden von der 6. Großen Strafkammer des LG unter dem Aktenzeichen ... verbunden.

Nach Vorbereitung der Sache für die Hauptverhandlung erteilte der Vorsitzende Richter K am 30. Juli 2018 den Beteiligten einen richterlichen Hinweis. Er führte umfangreich aus, dass hinsichtlich der Vorwürfe im Zusammenhang mit dem ... e.V. sich die Frage der Strafverfolgungsverjährung stelle. Zudem sei zu beachten, dass beide Vereinsvorstände nicht eigennützig gehandelt und selbst nicht finanziell von etwaigen Taten profitiert hätten. Anders gelagert sei die Situation in Bezug auf die nur gegenüber dem Kläger erhobene Anklagte betreffend den Handel mit Telefonanlagen und dem Betrieb des Vereinsheims, wo sich die Verjährungsproblematik nicht in gleichem Maße stelle.

Der Vorsitzende regte im Hinblick auf den Angeklagten E eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 2 StPO (Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit) an, zumal der Angeklagte E anders als der Kläger an den hier angeklagten Vorgängen nicht persönlich unmittelbar beteiligt gewesen sei. In Bezug auf den Kläger enthält das Schreiben folgende Ausführungen:

"Vor diesem Hintergrund regt die Kammer an, das Verfahren gegen den Angeklagten ... insgesamt nach § 153a StPO für die Dauer von 6 Monaten vorläufig einzustellen. Ihm soll die Auflage erteilt werden, binnen dieser Frist einen Geldbetrag von 25.000 € an die Staatskasse zu zahlen. Die Zahlung soll im Hinblick auf die Anklage vom 21.1.2016 vermögensabschöpfenden Charakter haben."

Nachdem die Staatsanwaltschaft, die zuvor eine Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen ablehnend gegenübergestanden hatte, ihre Zustimmung gab, stellte die 6. Große Strafkammer des Landgerichts mit Beschluss vom 3. August 2018 das Strafverfahren gegen den Kläger gem. § 153a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO gegen die Auflage zur Zahlung eines Geldbetrages von 25.000,- € ein. In dem Beschluss heißt es u.a.:

"die Zahlung dient dabei im Hinblick auf den mit der Anklage vom 21. Januar 2016 unter dem Aktenzeichen ... erhobenen Vorwurf der Steuerhinterziehung zugleich der Abschöpfung etwaig erlangter rechtswidriger Vermögensvorteile".

Unterzeichnet ist der Beschluss von den Richtern A, B und C; der Vorsitzende war zu diesem Zeitpunkt - mutmaßlich urlaubsbedingt - verhindert. Eine ausdrückliche Aufgliederung des Betrages von 25.000,- € in eine Auflage und eine Vermögensabschöpfung hat die 6. Große Strafkamme des LG nicht vorgenommen.

In seiner Einkommensteuererklärung für 2018 machte der Kläger die Zahlung des Geldbetrages in Höhe von 25.000 € als nachträgliche Betriebsausgaben im Zusammenhang mit dem Vereinsheim geltend. Dem folgte der Beklagte in dem Einkommensteuerbescheid 2018 vom 26. August 2020 unter Berufung auf die Regelung in § 12 Nr. 4 EStG nicht. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage verfolgen die Kläger weiter das Ziel, den Geldbetrag von 25.000 € zumindest anteilig steuerlich in Abzug zu bringen. Sie weisen darauf hin, dass zwischen einer Auflage im Zusammenhang mit der Einstellung eines Strafverfahrens nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO und einer Vermögensabschöpfung zu differenzieren sei. Es sei auch nicht richtig, dass eine Aufteilung eines Geldbetrages in einen Anteil, der Strafcharakter habe und in die Vermögensabschöpfung, nicht möglich sei. Vielmehr müsse gegebenenfalls eine Aufteilung im Schätzungswege vorgenommen werden.

Das LG habe die die Tätigkeiten als 2. Vorsitzender des ... e.V. umfassende Anklage auch gegenüber dem Kläger ohne Auflage eingestellt. Das zeige sich daran, dass gegenüber dem Mitangeklagten E keine Auflage verhängt worden sei. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Strafkammer auch das Verfahren gegenüber dem Kläger für diesen Tatkomplex eingestellt hätte.

Bezüglich des Klägers habe das LG unzweifelhaft eine Vermögensabschöpfung vorgenommen und dabei nicht die Ertragsteuern berücksichtigt. Das Wort "zugleich" komme im Übrigen in den rechtlichen Erwägungen des Vorsitzenden Richters nicht vor. Der Vorsitzende führe allein aus, dass die Zahlung vermögensabschöpfenden Charakter habe.

Die Kläger sind der Auffassung, dass nur ein geringer Anteil des Gesamtbetrages auf eine Auflage entfallen könne. Die steuerliche Nichterfassung weiterer Betriebseinnahmen bei dem Handel mit Telefonanlagen beruhe auf einem Büroversehen des steuerlichen Beraters des Klägers, weshalb es bei dem Kläger insoweit an Vorsatz bezüglich einer Steuerhinterziehung mangele. Darauf habe der Strafverteidiger des Klägers ausdrücklich hingewiesen. Da in diesem Punkt ein Freispruch des Klägers absehbar gewesen sei, hätte diesbezüglich keine Geldauflage verhängt werden können. Gleiches gelte für den Betrieb des Vereinsheims bis zum 30. Juni 2009; auch insoweit habe sich der spätere Klageerfolg beim 10. Senat des Nds. Finanzgerichts bereits abgezeichnet. Verbleiben würden allein der Betrieb des Vereinsheims ab 1. Juli 2009, wobei aber zu berücksichtigen sei, dass es sich lediglich um eine Steuerhinterziehung auf Zeit handele, sowie die unzutreffend erklärten Umsätze aus Vermietung und Verpachtung. Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung eine Berechnung zu den Akten gereicht, in der sie ermitteln, dass von dem insgesamt angeklagten Volumen an angeblich hinterzogenen Steuern nur 7,68 % tatsächlich zur Verhängung einer Auflage nach § 153a StPO berechtigen würden. Folglich könnten nur 7,68% des Zahlungsbetrages von 25.000,- €, mithin 1.919,- €, Auflage sein. Der Rest von 23.081,- € sei infolgedessen als Vermögensabschöpfung zu qualifizieren. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Berechnung der Kläger verwiesen.

Soweit das Gericht in der mündlichen Verhandlung auf die Entscheidung des BGH vom 25. März 2021 1 StR 28/21, wistra 2021, 395 hingewiesen hat, wonach eine Vermögensabschöpfung nur in Betracht kommt, wenn der Straftäter aus einer Steuerhinterziehung einen sich in seinem Vermögen widerspiegelnden Vermögensvorteil erlangt, weisen die Kläger darauf hin, dass diese Entscheidung bei Einstellung des Strafverfahrens noch nicht bekannt war.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2018 vom 21. September 2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 19. August 2021 und der Einspruchsentscheidung vom 15. März 2022 nachträgliche Betriebsausgaben bei den Einkünften aus der Vereinsgaststätte und dem Telefonhandel in Höhe von 23.081 € zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 2018 entsprechend niedriger festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Zahlung der Geldauflage in Höhe von 25.000 € sei nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig. Sie gehöre zu den in § 12 Nr. 4 EStG genannten Aufwendungen und dürfe weder bei den einzelnen Einkunftsarten, noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Nach der Rechtsprechung des BFH würden Auflagen nach § 153a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO zu den nicht abziehbaren Aufwendungen im Sinne des § 12 Nr. 4 EStG gehören. Im Streitfall sei dem Einstellungsbeschluss des LGzu entnehmen, dass es sich bei der Zahlung nicht ausschließlich um die Abschöpfung etwaig rechtswidrig erlangter Vermögensvorteile handele. Das ergebe sich eindeutig aus der Formulierung "zugleich". Das Landgericht habe das Verfahren im Übrigen nicht nach § 153a Abs. 1 Nr. 1 StPO, sondern nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO eingestellt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger kann einen Anteil der Geldauflage in Höhe von 3.000 € als nachträgliche Betriebsausgabe abziehen.

1. Gem. § 12 Nr. 4 EStG dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden: In einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen. Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO unterliegen grundsätzlich dem Abzugsverbot (BFH Urteil vom 22. Juli 2008 VI R 47/06, BStBl. II 2009, 151). Soweit es sich bei der vom LG S in dem Beschluss vom 3. August 2018 verhängten Zahlung um eine Auflage im Sinne von § 153a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO handelt, kommt eine steuermindernde Berücksichtigung nicht in Betracht.

2. Anders ist hingegen die Anordnung einer Vermögensabschöpfung nach § 73 Abs. 1 StGB zu beurteilen. Insoweit bestimmt § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG, dass das Abzugsverbot für Geldbußen nicht gilt, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind. Zweck dieser Vorschrift ist es, eine Übermaßbesteuerung zu verhindern, zu der es kommen könnte, wenn zunächst der Vermögensvorteil, den ein Steuerpflichtiger durch eine Straftat erlangt hat, vollständig abgeschöpft wird und anschließend der abgeschöpfte Vermögensvorteil im Rahmen der Besteuerung ohne Abzugsmöglichkeit in Ansatz gebracht wird. Bezogen auf den Streitfall ist ein Abzug der Geldzahlung an die Staatskasse deshalb nur insoweit möglich, als es sich einerseits bei der Zahlung um eine Vermögensabschöpfung handelt und weiterhin der Rechtsgrund für die Abschöpfung in einer Vermögensmehrung liegt, die tatsächlich beim Kläger der Besteuerung unterlegen hat.

3. Der Senat folgt dem Beklagten nicht in der Auffassung, dass im Streitfall ein steuermindernder Abzug der Zahlung an die Staatskasse schon deshalb ausgeschlossen sei, weil es sich in voller Höhe auch um eine Auflage nach § 153a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO - was der Beklagte aus der Formulierung, dass die Zahlung Auflage sei und "zugleich" der Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vermögensvorteile diene, ableitet - handele und eine Aufteilung nach objektiven Maßstäben und Unterlagen nicht möglich sei. Denn eine Auflage nach § 153a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO und eine Vermögensabschöpfung gem. § 73 Abs. 1 StGB sind nach Voraussetzungen und Zweck unterschiedliche Rechtsinstitute. Soweit eine Zahlung an die Staatskasse verhängt wird, kann jeder einzelne Euro dieser Zahlung deshalb nur entweder Auflage oder Vermögensabschöpfung sein. Von daher muss die missverständliche und verunglückte Formulierung in dem Beschluss des LG vom 3. August 2018 dahingehend verstanden werden, dass sich der Zahlbetrag von 25.000 € teils aus einer Auflage gem. § 153a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO, teils aus einer Vermögensabschöpfung nach § 73 StGB zusammensetzt.

4. Der Senat teilt aber auch nicht die vom Kläger vertretene Auffassung, dass der festgesetzte Zahlungsbetrag ausschließlich oder doch nahezu ausschließlich eine Vermögensabschöpfung darstelle. Denn der Vorsitzende in seinem richterlichen Hinweis vom 30. Juli 2018 und die 6. Große Strafkammer des LG in ihrem Beschluss vom 3. August 2018 haben jeweils ausdrücklich im Zusammenhang mit der Einstellung des Strafverfahrens die Rechtsnorm des § 153a StPO zitiert. Hätte das Gericht ausschließlich oder nahezu ausschließlich rechtswidrig erlangtes Vermögen abschöpfen und keine Sanktion gegen den Kläger verhängen wollen, so hätte es nahegelegen, das Strafverfahren wie gegen den Angeklagten E nach § 153 StPO einzustellen und im Übrigen § 73 StGB als Rechtsgrundlage für die an die Staatskasse zu erbringende Zahlung in dem Einstellungsbeschluss zu benennen. Die 6. Große Strafkammer hat § 73 StGB in dem Beschluss vom 3. August 2018 hingegen an keiner Stelle erwähnt. Auch spricht das Gericht von "etwaig" erlangten rechtswidrigen Vermögensvorteilen. Wenn sich die Kammer aber nicht sicher war, ob der Kläger überhaupt aus den angeklagten Straftaten Vermögensvorteile erlangt hat, dann ist schwerlich vorstellbar, dass es bei der verhängten Zahlung im Schwerpunkt um eine Vermögensabschöpfung handelte.

5. Hat es das Strafgericht wie im Streitfall unterlassen, die einzelnen Komponenten, aus denen sich der Zahlungsbetrag zusammensetzt, im Einzelnen aufzugliedern, so hat das erkennende Gericht im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO im Schätzwege die Teilbeträge zu ermitteln, die als Auflage gem. § 153a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO nicht abzugsfähig sind und für die als Vermögensabschöpfung ein Ansatz als nachträgliche Betriebsausgabe zumindest im Prinzipiellen in Betracht kommt. Im Weiteren ist zu klären, inwieweit die Verhängung einer Vermögensabschöpfung im konkreten Fall einen Betriebsausgabenabzug ermöglicht.

6. Der Senat versteht im Rahmen seiner Schätzung den Einstellungsbeschluss vom 3. August 2018 dahin, dass die Zahlung zu gleichen Teilen auf die Auflage und die Vermögensabschöpfung entfällt, d.h. 12.500,- € sind Auflage, 12.500,- € sind Vermögensabschöpfung. Diese Schätzung erscheint im Hinblick auf die Höhe der Auflage auch nicht unrealistisch. Ausweislich der Anklageschrift vom 21. Januar 2016 war die Hinterziehung von mehr als 150.000,- € Steuern angeklagt. Dies war auch noch der Stand im Sommer 2018, als die 6. Strafkammer den Vorschlag für eine Beendigung des Strafverfahrens unterbreitete. Dabei hält es der erkennende Senat für nicht angängig, in den Vorschlag zur Beendigung des Verfahrens aus dem Sommer 2018 die Kenntnis um das weitere Schicksal der Steuerfestsetzung bezüglich der Zurechnung des Gaststättenbetriebs der Vereinsgaststätte einzubeziehen. Dass der 10. Senat des Nds. Finanzgerichts im Jahre 2020 - nach Anhörung des Klägers, der in diesem Verfahren beigeladenen ... sowie der Einvernahme eines Zeugen - der Klage überwiegend stattgeben würde, war für das LG im Jahre 2018 noch nicht absehbar. Auch hat der Vorsitzende Richter in seinem richterlichen Hinweis vom 30. Juli 2018 zwar Bedenken in Bezug auf die Anklage bezüglich der Steuerhinterziehung zugunsten des ... e.V. geäußert; derartige Zweifel wurden ebenfalls in Bezug auf die Zurechnung des Gaststättenbetriebes nicht offengelegt. Gleiches gilt im Übrigen für die Erhöhung der Umsätze aus dem Handel mit Telefonanlagen. Ausweislich der Anklageschrift vertrat die Staatsanwaltschaft insoweit die Rechtsauffassung, dass die Behauptung des Klägers, die fehlende Verbuchung eines Teiles der Betriebseinnahmen durch den Steuerberater nicht zur Kenntnis genommen zu haben, eine bloße Schutzbehauptung sei. Auch bezüglich dieses Punkte hatte sich das LG am 30. Juli 2018 nicht positioniert. Hätte das Strafgericht tatsächlich bereits im Jahre 2018 für sich eine Überzeugung dahingehend gebildet, dass die Anklagepunkte Handel mit Telefonanlagen und Zurechnung der Gaststätte bis Mitte 2009 mit großer Sicherheit nicht zu einer Verurteilung des Klägers führen würden, hätte es sich aufgedrängt, dass es der Staatsanwaltschaft seine Gründe umfassend dargelegt hätte, um die Chance zu erhöhen, dass diese ihre Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens erteilt. Insofern muss das Fehlen einer dezidierten Auseinandersetzung mit den entsprechenden Tatvorwürfen - im Unterschied zu den auf den ... e.V. bezogenen Anklagepunkten - dahingehend gewürdigt werden, dass die gesamte angeklagte Steuerhinterziehung in die Bemessung der Höhe der Auflage eingeflossen ist. Da weiterhin der Kläger nicht selbst die tatsächlich erzielten bzw. im Falle des Vereinsheims überwiegend zu Unrecht zugerechneten Betriebseinnahmen den Finanzbehörden offenbart hat und anzunehmen ist, dass ohne die Betriebs- und Fahndungsprüfungen die Steuerbescheide für die Streitjahre niemals geändert worden wären, liegt auch nicht der klassische Fall der Steuerverkürzung auf Zeit vor (wie beispielsweise der Abgabe unzutreffender Umsatzsteuervoranmeldungen und Richtigstellung durch die Umsatzsteuerjahreserklärung), der eine deutliche Minderung des Strafmaßes im Rahmen der Strafzumessung rechtfertigt. Im Übrigen ist der Ableitung der möglichen Höhe der Auflage aus den Steuerfestsetzungen, soweit diese Bestand hatten und soweit sie nicht nach Ansicht des Klägers auf vorsatzlosen Falschangaben beruhten (wie in der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Berechnung) entgegenzuhalten, dass auch Auflagen - wie Geldstrafen, die nach Tagessätzen bemessen werden - unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten ermittelt werden. Ein mathematisches Verhältnis besteht infolgedessen zwischen Hinterziehungsbetrag und verhängter Auflage nicht. Nimmt man also den zur Anklage gebrachten Betrag von 150.000,- € zum Ausgangspunkt und berücksichtigt die verschiedenen dem Fortgang des Strafverfahrens innwohnenden Unsicherheiten, so erscheint die vom Gericht geschätzte Höhe der Auflage mit 12.500,- € als angemessen und realistisch.

7. Hinsichtlich der geschätzten Höhe der Vermögensabschöpfung von 12.500,- € ist weiter zu fragen, für welchen Teil der Tatkomplexe er durch das LG verhängt worden sein kann. Gem. § 73 Abs. 1 StGB ordnet das Gericht die Einziehung an, soweit der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie "etwas" erlangt hat. In Bezug auf die Tatvorwürfe, die den ... e.V. betreffen, hat der Kläger selbst nichts erlangt, weil der entsprechende Vorteil dem Verein zugutekam. Darauf hat das LG in dem richterlichen Hinweis vom 30. Juli 2018 ausdrücklich hingewiesen. Insoweit kann für diesen Tatkomplex beim Kläger nichts abgeschöpft werden, weil er nichts erlangt hat. Soweit der Beklagte die Gewinne aus dem Telefonhandel erhöht hat, kommt ebenfalls keine Vermögensabschöpfung in Betracht. Denn der Beklagte hat insoweit bereits im Jahre 2014 den Klägern geänderte Steuerbescheide erteilt. Die Kläger haben die diesbezüglichen Feststellungen der Außenprüfung akzeptiert und die sich ergebenden Steuernachzahlungen (einschließlich Nachzahlungszinsen) geleistet. Damit war der Beklagte bereits im Jahre 2014 so gestellt, als wären die Steuern von Anfang an zutreffend entrichtet worden; aus der Sichtweise des Jahres 2018 hatte der Kläger nicht mehr im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB "etwas erlangt". Der BGH hat mit Beschluss vom 25. März 2021 1 StR 28/21, wistra 2021, 395 klargestellt, dass eine offene Steuerforderung notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für eine Vermögensabschöpfung im Hinblick auf eine tatvollendete Steuerhinterziehung ist. Auch wenn diese Entscheidung, die einen Fall zum Gegenstand hatte, in dem der BGH trotz offener Steuerforderung die Voraussetzungen für eine Vermögensabschöpfung verneinte (Steuerfestsetzung nach § 14c UStG), im Jahre 2018 dem LG noch nicht bekannt sein konnte, musste sich das Gericht für den "Grundfall", in dem die Finanzbehörde die Steuern festsetzt und erhebt, bevor im Strafverfahren Entscheidungen getroffen werden, durchaus die Frage stellen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vermögensabschöpfung gegeben waren. Insofern geht das erkennende Gericht nicht davon aus, dass das LG insoweit eine evident unrichtige Entscheidung getroffen hätte. Soweit schließlich der Beklagte dem Kläger den Gaststättenbetrieb im Vereinsheim bezüglich der Veranlagungszeiträume 2006-2010 zurechnete, bestanden im Zeitpunkt der Einstellung des Strafverfahrens im Jahre 2018 offene Steuerforderungen, weil die entsprechenden Steuern nicht gezahlt, sondern ausgesetzt waren. Insofern konnte die 6. Große Strafkammer in diesem Punkt eine Vermögensabschöpfung anordnen. Allerdings muss hier berücksichtigt werden, dass das Klageverfahren 10 K 105/16 des Klägers überwiegend Erfolg hatte und die Steuerfestsetzungen gegenüber den Klägern für den Zeitraum 2006 bis einschließlich 1. Halbjahr 2009 in diesem Punkt im Jahre 2020 aufgehoben worden sind. Werden aber keine Steuern auf die vermeintlich vom Kläger erzielten Gewinne mit dem Vereinsheim gezahlt, so liegt auch keine Doppelbelastung mit Steuern und Vermögensabschöpfung vor. Die Konfliktlage, die § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 3 EStG auflösen will, ist nicht gegeben. Deshalb kann insoweit, auch wenn das LG eine Vermögensabschöpfung angeordnet hat, diese dennoch nicht steuermindernd berücksichtigt werden. Damit verbleibt für eine steuermindernde Berücksichtigung allein die Vermögensabschöpfung, die auf den Steuerfestsetzungen für das Vermietungsobjekt H sowie für die Gaststätte für das 2. Halbjahr 2009 und für 2010 beruht.

8. Von den von der Anklage umfassten (angeblichen) einkommensteuerlichen Gewinnen der Vereinsgaststätte sowie den Überschüssen des Vermietungsobjekts H in Höhe von insgesamt rund 194.000,- €, die der Kläger im Zeitraum 2006-2010 erzielt hat, haben am Ende lediglich rund 50.000,- € Bestand gehabt, was einem Anteil von rund 25% entsprechen würde. Da der gewerbesteuerliche Klageerfolg deutlich höher liegt (Verhältnis rund 176.000,- € Bemessungsgrundlage laut Anklageschrift zu 33.000,- € nach Abschluss des Klageverfahrens; verbleibender Anteil der Steuern ca. 19%), schätzt der Senat im Wege der Mittelwertbildung den steuerlich abzugsfähigen Anteil an der Vermögensabschöpfung von insgesamt 12.500,- € mit einem Betrag von 3.000,- €.

9. Die Ausrechnung der festzusetzenden Steuer wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen, weil sie einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert.

10. Der erkennende Senat sieht keinen Grund für die Zulassung der Revision. Im Streitfall ist der vom Kläger an die Staatskasse zu zahlende Betrag im Wege einer Schätzung aufzuteilen.

11. Die für die Aufteilung maßgebenden Umstände ergeben sich aus den Besonderheiten des konkreten Sachverhaltes. Von daher hat der Fall keine über ihn hinausreichende, grundsätzliche Bedeutung, die zu einer Zulassung der Revision führen würde.

12. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

13. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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