Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.06.2022, Az.: 3 K 87/21

Festsetzen der Ersatzerbschaftssteuer über das Vermögen einer Familienstiftung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.06.2022
Aktenzeichen
3 K 87/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 44400
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: II R 30/22

Fundstellen

  • DStRE 2023, 939-942
  • ErbStB 2022, 299-300
  • StX 2022, 604-605
  • ZEV 2023, 150-151

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte gegenüber der Klägerin zu Recht Ersatzerbschaftsteuer festgesetzt hat.

Die Klägerin ist eine in der Schweiz gegründete Stiftung. Sie wurde 1959 durch notarielle Urkunde errichtet. Aus der notariellen Urkunde ergibt sich, dass die Stiftung als Familienstiftung im Sinne des schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) errichtet werden sollte. Ihr Zweck ist die Bestreitung von Kosten der Erziehung, Ausstattung, Unterstützung oder ähnlicher Bedürfnisse der in Art. 5 der Satzung bezeichneten Abkömmlinge der Stifterin (Art. 2 der Satzung). Sitz der Stiftung ist in der Schweiz.

Die Klägerin wird gem. Art. 7 der Satzung durch die Mitglieder des Stiftungsrates vertreten. Sämtliche Mitglieder des Stiftungsrates seit Gründung der Klägerin waren in Deutschland ansässig und haben aus Deutschland heraus gehandelt. Zunächst wurde das Vermögen aufgrund eines Gestionsvertrages mit einer Schweizer Treuhandgesellschaft von dieser auf Weisung des Stiftungsrates verwaltet. Noch weit vor dem Besteuerungszeitpunkt übernahm der Stiftungsrat die Verwaltung selbst. Auch die Konten der Klägerin werden in Deutschland geführt. In der Schweiz existiert seitdem nur noch ein Zustellbevollmächtigter.

Das Stiftungskapital betrug anfänglich 6.000 DM. Weiteres Vermögen erhielt die Stiftung als Erbin der Stifterin. Das aktuell seitens der Finanzverwaltung der Klägerin zugeordnete Vermögen besteht überwiegend aus Grundbesitz im Gesamtwert von ca. 7,5 Millionen EUR. Es handelt sich um einst durch die DDR enteignetes und später restituiertes Vermögen.

Zwischen den Abkömmlingen der Stifterin kam es zum Streit. In dessen Verlauf klagte im Jahr 1997 eine Tochter der Stifterin vor dem Kantonsgericht auf Feststellung der Nichtigkeit der Stiftung. Mit Entscheidung vom 23. März 2000 entschied das Kantonsgericht, dass die Stiftung ex tunc für nichtig erklärt werde. Das Urteil erwuchs nicht in Rechtskraft, da sich die Beteiligten des Verfahrens in der Berufungsinstanz außergerichtlich einigten und die Klägerin die Klage zurückzog. In der Folge verzichtete die klagende Tochter der Stifterin auf ihre Destinatärsstellung.

Die Klägerin teilte dem Beklagten mit Schriftsatz vom 20. April 2020 mit, dass nach ihrer Ansicht keine Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG bestehe. Dennoch teilte sie dem Beklagten vorsorglich die gem. § 30 ErbStG für ersatzerbschaftsteuerpflichtige Familienstiftungen vorgesehenen Angaben mit. Auf diesen Schriftsatz wird Bezug genommen (Blatt 1 ff. der Steuerakte).

Der Beklagte teilte der Klägerin mit, dass er sie als rechtsfähige Stiftung i.S.d. Erbschaftsteuergesetzes ansehe und forderte sie zur Abgabe einer Steuererklärung für die Ersatzerbschaftsteuer auf. Dem kam die Klägerin nach.

Der Beklagte setzte gegenüber der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 22. März 2021 Ersatzerbschaftsteuer i. H. v. 1.286.148 Euro fest. Den Grundbesitz setzte er dabei zunächst mit geschätzten Werten an. Der Bescheid erging "für X-Stiftung, (...), Schweiz". Er wurde dem in Deutschland ansässigen steuerlichen Berater der Stiftung bekanntgegeben.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 21. April 2021 Sprungklage gem. § 45 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Klageschrift wurde dem Beklagten am 3. Mai 2021 zugestellt. Er stimmte der Sprungklage mit einem am 2. Juni 2021 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz zu.

Die Heranziehung zur Ersatzerbschaftsteuer sei zu Unrecht erfolgt. Ausschließlich rechtsfähige Stiftungen unterlägen der Ersatzerbschaftsteuerpflicht. Die Klägerin sei jedoch nicht rechtsfähig.

Maßgeblich sei grundsätzlich das deutsche Zivilrecht. Dies gelte auch für den Stiftungsbegriff des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dieser beziehe sich auf rechtsfähige Stiftungen im Sinne der §§ 80 ff. BGB. Die Klägerin könne als nicht rechtsfähige Stiftung nicht der Ersatzerbschaftsteuerpflicht unterliegen. Die Annahme, dass sich die Beurteilung der Rechtsfähigkeit der Klägerin nicht nach deutschem, sondern nach dem Recht der Schweiz richte, widerspreche dem internationalen Privatrecht.

Die Klägerin sei aufgrund ihrer doppelansässigen Errichtung (statuarischer Sitz in der Schweiz, Verwaltungssitz in Deutschland) in Deutschland zivilrechtlich nicht existent. Ihr Vermögen sei in Wirklichkeit den Rechtsnachfolgern der Stifterin zuzuordnen.

Im deutschen Recht würden für die Qualifikation zuziehender ausländischer Stiftungen die Grundsätze des internationalen Gesellschaftsrechts entsprechend gelten. Nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht sei grundsätzlich die Sitztheorie anwendbar. Lediglich Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR gegründet worden seien, seien aufgrund der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit nach der Gründungstheorie zu beurteilen. Dies könne hier dahinstehen, da die Klägerin nach schweizerischem Recht gegründet worden sei und die Schweiz weder Mitglied der EU noch des EWR sei.

Die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes einer Stiftung schweizerischen Rechts nach Deutschland führe nach der Sitztheorie dazu, dass die Stiftung ihre Rechtsfähigkeit verliere, wenn sie nicht nach § 80 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anerkannt werde. Dies müsse erst recht für den Fall gelten, dass die Klägerin bereits seit ihrer Gründung ihren Verwaltungssitz in Deutschland gehabt habe. Damit hätte die Klägerin aus deutscher Sicht nie Rechtsfähigkeit erlangt.

Diese zivilrechtliche Wertung des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts gelte auch für das Steuerrecht. So habe der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 23. Juni 1992 IX R 182/87 (BFHE 168, 285 [BFH 23.06.1992 - IX R 182/87], BStBl II 1993, 222 [BFH 01.07.1992 - I R 6/92]) für den Fall einer zuziehenden ausländischen Aktiengesellschaft entschieden, dass diese mit dem Zuzug ihre Rechtsfähigkeit verliere.

Auf das Recht der Schweiz komme es für die Frage des Bestehens einer Ersatzerbschaftsteuerpflicht nicht an. Im Übrigen sei die Klägerin auch bereits aus der Sicht des Schweizer Rechts wegen eines Errichtungsmangels von Beginn an unwirksam errichtet worden. Dies habe das Kantonsgericht in einer Entscheidung vom 23. März 2000 ausgesprochen. Diese Entscheidung sei zwar nicht in Rechtskraft erwachsen. Nach Auffassung des Kantonsgerichts sei aber der Zweck der Klägerin, der insbesondere auch darin bestanden habe, die Abkömmlinge der Stifterin vor einer Haftungsinanspruchnahme durch die Gläubiger aus der Vorkriegszeit und die DDR zu schützen - welche auch den Grundbesitz aufgrund der bestehenden Zwangsverwaltung mit Grundpfandrechten belasten konnte - nach dem Schweizer Recht unzulässig gewesen.

Das für die Körperschaftsteuer zuständige Finanzamt habe die Klägerin zunächst als in Deutschland ansässig behandelt und zur Körperschaftsteuer veranlagt. Mit Schreiben vom 2. Juni 2021 habe es jedoch die Nichtigkeit der gegenüber der Klägerin bekanntgegebenen Körperschaftsteuer- und Feststellungsbescheide für das Jahr 2019 festgestellt, da die Klägerin aufgrund ihrer Doppelansässigkeit nicht Trägerin von Rechten und Pflichten sein könne. Damit sei ausdrücklich festgestellt worden, dass die Stiftung nicht rechtsfähig im Sinne des Zivilrechts sei. Die Bescheide habe das Finanzamt erneut an die GbR der Destinatäre bekanntgegeben.

Die Klägerin beantragt,

den Erbschaftsteuerbescheid vom 22. März 2021 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Klägerin fehle zwar die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit in Deutschland. Sie erfülle aber als schweizerische Stiftung dennoch den Tatbestand der Ersatzerbschaftsteuer. Der Erbschaftsteuerbescheid sei ihr wirksam bekanntgegeben worden. Zwar habe die Bekanntgabe nicht an die Stiftung, sondern an die zivilrechtliche Personengesellschaft zu erfolgen. Es genüge aber die Angabe des geschäftlichen Namens, unter der sie im Rechtsverkehr teilnehme. Dies sei hier die Bezeichnung "X- Stiftung".

Für die Besteuerung mit Ersatzerbschaftsteuer komme es nicht auf die Rechtsfähigkeit der Klägerin in Deutschland an. Entscheidend sei, dass sich der Satzungssitz der Klägerin in der Schweiz befände. Daher sei schweizerisches Recht einschlägig. Es sei unerheblich, dass die Stiftung nach deutschem Recht mangels Anerkennung durch die zuständige Landesbehörde ihre Rechtsfähigkeit nicht i.S.v. §§ 80 ff. BGB erlangt habe.

Sie sei aber in der Schweiz als Stiftung existent. In der Schweiz herrsche für Familienstiftungen eine weitgehende Organisationsfreiheit. Nach Art. 87 Abs. 1 ZGB seien sie keiner Aufsichtsbehörde unterstellt. Es erfolge auch keine Erfassung im schweizerischen Stiftungsregister. Eine Familienstiftung dürfe gem. Art. 88 Abs. 2 ZGB ausschließlich durch ein Gericht aufgehoben werden. Dies sei hinsichtlich der Stiftung nicht erfolgt. Daran ändere das Urteil des Kantonsgericht vom 23. März 2000 nichts, da es nicht in Rechtskraft erwachsen sei.

Die Klägerin sei ein selbständiger Rechts- und Vermögensträger. Sie sei im Interesse einer Familie errichtet worden. Bereits der Kreis der Begünstigten als die in der Satzung bezeichneten Familienangehörigen präge das Wesen der Stiftung als Familienstiftung. Die Unterstützung der darin namentlich benannten Angehörigen der Stifterin sei der einzige in der Satzung ausdrücklich benannte Stiftungszweck. Auf diesen sei daher abzustellen. Es handele sich bei ihr daher zwischen dem Zeitpunkt der ersten Ausstattung mit Vermögen am 19. Januar 1960 und dem Entstehen der Ersatzerbschaftsteuer mit Ablauf des 19. Januar 2020 gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG um eine Familienstiftung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.

Die Doppelansässigkeit der Klägerin sei nicht entscheidungsrelevant. Stiftungen könnten Sitz und Geschäftsleitung auch in verschiedenen Staaten unterhalten und damit doppelt ansässig sein. Eine Stiftung mit Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland könne somit wegen der Anknüpfung des § 10 Abgabenordnung (AO) eine inländische Stiftung sein. Eine Stiftung sei gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie die Geschäftsleitung oder den Sitz im Inland habe. Dies sei hier der Fall. Die Klägerin sei daher unabhängig von ihrem ausländischen Satzungssitz unbeschränkt steuerpflichtig.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist auch ohne zuvor durchgeführtes Vorverfahren gem. § 44 Abs. 1 FGO zulässig, da es sich um eine Sprungklage handelt, welcher der Beklagte innerhalb der ihm nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO bestimmten Frist zugestimmt hat.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der streitige Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Der Bescheid ist nicht aufgrund eines Bekanntgabemangels unwirksam.

Es kann dahinstehen bleiben, ob der für die Klägerin wegen ihrer Steuerschuldnerschaft (dazu nachfolgend unter I. 2. b) c)) als Inhaltsadressatin bestimmte Bescheid an sie oder wegen der fehlenden Rechtsfähigkeit der Klägerin im Inland an die GbR der Destinatäre der Klägerin oder die Vertreter der Klägerin hätte bekannt gegeben werden müssen. Die Klägerin hat jedenfalls, vertreten durch ihre Stiftungsvorstände, welche zugleich als Vertreter der GbR anzusehen sind, Kenntnis von dem Erbschaftsteuerbescheid erhalten. Das zeigt die durch die Stiftungsvorstände als Vertreter der Klägerin erhobene Klage und heilt einen möglichen Bekanntgabemangel.

2. Der Bescheid ist rechtmäßig.

Zu Recht hat der Beklagte gegenüber der Klägerin Erbschaftsteuer festgesetzt.

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist (Familienstiftung), in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 4 bestimmten Zeitpunkt der Erbschaftsteuer. Dieser im Zuge der Erbschaftsteuerreform 1974 durch Gesetz vom 17. April 1974 (BGBl I, 933, BStBl I 1974, 216) geschaffene Steuertatbestand soll verhindern, dass das in Familienstiftungen gebundene Vermögen auf Generationen der Erbschaftsteuer entzogen wird. Zu diesem Zweck wird fingiert, dass das Vermögen im Abstand von 30 Jahren einer nächsten, aus zwei Kindern bestehenden Generation anfällt (vgl. BFH-Urteil vom 8. April 1981 II R 47/79, BFHE 133, 308, BStBl II 1981, 581). Die Fiktion erfasst zwar nicht alle Stiftungen, sondern nur Familienstiftungen, stellt diesen aber diejenigen Vereine zur Seite, deren Zweck wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1997 II R 25/94, BFHE 185, 58, BStBl II 1998, 114). Eine nicht rechtsfähige Stiftung unterliegt allerdings nicht der Ersatzerbschaftsteuer (BFH-Urteil vom 25. Januar 2017 II R 26/16, BFHE 257, 341, BStBl II 2018, 199). Nur eine rechtsfähige Stiftung kann Träger von eigenem Vermögen sein. Bei einer nichtrechtsfähigen Stiftung hingegen ist zivilrechtlicher Eigentümer des Vermögens der Träger der Stiftung (BFH-Urteil vom 25. Januar 2017 II R 26/16, a.a.O.).

Ob eine Stiftung als Familienstiftung anzusehen ist, ist anhand des vom Stifter verfolgten Zwecks der Stiftung zu beurteilen, wie er ihn objektiv erkennbar in der Satzung zum Ausdruck gebracht hat. Die Bezeichnung durch den Stifter sowie die Einschätzung der Stiftungsaufsicht sind für die erbschaftsteuerrechtliche Beurteilung unerheblich (BFH-Urteil vom 18. November 2009 II R 46/07, BFH/NV 2010, 898). Als Familie wird gemeinhin die Gesamtheit der durch Ehe und Verwandtschaft verbundenen Personen angesehen (Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG, 6. Aufl. 2020, § 1 Rz 13). Eine Stiftung ist im Familieninteresse errichtet, wenn sie den Vermögensinteressen einer Familie gewidmet ist (BFH-Urteile vom 10. Dezember 1997 II R 25/94, BFHE 185, 58, BStBl II 1998, 114 und vom 18. November 2009 II R 46/07, a.a.O.). Sie dient den Interessen der Familienangehörigen dann, wenn ihnen das Vermögen der Stiftung zugutekommt (Hannes/Holtz/Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 18. Aufl. 2021, § 1 Rz 17). Zu den weit zu fassenden Vermögensinteressen gehören nicht nur Bezugs- und Anfallsrechte, sondern alle unmittelbaren oder mittelbaren, nicht notwendig in Geld bezifferbaren Vermögensvorteile, die die begünstigte Familie aus dem Stiftungsvermögen zieht (BFH-Urteile vom 10. Dezember 1997 II R 25/94, a.a.O. und vom 18. November 2009 II R 46/07, a.a.O.). Es genügt, wenn die Stiftung darauf ausgerichtet ist, Destinatären aus dem Familienkreis Zuwendungen zu erbringen (Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 91. EL Februar 2022, § 1 Rz 48.1). Ob eine vorhandene Möglichkeit ausgenutzt wird, ist nicht entscheidend (vgl. Hannes/Holtz/Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 18. Aufl. 2021, § 1 Rz 17).

Wesentlich im Interesse einer Familie errichtet ist eine Stiftung dann, wenn das Wesen der Stiftung nach der Satzung und ggf. dem Stiftungsgeschäft darin besteht, es der Familie zu ermöglichen, das Stiftungsvermögen - soweit es einer Nutzung zu privaten Zwecken zugänglich ist - zu nutzen und die Stiftungserträge aus dem gebundenen Vermögen an sich zu ziehen (BFH-Urteile vom 10. Dezember 1997 II R 25/94, a.a.O. und vom 18. November 2009 II R 46/07, a.a.O.; von Oertzen in von Oertzen/Loose, ErbStG, 2. Auflage 2022, § 1 Rz 66). Auf die tatsächliche Höhe der Ausschüttungen an Familienangehörige bzw. die tatsächliche Nutzung des Stiftungsvermögens durch Familienangehörige kommt es nicht an. Entscheidend kann nur sein, ob nach der Satzung und ggf. dem Stiftungsgeschäft das Wesen einer Stiftung darin besteht, es den Familien zu ermöglichen, das Stiftungsvermögen, soweit es einer Nutzung zu privaten Zwecken zugänglich ist, zu nutzen und die Stiftungserträge aus dem gebundenen Vermögen an sich zu ziehen (vgl. Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG, 6. Aufl. 2020, § 1 Rz 21). Dass den Familien derartige Nutzungs- und Zugriffsmöglichkeiten offenstehen, kann sich allein aus der Natur des Stiftungszwecks oder aber in Verbindung mit dem Einfluss der Familie(n) auf die Geschäftsführung ergeben. Ausreichend ist, wenn die Familienangehörigen in hohem Maße gefördert werden. Eine Ausschließlichkeit der Förderung der Familieninteressen ist hingegen nicht erforderlich (vgl. Hannes/Holtz/Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 18. Aufl. 2021, § 1 Rz 18).

Die Steuerpflicht tritt nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ein, wenn die Stiftung oder der Verein die Geschäftsleitung oder den Sitz im Inland hat.

b) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Klägerin um eine Familienstiftung, welche auch in persönlicher Hinsicht der Erbschaftsteuerpflicht unterliegt.

aa) Die Klägerin ist eine rechtsfähige Stiftung. Sie wurde nach Schweizer Recht mit Sitz in der Schweiz errichtet und ist dort nach den Regelungen des Schweizer Zivilrechts rechtsfähig.

(1) Nach der deutschen Zivilrechtslage ist sie nicht rechtsfähig. Sie ist insbesondere nicht von einer zuständigen Landesbehörde nach den §§ 80 ff. BGB anerkannt worden. Über ihre fehlende zivilrechtliche Rechtsfähigkeit in Deutschland besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

(2) § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG beschränkt sich nach Auffassung des Senats nicht auf in Deutschland zivilrechtlich als rechtsfähig anzusehende Stiftungen oder solche, die in einem Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR gegründet wurden, sondern umfasst alle Stiftungen weltweit. Aus der Gesetzesbegründung der durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17. April 1974 (BGBl I 1974, 933) eingefügten Normen der §§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ergibt sich insoweit lediglich, dass hierdurch eine periodisch wiederkehrende Besteuerung von Familienstiftungen eingeführt werden sollte, um zu verhindern, dass in Familienstiftungen gebundenes Vermögen auf Generationen der Erbschaftsteuer entzogen wird, ohne dass der Gesetzgeber insoweit hinsichtlich weiterer Kriterien des Begriffes der "Familienstiftung" differenziert hätte (vgl. BT-Drucksache 7/1333, S. 3).

Wie bei Schenkungen unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 25. Juni 2021 II R 40/18, BFH/NV 2022, 327 [BFH 25.06.2021 - II R 40/18]) ist auch im Fall von § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auf der Grundlage des jeweils für die ausländische Vermögensmasse maßgeblichen ausländischen Rechts zu beurteilen, ob es sich um eine rechtsfähige Stiftung handelt. Daran ändert es nichts, dass der Gesetzgeber mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (BGBl I 1999,402) nur in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2, § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 und in § 20 Abs. 1 Satz 2 ErbStG die Gleichstellung von nichtrechtsfähigen Vermögensmassen ausländischen Rechts mit den im Inland rechtsfähigen Stiftungen ins Gesetz aufgenommen hat. Für die Familienstiftungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG war eine gleichartige Gesetzesänderung nicht nötig, da deren persönliche Steuerpflicht bereits durch § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG hinreichend klar geregelt war. Ob die jeweilige ausländische Familienstiftung letztlich mit Ersatzerbschaftsteuer zu besteuern ist, entscheidet sich nämlich erst auf Ebene der persönlichen Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vom Gesetzgeber gewählte Formulierung "die Geschäftsleitung oder den Sitz" macht deutlich, dass er der persönlichen Steuerpflicht zur Zahlung von Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auch jene Stiftungen unterwerfen wollte, die zwar ihren satzungsgemäßen Sitz im Ausland, ihre Geschäftsleitung jedoch im Inland haben. Auf die fehlende Rechtsfähigkeit der Stiftung in Deutschland wegen ihrer Doppelansässigkeit kommt es daher in dem Fall nicht an.

(3) Die Ermittlung des ausländischen Rechts, dem die Vermögensmasse unterliegt, ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten abhängig (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juni 2021 II R 13/19, BFH/NV 2022, 656 [BFH 25.06.2021 - II R 13/19] und II [BFH 28.07.2021 - X R 35/20] R 40/18, BFH/NV 2022, 327 [BFH 25.06.2021 - II R 40/18]).

(4) Bei der Klägerin handelt es sich um eine in der Schweiz rechtsfähige Stiftung. Dies ergibt sich aus dem Schweizer Privatrecht, nach welchem Familienstiftungen grundsätzlich weitgehend selbstständig errichtet werden können.

Gem. Art. 335 Abs. 1 ZGB kann ein Vermögen mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen oder zu ähnlichen Zwecken eine Familienstiftung nach den Regeln des Personenrechts oder des Erbrechts errichtet wird. Gem. Art. 52 Abs. 1, 2 ZGB bedarf die Familienstiftung als nicht wirtschaftlichen Zwecken dienender Verein keiner Eintragung in das Handelsregister. Sie unterliegt gem. Art. 87 Abs. 1 ZGB auch keiner Stiftungsaufsicht (vgl. dazu insgesamt auch Jakob, ZEV 2009, 165, 166). Obwohl die Errichtung einer Schweizer Familienstiftung keiner behördlichen oder gerichtlichen Mitwirkung bedarf, kann ihre Aufhebung gem. Art. 88 Abs. 2 ZGB nur durch ein Gericht erfolgen.

Vorliegend genügt die notarielle Gründungsurkunde der Klägerin, in welcher als Zweck die Bestreitung von Kosten der Erziehung, Ausstattung, Unterstützung oder ähnlicher Bedürfnisse von Familienangehörigen der Stiftungsgründerin ausgewiesen ist, den Anforderungen des Art. 355 Abs. 1 ZGB. Sie ist damit wirksam errichtet worden. Die Klägerin hat auch eine eigene Rechtspersönlichkeit. Ihr Vermögen ist ihr nicht nur zur Verwaltung übertragen worden, sondern sie ist zivilrechtlicher Rechtsträger des Vermögens. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sie das Vermögen als Erbin übertragen bekommen konnte. Ihre Rechtsfähigkeit in der Schweiz wird durch ihre Parteifähigkeit in dem vor dem Kantonsgericht und der Berufungsinstanz geführten Rechtsstreit bestätigt.

Ihre Aufhebung hingegen ist bislang nicht erfolgt. Daran ändert auch das von der Klägerin vorgelegte Urteil des Kantonsgerichts nichts. Sofern die Klägerin hier vorträgt, dieses Urteil belege ihre fehlende Rechtsfähigkeit in der Schweiz, so folgt das Gericht dieser Argumentation nicht. Dieses erstinstanzliche Urteil ist nicht in Rechtskraft erwachsen und entfaltet damit keine Bindungswirkung. Die Klägerin verhält sich zudem widersprüchlich. Sie geht selbst von einer Rechtsfähigkeit in der Schweiz aus, was sich neben dem in der Schweiz bestellten Zustellbevollmächtigten bereits dadurch zeigt, dass sie das Urteil des Kantonsgerichts gerade nicht in Rechtskraft erwachsen lassen wollte. Deswegen hat sie auch die Berufungsinstanz angerufen und sich in dieser mit der (damaligen) Klägerin außergerichtlich geeinigt. Sie hat damit alles Notwendige getan, damit in der Schweiz gerade nicht durch ein Gericht die Aufhebung ihrer Rechtsfähigkeit festgestellt wird.

bb) Die Stiftung wurde ausweislich ihres bereits erwähnten Zwecks im Familieninteresse errichtet.

cc) Sie dient den Familieninteressen auch wesentlich, da die Erträge der Stiftung ausschließlich Familienangehörigen zufließen. Die Bezugsberechtigung der in der Satzung bezeichneten Familienangehörigen prägt daher das Wesen der Klägerin als Familienstiftung.

dd) Auch die die persönliche Steuerpflicht der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist gegeben, da die Klägerin ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Geschäftsleitung ist in dem Fall entsprechend der Satzung der Stiftungsrat. Die Stiftungsräte wohnen alle in Deutschland und handeln von Deutschland heraus. Sie verwalten inzwischen das ausschließlich in Deutschland belegene Vermögen der Klägerin selbst.

c) Kein Streit besteht zwischen den Beteiligten über den Zeitpunkt des Entstehens der Ersatzerbschaftsteuer mit Ablauf des 19. Januar 2020 gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, da erstmals am 19. Januar 1960 Vermögen auf die Klägerin übertragen wurde.

d) Der Beklagte hat den Erbschaftsteuerbescheid schließlich auch zu Recht gegen die Klägerin als Inhaltsadressatin gerichtet. Sie ist nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG Steuerschuldnerin der Ersatzerbschaftsteuer.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.