Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.06.2022, Az.: 13 K 82/21

Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte eines Finanzbeamten zur einkommenssteuerrechtlichen Berechnung der angefallenen Fahrtkosten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.06.2022
Aktenzeichen
13 K 82/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 36217
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2022:0614.13K82.21.00

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: VI R 15/22

Fundstelle

  • StX 2023, 361

Amtlicher Leitsatz

Bei der Versetzung eines Finanzbeamten an ein Finanzamt für Großbetriebsprüfung und gleichzeitiger Rückabordnung an ein anderes Finanzamt im Rahmen der Ausbildung zum Großbetriebsprüfer stellen die Fahrten zum Abordnungs-Finanzamt Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte dar, wenn beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung während dieser Zeit keine wesentlichen Arbeitsleistungen erbracht wurden.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Ort einer ersten Tätigkeitsstätte.

Der Kläger ist Finanzbeamter. In der Zeit vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Juli 2016 absolvierte er den Regelaufstieg nach § 33 Niedersächsische Laufbahnverordnung (NLVO). In diesem Zeitraum besuchte er regelmäßig Vorlesungen in ... in Niedersachsen. Zum Ende des Studiums hatte er im Nachgang zu einer Informationsveranstaltung der Niedersächsischen Finanzverwaltung sein Interesse an der Teilnahme am Pilotprojekt "Einstellung beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung A" bekundet. Im Rahmen dieses Projekts wird ein Wechsel an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A für Absolventen und Absolventinnen einer bestandenen Laufbahnprüfung zeitnah nach Bestehen der Prüfung ermöglicht.

Das Ausbildungsprojekt verläuft regelmäßig so, dass die Bewerber zum Finanzamt für Großbetriebsprüfung versetzt und dann für vier Jahre an ihr ursprüngliches Finanzamt abgeordnet werden. Im dortigen Finanzamt werden die Bewerber zunächst für zwei Jahre im Innendienst und im Anschluss für zwei Jahre in der Betriebsprüfung eingesetzt und eingearbeitet. Nach der Einarbeitung als Betriebsprüfer wird die Abordnung nach vier Jahren voraussichtlich aufgehoben und die Tätigkeit beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung aufgenommen, wo eine zweijährige Einarbeitungszeit geplant ist. Während der vierjährigen Abordnung an das Heimat-Finanzamt werden die Kandidaten zwei- bis viermal jährlich an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung eingeladen, um die zukünftigen Kollegen und Kollegen und die Tätigkeit als Großbetriebsprüfer bzw. Großbetriebsprüferin kennenzulernen. Zudem wird während der Zeit der Abordnung der sog. Nachwuchsprüferlehrgang absolviert, der Voraussetzung für eine Tätigkeit in der (Groß-)Betriebsprüfung ist. An diesem Lehrgang nehmen auch Anwärter und Anwärterinnen für eine Stelle als Amtsbetriebsprüfer bzw. Amtsbetriebsprüferin teil, die keine Versetzung an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung anstreben, sondern in die Amtsbetriebsprüfung des jeweiligen Finanzamts wechseln wollen. Die Beendigung der Ausbildung bedarf einer weiteren Abordnungs- oder Versetzungsverfügung, die an die erfolgreiche Einarbeitung in die Tätigkeit als Betriebsprüfer bzw. Betriebsprüferin geknüpft ist.

Besuche im Finanzamt für Großbetriebsprüfung fanden - mit Ausnahme des Nachwuchsprüferlehrgangs - nur an einzelnen Tagen, z.B. zur Hospitation statt. Im Jahr 2016 war der Kläger im Rahmen dieser Hospitationen an vier Tagen im Finanzamt für Großbetriebsprüfung und im Jahr 2017 für drei Tage. Dabei umfassten die Hospitationen nie mehr als zwei aufeinanderfolgende Tage.

Mit Schreiben vom 5. August 2016 wurde dem Kläger durch den Vorsteher des Finanzamts für Großbetriebsprüfung zur bestandenen Laufbahnprüfung gratuliert und mitgeteilt, dass man sich freue, dass der Kläger entschieden habe, an dem Pilotprojekt der Oberfinanzdirektion Niedersachsen - Einstellung beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung A teilzunehmen. In dem Schreiben heißt es weiter:

"[...]

Zum 1. September 2016 werden Sie an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A versetzt und gleichzeitig an Ihr derzeitiges Finanzamt für die nächsten vier Jahre abgeordnet werden. Ab dem Jahr 2020 werden Sie dann in meinem Finanzamt weitere zwei Jahre auf Ihre Tätigkeit als Großbetriebsprüfer vorbereitet werden. [...]"

Nach Beendigung seines Regelaufstiegs wurde der Kläger mit Verfügung der Oberfinanzdirektion ... vom 22. August 2016 zum 1. September 2016 an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A versetzt und gleichzeitig bis auf Weiteres an das Finanzamt B abgeordnet. Weiterhin wird in der Verfügung vom 22. August 2016 folgendes ausgeführt:

"[...]

Sie werden beim Finanzamt B nach einer zweijährigen Verwendung im Innendienst, davon ein Jahr in der allgemeinen Veranlagung (einschließlich drei Monate Körperschaftsteuer), als Amtsbetriebsprüfer eingearbeitet. Nach einer erfolgreichen Einarbeitung als Betriebsprüfer wird die Abordnung an das Finanzamt B voraussichtlich nach vier Jahren aufgehoben. Sie werden dann für die Dauer von zwei Jahren in die Aufgaben eines Großbetriebsprüfers eingewiesen. [...]"

Nach erfolgreicher Bestellung zum Betriebsprüfer wurde die Abordnung an das Finanzamt B zum 1. August 2020 aufgehoben.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 gab der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit als erste Tätigkeitsstätte das Finanzamt B an und machte darüber hinaus Fortbildungskosten in Höhe von XXX € geltend. In seiner Berechnung der Fortbildungskosten waren insgesamt vier Fahrten zum Finanzamt für Großbetriebsprüfung enthalten. In der Einkommensteuererklärung 2017 machte der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit u.a. Werbungskosten von XXX € geltend. Hierin enthalten waren u.a. Aufwendungen für die Fahrten zum Finanzamt B mit einem Kilometersatz von 0,70 € pro Kilometer in Höhe von insgesamt 3.388 €. Für die Fahrtkosten zum Finanzamt für Großbetriebsprüfung machte er in diesem Zusammenhang Fahrtkosten für alle Fahrten für eine einfache Strecke von 275,5 km (insgesamt 551 km) geltend.

Das zuvor zuständige Finanzamt H erließ daraufhin am 28. Juni 2017 einen Einkommensteuerbescheid 2016, in dem für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte für 120 Fahrten zu 11 km und 0,30 € insgesamt 396 € als Werbungskosten abgezogen wurden. Zudem wurden Fortbildungskosten in Höhe von XXX € abgezogen. Für den Veranlagungszeitraum 2017 erließ es am 27. September 2019 einen Einkommensteuerbescheid, in dem bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte für 220 Fahrten zu 11 km und 0,30 € mit insgesamt 726 € berücksichtigt wurden.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 legte der Kläger am 13. Juli 2017 Einspruch ein. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 legte er am 11. Oktober 2019 Einspruch ein. Die Einsprüche begründete er damit, dass aufgrund der Abordnung an das Finanzamt B dort keine erste Tätigkeitsstätte begründet worden sei. Weder liege eine dauerhafte Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG zum Finanzamt B durch Versetzung vor noch sei von einer solchen Zuordnung gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG auszugehen. Er habe weder unbefristet für die Dauer des Dienstverhältnisses oder für einen Zeitraum von über 48 Monaten hinaus beim Finanzamt B tätig werden sollen. Außerdem würde eine Unterbrechung der Tätigkeit beim FA B durch den Nachwuchsprüferlehrgang erfolgen. Es könne auch nicht von einer dauerhaften Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG ausgegangen werden, weil durch die Versetzung zum Finanzamt für Großbetriebsprüfung dort eine erste Tätigkeitsstätte begründet worden sei. Bei den Fahrten zum Finanzamt B handele es sich somit ab dem 1. September 2016 nicht um Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, sondern um Fahrten, die nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Des Weiteren seien für die ersten drei Monate der auswärtigen beruflichen Tätigkeit beim Finanzamt B Mehraufwendungen für Verpflegung als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Am 22. Februar 2019 erließ das Finanzamt H zunächst einen Teil-Abhilfebescheid für Einkommensteuer 2016, mit dem nunmehr Fortbildungskosten von XXX € berücksichtigt wurden. Die Fahrten zum Finanzamt B wurden weiterhin als Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte behandelt. Für die sonstigen Fahrten wurde ein im Einspruchsverfahren zwischen dem Kläger und dem Finanzamt abgestimmter Kilometersatz von 0,70 €/km zugrunde gelegt.

Aufgrund eines Wohnsitzwechsels des Klägers übernahm in der Folgezeit das beklagte Finanzamt (im Folgenden: FA) die Bearbeitung des Steuerfalles und der laufenden Einspruchsverfahren. Mit Einspruchsentscheidungen vom 21. Mai 2021 wies es die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass mit dem Schreiben des Finanzamts für Großbetriebsprüfung A vom 5. August 2016 und dem Schreiben der Oberfinanzdirektion ... vom 22. August 2016 eine dienstrechtliche Anordnung zur Abordnung an das Finanzamt B zur Einarbeitung und Vorbereitung der späteren Tätigkeit im Finanzamt für Großbetriebsprüfung ergangen sei. Es liege daher eine dienstrechtliche Festlegung im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG vor. Es liege auch eine dauerhafte Zuordnung zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung vor. Die Abordnung "bis auf Weiteres" sei als Zuordnung ohne Befristung zu verstehen und daher als dauerhaft anzusehen. Da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EStG vollumfänglich erfüllt seien, stelle das Finanzamt B die erste Tätigkeitsstätte dar. Die vorherige bzw. zeitgleiche Versetzung an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung stehe der Zuordnung nicht entgegen, da es sich bei der Versetzung nicht um eine Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 EStG handele. Die Versetzung sei lediglich aus organisatorischen Gründen erfolgt und der Kläger sei bis zum Ende seiner Abordnung im Finanzamt für Großbetriebsprüfung nicht in größerem Umfang tätig geworden. Die Fahrten zum Finanzamt B seien daher mit der Entfernungspauschale abgegolten. Ein Ersatz von Verpflegungsmehraufwendungen scheide ebenfalls aus, da der Kläger an den betreffenden Tagen nicht mehr als acht Stunden von seiner Wohnung oder seiner ersten Tätigkeitsstätte entfernt gewesen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 18. Juni 2021 Klage erhoben. Diese begründet er damit, dass das FA die Grundzüge des Reisekostenrechts, konkret die ex-ante-Betrachtung, verkenne. Soweit sich das FA auf Verfügungen der OFD beziehe sei zudem anzumerken, dass diese keinen Rechtsnormcharakter hätten. Das FA verkenne, dass eine Absolvierung des Nachwuchsprüferlehrgangs nicht im Finanzamt B habe erfolgen können. Schon deshalb habe eine Aufhebung der (Rück)Abordnung an das Finanzamt B innerhalb von 48 Monaten erfolgen müssen. Die Absolvierung des Nachwuchsprüferlehrgangs sei auch nicht Voraussetzung für die Aufhebung der Abordnung. Dies zeige sich daran, dass bei den Kollegen und Kolleginnen, die im Folgejahr an dem Projekt teilgenommen hätten, die Abordnungen zum 1. August 2021 aufgehoben worden seien, obwohl diese bedingt durch die Covid-19-Pandemie den Lehrgang nicht absolviert hätten.

Im Übrigen verweist er auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2016 vom 28. Juni 2017, in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 22. Februar 2019 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 2021 bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit die bisher anerkannten Werbungskosten in Höhe von XXX € um weitere Werbungskosten in Höhe von XXX € auf einen Betrag in Höhe von XXX € zu erhöhen,

  2. 2.

    unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2017 vom 28. September 2019 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 2021 bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit die bisher anerkannten Werbungskosten in Höhe von XXX € um weitere Werbungskosten in Höhe von XXX € auf einen Betrag in Höhe von XXX € zu erhöhen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dies begründet es damit, dass der Arbeitgeber den Kläger mit der Abordnung dem Finanzamt B zugeordnet habe, da dort die Arbeitsleistung für die Dauer der Abordnung habe erbracht werden sollen. Es entspreche der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet sei, in der er tatsächlich tätig sei oder werden solle. Dem Kläger sei mit seiner Abordnungsverfügung zudem mitgeteilt worden, dass er für den Nachwuchsprüferlehrgang vorgemerkt sei. Im Außenprüfungsportal der Finanzverwaltung, auf das für weitere Informationen verwiesen worden sei, habe man weitergehend mitgeteilt, dass hinsichtlich des Zeitpunkts des Lehrgangsbesuchs für alle Nachwuchsprüfer eine Wahlmöglichkeit bestehe. Der Zeitpunkt des Lehrgangsbeginns habe bis zu drei Mal um ein halbes Jahr verschoben werden können, um den individuellen Lebensumständen zu genügen. Unter diesen Umständen habe man eine auf die Zukunft gerichtete prognostische Beurteilung, ob eine dauerhafte Zuordnung zum Finanzamt B vorliege, nur bejahen können. Bei der von der Oberfinanzdirektion Niedersachsen getroffenen Aussage, die Abordnung an das Finanzamt B werde nach einer erfolgreichen Einarbeitung durch den Kläger voraussichtlich nach vier Jahren aufgehoben, könne es sich lediglich um eine Zirka-Angabe handeln, die nach den Parametern des Sachverhalts allenfalls einen Mindestzeitraum bezeichnet habe. Die Zuordnung eines Finanzbeamten zu einem bestimmten Finanzamt und die damit zusammenhängende Begründung einer ersten Tätigkeitsstätte im Rahmen einer befristeten Tätigkeit schließe es nicht aus, dass der Beamte nicht an Lehrgängen in anderen Finanzämtern teilnehmen könne, ohne den Status des zugewiesenen Finanzamts als erste Tätigkeitsstätte zu gefährden. An der durch den Dienstherrn vorgenommenen Zuordnungsentscheidung ändere dies nichts. Die Situation der Kolleginnen und Kollegen im Folgejahr sei nicht vergleichbar, da die Covid-19-Pandemie zu einem unvorhersehbar abweichenden Verlauf der Ausbildung geführt habe, was letztlich höherer Gewalt geschuldet gewesen sei. Allein die Tatsache, dass die Einarbeitungszeit als Betriebsprüfer nicht genau bestimmt sei, sondern vom individuellen Erfolg abhängig gemacht werde und dass verschiedene Umstände es zulassen würden, dass der Lehrgangsbesuch zeitlich hinausgeschoben werden, zeige, dass die Abordnung des Dienstherrn nicht von vornherein auf vier Jahre begrenzt sei, sondern dass damit lediglich ein Mindestzeitraum an Ausbildung umrissen werde.

Im Übrigen verweist es auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Erste Tätigkeitsstätte des Klägers war in der Zeit ab dem 1. September 2016 das Finanzamt B. Die Aufwendungen für die Fahrten zum Finanzamt B werden dementsprechend durch die Kilometerpauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG abgedeckt.

a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG zählen zu den Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 €/km anzusetzen. Der Abzug von Werbungskosten wird dementsprechend sowohl der Höhe als auch der Strecke nach begrenzt. Sofern es sich um Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte handelt scheidet ein höherer Abzug von Reise-/Fahrtkosten aus (Schmidt/Krüger, EStG, 41. Aufl., § 9 Rn. 290).

b) "Erste Tätigkeitsstätte" ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Der Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" hat mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 den bisherigen Begriff der "regelmäßigen Arbeitsstätte" ersetzt (vgl. Art. 1 Nr. 4 und Art. 6 des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013, BGBl I 2013, 285). Von Bedeutung ist nunmehr, ob eine "ortsfeste betriebliche Einrichtung" vorliegt, ob der Arbeitnehmer dieser Einrichtung "zugeordnet" ist und ob die Zuordnung "dauerhaft" ist.

Nach der gesetzlichen Konzeption - und der die Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts prägenden Grundentscheidung - wird die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeits(vertrag)- oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien (vgl. BT-Drs. 17/10774, S. 15; BFH, Urteil vom 30. September 2020 - VI R 10/19, BStBl II 2021, 306; ebenso BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014, IV C 5 S 2353/14/10002, BStBl I 2014, 1412; Schmidt/Krüger, EStG, 41. Aufl., § 9 Rn. 303).

c) Arbeitgeber des Klägers ist im vorliegenden Fall das Land Niedersachsen als dessen Dienstherr i.S. von § 2 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) mit dem Niedersächsischen Finanzministerium als oberster Dienstbehörde des Dienstherrn i.S. des § 3 Abs. 1 NBG.

d) Sowohl das Finanzamt B als auch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A sind "ortsfeste betriebliche Einrichtungen" nach § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG. Hierunter versteht man räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden (BFH, Urteil vom 10. April 2019 - VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904 [BFH 03.04.2019 - VI R 46/17]). Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbständige betriebliche Einrichtungen darstellen können (z.B. Werkstätten und Werkshallen, Bürogebäude und -etagen sowie Verkaufs- und andere Wirtschaftsbauten), räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen. Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht (vgl. BFH, Urteil vom 10. April 2019 - VI R 17/17, a.a.O. Rn. 16: fliegendes Personal; Urteil vom 11. April 2019 - VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl II 2019, 543: Gesamthafenarbeiter; Urteil vom 11. April 2019 - VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546: Flugzeugführerin; Urteil vom 11. April 2019 - VI R 12/17, BFHE 264, 265, BStBl II 2019, 551: Luftsicherheitskontrollkraft; Urteil vom 1. Oktober 2020 - VI R 36/18, BFH/NV 2021, 309: Werksbahn-Lokomotivführer).

e) Für den Streitzeitraum, d.h. ab dem 1. September 2016 bis zum 31. Dezember 2017, war erste Tätigkeitsstätte des Klägers das Finanzamt B.

aa) Die "Zuordnung" zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Einer gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf es nicht (BFH, Urteil vom 11. April 2019 - VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546; Urteil vom 30. September 2020 - VI R 10/19, BFHE 270, 465, BStBl II 2021, 306).

bb) Zu arbeitsrechtlichen Weisungen und Verfügungen zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen (BT-Drs. 17/10774, S. 15). Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers vorgenommen werden. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Sie setzt auch nicht voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bewusst ist. Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet, weil er dort seine Arbeitsleistung erbringen soll, ist diese Zuordnung aufgrund der steuerrechtlichen Anknüpfung an das Dienst- oder Arbeitsrecht auch steuerrechtlich maßgebend. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden sollte (BFH, Urteil vom 4. April 2019 - VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536; Urteil vom 10. April 2019 - VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539; Urteil vom 11. April 2019 - VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl II 2019, 543;Urteil vom 11. April 2019 - VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546; Urteil vom 11. April 2019 - VI R 12/17, BFHE 264, 265, BStBl II 2019, 551).

cc) Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers ist im Wege einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Dabei entspricht es regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll. Die Zuordnungsentscheidung muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13. Juli 2021 - 13 K 63/20, EFG 2022, 45; a.A. BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014 - IV C 5 - S 2353/14/10002, BStBl I 2014, 1412 unter Rn. 10). Eine Dokumentationspflicht ist § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu entnehmen (BFH-Urteil vom 10. April 2019 - VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904 [BFH 03.04.2019 - VI R 46/17]; Urteil vom 11. April 2019 - VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl II 2019, 543; Urteil vom 30. September 2020 - VI R 10/19 VI R 10/19, BFHE 270, 465, BStBl II 2021, 306 [BFH 30.09.2020 - VI R 10/19]; Urteil vom 30. September 2020 - VI R 11/19, BFHE 270, 470, BStBl II 2021, 308).

Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeits- oder dienstrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an (BT-Drs. 17/10774, Seite 15; BFH, Urteil vom 11. April 2019 - VI R 36/16, BStBl II 2019, 543; BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014 - IV C 5 - S 2353/14/10002, BStBl I 2014, 1412 unter Rn. 8). Es entspricht aber regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer derjenigen betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Dritten zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder tätig werden soll (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13. Juli 2021 - 13 K 63/20, EFG 2022, 45 Rn. 73 f.).

dd) Der Steuerpflichtige muss außerdem an der ersten Tätigkeitsstätte in noch hinreichendem Umfang Tätigkeiten erledigen. Aus § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG und dem Wortsinn des Tatbestandsmerkmals der "Tätigkeitsstätte" lässt sich das Erfordernis ableiten, dass der Kläger - zumindest im geringen Umfang - auch tatsächlich an der ersten Tätigkeitsstätte tätig wird (vgl. BFH, Urteil vom 04. April 2019, VI R 27/17, DStR 2019, 1507). Denn ein Ort, an dem der Steuerpflichtige nicht tätig wird (oder für den Regelfall nicht tätig werden soll), kann nicht als Tätigkeitsstätte angesehen werden. Dies ist Ausfluss des objektiven Nettoprinzips, denn anderenfalls bestimmt sich die Steuerlast nicht - gleichheitsrechtlich geboten - nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, sondern nach dem Belieben des Arbeitgebers (vgl. BFH, Urteil vom 11. April 2019, VI R 36/16, BStBl II 2019, 543). Was als hinreichender Umfang jeweils erforderlich ist, bestimmt sich danach, welche ausgeführten Tätigkeiten vom Steuerpflichtigen individuell-arbeitsvertraglich geschuldet sind und typischerweise zu dem Berufsbild der von ihm ausgeübten Berufstätigkeit gehören; nicht erforderlich ist, dass sich an der ersten Tätigkeitsstätte auch der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit befindet (vgl. BFH, Urteil vom 30. September 2020, VI R 11/19, BFHE 270, 470).

ee) Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen war der Kläger nach einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts für den Zeitraum ab 1. September 2016 nicht eindeutig einer Tätigkeitsstätte zugeordnet. Eine Zuordnung des Finanzamts für Großbetriebsprüfung A als erste Tätigkeitsstätte scheitert nach einer umfassenden Würdigung des Sachverhalts daran, dass der Kläger entsprechend den Ausführungen unter 1. e) dd) dort nicht entsprechend tätig geworden ist.

(1) Vorliegend war der Kläger mit dem Schreiben der Oberfinanzdirektion ... vom 22. August 2016 zunächst ab dem 1. September an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A versetzt und sodann ab dem gleichen Datum an das Finanzamt B abgeordnet worden. Unter einer Versetzung ist nach § 28 NBG die auf Dauer angelegte Übertragung eines anderen Amtes bei demselben oder einem anderen Dienstherrn zu verstehen. Danach bezeichnet eine Abordnung nach § 27 Abs. 1 NBG die vorübergehende Übertragung einer Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn unter Beibehaltung der Zugehörigkeit zur bisherigen Dienststelle.

Diese Einordnung spricht zwar grundsätzlich für die Rechtsauffassung des Klägers, da die Versetzung an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A erfolgt war und dieser Versetzung eine auf Dauer angelegte Zuordnungsentscheidung innewohnt. Die sich anschließende Abordnung erfolgte zwar "bis auf Weiteres", war aber zeitlich schon dem Abordnungscharakter nach begrenzt. Diese zeitliche Begrenzung ergibt sich auch in der Schilderung der weiteren zeitlichen Abläufe.

(2) Der Kläger ist aber im Streitzeitraum nicht in einem noch ausreichenden Umfang im Finanzamt für Großbetriebsprüfung A tätig geworden.

Nach Auffassung des Senats reichen bei Würdigung des Gesamtsachverhalts die durch den Kläger erbrachten Tätigkeiten im Finanzamt für Großbetriebsprüfung nicht aus, um hier wenigstens von einem geringen Umfang der Tätigkeiten auszugehen. Überhaupt beschränkte sich die Tätigkeit im Streitzeitraum nach den eigenen Angaben des Klägers auf wenige Tage im Jahr, in denen im Wesentlichen Hospitationen oder Schulungen durchgeführt wurden. Ausweislich der durch den Kläger vorgelegten Unterlagen war dieser im Jahr 2016 nur an insgesamt vier Tagen und im Jahr 2017 an drei Tagen im Finanzamt für Großbetriebsprüfung.

Hinzu kommt, dass der Kläger auch bei den Besuchen im Finanzamt für Großbetriebsprüfung dort keine wirkliche "Tätigkeiten" entfaltet hat. Nach seinen eigenen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung beschränkten sich die Besuche in den Streitjahren auf bloße Hospitationen. Mithin wurde an den Anwesenheitstagen im Finanzamt für Großbetriebsprüfung dem Kläger lediglich ein Bild von seiner zukünftigen Tätigkeit vermittelt. Dies mag zwar Teil des Programms zur Ausbildung als Großbetriebsprüfer gewesen sein. Solche bloß vereinzelt stattfindenden, durch Unterricht oder Fortbildung geprägten Termine reichen allerdings nicht aus, um eine Arbeitsstätte zur ersten Tätigkeitsstätte zu qualifizieren.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch den mehrwöchigen - außerhalb der Streitjahre durchgeführten - Nachwuchsprüferlehrgang. Auch hier stand eine unterrichtende Leistung gegenüber den Anwärtern im Vordergrund und keine "Tätigkeit im eigentlichen Sinn" eines Großbetriebsprüfers oder einer Großbetriebsprüferin. Im Übrigen haben an diesem Lehrgang auch die Anwärter und Anwärterrinnen teilgenommen, die eine Tätigkeit in der Amtsbetriebsprüfung anstrebten, ohne später zum Finanzamt für Großbetriebsprüfung wechseln zu wollen. Berücksichtigt man zudem, dass nach den obigen Ausführungen der Arbeitnehmer regelmäßig der Einrichtung zugeordnet ist, an der er tatsächlich tätig ist oder tätig werden soll, ergibt sich nach einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts ebenfalls, dass eine Zuordnung zum Finanzamt für Großbetriebsprüfung allein aufgrund der vorgenommenen Versetzung nicht anzunehmen ist.

f) Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte hat mangels eindeutiger dienstrechtlicher Festlegung im vorliegenden Fall daher nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG zu erfolgen. Danach war erste Tätigkeitsstätte des Klägers im Zeitraum das Finanzamt B.

aa) Fehlt eine dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise tätig werden soll (Nr. 1) oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll (Nr. 2). Diese Einordnung nach quantitativen Merkmalen erfolgt aufgrund einer ex-ante-Betrachtung (BT-Drs. 17/10774, S. 15). Hierbei handelt es sich um eine auf die Zukunft gerichtete Prognose. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse durch Krankheit oder andere unvorhergesehene Ereignisse von der vereinbarten Festlegung ab (ex-post-Betrachtung), berührt dies die bereits getroffene Prognoseentscheidung nicht (Thürmer, in: Brandis/Heuermann, EStG § 9 Rn. 555).

bb) Der im Streitfall zu entscheidende Sachverhalt ist vergleichbar mit dem der Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts vom 15. Juli 2021 (7 K 603/19, EFG 2021, 2044) zugrunde liegenden Sachverhalt. Gegenstand des dortigen Verfahrens war die Klage eines Beamten, der von seinem Dienstherrn über mehrere Jahre hinweg an eine Hochschule des Landes als Dozent abgeordnet wurde. Seine eigentliche Dienststelle suchte er in den Jahren der Abordnung teilweise nur einmal pro Jahr und nie an mehr als acht Tagen pro Jahr auf. Die dortige Abordnung wurde ebenfalls "bis auf Weiteres" vorgenommen. Nach dem Hessische Finanzgericht ist davon auszugehen, dass es bei diesem Umfang einer "abweichenden" Tätigkeit an einem noch hinreichenden Umfang an Tätigkeiten an der ursprünglichen Dienststelle mangelt, sodass keine eindeutige Zuordnungsentscheidung vorliegt. Neben der Versetzung des Klägers lag auch in der Abordnung eine dauerhafte Zuordnung durch den Arbeitgeber. Denn sowohl Abordnung als auch Versetzung sind dienstrechtliche Festsetzungen des Arbeitgebers, die im konkreten Fall zu gegenläufigen Entscheidungen und damit zu einer nicht eindeutigen Festlegung führen (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 15. Juli 2021, a.a.O Rn. 31 ff.).

cc) Diese Begründung ist auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Wie bereits ausgeführt spricht zwar grundsätzlich für die Rechtsauffassung des Klägers, dass dieser zunächst an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A versetzt wurde. Der Wechsel an das Finanzamt B erfolgte sodann lediglich im Wege einer Abordnung, die nach § 27 Abs. 1 NBG nur die "vorübergehende Übertragung einer Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle" beinhaltet.

Eine eindeutige Zuordnungsentscheidung zum Finanzamt für Großbetriebsprüfung scheidet nach einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts aber aus, weil der Kläger dort keine ausreichenden Tätigkeiten in einem noch hinnehmbaren Umfang erbracht hat. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1. e) ee) (2) verwiesen. Wie bereits ausgeführt ist nach der Lebenswirklichkeit zudem davon auszugehen, dass eine Zuordnungsentscheidung für die betriebliche oder dienstliche Einrichtung vorgenommen wird, an der der Arbeitnehmer tatsächlich Tätigkeiten erbringt. Dies war im Streitzeitraum aber ausschließlich im Finanzamt B der Fall.

dd) Die Zuordnung hat dementsprechend nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG im Wege einer ex-ante-Betrachtung zu erfolgen. Danach war erste Tätigkeitsstätte des Klägers eindeutig das Finanzamt B. Wie man der damaligen Abordnungsverfügung vom 22. August 2016 und auch dem z.B. durch den Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen zum OFD-Pilotprojekt entnehmen kann, war das Projekt klar darauf angelegt, dass eine Tätigkeit als Finanzbeamter in den vier Jahren der Ausbildung im Ergebnis ausschließlich im "Heimatfinanzamt" stattfindet. Beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung waren lediglich Besuche und Hospitationen vorgesehen, die den Charakter eines bloßen Kennenlernens kaum überschritten haben. Auch der Nachwuchsprüferlehrgang - der zudem nicht ausschließlich durch Anwärter für den Posten den Großbetriebsprüfers bzw. der Großbetriebsprüferin besucht wurde - hatte seinen Schwerpunkt in der Wissensvermittlung und nicht in einer eigentlichen Arbeitstätigkeit als Finanzbeamter.

2. Aus diesem Grund kommt auch der durch den Kläger geltend gemacht Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen nicht in Betracht.

Nach § 9 Abs. 4a Satz 1 und 2 EStG sind Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung abziehbar, wenn der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte tätig ist (auswärtige berufliche Tätigkeit). Nach § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG ist der Abzug auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt. Die Regelung ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach abschließend, d.h. nur in den genannten Fällen kann Verpflegungsmehraufwand geltend gemacht werden und nur mit den geregelten Pauschbeträgen (Schmidt/Krüger, EStG, 41. Aufl., § 9 Rn. 310).

Mit der Tätigkeit beim Finanzamt B ist der Kläger nicht außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte tätig geworden. Wie bereits dargestellt handelte es sich im Streitzeitraum nach einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts vielmehr beim Finanzamt B um die erste Tätigkeitsstätte des Klägers, sodass der Ersatz von Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend ausscheidet. Für die Fahrten zum Finanzamt für Großbetriebsprüfung hat das FA dagegen entsprechende Verpflegungsmehraufwendungen berücksichtigt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen. Soweit erkennbar hat sich der BFH mit der Frage der ersten Tätigkeitsstätte im Rahmen einer beamtenrechtlichen Versetzung und anschließenden Abordnung noch nicht befasst.