Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.06.2022, Az.: 2 K 165/21

Kindergeldrechtliche Berücksichtigung für eine innerhalb eines Arbeitsverhältnisses oder Dienstverhältnisses stattfindende Ausbildung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
09.06.2022
Aktenzeichen
2 K 165/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 40578
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Anspruch auf Kindergeld für einen Zeitraum zwischen zwei Ausbildungsabschnitten besteht, für den das Kind ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen war.

Die Klägerin ist die leibliche Mutter des am 2001 geborenen Sohn (M), für den sie bis einschließlich Juli 2021 Kindergeld bezog. M bestand am 2020 die Prüfung zum Landwirt. Im Anschluss an die Berufsausbildung besuchte er bis zum 31. Juli 2021 eine einjährige Fachschule Agrarwirtschaft.

M beabsichtigte seine Ausbildung durch Besuch der Fachschule Agrarwirtschaft, Schwerpunkt Betriebs- und Unternehmensführung, ab August 2022 fortzusetzen. Dabei handelt es sich um eine zweijährige weitergehende Schulausbildung. Zulassungsvoraussetzung für den Besuch der zweijährigen Fachschule Agrarwirtschaft ist gemäß § 3 Abs. 10 der Verordnung der berufsbildenden Schulen in Niedersachsen (BBS-VO) unter anderem der Nachweis einer einjährigen einschlägigen hauptberuflichen Tätigkeit.

Zur Erfüllung dieser Zugangsvoraussetzungen schloss M am 23. März 2021 mit der A in X mit Wirkung ab dem 1. August 2021 einen bis zum 31. Juli 2022 befristeten Arbeitsvertrag. Nach § 1 des Arbeitsvertrages wird er als landwirtschaftlicher Mitarbeiter eingestellt, dessen Aufgaben alle anfallenden landwirtschaftlichen Tätigkeiten umfasst. Nach § 3 des Arbeitsvertrages handelt es sich um eine Vollzeitstelle, für die er nach § 2 des Arbeitsvertrages eine monatliche Vergütung von 2.175 € brutto erhält. Der Arbeitgeber bescheinigte M mit Schreiben vom 7. Juli 2021, dass er bei der Firma ein Fachpraxisjahr im landwirtschaftlichen Betrieb absolviert.

M hat sich im Juni 2021 an der Fachschule für das Schuljahr 2022/2023 angemeldet. Die Schule hat die Aufnahme von M als Schüler mit Schreiben vom 28. Juni 2021 bestätigt.

Die Klägerin teilte dem Beklagten im Mai 2021 mit, dass ihr Sohn die Ausbildung durch den Besuch einer zweijährigen Fachschule Agrarwirtschaft ab 1. August 2022 fortsetzen wolle und dafür ab 1. August 2021 bis zum 31. Juli 2022 ein einjähriges Praxisjahr bei der Firma A absolvieren werde. Sie beantragte die Gewährung von Kindergeld über den Juli 2021 hinaus. Der Beklagte folgte dem Antrag nicht und hob die Kindergeldfestsetzung für M ab August 2021 mit Bescheid vom 23. Juni 2021 auf.

Den dagegen von der Klägerin mit Schreiben vom 28. Juni 2021 erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15. September 2021 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr Kindergeld auch für den streitigen Zeitraum zustehe. Der Besuch der zweijährigen Fachschule Agrarwirtschaft stelle einen Teil einer einheitlichen erstmaligen Berufsausbildung dar. Die Berufsausbildung sei in mehrere Teilakte untergliedert, wobei für den Abschluss "staatlich geprüfter Betriebswirt" als Zusatzvoraussetzung ein Praxisjahr notwendig sei. Alleine aus Vorgaben der Ausbildungsordnung lasse sich entnehmen, dass von einer einheitlichen Berufsausbildung auszugehen sei. Dies könne auch nicht mit der Erklärung widerlegt werden, durch den Abschluss eines Anstellungsvertrages würde die Prägung einer einheitlichen Ausbildung verloren gehen. Die besondere Typik der Ausbildung in diesem Berufsbereich sei bei der Entscheidung zu beachten.

Die Besonderheit der Ausbildung sei auch in der Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses zu erkennen. Für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als "Hauptsache" würde sprechen, wenn sich das Kind längerfristig an den Arbeitgeber binden würde. Dies sei vorliegend aber gerade nicht der Fall. Sei das Beschäftigungsverhältnis - wie vorliegend gegeben - bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts befristet, spreche dies bereits für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung. Des Weiteren gehe die Klägerin davon aus, dass der Ausbildungscharakter und nicht der reine Erwerbscharakter im Vordergrund stehe. Ihr Sohn werde in die Tätigkeiten, die er durchzuführen habe, eingewiesen. Selbstverständlich führe der Sohn die seinem Ausbildungsstand entsprechenden Arbeiten eigenständig durch. Die eigenständige Ausübung der Tätigkeit stehe der Definition einer ausbildenden Tätigkeit nicht entgegen.

Der Ausbildungscharakter bestehe letztendlich in der weiteren "Spezialisierung". Deutlich zeige sich dies zum Beispiel im Bereich der Aussaat. Ihrem Sohn würden vertiefte Kenntnisse in der Auswahl der Fruchtfolge unter Berücksichtigung des jeweiligen Standorts vermittelt. Gleiches gelte für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, um die Pflanzen vor Unkräutern sowie Krankheiten und Schädlingen zu schützen. Hierbei stehe auch im Vordergrund, welche Maßnahmen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten Sinn ergäben, wie die Kosten unter Berücksichtigung der Flächen zu berechnen seien bzw. die Bezugswege für die entsprechenden Pflanzenschutzmittel zu beachten seien. Ihrem Sohn seien zudem vertiefte Kenntnisse in der Bewertung der Standorte vermittelt worden. Es werde gezielt die Bodenqualität geprüft, um hieran anschließend (beispielsweise) Pachtzinsforderungen zu berechnen. Die vermittelten Kenntnisse seien zwingend, um zukünftig erfolgreich die zweijährige Fachschule Agrarwirtschaft mit dem oben genannten Abschluss besuchen zu können.

Dieser Würdigung könne auch nicht die Ausbildungsordnung der Berufsschule entgegengehalten werden. Diese regele ausschließlich die Aufnahmevoraussetzung für die zweijährige Fachschule Agrarwirtschaft. Die Verordnung enthalte das Ziel des Bildungsganges, der letztendlich zum Berufsabschluss nach Landesrecht führe. Als Verordnung des Landesgesetzgebers konkretisiere die Verordnung die Zugangsvoraussetzungen, könne jedoch auf keinen Fall eine Konkretisierung einer bundesgesetzlichen Regelung wie dem Einkommensteuergesetz mit Blick auf die Gewährung von Kindergeld darstellen. Die Argumentation des Beklagten sei deshalb bereits aus rechtsdogmatischen Gründen unzutreffend. Darüber hinaus sei die vom Beklagten herangezogene Rechtsprechung des BFH (Az III R 14/15) im Streitfall nicht einschlägig. Die Sachverhalte seien nicht vergleichbar. Vielmehr habe auch der BFH ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei jedem Sachverhalt als Einzelfall zu prüfen sei, ob die Ausbildungsabschnitte als integrative Bestandteile einer einheitlichen Ausbildung anzusehen seien. Diese Voraussetzungen seien vorliegend zu bejahen.

Des Weiteren verkenne der Beklagte, dass die Rechtsprechung des BFH auf das konkrete Berufsziel des hier angestrebten Abschlusses hin auszulegen sei. Es sei deshalb entscheidend, ob die Erlangung beruflicher Qualifikationen (Ausbildungscharakter) oder die Erbringung bezahlter Arbeitsleistung (Erwerbscharakter) im Vordergrund stehe bzw. ob ein Ausbildungsdienstverhältnis vorliege. Dass der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehe, sei ausreichend dargelegt. Der Beklagte habe hierzu lediglich ausgeführt, dass nach der Ausbildungsverordnung keine explizite Vermittlung von Ausbildungsinhalten während der hauptberuflichen Tätigkeit gefordert werden würden. Darauf komme es aber nicht an. Vielmehr sei auf den tatsächlichen Umfang und den Ausbildungscharakter der praktischen Tätigkeit des Sohnes abzustellen. Der Beklagte beschränke sich diesbezüglich lediglich weiter auf das Argument, die vom Sohn der Klägerin genannten Tätigkeiten seien berufstypisch und hätten keinen Ausbildungscharakter. Hierbei handele es sich um eine pauschale Behauptung, die keinen weiteren Erkenntnisgewinn nach sich ziehe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 2021 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den 31. Juli 2021 hinaus bis einschließlich September 2021 Kindergeld in gesetzlicher Höhe für den Sohn festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung seines Antrags auf die Einspruchsentscheidung und macht diese zum Gegenstand des Vorbringens in diesem Verfahren.

Darüber hinaus trägt der Beklagte vor, dass keine einheitliche Ausbildung vorliege. Zwar liege ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Ausbildung und der hauptberuflichen Tätigkeit des Sohnes der Klägerin vor, allerdings fehle es an einem engen zeitlichen Zusammenhang. Die Aufnahme der zweijährigen Fachschule Landwirtschaft setze nach der Verordnung der berufsbildenden Schulen in Niedersachsen (BBS-VO) eine einschlägige hauptberufliche Tätigkeit voraus und führe damit zu einem verzögerten Beginn der weiterführenden Ausbildung. Nach der einschlägigen Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BStBl II 2016, 615) liege damit regelmäßig mangels notwendigem engen zeitlichen Zusammenhang keine einheitliche Erstausbildung vor.

Die Klägerin führe weiter an, dass die in der hauptberuflichen Tätigkeit vermittelten Kenntnisse zwingend seien, um die zweijährige Fachschule besuchen zu können. Nach der BBS-VO werde jedoch gerade keine explizite Vermittlung von Ausbildungsmaßnahmen während der hauptberuflichen Tätigkeit gefordert. Ausreichend sei lediglich eine einschlägige hauptberufliche Tätigkeit, um anschließend die Weiterbildung an der Fachschule fortsetzen zu können. Auch dies spreche für einen untergeordneten Ausbildungscharakter. Vielmehr stehe der Erwerbscharakter der Tätigkeit im Vordergrund. Die von der Klägerin angeführten "ausbildenden Tätigkeiten" seien berufstypisch und gerade Teil einer entsprechenden beruflichen Tätigkeit eines Landwirtes. Der Ausbildungscharakter der hauptberuflichen Tätigkeit sei danach nicht gegeben. Vielmehr stehe die Unterbrechung der Ausbildung durch die Berufstätigkeit nach der Rechtsprechung des BFH der Annahme einer einheitlichen Ausbildung entgegen. Die vorliegende Rechtsprechung des BFH könne auf den Streitfall übertragen werden.

Es sei darauf hinzuweisen, dass die Ausbildungsverordnung der Berufsschulen lediglich als Argument dafür herangezogen worden sei, den fehlenden Ausbildungscharakter der Berufstätigkeit des Sohnes der Klägerin zu begründen. Denn nach der BBS-VO werde ihm nur eine hauptberufliche Tätigkeit für die Aufnahme in der weiterführenden Schule gefordert, nicht aber dezidierte Ausbildungsinhalte.

Ein Anspruch auf Kindergeld scheide daher für die Dauer der beruflichen Tätigkeit vor Aufnahme der weiterführenden Schule aus. Die Klage sei somit als unbegründet zurückzuweisen.

Der Senat hat Herrn M und Herrn B als Zeugen geladen. Der Zeuge B hat auf Aufhebung der Zeugenladung gebeten, weil er beruflich an der Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 9. Juni 2022 verhindert wäre. Der Zeuge hat auf Bitten des Senats die mit Schreiben vom 1. Juni 2022 gestellten Fragen schriftlich beantwortet (wegen der Einzelheiten wird auf dem Schriftsatz des Gerichts vom 1. Juni 2022 und dem Antwortschreiben des Zeugen vom 2. Juni 2022 verwiesen).

Die Beteiligten haben auf die persönliche Einvernahme des Zeugen B verzichtet.

Der Senat hat den Sohn der Klägerin in der Sitzung vom 9. Juni 2022 als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten der Zeugenaussage wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Der angefochtene Kindergeldbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

a. Für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld u.a. dann, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), sich in einer der in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG genannten Übergangszeiten von höchstens vier Monaten befindet oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG). Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).

Die kindergeldrechtliche Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für eine innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses stattfindende Ausbildung setzt voraus, dass der Ausbildungscharakter und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund steht (BFH-Urteile vom 16.09.2015 - III R 6/15, BFHE 251, 31, BStBl II 2016, 281). Die praktische Berufstätigkeit im bereits erlernten Beruf ohne im Vordergrund stehende Ausbildungsmaßnahmen wird auch dann nicht zu einer Berufsausbildung, wenn das Kind sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, der weitere Ausbildungsabschnitt aber zunächst eine Berufstätigkeit voraussetzt (BFH-Urteil vom 22. Mai 2019 III R 3/18, BFH/NV 2019, 1345). Eine praktische Berufstätigkeit kann weder begrifflich noch nach dem Sinn und Zweck des Kindergeldrechts als "Berufsausbildung" beurteilt werden (BFH-Urteil vom 22. Mai 2019 III R 3/18, BFH/NV 2019, 1345).

b. Im Streitfall steht nicht der Ausbildungscharakter im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses des M im Vordergrund.

aa. Gegen eine Ausbildung spricht zunächst die zivilrechtliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses mit der A. M hat mit der A einen regulären Arbeitsvertrag und keinen Ausbildungsvertrag geschlossen. Auch der vereinbarte Arbeitslohn von monatlich brutto 2.175 € zeigt, dass M nicht im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses tätig werden sollte, weil dieses Bruttogehalt eine im landwirtschaftlichen Bereich gezahlten Ausbildungsvergütung weit übersteigt. Des Weiteren hatte M alle im landwirtschaftlichen Betrieb des Arbeitgebers anfallenden landwirtschaftlichen Tätigkeiten auszuüben. Vereinbarungen darüber, dass M weiter ausgebildet werden sollte, sieht der Arbeitsvertrag nicht vor. Somit ging M ausweislich des Arbeitsvertrages einer reinen Erwerbstätigkeit als Landwirt nach.

bb. Die Zeugenaussage des M hat zur Überzeugung des Senats ergeben, dass die im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses mit der der A ausgeübten Tätigkeiten keinen Ausbildungscharakter hatten. Vielmehr liegt ein reguläres Arbeitsverhältnis vor, bei dem der Erwerbscharakter im Vordergrund steht. Der Zeuge führte nämlich aus, dass er entsprechend dem üblichen Erntezyklus zunächst mit der Bodenbearbeitung, der Aussaat und anschließend der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln beauftragt worden war. Er erhielt vor der Arbeitsaufnahme die notwendige Einweisung in den Einsatz der von ihm zu nutzenden Geräte, wie zum Beispiel der Spritzen. Die ihm übertragenen Arbeiten hat er nach eigener Einlassung überwiegend selbstständig ausgeführt, wobei es auch mal vorkam, dass "die Chefs" im Laufe des Arbeitstages nachfragten, ob er die Arbeiten ordentlich ausgeführt habe. Eine regelmäßige Leistungskontrolle erfolgte nicht. Neben der praktischen Tätigkeit wurde auch theoretisches Wissen vermittelt, wie zum Beispiel die Bestimmung von Unkraut und Gräsern und betriebswirtschaftliche Aspekte. Auch wurde erläutert, warum ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel oder ein bestimmter Dünger eingesetzt werde.

Dieser vom Zeugen geschilderte Arbeitsalltag war dadurch geprägt, dass er diejenigen Aufgaben übertragen bekommen hat, die er aufgrund seines Ausbildungsstandes als Landwirt ausüben konnte. Denn es ist Gegenstand der Ausbildung als Landwirt die Ernte zu begleiten, also die Bodenbearbeitung und die Aussaat zu übernehmen, sowie mithilfe einer Spritze die Pflanzenschutzmittel auszubringen. Bei der Ausübung dieser Tätigkeit handelt es sich nicht um eine weitergehende Ausbildung, vielmehr handelt es sich um die Anwendung der im Rahmen der Ausbildung zum Landwirt erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten. Dies gilt auch für die Bestimmung von Unkraut und Gräsern sowie den zutreffenden Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder Dünger. All diese Themen sind Gegenstand der Ausbildung zum Landwirt. Diese vom Kläger geschilderten Tätigkeiten erlangen auch nicht dadurch einen überwiegenden Ausbildungscharakter, dass er von seinen Chefs am Morgen jedes Arbeitstages einen Arbeitsauftrag erhalten hat und am Ende des Tages eine Schlussbesprechung mit Aussicht auf den nächsten Tag stattgefunden hat. Auch dies ist im Rahmen eines regulären Arbeitsverhältnisses nicht unüblich.

Auf Nachfrage des Gerichts erklärte der Zeuge, dass seiner Tätigkeit kein besonderer Ausbildungsplan zugrunde gelegen hat und theoretisches Wissen nicht durch den Einsatz von Lehrbüchern durch seine Vorgesetzten vermittelt wurde. Lediglich für die Bestimmung von Gräsern und Unkraut habe ihm der Chef ein Lehrbuch übergeben. Zur Überzeugung des Senats spricht auch das Fehlen eines Ausbildungsplanes, an dessen Inhalt sich die Tätigkeit des Zeugen ausrichtet, gegen den Ausbildungscharakter des Beschäftigungsverhältnisses. Die dem Zeugen übertragenen Aufgaben orientierten sich nach seinen Einlassungen allein an den Bedürfnissen des Betriebes und nicht an einem etwa bestehenden Ausbildungsbedarf. Denn er führte aus, dass er diejenigen Aufgaben übernehmen musste, welche durch die betrieblichen Anforderungen anfielen, denn seine Aufgaben richteten sich nach dem üblichen Ablauf eines Erntezyklus in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Es wurde dabei keine Rücksicht darauf genommen, ob unter Berücksichtigung eines etwaigen Ausbildungsbedarfs abweichend von den Notwendigkeiten im Betrieb dem Zeugen andere Kenntnisse vermittelt werden sollten.

cc. Auch die schriftliche Stellungnahme des Zeugen B ergibt nach Auffassung des Senats, dass die Tätigkeit des M im Rahmen des Arbeitsvertrages nicht als (weitere) Ausbildung qualifiziert werden kann. Der vom Zeugen B dargestellte Arbeitsalltag deckt sich mit den Einlassungen des Zeugen M. Nach den Einlassungen des Zeugen B wurde M auf dem Mähdrescher, der Sähmaschine und der Pflanzenschutzspritze angelernt, er hat die Getreideabfuhr, die Bodenbearbeitung und die Aussaat von Raps und Wintergetreide übernommen. Dabei orientierte sich die Zuweisung der Tätigkeit nicht an einem Ausbildungsplan. Theoretisches Wissen ist im Wesentlichen durch tägliche Mitarbeitergespräche vor, während und nach den anfallenden Tätigkeiten vermittelt worden, wobei ein Lehrbuch oder ähnliche Unterlagen nicht eingesetzt wurde. Nach Auffassung des Senats bestätigen diese Einlassungen, dass es sich bei dem Beschäftigungsverhältnis des M für die A um eine reguläre Erwerbstätigkeit gehandelt hatte, bei der der Ausbildungscharakter nicht im Vordergrund gestanden hat.

Allein der Umstand, dass M als Berufsanfänger nach Abschluss seiner Ausbildung und Aufnahme der Berufstätigkeit bisher fehlende praktische Erfahrungen sammelt, sowie die in der Ausbildung erworbenen Erkenntnisse vertieft und erweitert, führt nicht dazu, dass bei einem regulären Arbeitsverhältnis der Ausbildungscharakter überwiegt. Zwar wurde M als Berufsanfänger in die auszuführenden Tätigkeiten eingewiesen und er erlangt auch vertiefte Kenntnisse z.B. im Bereich der Aussaat oder des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln während seiner Berufstätigkeit. Dass M als Berufsanfänger im Rahmen einer reinen Erwerbstätigkeit nach Abschluss der Ausbildung weitere Kenntnisse in einem Beruf hinzuerwirbt, reicht aber nicht aus, dass im Streitfall der Ausbildungscharakter überwiegt. Wäre dies so, würden sich alle Berufsanfänger, die nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, noch weiterhin in der Ausbildung befinden.

Die Voraussetzungen für eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung des M liegen schon deshalb nicht vor, weil die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG nicht vorliegen. Auf die Frage, ob eine einheitliche mehraktige Erstausbildung vorliegt (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2018 III R 26/18, BStBl II 2019, 765), kommt es deshalb nicht an.

Die Klage war daher abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.