Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 30.06.2003, Az.: 1 B 10/03
Anbaustraße; Bedeutung der Straße ; Beleuchtungskosten; endgültige Herstellung; Erschließungsbeitrag; Erschließungsbeitragspflicht; Erschließungsbeitragssatzung; Flächenerwerb; Gehweg herstellen; nicht hinreichend belegt; Sicherheitszuschlag; Verlegung; Vorausleistungen; Widmung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 30.06.2003
- Aktenzeichen
- 1 B 10/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48046
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 StrG ND
- § 6 StrG ND
- § 133 Abs 3 BBauG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zum Widmungserfordernis bei Verlegung einer Straße.
Gründe
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 4 und 5 VwGO soll das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Abgabenbescheid anordnen, wenn an dessen Rechtmäßigkeit ernsthafte Zweifel bestehen oder dessen sofortige Vollziehung mit einer unbilligen, durch das öffentliche Interesse nicht gebotenen Härte für den Abgabenpflichtigen verbunden wäre. Letzteres hat der Antragsteller selbst nicht behauptet und Derartiges ist auch insbesondere deshalb nicht ersichtlich, weil die Antragstellerin ihm Ratenzahlung in angemessener Höhe eingeräumt hat. – Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestehen aber auch keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheides.
Gemäß § 133 Abs. 3 BauGB und § 14 der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Gemeinde G. (Erschließungsbeitragssatzung - EBS) vom 09.10.2002 können für Grundstücke, für die eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrages verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlage begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage innerhalb von vier Jahre zu erwarten ist.
Hier bestreitet der Antragsteller die Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheides mit der Erwägung, die Anbaustraße D. sei bereits zuvor endgültig hergestellt gewesen und demgemäß könnten auch keine Vorausleistungen erhoben werden, und da er den Zeitpunkt der endgültigen Herstellung mit dem Jahr 1991 (bzw. wesentlich früher als 1998) annimmt, könnten seiner Meinung nach im Übrigen wegen Festsetzungsverjährung auch keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden. – Entgegen dieser Ansicht muss jedoch bei summarischer Beurteilung davon ausgegangen werden, dass die Grundstücke, für die der Antragsteller durch den (zusammenfassenden) Bescheid zu Vorausleistungen für die Erschließungsanlage „D. /I.“ herangezogen worden ist, noch nicht erschließungsbeitragspflichtig geworden sind und dass der Vorausleistungsbescheid auch im Übrigen nicht zu beanstanden ist.
Das Entstehen der Erschließungsbeitragspflicht setzt einen den satzungsmäßigen Merkmalen der endgültigen Herstellung entsprechenden Ausbau der Anbaustraße voraus, der sich - sofern keine Kostenspaltung oder Abschnittsbildung beschlossen wird - auf die gesamte Länge und alle Teileinrichtungen der Anbaustraße erstrecken muss. Des Weiteren ist für das Entstehen der Erschließungsbeitragspflicht erforderlich, dass die Straße für ihre gesamte Anlage bzw. auf gesamter Länge gewidmet ist. An beiden Voraussetzungen fehlt es hier mutmaßlich.
Der endgültigen Herstellung der Straße steht wahrscheinlich schon entgegen, dass die innerhalb des Straßenraumes liegenden Seitenräume der Straße noch unbefestigt sind und nach dem Planungsvorhaben der Gemeinde G. von Beginn an beabsichtigt war, die Seitenräume - zumindest in Teilbereichen - als Gehwege herzustellen. Gerade dieses Planungsvorhaben soll jetzt umgesetzt werden. Dass die Seitenräume unbefestigt nicht die satzungsmäßigen Anforderungen an die endgültige Herstellung von Gehwegen erfüllen können, ergibt sich aus § 11 Abs. 2 Nr. 1 EBS, nach der sie einen tragfähigen Unterbau und eine Decke aus Pflaster, Asphalt, Teer, Beton oder einem ähnlichen Material neuzeitlicher Bauweise aufweisen müssen.
An der Widmung fehlt es wahrscheinlich aus folgenden Gründen:
Der etwa 150 m lange, außerhalb der bisherigen Straßenfläche neu angelegte Teil des H. ist unstrittig bislang nicht gewidmet worden. Gemäß § 2 Abs. 1 NStrG können Straßen die Rechtsqualität einer öffentlichen Straße grundsätzlich nur durch Widmung nach § 6 Abs. 1 NStrG erlangen. Allerdings gilt ein neuer Straßenteil gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 NStrG durch die Verkehrsübergabe als gewidmet, wenn die Straße lediglich verbreitert, begradigt, unerheblich verlegt oder ergänzt wird, sofern (was hier der Fall ist) die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 NStrG vorliegen. Diese, die Widmung nach § 6 Abs. 1 NStrG ersetzende Widmungsfunktion kann hier jedoch nicht zur Anwendung kommen, da die erfolgte Verlegung der Straße nicht lediglich unerheblich im Sinne dieser Regelung ist.
Für die Feststellung, ob die Verlegung einer Straßenfläche noch unerheblich oder ob sie schon wesentlich ist, bedarf es einer wertenden Betrachtung, die mit Blick auf die Funktion der Widmung von Kriterien wie denen der Bedeutung der Straße für die Erschließung der Grundstücke und für den allgemeinen Verkehr im Wegenetz (Anknüpfungspunkt und Streckenverlauf) sowie des Umfangs der hinzutretenden Fläche bestimmt wird. Mit einzustellen in die Bewertung sind ferner etwaige Folgewirkungen der Erweiterung oder der Verlegung der Straße (vgl. dazu OVG NRW, Urt. v. 19.05.1999 - 3 A 3506/95 - OVE 48, 8). Hier ist die Straße auf einer Länge von 150 m außerhalb der Fläche der ursprünglichen Straße neu angelegt worden. Dafür ist ein Flächenerwerb (§ 6 Abs. 2 NStrG) im Umfang der gesamten Fläche des Verschwenkungsbereichs notwendig geworden. Außerdem erhält die Straße in diesem Bereich erst durch die Bauleitplanung des Jahres 1985 und den jetzt durchgeführten Ausbau die Eigenschaft und die Funktion einer Anbaustraße. Angesichts dieser Umstände kann bei summarischer Beurteilung in Bezug auf die hier in Rede stehende Straße nicht mehr von einer lediglich unerheblichen Verlegung gesprochen werden, so dass das Entstehen der Erschließungsbeitragspflicht wahrscheinlich eine förmliche Widmung nach § 6 Abs. 1 NStrG erfordert.
Zu Recht hat die Antragsgegnerin die Vorausleistung auch unter Einbeziehung der Strichstraße in die Erschließungsanlage erhoben. Ist die Straße D. auch bei Beginn des Ausbaus der Straße I. noch nicht endgültig hergestellt gewesen, ist die Straße I. auf Grund ihrer Länge von deutlich weniger als 100 m und ihrem geraden Verlauf ohne Frage keine selbständige Erschließungsanlage, sondern Teil der Erschließungsanlage D. /I.. Diese Schlussfolgerung zieht offensichtlich auch der Antragsteller nicht in Zweifel. – Im Übrigen spricht auch Überwiegendes dafür, dass die Straßenbeleuchtung in der Straße D. erst nach Beginn der Bauarbeiten an der Stichstraße I. hergestellt wurde. Darauf kommt es aber nicht mehr an. Dahinstehen kann auch, ob die bauplanerischen Festsetzungen des Jahres 1985 allein bereits bewirken konnten, dass die Straße D. ohne den Ausbau der Stichstraße nicht hätte endgültig hergestellt werden können.
Die Vorausleistung ist auch nicht in der erhobenen Höhe zu beanstanden. Zwar unterliegt die Kostenermittlung insoweit erheblichen Zweifeln, als der Rechnungsbetrag für fünf Lampenköpfe offenbar allein auf eine entsprechende Erinnerung des Bürgermeisters Specker gestützt wird und als die Antragsgegnerin einen Sicherheitszuschlag von 15.000,- EUR annimmt. Hinsichtlich Letzterem ist zu berücksichtigen, dass die Gesamtkosten von etwa 130.000,- EUR in Bezug auf den ganz überwiegenden Teil (91.784,30 EUR) aus bereits ermittelten Kosten besteht und nur noch ein Kostenansatz von etwa 38.000,- EUR Erhöhungen ausgesetzt sein kann. Von daher erscheint ein Zuschlag von 15.000,- EUR als abwegig. Ein Sicherheitszuschlag müsste, wenn er denn gerechtfertigt sein soll, ohnehin darlegen, dass und weshalb in dieser Höhe tatsächlich voraussichtlich Mehrkosten anfallen werden. Der folglich ungerechtfertigte Ansatz des Sicherheitszuschlages von 15.000,- EUR sowie der nicht hinrechend belegten Beleuchtungskosten von 2,500,- EUR stellt die Rechtmäßigkeit des Bescheides jedoch nicht durchgreifend infrage, weil die Antragsgegnerin die Vorausleistungen nur in Höhe von etwa 80 % der kalkulierten Erschließungsbeiträge erhoben hat.
Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 GKG i.V.m. § 13 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 GKG.