Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 11.06.2003, Az.: 1 B 4/03

Abgaben; allgemeines Persönlichkeitsrecht; aufschiebende Wirkung; Bemessung; gemeinsame steuerliche Veranlagung; glaubensverschiedene Ehe; Gleichbehandlungsgrundsatz; Kirchenangehöriger; Kirchensteuer; Kirchgeld; Landeskirche; sofortige Vollziehbarkeit; steuererhebende Kirche; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
11.06.2003
Aktenzeichen
1 B 4/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48045
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Erhebung von Kirchgeld, wenn der Ehegatte des einkommenslosen Kirchenangehörigen keiner steuererhebenden Kirche angehört.

Gründe

1

Der Antrag ist unbegründet.

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Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Bescheide, durch die öffentliche Abgaben oder Kosten festgesetzt werden, haben gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann aber das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach der auch im gerichtlichen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO berücksichtigungsfähigen Regelung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die sofortige Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Dass die Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, hat die Antragstellerin selbst nicht geltend gemacht und dafür bestehen im Übrigen auch keine Anhaltspunkte. – Entgegen der Ansicht der Antragstellerin bestehen bei der in diesem Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung aber auch keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung des besonderen Kirchgeldes für das Veranlagungsjahr 2000 und der Vorauszahlungen.

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Rechtliche Grundlagen für die Festsetzung des Besonderen Kirchgeldes sind das Kirchensteuerrahmengesetz - KiStRG - vom 10.02.1972 (Nds. GVBl. 1972, 109) i.d.F. der Bekanntmachung vom 10.07.1986 (Nds. GVBl. S. 281) sowie das Kirchengesetz der Konföderierten evangelischen Kirchen in Niedersachsen über die Erhebung von Kirchensteuern in den evangelischen Landeskirchen - KiStO ev - vom 14.07.1972 (Nds. MBl. 1973, 314) i.d.F. der Änderungsverordnung vom 06.10.1999 (Nds. MBl. 1999, 717). Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KiStRG können die Landeskirchen, Diözesen, die anderen Religionsgemeinschaften, Kirchengemeinden und Kirchengemeindeverbände auf Grund eigener Steuerordnungen Kirchensteuern der in Satz 2 dieser Vorschrift aufgeführten Kirchensteuerarten erheben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KiStRG kann Kirchensteuer auch als Kirchgeld in festen oder gestaffelten Beträgen erhoben werden, und zwar von dem Kirchenangehörigen, der selbst oder dessen Ehegatte eigene Einnahmen oder eigenes Vermögen hat (§ 2 Abs. 6 KiStRG). Nach § 7 Abs. 1 KiStRG sind die Bemessungsgrundlagen der Kirchensteuer in den Steuerordnungen zu bestimmen, sofern sie sich nicht aus den Absätzen 2 bis 5 des § 7 KiStRG ergeben. (Die Absätze 2 bis 5 enthalten indes keine Regelungen für die als Kirchgeld in festen oder gestaffelten Beträgen nach § 2 Abs. 1 Ziff. 4 KiStRG zu erhebende Kirchensteuer.) Durch § 1 Abs. 1 KiStO ev wird (u.a.) die Beklagte ermächtigt, im Rahmen der Anwendung der landesrechtlichen Bestimmungen auf Grund der KiStO ev zur Deckung der in den Haushaltsplänen der Landeskirche, deren Kirchengemeinden und anderen Körperschaften für die Erfüllung ihrer Aufgaben vorgesehenen Aufgaben Kirchensteuer als Landeskirchensteuer (§ 1 Abs. 2 Ziff. 1 KiStO ev) zu erheben. Nach § 2 Abs. 1 Ziff. 4 KiStO ev kann Kirchensteuer als Kirchgeld in festen oder gestaffelten Beträgen erhoben werden. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 KiStVO ev (i.d.F. der unter dem 02.11.1999 bekannt gemachten Änderungsverordnung) können Kirchensteuern als Kirchgeld erhoben werden, wenn der Ehegatte - wie hier der Ehegatte der Klägerin - einer steuererhebenden Kirche nicht angehört. Gemäß § 10 Abs. 1 KiStVO ev kann das als Landeskirchensteuer zu erhebende gestaffelte Kirchgeld nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 KiStVG ev nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Kirchenmitgliedes bemessen werden. Nach § 10 Abs. 2 wird die Staffelung des Kirchgeldes mit dem Landeskirchensteuerbeschluss bekannt gemacht.

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Durch Beschluss vom 26.11.1999 (bekannt gemacht unter dem 09.02.2000 - Nds. MBl. 2000, 169) hat die Antragsgegnerin für das Jahr 2000 die Erhebung des Besonderen Kirchgeldes von denjenigen Mitgliedern eingeführt, deren Ehegatte einer steuererhebenden Kirche nicht angehört, sofern die Ehegatten nach dem Einkommensteuergesetz zusammen veranlagt werden (II Satz 1 des Beschlusses). II Satz 2 des Beschlusses enthält eine Staffelung des besonderen Kirchgeldes in zehn Stufen, bei der Bemessungsgrundlage das gemeinsam zu versteuernde Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG ist. Die Staffelung beginnt für ein gemeinsam zu versteuerndes Einkommen von 54.001,- DM bis 64.999,-DM als Stufe 1 mit einem besonderen Kirchgeld in Höhe von 216,- DM und schließt als Stufe 10 für Einkommen ab 400.000,- DM mit einem besonderen Kirchgeld in Höhe von 4.500,- DM.

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Die entsprechend dieser Staffelung - auf der Grundlage eines von der Klägerin und ihrem Ehemann gemeinsam zu versteuernden Einkommens von 425.296,- DM - erfolgte Festsetzung des Kirchgeldes für das Jahr 2000 auf 4.500,- DM und der Vorauszahlungen ist rechtmäßig und insbesondere greifen die dagegen von der Klägerin erhobenen Einwendungen nicht durch.

6

Es ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Besteuerung von Kirchenmitgliedern, die kein oder nur geringes Einkommen haben und die von ihrem einer steuererhebenden Kirche nicht angehörenden Ehegatten unterhalten werden, rechtmäßig sein kann (vgl. dazu insbesondere BVerwG, Urt. v. 18.02.1977 - 7 C 48.73 - BVerwGE 52, 104). Hinsichtlich der Heranziehung von Kirchenmitgliedern, deren Ehegatte keiner kirchensteuererhebenden Kirche angehört, hat das Bundesverfassungsgericht zwar entschieden, dass eine Heranziehung nach dem „Halbteilungsgrundsatz“, nach dem der der steuerberechtigten Religionsgemeinschaft angehörende Ehegatte nach der Hälfte des zusammengerechneten Einkommens beider Ehegatten veranlagt wird, (jedenfalls ohne Einverständnis beider Ehegatten) das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt und die entsprechenden kirchenrechtlichen bzw. -gesetzlichen Regelungen nichtig sind (Urt. v. 14.12.1965 - 1 BvR 606/60 - BVerfGE 19, 268 [BVerfG 14.12.1965 - 1 BvR 571/60]). In derselben Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht aber zugleich Folgendes ausgeführt:

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„Es könnte unbillig erscheinen, wenn ein einer steuerberechtigten Kirche angehörender Ehegatte, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sich durch die Ehe erhöht hat, weil sein - der Kirche nicht angehörender - Ehegatte ein hohes Einkommen bezieht, mangels eigenen Einkommens im Sinne des Einkommensteuergesetzes kirchensteuerfrei bliebe. Wenn diesen Bedenken Rechnung getragen werden soll, müßten, da die Kirche nur den ihr angehörenden Ehegatten besteuern darf, Besteuerungsmerkmale gewählt werden, die in dessen Person gegeben sind. Gegenstand der Besteuerung dürfte dann nicht das Einkommen (im Sinne des Einkommensteuerrechts) des anderen Ehegatten, sondern könnte etwa der „Lebensführungsaufwand" des kirchenangehörigen Ehegatten sein. Die Kirchensteuer müßte dann aber ihrer Höhe nach in angemessenem Verhältnis zu dem tatsächlichen Lebenszuschnitt des steuerpflichtigen Ehegatten stehen; sie dürfte nicht schematisch jeder Veränderung des Einkommens des anderen Ehegatten unbegrenzt folgen, weil jeder normale Lebensaufwand bestimmte Grenzen nicht überschreitet.“

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Diesen Vorgaben entsprechen die der Veranlagung der Klägerin zugrunde liegenden Regelungen der Beklagten und die Veranlagung selbst. Vergleichbare Regelungen und eine in wesentlicher Hinsicht auch ähnliche Tabelle lag auch derjenigen Veranlagung zugrunde, die den Gegenstand des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.1977 (7 C 48.73, aaO.) bildete. In jener Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass und weshalb kirchensteuergesetzliche Regelungen, die dazu ermächtigen, Kirchgeld von Steuerpflichtigen, deren Ehegatte keiner steuerberechtigten Kirche angehört, nach Maßgabe eines in den Kirchensteuerordnungen festzulegenden Steuertarifs zu erheben, den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV genügen und dass sie und der auf ihrer Ermächtigung beruhende Kirchensteuertarif nicht gegen Art. 3, 4 und 6 GG verstoßen. Dazu hat es insbesondere dargelegt, dass es zu keiner ungerechtfertigten und gegen Art. 6 GG verstoßenden Schlechterbehandlung von einkommenslosen Ehegatten führt, wenn unterhaltsberechtigte einkommenslose geschiedene Eheleute aus „glaubensverschiedenen“ Ehen nicht besteuert werden und dass es auch nicht Art. 6 Abs. 1 GG verletzt, wenn weder ein einkommensloser lediger Kirchenangehöriger noch ein einkommensloser und getrennt lebender kirchenangehöriger Ehegatte steuerpflichtig ist. Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts wird auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht dadurch verletzt, dass das Besondere Kirchgeld nur von Ehegatten in „glaubensverschiedener“ Ehe, nicht hingegen von Ehegatten in konfessionsverschiedenen und konfessionsgleichen Ehen erhoben wird. In besonderem Maße hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage auseinander gesetzt, ob die Anknüpfung der Steuerpflicht am Familieneinkommen und damit bei einkommenslosen Kirchenangehörigen indirekt am Einkommen des Ehegatten Art. 3 GG verletzt. Es hat dazu unter Bezugnahme auf die zu „Hilfsmaßstäben“ ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, B. v. 18.05.1971 - 1 BvL 7, 8/69 - BVerfGE 31, 119) entschieden, dass das gemeinsame Einkommen ein geeigneter Hilfsmaßstab für die Erfassung des Hauptmaßstabes „Lebensführungsaufwand“ des kirchenangehörigen kirchensteuerpflichtigen Ehegatten ist. Dem Bundesverwaltungsgericht ist dabei auch in Annahme zu folgen, dass die Höhe des gemeinsamen Einkommens typischerweise in einem Zusammenhang mit dem Lebensführungsaufwand steht. Dass die in einer solchen Besteuerung liegende Typisierung zu unterschiedlichen Belastungen des tatsächlichen Lebensführungsaufwandes der durch diese Besteuerung erfassten Kirchenangehörigen führt, liegt im Wesen einer jeden Pauschalierung, und dass die Unterschiede hier sehr erheblich sein können, liegt an den sehr unterschiedlichen Anteilen, mit denen der familiäre Lebensführungsaufwand am Familieneinkommen partizipiert, wobei diese Unterschiede mit steigendem Einkommen wohl noch zunehmen. Dass mit diesen Pauschalierungen auch Unbilligkeiten verbunden sein können, hat das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls in den Blick genommen und hat dazu ausgeführt, dass die Steuergesetzgebung im Interesse der Praktikabilität im erheblichen Umfang typisieren und deshalb den Grundsatz der „individuellen Gleichmäßigkeit“ hinter den Grundsatz der „generellen Gleichmäßigkeit“ jedenfalls in gewissem Umfang zurücktreten lassen darf und dass die verbleibenden Unbilligkeiten durch die Gestaltung der Kirchgeldtabelle sowie durch die verhältnismäßig geringe Höhe des Kirchgeldes gemildert sind und sich zudem durch eine Billigkeitsentscheidung nach § 131 AO erheblich reduzieren lassen. Zur Kirchgeldtabelle hat es Folgendes ausgeführt:

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„Was die Gestaltung der Kirchgeldtabelle anlangt, so hat das Berufungsgericht mit Recht darauf hingewiesen, daß die verschiedenen Kirchgeldsätze jeweils Einkommenstufen von beträchtlicher Spannweite zugeordnet sind; sie geben damit genügend Spielraum, um individuelle Unterschiede, die sich etwa aus unterschiedlichen Familienbelastungen ergeben, gleichsam aufzufangen; die Spannweite der festgelegten einzelnen Einkommenstufen liefert - vergleichbar einem generellen Steuerfreibetrag - eine Art „Polster", das etwa bestehende Sonderbelastungen zumindest mildert. Damit geht einher, daß das Kirchgeld überhaupt erst von einer nicht unerheblichen Einkommenshöhe und vor allem in Beträgen erhoben wird, die - gemessen an dem zugrunde gelegten Eheeinkommen - verhältnismäßig gering sind. So liegt die Höhe des Kirchgeldes nach den Tabellensätzen der Kirchensteuerordnung der Beigeladenen im wesentlichen unter 1 v. H. der Bemessungsgrundlage des gemeinsamen Einkommens; demgegenüber wird für die Höhe des Taschengeldanspruchs, den die einkommenlose Ehefrau gegen ihren verdienenden Ehemann allein zur Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse, also keineswegs ihres gesamten Lebensführungsaufwandes, gemäß § 1360 a BGB hat, ein Richtsatz von 5 bis 7 v. H. des Manneseinkommens genannt (vgl. Palandt a.a.0. 36. Aufl., 1977, § 1360 a Anm. 1 c m. w. N.). Auch bleiben, wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, die Sätze des besonderen Kirchgeldes weit hinter dem Zuschlag zur Einkommensteuer zurück, die in glaubensgleichen Ehen bei gleich hohen Einkommensbeträgen und bei Zusammenveranlagung der Eheleute auf den einkommenlosen Ehegatten entfällt.“

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Diese Ausführungen macht sich das erkennende Gericht für das streitgegenständliche Verfahren zu eigen. Sie sind auch hier gleichermaßen einschlägig.

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Soweit die Antragstellerin aus der ab dem Veranlagungsjahr 2002 geltenden Tabelle Rechtmäßigkeitsbedenken für die in ihrem Fall zur Anwendung gebrachte Tabelle und die darauf beruhende Veranlagung herleiten will, wirft dies ebenfalls keine durchgreifenden Rechtmäßigkeitszweifel auf. Die neue Tabelle hat einen leicht erhöhten Einkommensfreibetrag, neu gewählte und auf die Anzahl von 13 erhöhte Stufen mit auf die neuen Stufen neu ausgerichteten Kirchgeldbeträgen und kappt die Bemessungsgrundlage für das gemeinsam zu versteuernde Einkommen erst bei 300.000,- € mit einem darauf entfallenden Kirchgeld von 3.600,- €. Aus den Ausführungen des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nichts dafür, dass derartige oder andere Modifizierungen bereits für das Veranlagungsjahr 2000 oder 2001 hätten erforderlich sein können. Im Übrigen ergibt sich gerade im Falle der Antragstellerin keine erhebliche Abweichung bei der Anwendung der beiden Tabellen.

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Nach alledem konnte der Antrag keinen Erfolg haben.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.