Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 27.11.1985, Az.: 9 U 71/85

Anspruch des Angewiesenen gegen den Anweisungsempfänger bei Unwirksamkeit oder Widerruf der Anweisung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.11.1985
Aktenzeichen
9 U 71/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 30782
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1985:1127.9U71.85.0A

Fundstellen

  • MDR 1986, 410 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1986, 936-937 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1986, 387 (red. Leitsatz)
  • VersR 1986, 688-689 (red. Leitsatz)

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 1985
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht M. sowie
der Richter am Oberlandesgericht S. und Dr. Sp
. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts O. vom 23. Januar 1985 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer: 5.687,60 DM.

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, war vom HUK-Verband mit der Schadensregulierung aufgrund eines Massenunfalls beauftragt, der sich am 1.4.1983 auf der Bundesautobahn A 7 ereignet hatte und bei dem auch ein Pkw der Firma M. GmbH beschädigt worden war. Die M. GmbH ließ das Fahrzeug bei der Beklagten reparieren. Mit Hilfe eines Formulars "Reparaturkosten-Übernahmebestätigung" meldete sie den Schaden dann zunächst bei dem Haftpflichtversicherer des unmittelbaren Unfallgegners, dem LVM an, der das Formular am 11.4. abzeichnete und an die Beklagte zurückschickte. Die weitere Bearbeitung des Schadens überließ der L. dann der Klägerin. Im Juni 1983 meldete die Medaphot GmbH den Schaden auf dieselbe Weise bei ihrem Kaskoversicherer, der I. Versicherung an, die ebenfalls eine Reparaturkosten-Übernahmebestätigung abgab und am 18.8.1983 den Reparaturkostenbetrag von 6.337,60 DM abzüglich 650,- DM Selbstbeteiligung der Firma M. an die Beklagte zahlte. Am 5.12.1983 überwies dann auch die Klägerin, die von der Zahlung der Iduna nichts wußte, 6.337,60 DM an die Beklagte. Diese verrechnete davon 2.171,92 DM auf anderweitige Forderungen gegen die M. GmbH und zahlte ihr den Restbetrag von 4.165,68 DM aus. Am 13.7.1984 wurde über das Vermögen der M. GmbH, deren Auflösung am 22.11.1983 in Handelsregister eingetragen worden war, das Konkursverfahren eröffnet.

2

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe schon im Dezember 1983 die Konkursreife der M. GmbH gekannt, und verlangt von der Beklagten Erstattung der 5.687,60 DM, die nach Abzug der 650,- DM Selbstbeteiligung von den überwiesenen 6.337,60 DM verbleiben.

3

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

4

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

6

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist nicht begründet.

8

1.

Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch jedenfalls nach § 812 BGB zu.

9

a)

Zwischen den Parteien sowie der M. GmbH bestand ein bereicherungsrechtliches Dreiecksverhältnis, das auf der Anweisung der M. GmbH an die Klägerin einerseits und dem Werklohnanspruch der Beklagten gegen die M. GmbH andereseits beruhte. Bei solchen Anweisungsverhältnissen ist der Bereicherungsausgleich grundsätzlich nur innerhalb der einzelnen Leistungsverhältnisse zu vollziehen, also zwischen dem Angewiesenen und dem Anweisenden einerseits und dem Anweisungsempfänger und dem Anweisenden andererseits (st. Rspr., z.B. BGHZ 61, 289, 291 [BGH 18.10.1973 - VII ZR 8/73]; BGHZ 87, 393, 395 [BGH 16.06.1983 - VII ZR 370/82]; ebenso das Schrifttum, z.B. Lieb, Münch. Komm., § 812, Rdn. 32). Das gilt auch für den Fall der angenommenen Anweisung, wie er vorliegend gegeben ist. Auch wenn die Anweisung eine eigene selbständige Zahlungsverpflichtung des Angewiesenen begründet, so soll damit doch nur die Stellung des Anweisungsempfängers verbessert, nicht aber seine bereicherungsrechtliche Position verschlechtert werden (Lieb a.a.O. Rdn. 44).

10

Ein Direktanspruch des Angewiesenen gegen den Anweisungsempfänger wurde nach, früherer, bis heute nicht ausdrücklich aufgegebener Rechtsprechung ausnahmsweise jedoch dann zugelassen, wenn ein Doppelmangel vorlag, also sowohl Deckungs- wie Valutaverhältnis fehlerhaft waren (vgl. dazu BGHZ 48, 70, 71 f. [BGH 29.05.1967 - VII ZR 66/65];  61, 289, 292) [BGH 18.10.1973 - VII ZR 8/73]. Diese Voraussetzungen wären hier erfüllt. Durch die Leistung des Kaskoversicherers verlor die M. GmbH ihre Schadensersatzforderung und die Beklagte infolge Erfüllung ihre Werklohnforderung. Es ist jedoch zweifelhaft, ob das genügt, den direkten Durchgriff zuzulassen. Nach jedenfalls im Schrifttum herrschender Meinung ist auch im Fall des Doppelmangels der Bereicherungsausgleich grundsätzlich nur im jeweils betroffenen Leistungsverhältnis vorzunehmen, da dem jeweiligen Bereicherungsschuldner etwaige Einwendungen gegenüber seinem Vertragspartner nicht abgeschnitten werden sollen (vgl. Lieb a.a.O. § 812, Rdn. 38 ff. m.w.N.: vgl. auch BGHZ 48, 70, 71 f.) [BGH 29.05.1967 - VII ZR 66/65].

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Die neuere Lehre stellt weitgehend im Prinzip darauf ab, ob eine gültige Anweisung vorliegt und damit die Leistung dem vermeintlich Anweisenden zugerechnet werden kann. Fehlt die Anweisung, so wirr! der Durchgriff in der Regel zugelassen, wenn dem nicht im Einzelfall das unabweisbare Bedürfnis entgegensteht, das Vertrauen des Empfängers in das Recht zu schützen, die Leistung behalten zu dürfen. Ein solches Bedürfnis wird allerdings bei Fehlerhaftigkeit des Valutaverhältnisses kaum jemals bestehen (vgl. Lieb a.a.O. Rdn. 45 ff.). Auch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt dem Angewiesenen einen direkten Anspruch gegen den Anweisungsempfänger, wenn die Anweisung unwirksam oder widerrufen war und der Empfänger bei Empfang der Zahlung davon Kenntnis hatte (RGHZ 66, 362;  67, 75 ff; RGHZ 87, 393, 397 ff.). In diesen Fallen stelle sich die Zuwendung des Angewiesenen nicht als Leistung des Anweisenden dar und könne ihm daher nicht als seine Leistung zugerechnet werden (BGH NJW 1983, 2500).

12

b)

Nach diesen Grundsätzen hat im vorliegenden Fall die Klägerin einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte. Die Anweisung der M. GmbH an die Klägerin war zwar zunächst wirksam und ist auch nicht widerrufen worden. Sie ist aber durch Zweckerreichung hinfällig geworden. Mit der Anweisung an die Klägerin ist zugleich ein Auftragsverhältnis begründet worden. Ein Auftragsverhältnis aber endet von selbst, wenn der mit ihm verfolgte Zweck erreicht ist (vgl. Seiler, Münch. Komm., § 674, Rdn. 4; Palandt/Thomas, 44. Aufl., § 671 Anm. 4 a). Hier war der mit der Anweisung an die Klägerin verfolgte Zweck, die Werklohnschuld gegen über der Beklagten zu erfüllen, durch die Zahlung des Kaskoversicherers erreicht: der der Klägerin erteilte Auftrag war mitsamt der Anweisung gegenstandslos geworden. Die Klägerin brauchte dies allerdings nicht gegen sich gelten zu lassen: da sie von dem Erlöschensgrund nichts wußte, galten gem. § 674 BGB Auftrag und Anweisung zu ihren Gunsten als fortbestehend. Da aber § 674 BGB nur dem Schutz des Beauftragten dient, kann dieser auf ihn verzichten (vgl. Lieb a.a.O., § 812 Rdn. 80. f.); die Klägerin kann sich also auf den Standpunkt stellen, ohne wirksame Anweisung an die Beklagte gezahlt zu haben.

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Damit ist ein direkter Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gegeben, zumal die Beklagte, die beide Reparaturkosten-Übernahmebestätigungen erhalten hatte und somit beide Anweisungen kannte, anders als die Klägerin wußte, daß ihr die - bereits erfüllte - Werklohnforderung nicht mehr zustand und damit die Anweisung der M. GmbH an die Klägerin hinfällig geworden war. Dieses Ergebnis ist interessengerecht. Die Beklagte ist nicht schutzwürdig; sie konnte nicht darauf vertrauen, das Geld behalten zu dürfen oder sich wenigstens nur mit ihrem Vertragspartner auseinandersetzen zu müssen und sich daraus wegen ihrer sonstigen Forderungen gegen diesen Kunden befriedigen zu können, da ihre Forderung aus dem Werkvertrag erfüllt, sie also schon befriedigt war. Es war damit eindeutig, daß die Zahlung der Klägerin auf eine nicht mehr bestehende Schuld erfolgte.

14

c)

Gem. §§ 812, 818 Abs. 3 BGB ist die Beklagte zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Sie kann sich nicht auf Entreicherung berufen, soweit sie einen Betrag von 4.165,68 DM an die M. GmbH weitergegeben hat. Die Beklagte wußte, als sie die Überweisung empfing, daß die Zuwendung ohne rechtlichen Grund erbracht war, so daß sie gem. § 819 Abs. 1 BGB zur Herausgabe des Gesamtbetrages verpflichtet ist. Die Behauptung der Beklagten, sie sei überzeugt gewesen, die empfangene Zahlung an die M. GmbH weitergeben zu müssen, ist unerheblich. Es kann davon ausgegangen werden, daß der Beklagten, deren Ansprüche befriedigt waren, klar war, daß die Klägerin nicht mehr zur Leistung verpflichtet war. Wegen der Eindeutigkeit dieser Umstände kann der Schluß auf die Kenntnis, daß ein rechtlicher Grund für die Leistung fehlte, gezogen und insoweit auch auf die "Überzeugung eines objektiv Denkenden" abgestellt werden (vgl. Lieb, a.a.O. § 819 Rdn. 2).

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2.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil keiner der Fälle des & 546 Abs. 1 Satz 7 ZPO gegeben ist. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, sondern hat dessen Grundsätze der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung lediglich auf einen Einzelfall angewandt, der nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist.

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3.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10 ZPO, 711 und 713 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Wert der Beschwer: 5.687,60 DM.