Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.11.1985, Az.: 20 U 40/85
Ausschlussfrist für Ansprüche aus der Spielteilnahme in den Teilnahmebedingungen einer Lotterie; Zustandekommen eines Spielvertrags mit der Abgabe des Spielscheins; Geschäftsleiter der Annahmestelle als Erfüllungsgehilfe der Lotteriegesellschaft; Überraschende Klausel im Sinne des § 3 AGBG; Vertragliche Verkürzung von Verjährungsfristen ; Persönliche Haftung eines Erfüllungsgehilfen bei Inanspruchnahme besonderen Vertrauens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.11.1985
- Aktenzeichen
- 20 U 40/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1985, 13677
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1985:1126.20U40.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 28.03.1985 - AZ: 2 O 346/84
Fundstelle
- NJW-RR 1986, 833-834 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Schadensersatzes aus Wettspielteilnahme
In dem Rechtsstreit
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 1985
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. G. sowie
die Richter am Oberlandesgericht K. und S.-W.
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28. März 1985 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu je 1/4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer für die Kläger: 6.503,20 DM.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist schon deshalb abzuweisen, weil der Klaganspruch von den Klägern nicht innerhalb der unter Nr. 19 der Teilnahmebedingungen des Niedersächsischen Zahlenlottos bestimmten Frist von 3 Monaten nach dem Veranstaltungstag gerichtlich geltend gemacht worden ist, so daß etwaige Ersatzansprüche der Kläger gegen den Beklagten erloschen sind.
Veranstaltungstag war der 14.01.1984; die Klage ist erst am 23.10.1984 beim Landgericht Hannover eingegangen.
Im übrigen kommt eine Haftung des Beklagten auch deshalb nicht in Betracht, weil die besonderen Voraussetzungen, die in der Rechtsprechung für die unmittelbare Haftung eines Erfüllungsgehilfen des Schuldners gefordert werden, vom Beklagten nicht erfüllt werden.
1.
Gemäß Nr. 19 der Teilnahmebedingungen des Niedersächsischen Zahlenlottos in der hier maßgeblichen Fassung vom 30.04.1983 erlöschen alle Ansprüche aus der Spielteilnahme gegen die Gesellschaft sowie ihre Bezirks- und Wettannahmestellen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach dem Veranstaltungstag gerichtlich geltend gemacht werden. Diese Klausel haben die Kläger mit der Niedersächsischen Zahlenlotto GmbH (im folgenden: Gesellschaft) durch die Abgabe des von ihnen ausgefüllten Lottoscheins auf der Wettannahmestelle wirksam vereinbart. Das folgt aus Nr. 2.1 der Teilnahmebedingungen, wonach für die Teilnahme an der Veranstaltung der Gesellschaft allein die Teilnahmebedingungen der Gesellschaft maßgebend sind, die die Spielteilnehmer mit der Abgabe des Spielscheins bei der Wettannahmestelle als verbindlich anerkennen. Zwar wird der Spielvertrag zwischen der Gesellschaft und dem Spielteilnehmer gemäß Nr. 10.1 und 10.2 der Teilnahmebedingungen erst abgeschlossen, wenn einer der registrierten Abschnitte des Lottoscheins in der Zentrale der Gesellschaft vorliegt. Demgemäß ist für die Kläger, deren Schein auf dem Wege zur Zentrale verloren gegangen ist, davon auszugehen, daß ein Spielvertrag nicht zustande gekommen ist. Das steht der Wirksamkeit der Vereinbarung der Teilnahmebedingungen jedoch nicht entgegen. Denn insoweit handelt es sich um Geschäftsbedingungen, die die Teilnehmer mit der Gesellschaft durch Vermittlung der Annahmestellen vereinbaren, die gemäß Nr. 7.2 der Teilnahmebedingungen die Teilnahme an der jeweiligen Veranstaltung vermitteln. Aus diesen Teilnahmebedingungen ergibt sich für die Spielteilnehmer hinreichend deutlich die Absicht der Gesellschaft, diese Teilnahmebedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen in einem mit den Spielteilnehmern abgeschlossenen gesonderten Rahmenvertrag schon mit Einreichung des Spielscheins verbindlich werden zu lassen.
Gegen die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung bestehen zumindest dann keine durchgreifenden Bedenken, wenn auf sie auf den Spielscheinen deutlich hingewiesen wird (§ 3 AGBG) (vgl. Ulmer-Brandner-Hensen, AGBG, 4. Aufl. 1982, Rdn. 42 a zu § 23; Wolff-Horn-Lindehaar, AGBG 1984, Rdn. 224 zu § 23, jeweils m.w.N.). Einen diesen Anforderungen genügenden Hinweis enthält der von den Klägern benutzte Wettschein auf seiner Rückseite. Dort wird u. a. auf die Maßgeblichkeit der Teilnahmebedingungen und auf die für sie bestehenden Einsichtsmöglichkeiten auf den Annahmestellen sowie auf den oben genannten Zeitpunkt des Abschlusses des Spielvertrages und auf den hier zu erörternden Erlöschungsgrund für Ansprüche aus der Spielteilnahme deutlich hingewiesen.
Die von den Klägern vorgetragenen Bedenken gegen die Geltung der hier in Frage stehenden Ausschlußfrist greifen nicht durch:
a)
Die Klausel erfaßt entgegen der Auffassung der Kläger auch ihre hier geltend gemachten Ersatzansprüche gegen den Beklagten. Dieser wird von den Klägern in seiner Eigenschaft als Erfüllungsgehilfe der Gesellschaft in Anspruch genommen, weil er als Betriebsleiter für den Transport der Lottoscheine von den Wettannahmestellen zur Zentrale der Gesellschaft verantwortlich war. Auch auf derartige Ansprüche beziehen sich die Teilnahmebedingungen der Gesellschaft. Sie enthalten nämlich auch Bestimmungen hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung der Beziehungen zwischen den Spielteilnehmern und den Annahmestellen (vgl. Nr. 7.2, 7.3, 7.4., 8.2, 9.1 und 11.7) sowie den Umfang und den Ausschluß der Haftung der Wettannahmestellen und der sonstigen mit der Weiterleitung der Spielscheine zur Zentrale der Gesellschaft beauftragten Stellen (Nr. 11.8). Angesichts dieser vielfältigen Regelungen für etwaige Ansprüche der Spielteilnehmer gegen die vorgenannten Erfüllungsgehilfen der Gesellschaft kann die abschließende Bestimmung unter Nr. 19 nur dahin ausgelegt werden, daß sie auch diese Ansprüche betrifft und nicht nur solche gegen die Gesellschaft selbst. Auch insoweit ist der Hinweis auf dem Wettschein mit der Formulierung "Alle Ansprüche aus der Spielteilnahme erlöschen, wenn ...." hinreichend deutlich und läßt eine Einschränkung auf Ansprüche gegen die Gesellschaft nicht zu. Für Zweifel bei der Auslegung im Sinne des § 5 AGBG ist kein Raum.
b)
Die genannte Ausschlußklausel ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht überraschend im Sinne des § 3 AGBG. Die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen für die Annahme einer überraschenden Klausel sind nicht erfüllt. Auf die Klausel wird auf dem Wettschein deutlich hingewiesen. Sie ist in den Teilnahmebedingungen der Gesellschaft trotz der von ihrem Sinn nicht vollständig erfaßten Überschrift "Rechtsweg" in den Schlußbestimmungen so herausgehoben, daß sie auch bei nur oberflächlicher Durchsicht der Teilnahmebedingungen erkannt und erfaßt werden kann. Mit einer solchen Klausel muß in Teilnahmebedingungen bei Wettspielen auch gerechnet werden. Denn die Wettunternehmer haben ein besonderes Interesse daran, die jeweilige Wettveranstaltung und die aus ihr herrührenden Ansprüche möglichst schnell abzuwickeln bzw. einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.
c)
Die Spielteilnehmer werden durch diese Klausel auch nicht unangemessen benachteiligt. Die Frist von 3 Monaten gibt ihnen genügend Zeit, um sich über die Aussichten einer in Erwägung zu ziehenden Klage hinreichend Klarheit zu verschaffen. Der Hinweis der Kläger auf die durch diese Klausel bedingte Verkürzung der Verjährungsfrist von 30 Jahren um mehr als 99 % legt keine andere Beurteilung nahe. Gemäß § 225 BGB ist eine vertragliche Verkürzung von Verjährungsfristen grundsätzlich zulässig. Umstände, die die hier streitige Verkürzung auf 3 Monate als untragbar erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.
d)
Die Kläger können sich schließlich auch nicht darauf berufen, daß sich bislang weder die Gesellschaft noch der Beklagte auf die Ausschlußfrist berufen haben. Der Ablauf der Ausschlußfrist ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu beachten. Ob die Gesellschaft und der Beklagte auf die Wirkung der Ausschlußfrist wirksam verzichten können, kann offenbleiben, denn ein dafür erforderlicher Verzichtswille kann aus dem bisherigen Prozeßverhalten der Gesellschaft und des Beklagten nicht hergeleitet werden. Insbesondere kann es sein, daß die Gesellschaft und der Beklagte sich der Regelung der Nr. 19 bislang nicht bewußt gewesen sind und daß sie deshalb auf den Ablauf der Frist nicht hingewiesen haben. Daher kann auch dem Schreiben der Gesellschaft vom 06.09.1984 (Bl. 21 d.A.) kein auch zugunsten der Kläger wirksamer Verzicht auf die Rechte aus Nr. 19 der Teilnahmebedingungen entnommen werden.
2.
Im übrigen ist aber auch aus materiell-rechtlichen Gründen eine Haftung des Beklagten für den den Klägern entstandenen Schaden zu verneinen.
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann ein Erfüllungsgehilfe auch persönlich wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen in Anspruch genommen werden, wenn ihm persönlich vom Vertragsgegner oder Verhandlungspartner ein besonderes Vertrauen entgegengebracht wurde oder er am Zustandekommen des Vertrages ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte (BGHZ 56, 81; 88, 67, [BGH 04.07.1983 - II ZR 220/82]jeweils m.w.N.). Diese Ausnahmeregelung läßt sich jedoch entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht auf den Beklagten anwenden.
a)
Der Beklagte hat als Bezirksleiter weder in besonderem Maße Vertrauen der Kläger für sich in Anspruch genommen noch haben ihm die Kläger ein solches Vertrauen entgegengebracht. Er ist weder persönlich noch mit Hilfe der Wettannahmestelle zu den Klägern in einen Kontakt gekommen, der bei diesen ein besonderes Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und die der von ihre eingestellten Kurierfahrer ausgelöst haben könnte. Die grundsätzlich ausgeschlossene Eigenhaftung eines Verhandlungsvertreters kommt nur in Betracht, wenn er den Geschäftspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und Erfüllung des angebahnten Geschäfts bietet, die für den Willensentschluß des anderen Teils bedeutsam ist (BGHZ 88, 67 [BGH 04.07.1983 - II ZR 220/82]). Dagegen genügt es nicht, daß bei den Klägern wie bei allen anderen Spielteilnehmern der hier in Frage stehenden Lottoveranstaltung ganz allgemein das Vertrauen erweckt wird, es sei gewährleistet, daß die bei den Annahmestellen abgegebenen Wettscheine durch zuverlässige Personen sicher und pünktlich zur Lottozentrale gebracht werden. Hierbei handelt es sich lediglich um das allgemeine Vertrauen in die Zuverlässigkeit der für die Gesellschaft tätigen Personen und Stellen, eine Zuverlässigkeit, die die Spielteilnehmer ohne weiteres erwarten können. In diesem Rahmen kommt nur eine Haftung der Gesellschaft für ihre Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB in Betracht, nicht aber eine persönliche Haftung der Erfüllungsgehilfen. Würde man demgegenüber der Auffassung der Kläger folgen, würde das zu einer Erweiterung der Eigenhaftung der Erfüllungsgehilfen der Lottogesellschaften führen, die wegen des damit verbundenen großen finanziellen Risikos nicht mehr vertretbar wäre.
b)
Das Vorliegen eines haftungsbegründenden eigenen wirtschaftlichen Interesses des Beklagten ist ebenfalls zu verneinen. Für seine Eigenhaftung reicht es entgegen der Auffassung der Kläger nicht aus, daß er lediglich wegen eines Provisionsanspruchs und aufgrund seines Bezirksleitervertrages mit der Gesellschaft daran interessiert ist, daß möglichst viele Wettscheine abgegeben und Spielverträge geschlossen werden (vgl. BGHZ 88, 67 [BGH 04.07.1983 - II ZR 220/82] m.w.N.).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 91 und 100 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 546 Abs. 2, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.