Oberlandesgericht Celle
v. 21.11.1985, Az.: 14 U 70/85

Schadensersatzanspruch wegen durch ihre Abnahme beschädigte Leuchtreklame; Vertragsstrafe wegen Nichteinhaltung eines Fertigstellungstermins; Entscheidung über eine Berufung durch Teilurteil gemäß § 301 Zivilprozessordnung (ZPO); Anspruch auf eine Entscheidung einer Anschlussberufung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.11.1985
Aktenzeichen
14 U 70/85
Entscheidungsform
Teilurteil
Referenz
WKRS 1985, 30723
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1985:1121.14U70.85.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 24.01.1985 - AZ: 21 O 103/82

Fundstelle

  • NJW-RR 1986, 357 (Volltext mit amtl. LS)

Der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 1985
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 24. Januar 1985 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover wird in Höhe eines Teilbetrags von 3.000 DM nebst Jahreszinsen von 14,75 % für die Zeit vom 31. Mai bis 14. Oktober 1981, 14,25 % für die Zeit vom 15. Oktober bis 14. Dezember 1981, 13,75 % für die Zeit vom 15. Dezember 1981 bis 14. März 1982, 13,5 % für die Zeit vom 15. März bis 14. April 1982, 12,75 % für die Zeit vom 14. April bis 16. Mai 1982 und 12,25 % seit dem 17. Mai 1982 zurückgewiesen.

Die Anschlußberufung der Klägerin gegen das genannte Urteil wird ebenfalls zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer beträgt für die Klägerin: 5.500 DM und für den Beklagten: 3.000 DM.

Entscheidungsgründe

1

Über die Berufung des Beklagten kann bereits entschieden werden, soweit der Beklagte mit diesem Rechtsmittel einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.000 DM wegen der Beschädigung von Leuchtreklamebuchstaben weiterverfolgt und damit erneut die Aufrechnung gegenüber dem Restwerklohnanspruch der Klägerin erklärt. Insoweit war daher über die Berufung durch Teilurteil zu befinden (§ 301 ZPO). Hinsichtlich der weiter mit der Berufung geltend gemachten und zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen (Vertragsstrafe und Ersatz der für die Erneuerung einer automatischen Türanlage aufgewendeten Kosten) bedarf es dagegen noch einer Beweisaufnahme.

2

Entscheidungsreif ist auch die Anschlußberufung der Klägerin. Insoweit war ebenfalls bereits durch Teilurteil zu entscheiden. Die Rechtsprechung (vgl. BGHZ 20, 311, 312 [BGH 30.04.1956 - II ZR 217/54] m.w.N.; BAG NJW 1975, 1248), daß über eine unselbständige Anschlußberufung nicht vorab durch Teilurteil entschieden werden kann, steht nicht entgegen. Begründet wird diese Auffassung damit, daß - jedenfalls theoretisch - noch die Möglichkeit besteht, daß die Berufung als unzulässig verworfen - diese Möglichkeit scheidet hier von vornherein aus - oder mit Einwilligung des Gegners (§ 515 Abs. 1 ZPO) zurückgenommen wird und die Anschlußberufung dadurch von selbst ihre Wirkung verliert (§ 522 Abs. 1 ZPO). Auch letzterer Fall kann hier jedoch nicht mehr eintreten, weil durch das Teilurteil auch bereits über einen Teil der Berufung des Beklagten entschieden worden ist und dieser daher das Rechtsmittel nicht mehr insgesamt zurücknehmen kann, was Voraussetzung für das Unwirksamwerden der Anschlußberufung ist. Die Akzessorietät der Anschlußberufung von der Berufung rechtfertigt sich daraus, daß dem Berufungsbeklagten, wenn er nicht mehr befürchten muß, daß das erstinstanzliche Urteil zu seinem Nachteil abgeändert wird, zugemutet werden kann, daß er sich ebenfalls mit dem Urteil abfindet (vgl. Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl., Randnr. 2 zu § 522). Für dieses Abfinden müssen besteht aber kein Anlaß mehr, wenn über einen Teil der Berufung bereits entschieden worden ist. Dann hat der Berufungsbeklagte ebenfalls Anspruch darauf, daß nunmehr auch über seine Anschlußberufung befunden wird. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob der Berufung in dem Teilurteil stattgegeben worden ist oder nicht. Entscheidend ist nach Sinn und Zweck von § 522 Abs. 1 ZPO vielmehr, daß der Berufungskläger eine Entscheidung über sein Rechtsmittel, wenn auch nur teilweise, bereits erlangt hat. Nunmehr hat der Berufungsbeklagte selbst dann, wenn die weitergehende Berufung noch zurückgenommen werden sollte, ebenfalls Anspruch darauf, daß über seine Anschlußberufung befunden wird.

3

Es besteht auch nicht die Möglichkeit unterschiedlicher Entscheidungen im Teil- und Schlußurteil, was ebenfalls dem Erlaß eines Teilurteils entgegenstehen würde (vgl. BGH a.a.O.). Während mit der Anschlußberufung das Bestehen des vom Landgericht in Höhe von 5.500 DM für begründet erachteten Vertragsstrafeanspruchs des Beklagten im Grunde nach verneint wird, geht es bei der Berufung des Beklagten nur darum, ob ein weitergehender Anspruch besteht. Mit der in diesem Teilurteil getroffenen Entscheidung, daß der vom Landgericht zugebilligte Vertragsstrafeanspruch besteht und daher die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen wird, kann die noch zur Berufung des Beklagten zu treffende Entscheidung, ob für den Zeitraum, der bereits Gegenstand der Anschlußberufung ist, eine höhere Vertragsstrafe verwirkt worden ist, nicht in Widerspruch geraten.

4

I.

Berufung des Beklagten:

5

Dem Beklagten steht kein Anspruch auf Ersatz des Werts der Leuchtreklamebuchstaben zu, die sich früher am Vordach seiner Apotheke befanden. Den durch die Beschädigung dieser Reklamebuchstaben entstandenen Schaden beziffert der Beklagte jetzt auf 3.000 DM.

6

Ob der vom Beklagten zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch auf die §§ 13 Nr. 7 VOB/B, 635 BGB oder auf eine positive Vertragsverletzung der Klägerin gestützt werden kann, kann dahingestellt bleiben. In jedem Fall ist Voraussetzung, daß der Schaden darauf zurückzuführen ist, daß die Firma ..., die als Subunternehmerin der Klägerin tätig geworden ist, bei der Abnahme der Leuchtbuchstaben nicht die erforderliche Sorgfalt aufgewandt und damit fahrlässig gehandelt hat. Gerade dies aber kann nicht festgestellt werden. Der Sachverständige ... hat in seinen Gutachten vom 9. Dezember 1982 (Bl. 50-52 d.A.) und 7. April 1983 (Bl. 87-89 d.A.) festgestellt, daß es "eine Garantie für eine fachgerechte Demontage (ohne Schaden) nicht gibt", was nichts anderes bedeutet, als daß nicht auszuschließen ist, daß die Leuchtbuchstaben auch bei sorgfältigem Vorgehen bei der Abnahme beschädigt wurden. Entgegen der Ansicht des Beklagten hat der Sachverständige diese Feststellung nicht lediglich aufgrund von Äußerungen am Bau tätig gewesener Elektriker getroffen, sondern aufgrund eigener Sachkunde. Dabei hat er es mit Recht als entscheidend angesehen, daß die zwei U-förmigen Schalen verklebt worden waren. Nach dem Schreiben der Firma vom ... 14. Januar 1981, gegen dessen inhaltliche Richtigkeit der Beklagte keine Einwendungen erhoben hat, war die Verklebung von dieser Firma auf ausdrücklichen Wunsch des Beklagten und trotz Hinweises, daß dadurch eine spätere Demontage erschwert werde, vorgenommen worden. Der Sachverständige ist fachkundig genug, um beurteilen zu können, ob die Leuchtbuchstaben ohne Beschädigung abgenommen werden konnten. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens ist daher nicht erforderlich. Gegen die Richtigkeit der Feststellung des Sachverständigen spricht auch nicht etwa die Tatsache, daß es einem Mitarbeiter der Firma ... gelungen ist, den letzten Buchstaben unbeschädigt abzunehmen. Denn dies besagt nicht, daß dies auch bei den übrigen Buchstaben bei Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt möglich gewesen wäre, worauf bereits der Sachverständige ... mit Recht hingewiesen hat. Der als Zeuge benannte Mitarbeiter der Firma ... kann hinsichtlich der übrigen Leuchtbuchstaben nichts bekunden. Seine Vernehmung kam daher nicht in Betracht.

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Der Beklagte kann auch nicht etwa einwenden, ihm sei das Risiko der Beschädigung der Leuchtbuchstaben unbekannt gewesen. Wie aus der Ausage des Architekten ... folgt, hatten diesen die Mitarbeiter der Firma ... bei Beginn der Demontage darauf hingewiesen, daß "es etwas schwierig sei, die Leuchtreklame zu entfernen". Dieser Hinweis konnte auch von dem Architekten ... anders verstanden werden, als daß Beschädigungen nicht auszuschließen waren. Sofern dieses Risiko nicht in Kauf genommen werden sollte, hätte der Architekt dies gegenüber den Mitarbeitern der Firma ... unmißverständlich erklären müssen. Dies ist aber nicht geschehen. Vielmehr brachte der Architekt dadurch, daß er lediglich anordnete, die Leuchtbuchstaben so vorsichtig wie möglich abzubauen, zum Ausdruck, das aufgezeigte Risiko auf sich nehmen zu wollen. Diese in den Bereich der baubegleitenden Planung einzuordnende Erklärung seiner Architekten muß sich der Beklagte zurechnen lassen, so daß die Klägerin auch nur für solche Schäden einzustehen hat, die bei sorgfältiger Ausführung der Abnahme der Leuchtbuchstaben nicht entstanden wären. Aus den bereits genannten Gründen ist aber davon auszugehen, daß die Beschädigung der Leuchtbuchstaben auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht zu vermeiden war.

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Unerheblich ist schließlich auch der Hinweis des Beklagten darauf, daß die Klägerin den Schaden ihrer Haftpflichtversicherung habe melden wollen. Denn der Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, die darauf hindeuten könnten, daß die Klägerin damit ihre Schadensersatzverpflichtung habe anerkennen wollen. Auch aus den vom Beklagten vorgelegten Schreiben des Architekten ... ergibt sich nur, daß eine Schadensregulierung habe versucht werden sollen (vgl. z.B. das Schreiben vom 19. November 1980 - Bl. 435 d.A. -).

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II.

Anschlußberufung der Klägerin:

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Der Beklagte hat zur Anschlußberufung, die sich dagegen richtet, daß das Landgericht ihm einen Vertragsstrafenanspruch von 5.500 DM zugebilligt hat, keinen Antrag gestellt. Dennoch war die Anschlußberufung der Klägerin durch sogenanntes "unechtes Versäumnisurteil" zurückzuweisen, weil ihr tatsächliches mündliches Vorbringen ihren Antrag nicht rechtfertigt (§ 542 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

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Dem Beklagten steht ein Vertragsstrafenanspruch mindestens in Höhe von 5.500 DM zu. Ob ein weitergehender Anspruch besteht - diese Frage ist Gegenstand der Berufung des Beklagten -, kann erst nach weiterer Beweiserhebung festgestellt werden.

12

Bei Zugrundelegung des Vertrags der Klägerin, entsprechend ihrem Schreiben vom 12. Juni 1980 sei eine Vertragsstrafenabrede dergestalt zustandegekommen, daß bei Überschreitung des Fertigstellungszeitpunkts Ende September 1980 eine Vertragsstrafe von 500 DM pro Woche zu zahlen sei, ist eine Vertragsstrafe von insgesamt 5.500 DM verwirkt. Daß sie diesen Fertigstellungstermin (Ende September 1980) aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht eingehalten hat, stellt die Klägerin nicht mehr in Abrede; ebensowenig, daß sie die geschuldete Leistung nicht vor dem 16. Dezember 1980 vollständig erbracht hatte. Danach ist der Vertragsstrafenanspruch des Beklagten für elf Wochen entstanden, also in Höhe von 5.500 DM. Auch von dieser Berechnung geht die Klägerin aus.

13

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Beklagte sich den Vertragsstrafenanspruch gemäß §§ 11 Nr. 4 VOB/B, 341 Abs. 3 BGB bei der Abnahme vorbehalten. Allerdings hat die Abnahme nicht bereits am 16. Dezember 1980 stattgefunden, wie das Landgericht angenommen hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des an diesem Tage von dem Zeugen ... aufgestellten und von einem dazu berechtigten Vertreter der Klägerin unterzeichneten Protokolls. Darin ist nur von einer vorläufigen Bauabnahme die Rede. Außerdem ist auch ausdrücklich klargestellt worden, daß noch eine endgültige Bauabnahme gemäß § 12 VOB/B nach Fertigstellung aller Leistungen erfolgen solle. Dies kann nur so verstanden werden, daß gerade keine Abnahme erklärt werden sollte, was im übrigen auch in Einklang mit der Aussage des Zeugen ... steht, es habe noch ein weiterer Abnahmetermin stattfinden sollen. Der Beklagte hat aber später die Abnahme erklärt, als er mit Schreiben vom 21. August 1981 - der Zugang dieses Schreibens bei der Klägerin ist unstreitig - zum Ausdruck gebracht hat, das von der Klägerin erstellte Werk als im wesentlichen vertragsgerecht anzusehen und dieses Werk behalten zu wollen. Nur so war auch für die Klägerin die in diesem Schreiben enthaltene Erklärung des Beklagten zu verstehen, nach Ablauf der der Klägerin zur Mängelbeseitigung gesetzten Frist werde er die Leistung der Klägerin ablehnen, einen anderen Unternehmer mit der Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten beauftragen und die dadurch entstehenden Kosten von der Rechnung der Klägerin absetzen. Damit wurde auch zugleich das Einverständnis zum Ausdruck gebracht, keine förmliche Abnahme entsprechend der im Bauvertrag vereinbarten Regelung mehr stattfinden zu lassen. Die Klägerin selbst hatte bereits zuvor dadurch, daß sie zu dem vereinbarten Abnahmetermin keinen Vertreter entsandt hatte, zu erkennen gegeben, daß sie von der Durchführung einer förmlichen Abnahme Abstand nehmen wollte. Daß ein solcher Abnahmetermin noch stattfinden sollte, wird von der Klägerin jetzt eingeräumt. Somit war auch der auf S. 3 des genannten Schreibens vom 21. August 1981 erklärte Vorbehalt, die Vertragsstrafe noch geltend machen zu wollen, rechtzeitig erklärt worden.

14

III.

Über die Kosten des Rechtsstreits kann abschließend erst im Schlußurteil befunden werden.

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Die bereits getroffenen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Beschwer beträgt für die Klägerin: 5.500 DM und für den Beklagten: 3.000 DM.