Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.11.1985, Az.: 7 WLw 39/85
Verpflichtung zur Auskunft über die Valutierung von Grundstücksbelastungen; Verjährung eines Auskunftsanspruchs; Verwirkung eines Auskunftsanspruchs
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.11.1985
- Aktenzeichen
- 7 WLw 39/85
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1985, 15667
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1985:1118.7WLW39.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Uelzen - 26.03.1985 - AZ: 7 LwH 182/84
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs. 1 S. 1 HöfeO
- § 12 Abs. 2 S. 2 HöfeO
Verfahrensgegenstand
Im Grundbuch von S. Bd. 4 Bl. 101 eingetragener Grundbesitz
Auskunft gemäß § 13 Abs. 10 HöfeO
In der Landwirtschaftssache
hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 1985
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H.
und die Richter am Oberlandesgericht W. und Dr. L. als Berufsrichter
sowie die Landwirte von der L. und M. als landwirtschaftliche Beisitzer
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Uelzen vom 26. März 1985 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß angeordnet wird, der Beteiligte zu 1) habe der Beteiligten zu 2) Auskunft darüber zu erteilen, zu welchem Betrag die in Abteilung III des Grundbuchs von S. Bd. 4 Bl. 101 eingetragenen dinglichen Belastungen, mit Ausnahme der unter laufenden Nr. 20 und 21 eingetragenen Grundschulden, am 11. Juni 1975 valutierten.
Der Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und hat der Beteiligten zu 2) deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Beschwerdewert: 20.000 DM.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind Geschwister. Mit notariellem Vertrag vom 31. Januar 1974 (UR Nr. 84/1974 des Notars Dr. Groth in Uelzen) übernahm der Beteiligte zu 1) von seiner Mutter im Wege der vorgezogenen Erbfolge den im Grundbuch von S. d. Bd. 4 Bl. 101 seinerzeit als Hof eingetragenen Grundbesitz zur Größe von damals 48,9357 ha. Der Besitz war wie folgt belastet:
In Abteilung III
unter laufender | Nr. 15 mit | 4.000 DM zu | 9 %, |
---|---|---|---|
Nr. 20 mit | 20.000 DM zu | 10 %, | |
Nr. 21 mit | 50.000 DM zu | 10 %, | |
Nr. 22 mit | 17.000 DM zu | 10 %, | |
Nr. 23 mit | 40.000 DM zu | 10 %, | |
Nr. 24 mit | 30.000 DM zu | 12 %, |
jeweils für die Kreissparkasse Uelzen und unter laufender Nr. 19 mit 7.000 DM zu 9,5 % für die Hannoversche Landeskreditanstalt.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei rechtsmißbräuchlich, weil der Abfindungsanspruch der Beteiligter zu 1) verjährt sei. Die 3-Jahres-Frist sei längst verstrichen. Hierzu hat der Beteiligte zu 1) behauptet, die Beteiligte zu 2) habe von der Veräußerung gewußt; sie habe selbst dazu geraten, damit er den Restbesitz entschulden und die darauf befindliche Gastwirtschaft fortführen könne. Eine förmliche Mitteilung von der Veräußerung sei angesichts dieser Umstände entbehrlich gewesen.
Darüber hinaus - so hat der Beteiligte zu 1) weiter vorgetragen - habe die Beteiligte zu 2) auf ihre Ansprüche auch ausdrücklich verzichtet. Als ihm am 1. August 1978 ein Sohn geboren worden sei, habe sie anläßlich eines Familientreffens, an dem er selbst allerdings nicht teilgenommen habe, geäußert, daß sie auf sämtliche Ansprüche im Zusammenhang mit dem Verkauf der streitigen Grundstücke zugunsten seines Sohnes verzichte.
Schließlich hat der Beteiligte zu 1) gemeint, der Anspruch sei auch verwirkt. Unstreitig habe die Beteiligte zu 2) ihn erstmalig mit Schreiben vom 25. Oktober 1984, also 9 Jahre nach der Veräußerung, geltend gemacht; damit verstoße sie gegen die Grundsätze von Treu und Glauben.
Die Beteiligte zu 1) hat darauf erwidert: Sie habe von dem Umfang der Veräußerung und dem Kaufpreis erst im Juli 1984 erfahren; vorher habe sie nichts Genaueres gewußt. Vor allem sei ihr nicht bewußt gewesen, daß ihr wegen der Veräußerung ein Nachabfindungsanspruch zustehe. Die Verjährungsfrist beginne erst dann zu laufen, wenn der Abfindungsberechtigte nicht nur die anspruchsbegründenden Tatsachen kenne, sondern auch die erforderlichen rechtlichen Schlußfolgerungen gezogen habe.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag nach Beweisaufnahme stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beteiligte zu 2) habe gegen den Beteiligten zu 1) nach der hier anwendbaren Vorschrift des § 13 HöfeO n.F. einen Auskunftsanspruch. Der Abfindungsanspruch sei noch nicht verjährt. Wie die Beweisaufnahme ergeben habe, habe die Beteiligte zu 2) vor 1984 keine für den Beginn der Verjährungsfrist ausreichende Kenntnis von Art. und Umfang der Veräußerung gehabt. Sie habe auf ihre Rechte auch nicht wirksam verzichtet; denn ihre vom Beteiligten zu 1) behauptete Äußerung nach der Geburt seines Sohnes sei jedenfalls nicht in seiner Gegenwart gefallen; ein Verzicht hatte aber nur ihm gegenüber ausgesprochen werden können. Schließlich habe die Beteiligte zu 2) ihren Auskunftsanspruch auch nicht verwirkt. Ihr Abwarten könne schon deshalb nicht als treuwidrig angesehen werden, weil der Beteiligte zu 1) seinerseits seiner Mitteilungspflicht aus § 13 Abs. 10 HöfeO nicht nachgekommen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1). Er hält den Ausgleichsanspruch weiterhin für verjährt und trägt hierzu vor: Die Beteiligte zu 2) habe spätestens im Jahre 1978 Kenntnis von den Voraussetzungen ihres Anspruchs gehabt. Dies ergebe sich mit hinreichender Deutlichkeit aus ihrer Äußerung anläßlich der Geburt seines Sohnes, auch wenn diese nicht als Verzicht gewertet werden könne. In Wahrheit habe sie die Voraussetzungen des Anspruchs schon im Jahre 1975 gekannt; denn über die Verkaufsverhandlungen sei in allen Einzelheiten im Familienkreise gesprochen worden. Außerdem habe er dem Ehemann der Beteiligten zu 2) die verkauften Flächen im Herbst 1975 gezeigt, als er ihn anläßlich eines Familiengeburtstags mit seinem Pkw herumgefahren habe; die Beteiligte zu 2) müsse das von ihrem Ehemann erfahren haben. Die Veräußerung seines Besitzes sei im übrigen nicht nur Familien-, sondern auch Dorfgespräch gewesen. Auch im Nachbardorf S., in dem die Beteiligte zu 2) wohne, sei mit Sicherheit davon gesprochen worden.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
den angefochtenen Beschluß abzuändern und den Antrag
der Beteiligten zu 2) zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten verwiesen. Die Grundakten von S. Band 4 Blatt 101 sowie die Landwirtschaftsakten 8 LwH 14/74 und 3 LwH 43/75 AG Uelzen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zwar nach §§ 1 Nr. 5, 9, 21, 22 Abs. 1 LwVG und §§ 21, 22 Abs. 1 FGG zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Mit Recht hat das Landwirtschaftsgericht angeordnet, daß der Beteiligte zu 1) der Beteiligten zu 2) die begehrte Auskunft erteilen müsse.
Die Beteiligte zu 2) hat gegen den Beteiligten zu 1) wegen des Grundstücksverkaufs vom 11. Juni 1975 einen Anspruch auf Ergänzung der Abfindung, die ihr bereits aufgrund der Hofübergabe zustand (§§ 13 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 2 Satz 2 HöfeO n.F. i.V.m. Art. 3 § 5 Abs. 1 des 2. Gesetzes zur Änderung der HöfeO). Nach § 13 Abs. 10 HöfeO kann sie Auskunft über alle für die Berechnung dieses Anspruchs erheblichen Umstände verlangen. Dazu gehören auch die Informationen, die sie mit ihrem Antrag begehrt. Allerdings ist die Valutierung der auf dem Hof am Tage der Veräußerung eingetragenen Grundpfandrechte für die Berechnung ihres Anspruchs nicht unmittelbar erheblich. Dieser ist vielmehr grundsätzlich der Bruttoerlös zugrunde zu legen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 HöfeO). Es ist jedoch davon auszugehen, daß die Valutierung der Grundpfandrechte am Tage der Veräußerung der Grundstücke der Valutierung zur Zeit des Erbfalls entsprach. Die letztere ist für die Beteiligte zu 2) von Bedeutung. Sie ist nämlich zumindest aus Gründen der Billigkeit (§ 13 Abs. 5 Satz 4 HöfeO) als "Nachlaßverbindlichkeit" bei der Berechnung der Nachabfindung zu berücksichtigen, und zwar in der Weise, daß der Teil, der dem Wert der verkauften Grundstücke im Verhältnis zum Gesamtwert des Hofes entspricht, vom Erlös abzuziehen ist.
Das Auskunftsbegehren ist auch nicht rechtsmißbräuchlich; denn der Nachabfindungsanspruch der Beteiligten zu 2) ist noch nicht verjährt (§ 13 Abs. 9 Satz 2 HöfeO n.F. i.V.m. Art. 3 § 5 Abs. 2 des 2. Gesetzes zur Änderung der HöfeO). Die Verjährung wurde vielmehr durch den Eingang des Antrags auf Anordnung der Auskunftserteilung beim Landwirtschaftsgericht unterbrochen. Am Tage des Eingangs, dem 12. Dezember 1984, war die dreijährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen; denn der Lauf dieser Frist begann erst im Juli 1984. Vorher hatte die Beteiligte zu 2) keine Kenntnis von dem Eintritt der Voraussetzungen ihres Anspruchs.
Der Beteiligte zu 1) hat es versäumt, ihr von der Veräußerung unverzüglich Mitteilung zu machen, wozu er nach § 13 Abs. 10 HöfeO verpflichtet gewesen wäre. Er hat zwar behauptet, er habe über die Einzelheiten der Verkaufsverhandlungen bei wöchentlichen Familientreffen berichtet. Damit hätte er seine Mitteilungspflicht indessen nicht erfüllt; denn er mußte die Beteiligte zu 2) über die vollzogene Umschreibung informieren. Abgesehen davon hat er seine Behauptung nicht bewiesen. Seine von ihm hierfür als Zeugin benannte Ehefrau hat die Aussage verweigert. Die Versäumung seiner Mitteilungspflicht schließt allerdings die Verjährung des Anspruchs nicht aus (so aber wohl Hötzel-Faßbender-Pikalo, HöfeO, § 13 Rz 53); denn die Beteiligte zu 2) konnte die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis auch auf andere Weise erlangen. Die Unterlassung hat auch nicht etwa zur Folge, daß die Verjährungsfrist erst in dem Augenblick zu laufen begann, in dem die Beteiligte zu 2) von ihrer Berechtigung Kenntnis erhielt, d. h. in dem sie aus den ihr bekannten Tatsachen die erforderlichen rechtlichen Schlußfolgerungen zog (so aber Wöhrmann-Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 4. Aufl., § 13 Rz 125). Diese Auffassung findet keinen Anhalt im Gesetz, das lediglich Kenntnis "der Voraussetzungen" des Anspruchs verlangt, und würde den Verpflichteten im übrigen in kaum überwindliche Beweisschwierigkeiten bringen. Man wird es daher hinzunehmen haben, daß der Hoferbe durch die Verletzung seiner Mitteilungspflicht lediglich dann Nachteile erleidet, wenn der Berechtigte von dem Eintritt der Voraussetzungen seiner, Anspruchs nicht auf andere Weise erfahrt (so Lange-Wulff-Lüdtke-Handjery, HöfeO, 8. Aufl., § 13 Rz 82).
So verhält es sich hier. Die Beteiligte zu 2) hat bei ihrer Vernehmung als Partei durch den Senat wiederholt, sie habe zwar gewußt, daß der Beteiligte zu 1) Grundstücke verkauft habe. Vor Juli 1984 seien ihr aber der Umfang der Veräußerung und auch der Kaufpreis nicht bekannt gewesen. Ein derartiges Wissen genügt für den Beginn der Verjährungsfrist nicht. Der Beteiligte zu 1) hat nicht bewiesen, daß die Beteiligte zu 2) genauere Kenntnis gehabt hätte. Die Einzelheiten waren entgegen seiner Behauptung im Dorf nicht bekannt. Weder die Zeugin H., die seinerzeit noch in Soltendieck wohnte, noch selbst die Zeugin K., die in der Gastwirtschaft des Beteiligten zu 1) bediente, wußten damals Näheres, obwohl der Verkauf durchaus Dorfgespräch war, wie sie übereinstimmend bekundet haben. Auch die Äußerungen, die die Beteiligte zu 2) bei einem Familien- und Freundestreffen in der Gastwirtschaft des Beteiligten zu 1) kurze Zeit nach der Gehurt seines Sohnes getan hat, lassen nicht erkennen, daß ihr Einzelheiten des Grundstücksverkaufs bekannt waren. Nach den Aussagen der Eheleute Hamann vor dem Senat hat sie damals zwar gesagt, sie wolle auf das, was sie vom Beteiligten zu 1) zu bekommen habe, verzichten, weil ihr Bruder nun ein Kind habe. Dieser "Verzicht" bezog sich jedoch auf den Rest der ihr noch aus dem Hofübergabevertrag zustehenden Abfindungssumme, den ihr der Beteiligte zu 1) damals noch nicht gezahlt hatte. Dies ergibt sich aus der Aussage beider Zeugen, die Beteiligte zu 2) habe damals hinzugefügt, einen Teil - der Zeuge Hamann: 5.000 DM - habe ihr der Beteiligte zu 1) schon gezahlt; den Rest - der Zeuge Hamann: 10.000 DM - könne er behalten. Schließlich hat der Beteiligte zu 1) auch nicht bewiesen, daß er dem Ehemann der Beteiligten zu 2) im Herbst 1975 anläßlich eines Familiengeburtstags bei einer Rundfahrt die verkauften Ländereien gezeigt hätte. Der Zeuge M. hat bei seiner Vernehmung durch den Senat bekundet, er habe damals nicht einmal gewußt, daß der Beteiligte zu 1) überhaupt verkauft habe. An die vom Beteiligten zu 1) behauptete Rundfahrt könne er sich nicht erinnern. Die verkauften Flächen habe er ihm jedenfalls nicht gezeigt.
Die Beteiligte zu 2) hat auf ihren Anspruch auch nicht verzichtet. Eine Verwirkung kommt nicht in Betracht.
Da die sofortige Beschwerde zurückzuweisen ist, entspricht es der Billigkeit, dem Beteiligten zu 1) die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 44 Abs. 1 LwVG). Aus diesem Grund hat er der Beteiligten zu 2) auch deren außergerichtliche Kosten zu erstatten (§ 45 Abs. 1 Satz 2 LwVG).
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 20.000 DM.