Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.01.1984, Az.: 3 Sa 148/83

Einhaltung der richtigen Kündigungsfrist bei einer betriebsbedingten Kündigung ; Verfassungsmäßigkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz des Bürgerlichen Gesetzbuches ; Umgang mit verfassungswidrigen Regelungen des Arbeitsrechts für eine Übergangszeit ; Ergänzende Rechtsanwendung im Arbeitsrecht; Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahres

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
20.01.1984
Aktenzeichen
3 Sa 148/83
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1984, 10316
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1984:0120.3SA148.83.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Celle - 12.09.1983 - AZ: 1 Ca 217/83

Fundstelle

  • ZIP 1984, 1130-1132

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

In dem Rechtsstreit
hat
die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 1984
durch ihre Mitglieder Frohner, Martens und Kuck
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 12. September 1983 - 1 Ca 217/83 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.449,39 DM festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten nunmehr hinsichtlich einer betriebsbedingten Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 30. März 1983 (Fotokopie Bl. 3 d.A.) noch über die Einhaltung der richtigen Kündigungsfrist.

2

Der am ... geborene Kläger war bei der Beklagten ununterbrochen seit dem 19. Oktober 1972 als Bohrgeräteführer zu einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt 2.966,26 DM beschäftigt.

3

Mit Schreiben vom 30. März 1983 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Hinweis auf eine tarifvertragliche Kündigungsfrist von 12 Werktagen zum 16. April 1983, weil die wirtschaftliche Situation zu erheblichen Betriebseinschränkungen zwinge.

4

Mit der am 13. April 1983 bei dem Arbeitsgericht Celle eingegangenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger die Auffassung vertreten, daß die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt sei. Er hat zudem gemeint, daß ihm nicht fristgerecht gekündigt worden sei.

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Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß durch die von der Beklagten am 30. März 1983 zum 16. April 1983 ausgesprochene Kündigung das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst ist.

6

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe zum 1. Januar 1983 ihre gewerbliche Tätigkeit eingestellt und neue Aufträge nicht angenommen.

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Die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Celle hat durch Urteil vom 12. September 1983 festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. März 1983 nicht zum 16. April 1983 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. Mai 1983 fortbestanden hat. Es hat im übrigen die Klage abgewiesen, von den Kosten des Rechtsstreites dem Kläger 1/3, der Beklagten 2/3 auferlegt sowie schließlich den Streitwert auf 8.898,78 DM festgesetzt. Es hat zur Begründung ausgeführt, daß die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und damit sozial gerechtfertigt sei. Allerdings betrage die einzuhaltende Kündigungsfrist 2 Monate zum Monatsende, weil der Kläger nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 1983 (gemeint ist: 16. November 1982), was die Anrechenbarkeit seiner Betriebszugehörigkeit in Abhängigkeit von seinem Lebensalter betreffe, wie ein Angestellter, nach dem "Angestellten-Kündigungsschutzgesetz" zu stellen sei.

9

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr auf eine Klagabweisung in vollem Umfange gerichtetes erstinstanzliches Begehren weiter. Sie meint, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht den Beschluß des Bundesverfassungsgericht auf die hier anzuwendende Regelung über Kündigungsfristen aus § 12 Ziffer 1.2 BRTV-Bau angewandt.

10

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

12

Er verteidigt aus Rechtsgründen die angefochtene Entscheidung

Entscheidungsgründe:

13

Die Berufung ist unbegründet.

14

Das Arbeitsgericht ist zutreffend von einer - worüber im Berufungsverfahren ausschließlich zu entscheiden ist - einzuhaltenden Kündigungsfrist von 2 Monaten zum Monatsende ausgegangen. Diese ergibt sich bei einer Beschäftigungszeit des Kläger im Betrieb der Beklagten von mehr als 10 Jahren nach Vollendung des 25. Lebensjahres aus § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem nunmehr nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1982 - 1 BvL 16/75; 36/79 - bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber anzuwendenden Inhalt. Nach diesem Beschluß (Bundesgesetzblatt 1983 I S. 81; BVerfGE 62, 256 bis 294 = Der Betrieb 1983 S. 450 = NJW 1983 S. 617 = EzA Art. 3 GG Nr. 13) ist § 622 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung des Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (1. Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) vom 14. August 1969 mit Art. 3 Abs. 1 des GG nicht vereinbar, soweit bei der Berechnung der für die verlängerten Kündigungsfristen maßgeblichen Beschäftigungsdauer eines Arbeiters Zeiten nicht berücksichtigt werden, die vor der Vollendung des 35. Lebensjahres liegen, während bei einem Angestellten bereits Zeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahres mitgerechnet werden. Diese vom Bundesverfassungsgericht festgestellte teilweise Verfassungswidrigkeit der genannten gesetzlichen Vorschrift führt dazu (vgl. zu den Folgen einer festgestellten Verfassungswidrigkeit allgemein: Heußner NJW 1982 S. 257 ff.; Ipsen JZ 1983 S. 41 ff.), daß während der Übergangszeit bis zu einer Neuregelung der Kündigungsfristenbestimmungen durch den Gesetzgeber auch bei Arbeitern, wie bei Angestellten nach dem fortgeltenden "Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten" vom 9. Juli 1926 (RGBl. I S. 399, berichtigt S. 412; vgl. auch Art. 6 Abs. 4 des 1. Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 14. August 1969), bereits Zeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahres mitzurechnen sind (vgl. Kraushaar Arbeit und Recht 1983 S. 145 ff.; wie hier auch ArbG Heilbronn Betriebsberater 1983 S. 1795 = Der Betrieb 1983 S. 2366 = Arbeitsrecht im Betrieb 1983 S. 156; ArbG Herne Urteil vom 26.04.1983 - 5 Ca 3470/82; ArbG Oldenburg Urteil vom 10.06.1983 - 4 Ga 26/83; ArbG Siegburg Urteil vom 27.01.1983 - 3 Ca 2604/82; ArbG Ludwigsburg Urteil vom 31.08.1983 - 12 Ca 510/83; anderer Auffassung LAG Düsseldorf Der Betrieb 1983 S. 2042; wiederum a.A. ArbG Wiesbaden Der Betrieb 1983 S. 2367; zu unterschiedlichen Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte generell vgl. den Vorlagebeschluß der erkennenden Kammer vom 23.04.1982 - 3 Sa 10/82 - EzA Art. 3 GG Nr. 15 und neuerdings auch Schulin in Anm. zu EzA § 1 Lohnfortzahlungsgesetz Nr. 63 m.w.N.; Mayer-Maly in Anm. zu EzA Art. 3 GG Nr. 13).

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Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, daß dann, wenn das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit einer Norm mit dem Grundgesetz feststellt, nach dem in § 78 BVerfGG der Normenkontrollentscheidung zugeordneten Tenor diese regelmäßig für nichtig zu erklären ist. Die tatsächliche Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts hat extra legem (hierzu Ipsen a.a.O.) von einer Nichtigerklärung, wie auch in dem genannten Beschluß vom 16. November 1982, immer dann abgesehen, wenn dadurch in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eingegriffen oder ein Rechtszustand herbeigeführt werden würde, der der verfassungsmäßigen Ordnung noch weniger entspräche als die angegriffene Regelung (vgl. Heußner a.a.O. bei Fußnote 4 m.w.N.). Freilich hat auch die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Norm mit dem Grundgesetz ohne Nichtigerklärung Gesetzeskraft gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG und wirkt daher konstitutiv gegen alle vom Zeitpunkt der Kollision des Gesetzes mit dem Grundgesetz an mit der weiteren Folge, daß Gerichte und Verwaltung die verfassungswidrige Vorschrift zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem sich aus Tenor und Gründen ergebenden Ausmaß nicht mehr anwenden dürfen (so Heußner a.a.O. m.w.N.). Diese in der Regel anzunehmende Anwendungssperre gilt jedoch nicht ausnahmslos. So ist eine für verfassungswidrig erklärte Vorschrift ganz oder teilweise bereits anzuwenden, wenn es die Besonderheit der verfassungswidrig erklärten Norm aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit notwendig macht, die verfassungswidrige Regelung für die Übergangszeit bestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungswidrigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige (insoweit übereinstimmend mit LAG Düsseldorf a.a.O.). Darüber hinaus können die Gerichte, wenn eine Nichtigerklärung lediglich aus Gründen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unterblieben ist, sich das Bundesverfassungsgericht wesentlich deshalb mit der "bloßen" Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes ohne ausdrückliche Nichtigerklärung zufriedengegeben hat, die Gerichte nach der Unvereinbarkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht für die Übergangszeit im Wege ergänzender Rechtsanwendung die Begünstigung auf die benachteiligte Gruppe erstrecken, wenn der Gesetzgeber, zumindest für die Übergangszeit, gar keine andere Wahl als diejenige hat, die von der Norm gleichheitswidrig nicht begünstigte Gruppe in die Norm mit einzubeziehen (vgl. Bundesverfassungsgericht E 52, 357 = NJW 1980 S. 824 [BVerfG 13.11.1979 - 1 BvL 24/77]; vgl. auch BAG Urteil vom 13. Januar 1982 - 7 AZR 764/79 - EzA § 9 MSchG n.F. Nr. 20; Urteil vom 6. Oktober 1983 - 2 AZR 368/82). Zwar ist es dem Gesetzgeber sicherlich unbenommen, von seiner Gestaltungsfreiheit bei einer Neuregelung der Kündigungsfristen für Arbeitnehmer im Sinne der Verschlechterung der derzeit bestehenden Bestimmungen für die gesetzlich noch anerkannte Gruppe der Angestellten Gebrauch zu machen. Diese Gestaltangsfreiheit des Gesetzgebers besteht indes nicht rückwirkend für die Vergangenheit bzw. auch nur für den Zeitraum vor dem Inkrafttreten einer Neuregelung. Da die Begünstigung der Gruppe der Angestellten durch eine Berücksichtigung ihrer Beschäftigungszeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahres materiell nicht gegen die Verfassung verstößt, wird dem Gesetzgeber für die Übergangszeit gar nichts anderes übrig bleiben, als die den Angestellten gewährte Begünstigung zumindest für diese Übergangsphase auch auf die bislang benachteiligte Gruppe der Arbeiter zu erstrecken. Der Kammer erscheint daher die vom Staatssekretär Baden für die Bundesregierung am 11. Juli 1983 im Deutschen Bundestag gegebene Antwort auf eine Frage des Abgeordneten Hoß von der Fraktion der Grünen mehr als richtig (Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode Drucksache 10/255 S. 30/31): "Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist auch kein Zustand der Rechtsunsicherheit entstanden, der ein sofortiges Tätigwerden des Gesetzgebers erforderte. Nach dieser Entscheidung ist es verfassungswidrig, bei der Berechnung der für die verlängerten Kündigungsfristen maßgebliche Beschäftigungsdauer bei Arbeitern Zeiten nicht zu berücksichtigen, die vor Vollendung des 35. Lebensjahres liegen, während bei Angestellten bereits Zeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahres mit gerechnet werden. Dies bedeutet, daß - solange der Gesetzgeber keine andere nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zulässige Regelung getroffen hat - nunmehr auch bei Arbeitern bei dieser Berechnung die Beschäftigungsjahre nach Vollendung des 25. Lebensjahres zugrunde zu legen sind. Davon gehen - soweit ersichtlich - auch die Arbeitnehmer, die Gewerkschaften und die Arbeitgeber sowie deren Verbände aus." (Vgl. allerdings nunmehr das Rundschreiben der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vom 19. Januar 1984 II - 2 - 2/Mv. Nr. 9, in dem die Auffassung der Bundesregierung nicht geteilt wird). Eine rückwirkende Verschlechterung der bestehenden Kündigungsfristenregelungen für Angestellte wäre mit den Sozialstaats- und Rechtsstaatsgeboten des Grundgesetzes unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen rückwirkenden Eingriffs in legitime soziale Besitzstände nicht zu vereinbaren. Insoweit überzeugt auch die Entscheidung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Januar 1982 zum Hausarbeitsrecht (3 AZR 42/81, Der Betrieb 1982 S. 1014) nicht, als dieser letztlich auf der Annahme beruht, als könne der Gesetzgeber bereits entstandene Ansprüche auf Gewährung bestimmter Leistungen nachträglich, und zwar mit echter Rückwirkung, ohne weiteres beseitigen. Wenn Heußner (a.a.=. S. 259 bei Fußnote 30) gegen Thole (Die Verfassungswidrigerklärung von Gesetzen, 1969 S. 128 ff.) ausführt, daß dann, wenn eine Vorschrift verfassungswidrig sei und Verwaltung und Gerichte sie nicht mehr anwenden dürften, dies auch für die von der Vorschrift begünstigten Personen gelten müsse, so vermag diese Überlegung jedenfalls im vorliegenden Falle nicht zu "greifen", weil die Begünstigung der Gruppe der Angestellten nicht auf der verfassungsrechtlich beurteilten Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB beruht, sondern sich aus dem bereits genannten Gesetz vom 9. Juli 1926 ergibt. Da deren Begünstigung nach wie vor verfassungsrechtlich einwandfrei und unangefochten geltendes Recht darstellt, kann der Gesetzgeber vor einer Neuregelung diese Begünstigung gar nicht beseitigen, was eben umgekehrt bedeutet, daß die Verfassungsmäßigkeit der Kündigungsfristenregelungen nur dadurch hergestellt werden kann, daß bis zu diesem Zeitpunkt die bisher benachteiligte Gruppe der Arbeiter in den Regelungsgehalt der insoweit für die Angestellten geltenden Bestimmungen mit einbezogen wird.

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Nach der bereits zitierten Antwort der Bundesregierung vom 11. Juli 1983 im Deutschen Bundestag, in der es im übrigen weiter heißt: "Aus den oben genannten Gründen kann die Bundesregierung gegenwärtig noch keine Angaben über den möglichen Inhalt einer Neuregelung der Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte machen" und weiter - unter Hinweis auf den o.g. Vorlagebeschluß vom 23. April 1982 -: "Es erscheint deswegen nicht sachgerecht, gegenwärtig dem Gesetzgeber eine auf die eingangs dargestellte Frage beschränkte gesetzliche Neuregelung vorzuschlagen. Deshalb ist beabsichtigt, zunächst die weitere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten.", muß davon ausgegangen werden, daß es in absehbarer Zeit zu einer gesetzlichen Neuregelung dieses Rechtskomplexes nicht kommen wird. Dann aber würde es bei etwa 10- bis 15tausend derartigen Kündigungsfällen jährlich, wie Kraushaar a.a.O. eher untertreibend, als übertreibend geschätzt hat, eine rechtlich und tatsächlich unerträgliche Situation darstelle solche Kündigungsschutzprozesse entweder auszusetzen oder aber gar die eingangs genannte Vorschrift, wie es das Landesarbeitsgericht Düsseldorf für richtig hält, weiterhin mit ihrem verfassungswidrigen Gehalt anzuwenden. Hierauf hat auch bereits das Arbeitsgericht Heilbronn a.a.O. treffend hingewiesen.

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Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine kürzere tarifvertragliche Kündigungsfrist beziehen. Zwar ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der für allgemeinverbindlich erklärte Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 1. April 1971 mit späteren Änderungen (BRTV-Bau) für gewerbliche Arbeitnehmer anzuwenden, dessen § 12 Ziff. 1.2 hinsichtlich verlängerter Kündigungsfristen ebenso wie § 622 Abs. 2 BGB bestimmt, daß bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten, die vor der Vollendung des 35. Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt werden, anders als die Rahmentarifverträge für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes einerseits sowie für die Polierer und Schachtmeister des Baugewerbes andererseits, die in ihrem jeweiligen § 12 Ziff. 1.1 hinsichtlich der Kündigungsfristen eine Verweisung auf die gesetzlichen Vorschriften enthalten und damit eine Berücksichtigung aller Beschäftigungszeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahres beinhalten. Die in § 12 BRTV-Bau enthaltene Benachteiligung der gewerblichen Arbeitnehmer ist aus den Gründen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vor 16. November 1982 ebenfalls wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG unwirksam. Da jedenfalls ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag Normen setzt, sind auch die Tarifvertragsparteien unmittelbar an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden (vgl. BAG AP Nr. 7, 28, 68, 87 zu Art. 3 GG; BVerfGE 4, 96 [BVerfG 18.11.1954 - 1 BvR 629/52];  44, 322 [BVerfG 24.05.1977 - 2 BvL 11/74] [BVerfG 10.05.1977 - 2 BvR 705/75];  55, 7 [BVerfG 09.07.1980 - 2 BvR 701/80]: Wiedemann/Stumpf. Tarifvertragsgesetz, 5. Aufl., Einleitung Rdnrn. 57 ff.; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch. 5. Aufl., § 198 III. 1. S. 1169). Die somit vorliegende Unwirksamkeit der genannten tarifvertraglichen Bestimmung, die lediglich ein Gesetz im materiellen Sinne, nicht im formellen Sinne darstellt, weshalb auch Art. 100 GG nicht einschlägig ist, führt zur Anwendung der den Lebenssachverhalt regelnden gesetzlichen Bestimmungen (BAG Der Betrieb 1982 S. 608), hier mithin des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem nunmehr aus Gründen der Verfassungsmäßigkeit zugrunde zu legenden Inhalt (vgl. hierzu auch Kraushaar a.a.O. S. 146).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

19

Der Kostenstreitwert hat sich nach Vollendung der angefochtenen Entscheidung insofern geändert, als die Parteien nunmehr lediglich noch über die Einhaltung der richtigen Kündigungsfrist und damit - begrenzt - über ein Fortbestehen bis längstens zum 31. Mai 1983 streiten (vgl. § 69 Abs. 2 ArbGG). Für die sich somit noch im Streit der Parteien befindlichen 1 1/2 Monate des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses errechnet sich gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG der aus dem Urteilstenor ersichtliche Streitwert.

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Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 ArbGG.

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II