Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.10.1984, Az.: 4 Ta 31/84
Vertreterbestellung als gegebenes Mittel zur Beseitigung eines Vertretermangels
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 22.10.1984
- Aktenzeichen
- 4 Ta 31/84
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1984, 10317
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1984:1022.4TA31.84.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 07.09.1984 - AZ: 2 Ca 2412/83
Fundstelle
- MDR 1985, 170 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
...
Prozessgegner
...
Tenor:
wird auf die Beschwerde der Beschluß des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 7. September 1984 aufgehoben und das Arbeitsgericht angewiesen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts über den Antrag des Klägers auf Bestellung eines besonderen Vertreters gemäß § 57 ZPO erneut zu entscheiden.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe:
Das Arbeitsgericht hat angenommen, daß eine analoge Anwendung des § 57 ZPO nicht in Betracht komme. Allein aus der Gleichheit der Interessenlage des Klägers lasse sich eine Analogie gegen den Wortlaut der Norm nicht rechtfertigen.
Dieser Auffassung kann im Ergebnis nicht beigetreten werden. Wenn nach pflichtgemäßer Beurteilung des Vorsitzenden Gefahr im Verzuge ist, d.h. wenn der Aufschub bis zur Bestellung eines gesetzlichen Vertreters durch die zuständige Stelle, auf die der Vorsitzende in erster Linie gemäß § 50 FGG hinzuwirken hat, Nachteile für den Kläger haben kann, dann muß auch in Fällen der vorliegenden Art ein besonderer Vertreter bestellt werden. Die Möglichkeit, einen Notgeschäftsführer zu bestellen, schließt eine Vertreterbestellung nach § 57 ZPO nicht aus, wenn dafür ein hinreichendes Bedürfnis besteht. Deshalb hat sowohl der Bundesfinanzhof (DB 1980 S. 2068) als auch das Bundesverwaltungsgericht (HFR 1967 S. 254 und 366) neben der Bestellung eines Notgeschäftsführers auch die Bestellung eines Prozeßpflegers in entsprechender Anwendung des § 57 ZPO für zulässig erachtet.
Dieser Auffassung ist der Vorzug zu geben gegenüber der nur am Wortlaut orientierten Auslegung des Arbeitsgerichts.
Dies gilt besonders deshalb, weil im konkreten Fall die Gefahr besteht, daß das Registergericht wegen der Vermögenslosigkeit der Beklagten oder wegen der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 57 ZPO die Bestellung eines Notgeschäftsführers ablehnen würde (vgl. Hachenburg-Ulmer GmbH-Gesetz 7. Aufl., § 35 Anm. 11; Scholz GmbH-Gesetz 6. Aufl., § 6 Rdnr. 3).
Erachtet man im vorliegenden Fall eine Vertreterbestellung nach § 29 BGB bzw. § 57 ZPO als gegebene Mittel zur Beseitigung des Vertretermangels der Beklagten, so ist zugleich über das Konkurrenzproblem zu entscheiden, ob dem Kläger nur der Weg des § 29 BGB oder nur derjenige des § 57 ZPO zur Verfügung steht oder ob er sie beide gleichzeitig einschlagen kann oder ob das eine Gesetz das andere verdrängt, dem Kläger also nur § 29 BGB oder nur § 57 ZPO zur Seite steht. Auch diese Frage ist in der Literatur nicht unumstritten. Die einen sehen zwar den gegen den Verein klagenden Gläubiger als Beteiligten und damit antragsberechtigt im Sinne des § 29 BGB an, verneinen jedoch die dort geforderte Dringlichkeit wegen der Möglichkeit der Vertreterbestellung nach § 57 ZPO (vgl. Motive I zum BGB S. 100). Die anderen verneinen bei dem Verklagen des Vereins die Anwendbarkeit des § 57 ZPO, weil in diesem Fall § 29 BGB hinreichende Vorsorge treffe (RGHK § 29 BGB Anm. 1). Demgegenüber wird die Auffassung vertreten (vgl. Palandt-Heinrichs 43. Aufl., § 29 Anm. 2 b m.w.N.), daß die Möglichkeit gemäß § 57 ZPO einen Prozeßpfleger bestellen zu lassen, die Dringlichkeit nicht beseitige, weil § 29 BGB vorgehe. Diesen Entweder-oder-Entscheidungen steht die differenzierende Stellungnahme von Wieczorek (Bemerkung A III b 1 zu § 57 ZPO) gegenüber, welche im Falle des vertretungsbedürftigen aber vertretungslosen Beklagten den Kläger zwischen § 57 ZPO und den einschlägigen außerprozessualen Möglichkeiten der Vertreterbestellung wählen und ihn sogar beide Wege gleichzeitig begehen läßt, jedoch die Gefahr im Verzuge im Sinne des § 57 ZPO und damit die Anwendbarkeit dieser Norm dann verneint, wenn der Kläger rechtzeitig auf außerprozessualen Weg die Bestellung eines Vertreters für den Beklagten erwirken könne. Im Ergebnis wird man weder die eine noch die andere Norm als lex spezialis ansehen können. Zwar regelt § 57 ZPO die Vertretungslosigkeit des Vertretungsbedürftigen speziell im Prozeß, andererseits regelt aber § 29 BGB die Vertretungslosigkeit speziell des Vereins. Diese Vorschrift ist dann auch sinngemäß auf die GmbH anwendbar, weil es nur für die Aktiengesellschaft eine Spezialvorschrift in § 85 Aktiengesetz gibt (vgl. RGZ 68, S. 180; 116, S. 118; 138, S. 101; BGHZ 6, S. 232).
Deshalb ist bei dieser Sachlage dem Kläger die Möglichkeit gegeben, beide Wege zu beschreiten mit der Folge, daß lediglich dann, wenn aufgrund des einen Antrags sein Ziel der Vertreterbestellung erreicht hat, die weitere Verfolgung seines anderen Antrags auszuschließen ist. Aus § 57 ZPO ist der allgemeine Gedanke zu entnehmen, daß der Kläger möglichst nicht unter der Vertretungslosigkeit des Vertretungsbedürftigen leiden soll. Deshalb ist eine entsprechende Anwendung des § 57 ZPO auch da geboten, wo erst im Laufe des Prozesses eine Situation eintritt, auf die der Kläger keinen Einfluß hat, die der Gesetzgeber mit der Regelung des § 57 Abs. 1 ZPO ursprünglich im Auge hatte. Sowohl wenn eine Partei, die verklagt werden soll, ohne gesetzlichen Vertreter ist als auch dann, wenn sich die fehlende gesetzliche Vertretung oder die Prozeßunfähigkeit erst im Verlaufe des Prozesses herausstellt, aber auch dann, wenn nach anfänglicher Prozeßfähigkeit wegen nunmehr eingetretener Prozeßunfähigkeit des Beklagten die Prozeßfortsetzungsbedingungen nicht mehr gegeben sind, obwohl die Prozeßvoraussetzungen ursprünglich vorlagen, ist entsprechend dem Rechtsgedanken, daß der Kläger möglichst nicht unter der Vertretungslosigkeit des vertretungsbedürftigen Beklagten leiden soll, eine entsprechende Anwendung des § 57 ZPO auch für diese Fälle geboten. Sollte das Gericht daher die übrigen Voraussetzungen nach § 57 ZPO für gegeben erachten, insbesondere die Gefahr im Verzuge für die Ansprüche des Klägers bejahen, dann kann es die Bestellung eines besonderen Vertreters nicht deshalb ablehnen, weil § 57 ZPO Fälle der vorliegender Art nicht anwendbar wäre oder weil der Kläger auch einen Antrag nach § 29 BGB beim Registergericht stellen könnte.
Auf die Beschwerde war daher der entgegenstehende Beschluß aufzuheben und die Sache gemäß § 575 ZPO an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen, insbesondere weil auch die mögliche Auswahl eines besonderen Vertreters sachnäher vom Prozeßgericht getroffen werden kann.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Der Wert des Beschwerdegegenstandes war gemäß § 3 ZPO mit DM 300,- anzunehmen, weil maßgeblich nicht der wert des Hauptverfahrens, sondern das Interesse des Klägers im Fortgang des Verfahrens zu bewerten ist.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 300,00 DM festgesetzt.