Landgericht Aurich
Urt. v. 05.11.2020, Az.: 12 Ns 520 Js 4642/18 (85/20)

Unerlaubter Besitz von Schusswaffen und Munition

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
05.11.2020
Aktenzeichen
12 Ns 520 Js 4642/18 (85/20)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 72249
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Oldenburg - 12.04.2021 - AZ: 1 Ss 14/21

Tenor:

Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Emden vom 07.11.2019 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Tenor dahin neu gefasst wird, dass der Angeklagte des tateinheitlichen unerlaubten Besitzes von Schusswaffen und Munition schuldig ist.

Angewendete Vorschriften: §§ 2 Abs. 2, 52 Abs. 3 Nr. 2 a) und b) WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 UA 1 Satz 1 zum WaffG, 54 WaffG, 52 StGB, 473 StPO.

Gründe

I.

Die Strafrichterin in Emden hat den Angeklagten am 07.11.2019 wegen unerlaubten Besitzes erlaubnispflichtiger Gegenstände (Schusswaffen und Munition) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20,00 € verurteilt. Ferner hat es die sichergestellten Gegenstände, nämlich eine Signalpistole WALTHER Modell 1934, Kal. 4 Nr. 24540L, eine Repetierbüchse MOSSBERG Modell 341, Kal. 22lr, Nr. 1160794 mit Schalldämpfer und 44 Patronen Munition Kal. 22lr eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung mit dem Ziel, einen Freispruch bzw. allenfalls eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit (Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften) oder wegen fahrlässiger Begehung zu erreichen.

II.

1.

Der zur Tatzeit 67jährige Angeklagte ist verheiratet. Er hat den Beruf eines Maschinenschlossers erlernt. Mit seiner Frau hat er früher das Restaurant K. in E. betrieben. Inzwischen befindet er sich im Ruhestand. Er bezieht eine Altersrente von 225 €. Seine Frau hat eigne Einnahmen. Gemeinsam erzielen sie Gewinne aus Vermietung und Verpachtung, von denen ca. 750 € monatlich auf den Angeklagten entfallen.

Der Angeklagte ist seit vielen Jahren Jäger und unterhält eine Jagdpacht in der L. Heide. Aus diesem Grund verfügt er auch über eine Waffenbesitzkarte, auf die verschiedene Schusswaffen eingetragen sind.

Strafrechtlich ist der Angeklagte bisher nicht in Erscheinung getreten.

2.

Die Hauptverhandlung hat zur Sache zu folgenden weiteren Feststellungen geführt.

Die Ehefrau des Angeklagten räumte als Erbin das Haus ihres Vaters nach dessen Tod gemeinsam mit dem Angeklagten und einigen Helfern. Ein Teil des Nachlasses wurde auf dem Dachboden des gemeinsamen Hauses des Angeklagten und seiner Frau K. in E. gelagert, in dem beide auch wohnen. Anlässlich eines Austausches der Betten im Schlafzimmer, wollte der Angeklagte Platz für die alten Betten, Matratzen und Rahmen, die später weitergegeben werden sollten, auf dem Dachboden schaffen und entdeckte dabei die Repetierbüchse mit Schalldämpfer und Zielfernrohr, dazugehörige Munition (44 Patronen) und die Signalpistole. Er nahm diese Gegenstände mit nach unten und stellte die Büchse neben einen Schrank, verstaute die Signalwaffe in einem Regal und die Munition in einer Schublade im von ihm und seiner Frau multifunktional genutzten Büro- und Hauswirtschaftsraum. In diesem Raum bewahrten beide unter anderem Unterlagen aus der früheren gewerblichen Tätigkeit in der „K.“ auf. Beide Eheleute hatten uneingeschränkten Zugriff auf alle Gegenstände in diesem Raum. Der Angeklagte forderte seine Frau auf, für die amtliche Meldung bzw. Entsorgung der Waffen und Munition zu sorgen. Er selbst habe für diese auch als Jäger keine Verwendung. Ca. 14 Tage später, am 20.02.2018 kam es zu einer Hausdurchsuchung bei dem Angeklagten und seiner Frau aus anderem – im Zusammenhang mit der früheren gewerblichen Tätigkeit stehenden – Grund. Bei dieser fanden die durchsuchenden Beamten die beiden Waffen und die Munition wie oben festgestellt vor und stellten diese sicher. Die Repetierbüchse war bei der Sicherstellung geladen. Es handelt sich jeweils um erlaubnispflichtige Gegenstände, die nicht auf der Waffenbesitzkarte des Angeklagten eingetragen sind, so dass er über keine Erlaubnis zum Umgang mit diesen verfügt, wie er weiß.

III.

Die Feststellungen zu II. beruhen auf den Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die durchweg glaubhaft sind und durch den Akteninhalt soweit er eingeführt wurde, bestätigt wurden. Der Angeklagte hat weiter ausgeführt, die Waffen und Munition nicht gewollt zu haben. Hätte er sie gewollt, hätte er sie problemlos auf seiner Besitzkarte nachtragen lassen können. Sein fehlender Wille zum Besitz manifestiere sich im Unterlassen der Eintragung. Seine eigenen Waffen und Munition habe er im vorhandenen Waffenschrank ordnungsgemäß gelagert. Im Unterschied zeige sich seine Ablehnung der sichergestellten Gegenstände.

Weiter wurde das Gutachten des Landeskriminalamts zur Einordnung der Waffen und der Munition gem. § 256 Abs. 1 Nr. 1a StPO verlesen. Dieses kam nach Untersuchung und Beschussprüfung zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Signalpistole WALTHER Modell 1934, Kaliber 4 um eine funktionsfähige Schusswaffe im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG in Verbindung mit Anlage 1 Abschnitt 1 UA 1 Nr. 1.1. zum WaffG handelt. Bei der Repetierbüchse MOSSBERG, Modell 341, Kaliber .22lr mit einem Zielfernrohr handele es sich ebenfalls um eine funktionsfähige Schusswaffe nach derselben Vorschrift. Unter diese fällt auch der Schalldämpfer, der an der Büchse angebracht war, der bei Verwendung zu einer Reduzierung des Mündungsknalls führte, da er für die Waffe bestimmt war, was sich u.a. durch die Gebrauchsspuren aufgrund der Verwendung mit der Waffe an der Mündung derselben ergibt. Der Schalldämpfer ist gem. § 2 Abs. 2 WaffG i.V.m. § 1 Abs. 3 und Anlage 1 Abschnitt 2 zum WaffG erlaubnispflichtig in Verbindung mit der Repetierbüchse gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 1 Abschn. 1 UA1 Nr. 1.3 und 1.3.4 zum WaffG. Die 44 sichergestellten Patronen Kaliber .22lr wurden ebenfalls untersucht und sind geladen, so dass sie der Anlage 1 Abschnitt 1 UA 3 Nr. 1.1. zum WaffG unterfallen und folglich gem. § 2 Abs. 2 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschn. 2 UA 1 zum WaffG erlaubnispflichtig sind. Die Auffindesituation der beiden Waffen und der Munition ergibt sich aus den in Augenschein genommenen vier Lichtbildern Bl. 16 und 17 der Akte auf die gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Die Gegenstände selbst hat das Gericht ausweislich der Bilddokumentation Bl. 28, 29 (4 Bilder) und Bl. 32 (2 Bilder) in Augenschein genommen. Auch auf diese wird wegen der Einzelheiten gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen. Auf der Waffenbesitzkarte des Angeklagten, die in Ablichtung Bl. 36 ff. bei den Akten lag und verlesen wurde, befinden sich weder die Signalpistole noch die Repetierbüchse mit Schalldämpfer oder eine Waffe, die zum Verschluss von Munition Kal. .22lr geeignet wäre.

IV.

Der Angeklagte hat sich, indem er sowohl über die Signalpistole als auch über die Repetierbüchse mit Schalldämpfer und 44 Schuss Munition für jene, die tatsächliche Gewalt ausübte, wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz gem. § 52 Abs. 3 Nr. 2 a) und b) WaffG strafbar gemacht.

Es kann den Angeklagten nicht entlasten, dass neben ihm auch seine Ehefrau dieselbe tatsächliche Sachherrschaft über die Gegenstände als Miteigentümerin und Mitbewohnerin des gemeinsamen Hauses und Eigentümerin an den Sachen kraft Erbschaft innehatte.

Entgegen der mit der Berufung erneut ausgeführten Rechtsansicht der Verteidigung genügte es nicht, den fehlenden Besitzwillen in der Form zum Ausdruck zu bringen, dass der Angeklagte als Jäger seine Ehefrau aufforderte, die Gegenstände, die er selbst in den frei zugänglichen Wohnbereich verbracht und dort z.T. offen und insgesamt vollständig ungesichert abgelegt hatte, zu entsorgen bzw. bei den zuständigen Behörden zu melden. Diese Pflicht traf ihn in gleichem Maße. Insbesondere aufgrund seiner waffenrechtlichen Kenntnisse als Jäger war ihm bekannt, welche Pflichten denjenigen treffen, der die tatsächliche Gewalt über einen erlaubnispflichtigen Gegenstand im Sinne des Waffengesetzes ausübt. Die sichere Aufbewahrung seiner weiteren Waffen entlastet ihn insoweit nicht, sondern beweist seine Kenntnis.

Besitz im Sinne des Waffengesetzes unterscheidet sich begrifflich von der zivilrechtlichen Definition dahin, dass nach der Legaldefinition Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 2 z. WaffG, eine Waffe oder Munition besitzt, wer die tatsächliche Gewalt darüber ausübt. Tatsächliche Gewalt in diesem Sinne ist „die rein tatsächliche Möglichkeit, über den Gegenstand nach eigenem Willen zu verfügen, unabhängig von rechtlichen Befugnissen“ (Erbs/Kohlhaas, 232. EL, Aug. 20, Pauckstadt-Maihold/Dr. Lutz, WaffG § 1 Rn. 22). Eine gewisse Dauer wird erfordert, die bei mindestens 14 Tagen seit der Kenntnis vom Vorhandensein der Waffen im Fall des Angeklagten zweifelsfrei vorliegt. Nicht erforderlich ist eine innere Zustimmung zur Übernahme der tatsächlichen Gewalt, vielmehr genügt die Kenntnis von der tatsächlichen Sachlage, die beim Angeklagten zweifelsfrei vorlag, da er die Gegenstände selbst vom Dachboden in den Raum, wo die Sicherstellung erfolgte transportierte. Insoweit ist der geforderte Herrschaftswille in Form des generellen Herrschaftswillens über sämtliche im eigenen Herrschaftsbereich befindlichen Gegenstände (vgl. Erbs/Kohlhaas a.a.O.) auch beim Angeklagten vorhanden.

„Der waffenrechtliche Besitzbegriff ist stets unter dem Gesichtspunkt zu ermitteln, inwieweit aus der Beziehung einer Person zu einer Waffe ein Gefährdungspotential für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abgeleitet werden kann. (…) Unerheblich ist, ob es sich um Fremd- oder Eigenbesitz handelt“ (Gade, 2. Aufl., WaffG § 61 Rn. 172). Durch den waffenrechtlichen Besitzbegriff erfasst sind entgegen zivilrechtlichem Besitzverständnis daher ausdrücklich auch solche Fälle, „in denen die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Waffe zwar mit Wissen, aber ohne bzw. gegen den Willen des Erwerbenden begründet wird (Waffe wird ohne den Willen des Wohnungsinhabers in seiner Wohnung zurückgelassen; frei zugängliche Aufbewahrung einer Waffe gegen den Willen des Ehepartners)“ (Gade, das.).

Daraus folgt, dass da dem Angeklagten bewusst war, dass und wo genau sich die Gegenstände in seinem Wohnhaus, dass er mit seiner Ehefrau gemeinsam bewohnte, ungesichert befanden, er bewusst die tatsächliche Sachherrschaft über diese hatte. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit entschieden, dass derjenige die tatsächliche Gewalt über eine Waffe ausübt, der sie in einer Schreibtischschublade in seiner Wohnung aufbewahrt (BVerfG, 06.07.94, NJW 1995, 248 [BVerfG 06.07.1994 - 2 BvR 855/94]).

Die Aufgabe des auf die Sachherrschaft gerichteten Herrschaftswillens ist zwar möglich, mit der Folge des Entfallens der tatsächlichen Sachherrschaft. Dies erfordert jedoch regelmäßig ein darauf gerichtetes äußerlich erkennbares Verhalten und einen konkreten Aufgabewillen (MüKo StGB, 3. Aufl. 2018, Heinrich, WaffG § 1 Rn. 165 m.w.N.). Dies wäre aber hier nur der Fall gewesen, wenn der Angeklagte sich selbst an die Waffenbehörde gewandt oder die Sachen bei der nächsten Polizeidienststelle abgegeben hätte. Allein die Aufforderung, seine Frau möge dies tun, genügt nicht zur äußerlichen Manifestation der Aufgabe des Sachherrschaftswillens, nachdem er selbst die Waffen und die Munition von ihrem bisherigen Aufbewahrungsort auf dem Dachboden wissentlich und willentlich entfernt hatte und dort ablegte, wo er selbst jederzeit Zugriff auf sie nehmen konnte, da es sich um einen für ihn und seine Frau jederzeit zugänglichen Raum handelte.

Alle Tatbestandsmerkmale verwirklichte der Angeklagte folglich wissentlich und damit vorsätzlich, auch wenn er innerlich mit den Waffen und der Munition nichts zu tun haben wollte. Er entledigte sich ihrer auch nicht, so dass sein fehlender Wille nicht zutage trat.

V.

Im Strafrahmen des § 52 Abs. 3 WaffG der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht war die Verhängung einer Geldstrafe geboten. Für den Angeklagten spricht, dass er nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und den äußern Sachverhalt unumwunden eingeräumt hat, zu seinen Lasten musste sich auswirken, dass es sich um 2 Waffen und 44 Patronen handelt und die eine Waffe zudem mit einem Schalldämpfer ausgerüstet war. Ferner war zu berücksichtigen, dass, obwohl er über einen Waffenschrank zur sicheren Aufbewahrung verfügte, er die Sachen offen lagerte und somit eine Gefahr unsachgemäßer Nutzung durch Unbefugte bei zufälliger Entdeckung drohte. Insbesondere von der offen abgestellten geladenen Repetierbüchse ging eine erhebliche Gefahr aus. Zwar ist nicht festgestellt, ob sich der Angeklagte darüber im Klaren war, dass sich eine Patrone in der Waffe befand, er hätte jedoch als Waffenkundiger sicherstellen müssen, dass dies nicht der Fall ist. Unter Abwägung dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte und auch unter Berücksichtigung der Tatsache, welche Folgen eine Verurteilung für die weitere Jagdberechtigung des Angeklagten haben kann, hält die Kammer die durch das Amtsgericht verhängte Geldstrafe von 40 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.

Die Tagessatzhöhe wäre aufgrund des Nettoeinkommens von insgesamt 975,00 € monatlich an sich mit 32,00 € zu bemessen. An dieser Festsetzung ist die Kammer jedoch aufgrund des Verschlechterungsverbots gemäß § 331 Abs. 1 StPO gehindert, so dass es bei der amtsgerichtlich festgesetzten Tagessatzhöhe von 20,00 € bleibt.

Die aufgefundenen Gegenstände sind gefährlich und daher gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 WaffG i.V.m. §§ 74 Abs. 1 bis 3, 74a Nr. 1, 74 f StGB einzuziehen. Da es sich nicht um Eigentum des Angeklagten handelt, war die Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Ermessensausübung besonders zu prüfen. Der Wert der Sachen macht die Einziehung nicht unverhältnismäßig und das Eigentum der Ehefrau steht nicht entgegen, da auch diese die Gelegenheit den Besitz zu legalisieren bis heute nach über zweieinhalb Jahren nicht genutzt hat. Der Angeklagte will die Waffen nicht zurück, was er durch seine Einlassung zum Ausdruck brachte. Daher hat die Kammer in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung der Angaben des Angeklagten auch von einer Anordnung nach § 74f Abs. 1 Satz 3 StGB in Verbindung mit § 54 Abs. 4 WaffG abgesehen.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO, da aufgrund der Berufung lediglich eine Klarstellung des Tenors erfolgt ist.