Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 12.04.2021, Az.: 1 Ss 14/21

Unerlaubter Besitz von Waffen und Munition; Kein rechtsgeschäftlicher Erwerb für den Besitz einer Waffe erforderlich; Nebeneinanderbestehen von Verletzung der Anzeigenpflicht bei Waffenfund und unerlaubtem Besitz; Anzeigefrist für Fund von Waffen und Munition

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
12.04.2021
Aktenzeichen
1 Ss 14/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 41732
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 05.11.2020 - AZ: 12 Ns 520 Js 4642/18 (85/20)

Amtlicher Leitsatz

Der Mitbesitz eines Jägers an den durch seine Ehefrau ererbten, erlaubnispflichten Waffen stellt sich auch während des Laufs der der Ehefrau als Erbin eröffneten Frist zur Beantragung einer Eintragung in eine Waffenbesitzkarte als unerlaubt dar. Weder erweist sich der Besitz einer bei Eintragung durch die Ehefrau mit Rücksicht auf den Erbfall gem. § 20 Abs.3 Satz 2 WaffG blockierpflichtigen Waffe aufgrund der Erlaubnis zum Erwerb von Jagdwaffen gem. § 13 WaffG als zulässig, noch entfaltet die dem Erben gem. § 20 Abs.1 WaffG eröffnete Monatsfrist zur Beantragung der Eintragung Wirkung gegenüber dem mitbesitzenden Ehepartner.

Redaktioneller Leitsatz

1. Wer auf dem Dachboden des Hauses Waffen und Munition findet und diese dann im Hauswirtschaftsraum deponiert, hat aufgrund der jederzeitigen Einwirkungsmöglichkeit Besitz daran. Der Besitz setzt keinen rechtsgeschäftlichen Erwerb voraus.

2. Die Frist zur Anzeige eines Waffenfunds beträgt maximal zwei Wochen, auch wenn das Gesetz selbst keine Frist vorsieht.

3. Die fehlende Anzeige als Ordnungswidrigkeit und der unerlaubte Waffenbesitz als Straftat sperren sich wechselseitig nicht.

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 5. November 2020 wird auf seine Kosten mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen vorsätzlichen tateinheitlichen unerlaubten Besitzes von Schusswaffen und Munition verurteilt ist.

Gründe

Das Amtsgericht Emden hatte den Angeklagten am 7. November 2019 wegen "unerlaubten Besitzes erlaubnispflichtiger Gegenstände (Schusswaffen und Munition)" gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 lit. a und b WaffG zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt und die Einziehung einer Signalpistole, einer Repetierbüchse, eines Schalldämpfers und von 44 Patronen angeordnet. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Aurich - 1. kleine Strafkammer - mit Urteil vom 5. November 2020 mit der Maßgabe verworfen, dass der Tenor dahingehend neu gefasst wurde, dass der Angeklagte des tateinheitlichen unerlaubten Besitzes von Schusswaffen und Munition schuldig ist.

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Er erstrebt mit der Sachrüge die Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1.

Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte seit vielen Jahren Jäger und verfügt über eine Waffenbesitzkarte, auf der verschiedene Schusswaffen eingetragen sind. Nachdem sein Schwiegervater verstarb, räumte er zusammen mit seiner Ehefrau, die ihren Vater beerbte, und einigen Helfern dessen Haus und schaffte einen Teil des Nachlasses auf den Dachboden des gemeinsam mit seiner Ehefrau bewohnten Hauses in (...). Als der Angeklagte später auf dem Dachboden Platz schaffen wollte, entdeckte er im dort lagernden Nachlass seines Schwiegervaters eine Repetierbüchse Kal.22 mit Schalldämpfer und Zielfernrohr, dazugehörige Munition (44 Patronen) und eine Signalpistole Kal.4. Diese Gegenstände brachte er ins Erdgeschoss, wo er sie in einem gemeinsam mit seiner Ehefrau genutzten Büro- und Hauswirtschaftsraum verstaute, zu dem beide Eheleute ungehinderten Zutritt hatten. Die Büchse stellte er neben einen Schrank, die Signalpistole legte er in ein Regal und die Munition verstaute er in einer Schublade. Der Angeklagte forderte seine Ehefrau auf, sich um die behördliche Meldung bzw. Entsorgung der Waffen nebst Munition zu kümmern, da er als Jäger hierfür keine Verwendung habe. Dem Angeklagten war bewusst, dass er über keine Erlaubnis zum Umgang mit den Gegenständen verfügte.

Am TT. MM 2018 - ca. 14 Tage später - kam es im Haus des Angeklagten und seiner Ehefrau zu einer Hausdurchsuchung durch die Steuerfahndung. Hierbei fanden die Beamten die beiden Waffen und die Munition und stellten sie sicher. Die Repetierbüchse war bei der Sicherstellung geladen.

2.

Die maßgeblich auf die Einlassung des Angeklagten gestützte Beweiswürdigung weist keinen Rechtsfehler auf.

Die getroffenen Feststellungen tragen auch die tateinheitliche (§ 52 StGB) Verurteilung wegen Besitzes einer Schusswaffe und Munition nach §§ 52 Abs. 3 Nr. 2 lit. a und b WaffG in der zum Tatzeitpunkt gültigen - soweit vorliegend von Bedeutung ebenso wie die in Bezug genommenen Vorschriften und Anlagen nach wie vor unveränderten - Fassung vom 30. Juni 2017.

Nach diesen Vorschriften macht sich strafbar, wer ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 eine Schusswaffe oder Munition besitzt.

Nach der Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1, der insoweit auf Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1-4.3 verweist, sind Schusswaffen Gegenstände, die zum Angriff oder zur Verteidigung, zur Signalgebung, zur Jagd, zur Distanzinjektion, zur Markierung, zum Sport oder zum Spiel bestimmt sind und bei denen Geschosse durch einen Lauf getrieben werden, was sowohl auf die Repetierbüchse als auch die Signalpistole zutrifft. Bestimmte Signalpistolen sind allerdings nach Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 Nr. 1.3 erlaubnisfrei. Diese müssen jedoch der Bauart nach § 8 des Beschussgesetzes entsprechen, also ein Patronen- oder Kartuschenlager von nicht mehr als 12,5 Millimetern aufweisen. Signalpistolen des Kalibers 4 mit 26,77 Millimetern sind davon nicht erfasst.

Schalldämpfer (gem. der Definition Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3.3 Vorrichtungen, die zur wesentlichen Reduzierung des Mündungsknalls dienen und für Schusswaffen bestimmt sind) stehen den Schusswaffen, für die sie bestimmt sind, nach der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 gleich. Der Besitz der für die Repetierbüchse bestimmten Munition - nach der Definition gem. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1, 1.3 zum Verschießen aus Schusswaffen bestimmte Patronenmunition, also Hülsen mit Ladungen, die ein Geschoss enthalten - ist nach Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 mangels Vorliegens einer Ausnahme gem. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 ebenfalls erlaubnispflichtig.

Entgegen seiner Ansicht hat der Angeklagte die genannten Gegenstände in Besitz gehabt.

Eine Waffe besitzt, wer die tatsächliche Gewalt darüber ausübt (Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl., § 1 WaffG Rn. 42). Der Besitz kann durch mehrere Personen gleichzeitig ausgeübt werden (BayObLG, Beschluss vom 9. Februar 1996 - 4 St RR 14/96, juris). Er schließt zwar grundsätzlich an einen Erwerb an, zwingende Voraussetzung ist die Feststellung eines Erwerbstatbestandes - auch im nachfolgend noch näher dargelegten waffenrechtlichen Sinne - aber nicht, da dem Besitz, der in § 52 WaffG selbständig unter Strafe gestellt ist, eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. Steindorf a.a.O. Rn. 42). Eines rechtsgeschäftlichen Erwerbstatbestandes bedarf es entgegen der Auffassung der Revision schon deshalb nicht, weil ein Erwerb im waffenrechtlichen Sinne auch unfreiwillig erfolgen kann, so etwa durch Fund oder Erbschaft. Mit einem Erwerb in diesem Sinne tritt eo ipso ein Besitz an der Waffe ein (vgl. Steindorf a.a.O. Rn. 42). Schon daraus ergibt sich, dass ein mangelnder Wille, den Besitz auszuüben, den Eintritt der waffenrechtlichen Pflichten und die damit einhergehende Strafbewehrung nicht hindern kann.

Vorliegend hatte der Angeklagte die Waffen in Mitbesitz. Eine hinreichende Einwirkungsmöglichkeit wurde ersichtlich bereits durch den Fund auf dem Dachboden begründet (vgl. Gade/Gade, 2. Aufl., WaffG, Anl. 1 Rn. 169). Der Angeklagte selbst hat die Waffen im Anschluss in den gemeinsam mit seiner Frau genutzten Büro- und Hauswirtschaftsraum im Erdgeschoss des Wohnhauses verbracht, wo sie frei zugänglich aufbewahrt wurden und der Angeklagte ungehindert auf diese zugreifen, also die tatsächliche Gewalt darüber ausüben konnte.

Der Umstand, dass der Angeklagte als Jäger Waffen zur Jagdausübung gemäß § 13 WaffG frei erwerben darf, führt vorliegend nicht dazu, dass der Besitz erlaubnisfrei gewesen wäre. Zwar ist auch der sich an einen derartigen Erwerbsvorgang anschließende Besitz nicht erlaubnispflichtig, die dem Jäger eröffnete Befugnis betrifft jedoch nur zur Jagdausübung geeignete Waffen. Diese Voraussetzung war bei den vorliegend in Besitz genommenen Waffen nicht gegeben. Abgesehen davon, dass der Angeklagte unstreitig nicht beabsichtigte, die Waffen zur Jagdausübung einzusetzen, hätten die Waffen mangels eines über die durch Erbschaft begründete Stellung hinausgehenden Bedürfnisses seiner Ehefrau für einen waffenrechtlichen Besitz - nach Eintragung in eine Waffenbesitzkarte seiner Ehefrau - gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG nur nach Anbringung einer Blockiervorrichtung im gemeinsamen Besitz verbleiben dürfen. Dies wiederrum hat zur Folge, dass sie sich zur Jagdausübung als ungeeignet erweisen und deshalb weder in eine Waffenbesitzkarte des Angeklagten noch in eine gemeinsame Waffenbesitzkarte eintragungsfähig sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2016 -6 C 36/14, juris).

Die Signalpistole war ohnedies von vorneherein nicht zur Jagdausübung geeignet.

Der Besitz war auch nicht etwa deshalb berechtigt, weil die der Ehefrau als Erbin zur Beantragung einer Eintragung in die Waffenbesitzkarte zur Verfügung stehende Frist möglicherweise noch nicht verstrichen war.

Grundsätzlich ist der Besitz der bezeichneten Waffen erlaubnispflichtig. Dem Erben ist lediglich mit Rücksicht auf die Besonderheiten seiner Situation das Privileg eingeräumt worden, binnen einer bestimmten Frist eine Eintragung der Waffen in eine Waffenbesitzkarte zu erlangen, und zwar nicht etwa uneingeschränkt, sondern grundsätzlich nur, nachdem die Waffen mit einer Blockade versehen worden sind. Das Erbenprivileg des § 20 WaffG entfaltet nur in den darin umschriebenen Fällen Geltung und ist einer erweiternden Auslegung in Anbetracht des Zwecks der Vorschriften des Waffengesetzes, die Allgemeinheit vor den Gefahren unerlaubten Waffenbesitzes zu schützen, nicht zugänglich. Dies wird bereits an der Entstehungsgeschichte der Vorschrift deutlich. Denn ursprünglich sollte einzig der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger in den Genuss dieser Privilegierung gelangen, erst im Gesetzgebungsverfahren wurden Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte einbezogen (vgl. Steindorf a.a.O. § 20 Rn. 1 m.w.N.).

Es besteht auch kein Anlass, den unerlaubten (Mit-)Besitz des Angeklagten, der persönlich jedenfalls mit Rücksicht auf die Erbenstellung seiner Ehefrau keine Eintragung in eine Waffenbesitzkarte beantragen und ebenso wenig die Eintragung einer Mitberechtigung in seine als Jäger geführten Waffenbesitzkarte erreichen könnte, dadurch temporär zu legalisieren, dass eine Ausstrahlungswirkung der dem Erben eröffneten Antragsfrist zu seinen Gunsten zugrunde gelegt wird. Denn die Erbin hätte dem Angeklagten den ungehinderten Zugriff auf die Waffen von vorneherein nicht eröffnen dürfen. Der durch den Verstoß gegen die ihr obliegenden waffenrechtlichen Pflichten geschaffene Zustand ist nicht geeignet, eine Schutzwirkung zugunsten des Angeklagten zu entfalten.

Allerdings räumt § 37 Abs. 1 WaffG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung (jetzt § 37c WaffG), wonach derjenige, der Waffen als Finder in Besitz nimmt, der zuständigen Behörde dies unverzüglich anzuzeigen hat, eine gewisse, nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessende Frist ein, vor deren Ablauf der Erwerb sowie der sich anschließende Besitz an der Waffe/Munition rechtmäßig sind (Gade a.a.O. § 37 Rn. 15a ff.). Die Frist bestimmt sich nach der konkreten Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Anzeige und der Intensität des Gemeinwohlinteresses an einer möglichst zeitnahen Anzeige, insbesondere bei einer tendenziell großen Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Selbst in Ausnahmefällen wird diese kaum länger als mit 14 Tagen bemessen werden können (Gade a.a.O: § 37 Rn. 15b). Hier war sie, da kein Ausnahmefall vorlag, zum Zeitpunkt der Durchsuchung am 20. Februar 2018 - ca. zwei Wochen nach Besitzerlangung - jedenfalls abgelaufen. Es ist kein Grund ersichtlich, der den Angeklagten an einer sofortigen Anzeige des Waffenfundes bei der zuständigen Behörde gehindert hätte, auf seine Ehefrau konnte er seine Anzeigepflicht nicht delegieren.

Auch stellt die Bußgeldvorschrift des § 53 Abs. 1 Nr. 5 WaffG in ihrer bis zum 31. August 2020 gültigen Fassung (entspricht § 53 Abs. 1 Nr. 8 WaffG n.F.) keine speziellere Norm dar, die die Strafbarkeit nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 lit. a und b WaffG sperrt. Eine solche Privilegierung des Besitzers, der die Anzeigefrist versäumt hat, ist sachlich nicht zu rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2020 - 1 StR 242/19, juris Rn. 13). Denn beide Normen verfolgen unterschiedliche Schutzzwecke: Während die Bußgeldvorschrift des § 53 Abs. 1 Nr. 5 WaffG a.F. die Verletzung der Anzeigepflicht sanktioniert, die dazu dient, dass die zuständige Behörde einen Überblick über die sich im Umgang befindlichen Waffen bzw. Munition erhält, wird durch § 52 Abs. 3 Nr. 2 lit. a und b WaffG der unerlaubte Waffenbesitz bestraft. Damit soll sichergestellt werden, dass sich Erlaubnispflichtige Waffen und Munition nur im Besitz von Personen befinden, die die entsprechenden waffenrechtlichen Voraussetzungen erfüllen (vlg. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 OLG 2 Ss 25/17, juris Rn. 20; vgl. auch: MüKoStGB/Heinrich, 3. Aufl., WaffG § 53 Rn. 46; Gade a.a.O. § 37 Rn. 22).

Letztlich ist auch der Rechtsfolgenausspruch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Zu ergänzen war lediglich der Tenor des angefochtenen Urteils. Da bei allen Taten, die vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden können, im Tenor die Schulform angegeben werden muss, wenn sie sich nicht bereits aus der gesetzlichen Überschrift ergibt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 260 Rn. 24), war der vom Berufungsgericht abgeänderte Schuldspruch um die festgestellte vorsätzliche Begehung zu ergänzen (vgl. auch MüKoStGB/Heinrich a.a.O. Rn. 173).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.