Landgericht Stade
Urt. v. 10.12.2002, Az.: 3 O 11/02

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
10.12.2002
Aktenzeichen
3 O 11/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 35213
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGSTADE:2002:1210.3O11.02.0A

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Streitverkündeten.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Kläger kann die Vollstreckung seitens des Beklagten und des Streitverkündeten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte und der Streitverkündete jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

  4. 4.

    Der Streitwert wird auf 200.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger war bis 1984 Realschullehrer und züchtete anschließend als selbstständiger Landwirt Galloway-Rinder.

2

Er nimmt den beklagten Landkreis vorliegend auf Schadensersatz in Anspruch, weil der Beklagte mit Verfügungen vom 05. Februar 1997 bzw. 11. April 1997 und vom 20. Mai 1997 unter Bezugnahme zunächst auf die am 27. Januar 1997 ergangene sog. erste BSE-Schutzverordnung und anschließend gestützt auf die zweite BSE-Schutzverordnung vom 21. März 1997 die Tötung von insgesamt 16 Rindern des Klägers angeordnet hatte.

3

Gegen die Verfügung vom 05. Februar 1997 hatte der Beklagte Widerspruch eingelegt.

4

Am 10. Februar 1997 erließ das OVG Lüneburg einen Beschluss, mit dem die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs eines Tierhalters gegen eine Tötungsverfügung des Landkreises Gifhorn angeordnet wurde; gleichzeitig äußerte das OVG Lüneburg in diesem Beschluss schwerwiegende Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit der sog. ersten BSE-Schutzverordnung.

5

Noch am selben Tag erließ das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den Erlass vom 10. Februar 1997, in dem es u. a. hieß:

6

"Im Hinblick auf diese Entscheidung wird zur Zeit auf den Vollzug der Tötungsanordnungen in allen Fällen verzichtet, in denen von Tierhaltern Rechtsbehelfe in Anspruch genommen worden sind oder noch werden. In allen Fällen, in denen die Tierhalter auf Rechtsbehelf gegen die Tötungsanordnung verzichten, ist die Tötung der Rinder entsprechend meinen Vorgaben gemäß Runderlass vom 04. Februar 1994 vorzunehmen".

7

Mit Schreiben vom 13. Februar 1997 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er im Anschluss an den Beschluss des OVG Lüneburg vom 10. Februar 1997 von der Bestimmung eines Tötungstermins für die Rinder absehe.

8

Am 21. März 1997 wurde die zweite BSE-Schutz-VO vom 21. März 1997 erlassen, deren § 1 lautete:

9

"Wer ein Rind hält, das aus dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland oder aus der Schweiz stammt oder von einem solchen Tier unmittelbar abstammt, hat dies der zuständigen Behörde unter Angabe des Standortes des Tieres unverzüglich anzuzeigen. Eine Anzeige nach Satz 1 ist entbehrlich, soweit ein Rind unter behördlicher Beobachtung steht".

10

In § 2 war geregelt:

11

"Die zuständige Behörde ordnet die Tötung von Rindern, die aus den in § 1 Satz 1 genannten Staaten stammen, an".

12

Mit Schreiben vom 08. April 1997 teilte der Beklagte dem Kläger u. a. mit:

13

"Anlässlich einer Ortsbesichtigung am 11. März 1997 wurde festgestellt, dass Sie in Ihrem Bestand 3 weitere Rinder unbekannter Herkunft halten ...

14

§ 2 der zweiten BSE-Schutzverordnung vom 21. März 1997 bestimmt, dass die zuständige Behörde die Tötung von Rindern anordnet, die aus dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland oder aus der Schweiz stammen. Das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium hat die Veterinärbehörden angewiesen, auch die Tötung von Rindern anzuordnen, deren Herkunft ungewiss ist. Auf Grund dieser Sachlage sieht sich der Landkreis Cuxhaven gehalten, auch für die 3 genannten Tiere eine Tötung anzuordnen. Bevor ein derartiger Bescheid zugestellt wird, möchte ich Sie gemäß § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz anhören. Sie haben die Möglichkeit, eine Stellungnahme..............abzugeben.

15

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass beabsichtigt ist, Ihren Widerspruch vom 10. Februar 1997 an die Bezirksregierung Lüneburg abzugeben".

16

Am 09. April 1997 kam es daraufhin zu einem Telefongespräch zwischen dem Kläger und dem zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten, dessen genauer Inhalt zwischen den Parteien streitig ist.

17

Daraufhin erließ der Beklagte den Bescheid vom 11. April 1997, in dem es u. a. heißt:

18

"Sehr geehrter ... , das Schreiben vom 08.04.1997 war Grundlage unseres Telefonates vom 09. April 1997. Sie führten aus, dass Sie keine Einwände gegen die Anordnung der Tötung von VK-Rindern erheben wollen. Zur Rechtsklarheit ordne ich folgendes förmlich an: Die Tötung folgender Rinder, die aus dem Vereinigten Königreich Großbritannien stammen, wird hiermit angeordnet: ........". Die ersten 5 der anschließend aufgezählten Rinder betrafen dabei die bereits von der Verfügung vom 05. Februar 1997 betroffenen. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung (Widerspruch) sowie folgende Anmerkungen:

19

"Im Telefonat vom 09.04.1997 kündigten Sie an, keinen Widerspruch gegen die Tötungsanordnung einlegen zu wollen. Als Anlage habe ich einen Vordruck für den Rechtsbehelfsverzicht beigefügt. Ich möchte Sie bitten, diesen ausgefüllt an den Landkreis zurückzusenden".

20

Unter dem 21. April 1997 sandte der Beklagte den beigesandten Vordruck für den Rechtsmittelverzicht ausgefüllt und unterschrieben zurück, wobei er handschriftlich hinzusetzte: "Dabei gehe ich von den Entschädigungssätzen aus, wie wir sie bei der Betriebsbesichtigung am 11.03.1997 besprochen haben".

21

Mit Verfügung vom 20. Mai 1997 ordnete die Beklagte die Tötung weiterer 8 Rinder des Klägers an, ebenfalls verbunden mit einer Rechtsbehelfsbelehrung. Bereits unter dem 18. Mai 1997 hatte der Beklagte an den zuständigen Mitarbeiter des Beklagten u. a. folgendes mitgeteilt:

22

Sehr geehrter Herr ... , von den Rindern des .... sind folgende Tiere an meinem Bestand geblieben, um sie am Mittwoch zusammen mit meinen 8 "VK-Rindern" zu entsorgen....... Bitte teilen Sie mir so schnell wie möglich mit, wann die Tiere abgeholt werden, damit ich sie einfange".

23

Unter dem 21. Mai 1997 teilte der Kläger auf dem mit Verfügung vom 20. Mai 1997 mit übersandten Vordruck mit: "Hiermit erkläre ich, dass ich gegen die Tötungsanordnung vom 20. Mai 1997 keinen Widerspruch einlegen werde".

24

Für die getöteten Tiere erhielt der Kläger im Mai/Juni 1997 von der Niedersächsischen Tierseuchenkasse die bedingungsgemäß festgelegten Entschädigungen in Höhe von insgesamt 25.555,00 DM.

25

Mit seiner Entscheidung vom 15. Februar 2001 erklärte das Bundesverwaltungsgericht die zweite BSE-Schutzverordnung für nichtig.

26

Der Kläger ist deshalb der Ansicht, die beiden Tötungsverfügungen des Beklagten vom 11. April 1997 und 20. Mai 1997 stellten rechtswidrige und schuldhafte Amtspflichtverletzungen dar, weil der Beklagte eine nichtige Norm vollzogen habe. Die zuständigen Mitarbeiter des Beklagten hätten bei pflichtgemäß sorgfältiger Prüfung die Mängel der zweiten BSE-Schutzverordnung erkennen müssen und hätten diese Vorschrift dementsprechend nicht umsetzen dürfen. So habe bereits das Verwaltungsgericht Cottbus mit Beschluss vom 15. April 1997 die Verfassungs- und Rechtmäßigkeit der zweiten BSE-Schutzverordnung in Frage gestellt.

27

Bei dieser Sachlage seien auch die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt eines enteignungsgleichen Eingriffs erfüllt.

28

Ein Mitverschulden im Hinblick auf seine Erklärungen, keinen Widerspruch gegen die Tötungsanordnung vom 11. April bzw. 20. Mai 1997 einlegen zu wollen, sei nicht gegeben. Diese Erklärungen seien letztlich nicht freiwillig erfolgt. Einmal habe er auf die Rechtmäßigkeit der zu Grunde liegenden Verordnung vertraut. Zum anderen seien ihm empfindliche Übel für den Fall der Nichtverfolgung der Tötungsanordnung in Aussicht gestellt worden, so im Schreiben der Beklagten vom 05. Februar 1997, in dem ein Bußgeld bis zu 50.000,00 DM angekündigt worden und darauf hingewiesen worden sei, dass bei schuldhafter Nichtbefolgung der Anordnung Ansprüche auf Entschädigungen entfallen würden. Mit vorprozessualem Schreiben seines Bevollmächtigten vom 21. August 2001 habe er auch vorsorglich seine Erklärungen betreffend einen Widerspruchsverzicht widerrufen bzw. gemäß §§ 119, 123 BGB angefochten.

29

Der Kläger behauptet, die beiden Tötungsaktionen des Beklagten hätten zur Existenzvernichtung seines landwirtschaftlichen Betriebes geführt. Den ihm hierdurch entstandenen unmittelbaren und mittelbaren Schaden beziffert er auf insgesamt 583.194,17 €, von denen er vorliegend 200.000,00 € geltend macht.

30

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 200.000,00 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungsgesetzes seit dem 26. Juli 2001 zu zahlen.

31

Der Beklagte, der sowohl der Bundesrepublik Deutschland als auch dem Land Niedersachsen den Streit verkündet hat, beantragt,

die Klage abzuweisen.

32

Das Land Niedersachsen ist auf Seiten des Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten.

33

Der Streitverkündete beantragt ebenfalls,

34

die Klage abzuweisen.

35

Der Beklagte bestreitet seine Passivlegitimation. Die beiden BSE-Schutzverordnungen stellten sogenannte Maßnahmen- und Einzelfallgesetze dar mit der Folge, dass insoweit nicht die anwendende Behörde, sondern der Normgeber, die Bundesrepublik Deutschland, hafte.

36

Zumindest hafte aber das Land Niedersachsen, da er - der beklagte Landkreis - zwar bei Umsetzung der BSE-Schutzverordnungen im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises tätig geworden, dies jedoch nach Maßgabe des Erlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 10. März 1997 vorliegend unter zentraler Leitung der Bezirksregierungen geschehen sei. Abgesehen davon habe er - der Beklagte - die Bezirksregierung auch mit Schreiben vom 11. Februar 1997 um Weisung gebeten, die die Bezirksregierung dahingehend erteilt habe, dass vorerst eine Tötung nur solcher Rinder in Frage komme, für die der Tierhalter schriftlich erkläre, dass er keine Rechtsbehelfe gegen die Tötungsanordnung geltend machen werde. Durch diese Weisung werde die Passivlegitimation damit jedenfalls auf das Land Niedersachsen verlagert.

37

Abgesehen davon habe er - der Beklagte - auch keine rechtswidrige, schuldhafte Amtspflichtverletzung begangen. Mängel bzw. sogar die Unwirksamkeit der zweiten BSE-Schutzverordnung hätten von seinen Beamten auch bei sorgfältiger Prüfung nicht festgestellt werden können. Seinerzeit habe noch nicht einmal auf der Ebene der Oberverwaltungsgerichte die Auffassung bestanden, dass auch die Zweite BSE-Schutzverordnung nichtig sei. Auf den Beschluss des OVG Lüneburg vom 02. Mai 1997 könne sich der Kläger dabei nicht berufen, da das OVG die Anwendung der Zweiten BSE-Schutzverordnung deshalb in Frage gestellt habe, weil es davon ausgegangen sei, dass BSE keine Tierseuche sei.

38

Es komme hinzu, dass vorliegend sein - des Beklagten - Verhalten auch bereits deshalb nicht rechtswidrig gewesen sei, weil der Kläger den Tötungsanordnungen zugestimmt habe. Dabei habe der Kläger genügend Zeit und Gelegenheit gehabt, sich über die Konsequenz dieser Entscheidung klar zu werden. Der Kläger sei insoweit weder getäuscht, noch sei Druck auf ihn ausgeübt worden.

39

Andere Anspruchsgrundlagen aus enteignetem bzw. enteignungsgleichem Eingriff seien nicht ersichtlich, da sie durch die spezialgesetzlichen Entschädigungsregelungen im Tierseuchengesetz bzw. in § 80 NGefAG verdrängt würden.

40

Schließlich seien etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers auch verjährt, da die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB bzw. des § 83 NGefAG zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufen gewesen sei.

41

Vorsorglich bestreitet der Beklagte auch die Höhe des geltend gemachten Schadens.

42

Das dem Streit beigetretene Land Niedersachsen schließt sich dem Vorbringen des Beklagten an mit Ausnahme der vom Beklagten geäußerten Ansicht zur Passivlegitimation. Insoweit trägt der Beigetretene vor, dass das Landwirtschaftsministerium Niedersachsen in dem Erlass vom 10. Februar 1997 ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die Durchführung der BSE-Verordnung eine Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises sei.

43

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

44

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

45

Der Kläger kann den Beklagten im Hinblick auf dessen Verfügungen vom 11. April 1997 und 20. Mai 1997 nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.

46

Zwar ist der Beklagte hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche passiv legitimiert.

47

Eine Amtspflichtverletzung auf Seiten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, welches beide BSE-Schutzverordnungen erlassen hat, bzw. der Bundesrepublik Deutschland ist nicht gegeben. Die zweite BSE-Schutzverordnung stellte (wie auch die erste Verordnung) weder ein Einzelfall-, noch ein Maßnahmegesetz dar. Kann von einem Einzelfallgesetz bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Gesetzgeber zweifellos nicht von einer lediglich einmaligen Anwendung der VO ausging, so liegen die Voraussetzungen für ein Maßnahmegesetz nicht vor, weil die Verordnung, obwohl nach Anlass und Inhalt zweck- und situationsgebunden, keinen sachlich und persönlich eng beschränkten Bereich regelte: theoretisch waren von ihr alle Rinderhalter sowie alle Galloway-Züchter betroffen.

48

Auch eine Verlagerung der Passivlegitimation auf den Beigetretenen lässt sich nicht feststellen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beklagte mit der Umsetzung der BSE-Schutzverordnungen Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises wahrgenommen hat, ohne insoweit an konkrete Weisungen des Beigetretenen bzw. der Bezirksregierung Lüneburg gebunden zu sein. Dies ergibt sich letztlich aus der Antwort der Bezirksregierung Lüneburg vom 13. Februar 1997 auf die mit Schreiben vom 11. Februar 1997 seitens des Beklagten gegenüber der Bezirksregierung geäußerte Bitte um Weisung. Wenn die Bezirksregierung diesbezüglich ausführt, ".....dass vorerst nur eine Tötung solcher Rinder in Frage kommt, für die der Tierhalter schriftlich erklärt hat, dass er keine Rechtsbehelfe gegen die Tötungsanordnung geltend macht", so folgt hieraus, dass die eigentliche Entscheidung beim Beklagten bleibt ("in Betracht kommt").

49

Eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten im Zusammenhang mit dem Erlass der Tötungsverfügungen vom 11. April 1997 und 20 Mai 1997 ist jedoch nicht gegeben.

50

Dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die Erklärungen des Klägers vom 21. April 1997 bzw. 21. Mai 1997, gegen die Tötungsanordnung vom 11. April 1997 bzw. vom 20. Mai 1997 keinen Widerspruch einlegen zu wollen, überhaupt von einer rechtswidrigen Amtspflichtverletzung i. S. d. § 839 BGB auszugehen ist. Offen bleiben kann nach Ansicht der Kammer weiter, ob den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten - falls man die Voraussetzungen einer rechtswidrigen Amtspflichtverletzung bejaht - ein Verschulden insoweit anlasten kann, als sie im Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen Tötungsverfügung nicht erkannt hatten, dass auch die zweite BSE-Schutzverordnung vom 21. März 1997 nichtig war. Zu Recht weist der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass seinerzeit seitens der Obergerichte die Wirksamkeit auch der zweiten BSE-Schutzverordnung noch nicht in Frage gestellt worden war und er sich der Ansicht des OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 02. Mai 1997 deshalb nicht anschließen musste, weil das OVG Lüneburg auch die zweite Schutzverordnung aus dem Grunde in Frage gestellt hatte, weil die Voraussetzungen einer Tierseuche im Sinne des Tierseuchengesetzes nach Ansicht des OVG nicht vorlag; diese Ansicht trifft nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts indes nicht zu.

51

Ein Anspruch des Klägers scheitert aber jedenfalls an der Vorschrift des § 839 Abs. 3 BGB. Danach tritt eine Ersatzpflicht des Staates nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig es unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. So liegt es hier. Der Kläger hat in vorwerfbarer Weise seinen Widerspruch gegen die erste Tötungsverfügung des Beklagten vom 05. Februar 1997 nicht weiter verfolgt, indem er dem Beklagten bezüglich der Verfügung vom 11. April 1997, die u. a. wiederum die Tötung der bereits von der Verfügung vom 05. Februar 1997 erfassten Rinder aussprach, mitteilte, auf Rechtsmittel gegen die Verfügung vom 11. April 1997 verzichten zu wollen und in gleicher Weise bezüglich der Verfügung des Beklagten vom 20. Mai 1997 verfuhr. Das der Kläger, wie er geltend macht, zu diesen Erklärungen durch das Verhalten des Beklagten genötigt wurde, vermag die Kammer nicht festzustellen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Androhung von Zwangsmitteln in der Verfügung vom 05. Februar 1997 bzw. im Schreiben des Beklagten vom 20. Februar 1997 verweist (Anlagen K 5 und K 6), übersieht er, dass der Beklagte nicht nur mit seinem Schreiben vom 13. Februar 1997 ihm mitgeteilt hatte, im Hinblick auf die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 10. Februar 1997 von der Bestimmung eines Tötungstermines abzusehen, sondern insbesondere mit weiterem Schreiben vom 08. April 1997 den Kläger darüber informiert hatte, dessen Widerspruch vom 10. Februar 1997 an die Bezirksregierung Lüneburg zwecks Entscheidung darüber abzugeben. Dass die rechtliche Situation in Bezug auf die vom Beklagten geplanten Tötungen der aus Großbritannien stammenden sog. VK-Rinder möglicherweise nicht eindeutig im Sinne der vom Bundesgesetzgeber angeordneten Regelung zu beantworten war, musste Anfang April 1997 auch dem Kläger, einem ehemaligen Realschullehrer, dem die Entscheidung des OVG Lüneburg bezüglich der ersten BSE-Schutzverordnung vom 10. Februar 1997 seinerzeit bekannt war, bewusst sein. Wenn er deshalb gleichwohl insoweit von sich aus die Initiative übernahm und den zuständigen Mitarbeiter des Beklagten am 09. April 1997 anrief, um sich letztlich mit der Tötung der bereits von der Verfügung des Beklagten vom 05. Februar 1997 erfassten Rinder einverstanden zu erklären, so ist davon auszugehen, dass dies nach einer entsprechenden Interessen- und Güteabwägung erfolgte. Letzteres kommt nach Ansicht der Kammer auch darin zum Ausdruck, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 21. April 1997 an den Beklagten, mit dem er mitteilte, keinen Widerspruch gegen die Tötungsanordnung vom 11. April 1997 einzulegen, gleichzeitig darauf hinwies, dass er von den Entschädigungssätzen ausgehe, wie sie bei der Betriebsbesichtigung am 11. März 1997 besprochen worden seien.

52

Nach allem ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger sich in Kenntnis der Tragweite auf Grund freiwilliger Entscheidung mit den jetzt von ihm beanstandeten Verfügungen des Beklagten vom 11. April 1997 und 20 Mai 1997 einverstanden erklärte, ohne dass Anhaltspunkte für einen zur Anfechtung dieser Erklärungen vorliegenden Irrtum bzw. eine entsprechende Täuschung auf Seiten der Beklagten ersichtlich sind. Die vom Kläger vorprozessual erklärte Anfechtung dieser Erklärungen greift somit nicht durch.

53

Hätte dem gegenüber der Kläger seinen Widerspruch gegen die Verfügung vom 05. Februar 1997 von der Bezirksregierung Lüneburg bzw. verwaltungsgerichtlich entscheiden lassen, so muss auf Grund der oben angesprochenen Entscheidung des OVG Lüneburg vom 2. Mai 1997 angenommen werden, dass die beiden Verfügungen des Beklagten vom 11. April und 20. Mai 1997 keinen Bestand gehabt hätten. Das Unterlassen der Einlegung eines Rechtsmittels durch den Kläger ist deshalb auch kausal für seinen jetzt geltend gemachten Schaden.

54

Demgegenüber liegen die Voraussetzungen für eine Verjährung der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nach § 852 BGB nicht vor. Zugunsten des Klägers ist diesbezüglich davon auszugehen, dass bestehende Zweifel an der Wirksamkeit der zweiten BSE-Schutzverordnung erst durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2001 beseitigt wurden, sodass auch erst von diesem Zeitpunkt an eine Kenntnis des Klägers i. S. d. § 852 Abs. 1 BGB angenommen werden kann.

55

Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen scheitern auch Ansprüche des Klägers unter dem Gesichtspunkt eines enteignenden bzw. enteignungsgleichen Eingriffs sowie gem. § 80 Abs. 1 S. 1 NGefAG, nachdem der Kläger bereits nach Maßgabe des Tierseuchengesetzes entschädigt worden ist.

56

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziffer 11,711 ZPO.