Landgericht Stade
Beschl. v. 05.02.2002, Az.: 9 T 290/01
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 05.02.2002
- Aktenzeichen
- 9 T 290/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 35212
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGSTADE:2002:0205.9T290.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Buxtehude - 15.01.2001 - AZ: 9 VI 12/01
Fundstelle
- Rpfleger 2004, 568-569 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
In der Nachlasssache
...
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Bartels, die Richterin am Landgericht Borchardt und den Richter Rech auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Buxtehude vom 15.01.2001 - 9 VI 12/01 - am 05.02.2002
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
- 2.
Das Verfahren wird zu neuer Sachbehandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerde, an das Amtsgericht Buxtehude zurückverwiesen.
Gründe
I.
Am 22.12.1999 schlugen die zwei Kinder der Verstorbenen, unter Hinweis auf eine Überschuldung des Nachlasses das Erbe aus und benannten als weitere erbberechtigte Person den Bruder der Verstorbenen namens .... Eine Anschrift wäre nicht bekannt, er soll aber in Hamburg gewohnt haben. Weitere Ermittlungen stellte das Nachlassgericht aufgrund der behaupteten Überschuldung des Nachlasses nicht an.
Die Antragsteller beantragten unter dem 06.09.2000 die Feststellung des Erbrechts des Fiskus von Amts wegen, um einen unterbrochenen Zivilrechtsstreit beim Landgericht Stade - Az.: 2 S 11/00 - der - während des Prozesses - Verstorbenen abschließen zu können. Mit dem Prozess wird u.a. eine Zahlungsforderung in Höhe von DM 3 600,00 nebst Zinsen geltend gemacht.
Das Amtsgericht - Rechtspfleger - hat den Antrag mit Beschluss vom 15.01.2001, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im wesentlichen ausgeführt, dass die Feststellung des Erbrechts des Fiskus nur dann in Betracht komme, wenn die Vermutung nahe liegt, dass andere gesetzliche Erben als der Fiskus nicht vorhanden seien, was hier aber der Fall wäre. Im Übrigen hätten die Antragsteller die Nachlasspflegschaft oder die Fortsetzung des Prozesses beantragen können.
Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde vom 05.11.2001, die im wesentlichen damit begründet wird, dass das Nachlassgericht entweder den Bruder der Verstorbenen als Erben hätte ermitteln müssen oder aber, wenn dieser ausschlägt oder nicht ermittelbar ist, das Fiskuserbrecht hätte feststellen müssen, damit diese so die Interessen der Gläubiger gegen den Nachlass befriedigen könne. Im Übrigen bestehe der Nachlass zumindest aus einem Anspruch in Höhe von DM 3 600,00, wobei weiteres Vermögen vorhanden sein könnte, welches dem Fiskus verloren gehe.
II.
Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 19 ff. FGG zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin gem. § 20 FGG gegen die Ablehnung der Feststellung, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden sei, auch beschwerdeberechtigt. (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 20 Rn 84; Palandt, BGB, 60. Aufl., § 1964 Rn3).
Das Rechtsmittel hat auch (vorläufigen) Erfolg.
Gemäß § 12 FGG ist das Nachlassgericht verpflichtet, von sich aus die erforderlichen Ermittlungen zur Feststellung der entscheidenden Tatsachen durchzuführen und gegebenenfalls geeignete Beweise zu erheben. Selbst eine große Wahrscheinlichkeit bestimmter entscheidungserheblicher Tatsachen entbindet das Gericht im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes nicht die notwendigen und möglichen Ermittlungen bzw. Beweiserhebungen durchzuführen. (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 12 Rn 21)
Diesen Anforderungen genügt das amtsgerichtliche Verfahren hier nicht. Die zu treffende Entscheidung hing, wie auch in den Gründen des angefochtenen Beschlusses zutreffend dargelegt, maßgeblich davon ab, ob es einen weiteren Erben, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hat, gibt oder nicht. Nach der Begründung des angefochtenen Beschlusses gibt es jedoch noch den Bruder namens ..., der als gesetzlicher Erbe nach der Verstorbenen in Betracht kommt. Weitere Feststellungen hat das Amtsgericht jedoch nicht getroffen. Es hat nicht versucht zu ermitteln, ob es in Hamburg gibt oder gab und mit der Verstorbenen verwandt ist oder nicht und ob dieser gegebenenfalls die Erbschaft antrete. Hierbei kann dahinstehen, inwieweit es im Ermessen des Nachlassgerichts steht, in welchem Umfange und wie lange Nachforschungen zu erfolgen haben. Denn hier hat das Nachlassgericht sein Ermessen zumindest fehlerhaft ausgeübt, wenn es nur auf die behauptete Überschuldung des Nachlasses abgestellt hat, wobei Feststellungen oder Ermittlungen zur Überschuldung nicht getroffen worden sind. Ermittlungen dürfen nicht deswegen unterbleiben, weil kein Bedürfnis besteht oder der Nachlass überschuldet oder keine Masse vorhanden sei oder der Fiskus keinen Wert auf die Erbschaft legt. (Soergel/Stein, BGB, 12. Aufl., § 1964 Rn 2; Palandt, BGB, 60. Aufl., § 1964 Rn 1).
Ob ein Rechtsschutzbedürfnis dahingehend besteht, dass die Beschwerdeführerin etwaige Gläubigeransprüche gegen den Nachlass erst dann abschließend bearbeiten kann, wenn ihr Erbrecht feststeht, kann dahinstehen. Jedenfalls kann der Fiskus als gesetzlicher Erbe nur dann aktiv Rechte am Nachlass geltend machen, wenn das Nachlassgericht in dem in § 1964 f. BGB festgelegten Verfahren festgestellt hat, dass andere Erben nicht vorhanden sind. Erst wenn feststeht, dass der Fiskus Erbe ist, kann die Beschwerdeführerin Nachforschungen über den Nachlass anstellen, insbesondere ob weiteres Vermögen vorhanden ist und dieses dann gegebenenfalls verwerten. Insoweit besteht jedenfalls ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin.
Soweit das Amtsgericht den Antrag auf Feststellung des Erbrechts des Fiskus im Übrigen damit zurückgewiesen hat, dass die Antragsteller den gem. § 246 ZPO ausgesetzten Rechtsstreit auf ihren Antrag jederzeit fortsetzen, bzw. eine Nachlasspflegschaft einrichten könnten, hatte die Kammer darüber nicht zu entscheiden, da die Beschwerdeführerin insoweit nicht beschwert war und ihr damit das Rechtsschutzbedürfnis fehlte.
Da die amtsgerichtliche Entscheidung wegen unzureichender Sachaufklärung aufzuheben war, hat die Kammer das Verfahren zu neuer Sachbehandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, damit dem Antragsteller und der Beschwerdeführerin keine Instanz verloren geht.