Landgericht Stade
Urt. v. 22.11.2002, Az.: 6 O 480/01
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 22.11.2002
- Aktenzeichen
- 6 O 480/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 35215
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGSTADE:2002:1122.6O480.01.0A
Amtlicher Leitsatz
Kommt es im Außendeichbereich zu einer Überschwemmung durch ein vorbeifahrendes Schiff und erleidet eine dort befindliche Person einen Schaden, kann die Gemeinde als Eigentümerin des Grundstücks nicht in Anspruch genommen werden.
Tatbestand:
Die Beklagte ist Eigentümerin eines Grundstücks an der Elbe. Diese Fläche ist erreichbar durch einen verschließbaren Durchlass im Elbedeich und liegt mithin im Außenbereich dieses Deiches. Auf dem Geländer befinden sich Schiffsanleger, Parkplätze und auch einige Verkaufsbuden. Das Gelände ist ein beliebtes Ausflugsziel an der Unterelbe, da von hieraus der Schiffsverkehrs auf der Elbe gut beobachtet werden kann. Hinter der Deichdurchfahrt befindet sich ein großes Warnschild mit der Aufschrift "Achtung Gefahr! Im gesamten Außendeichbereich Überschwemmungsgefahr (Schwell und Sog) durch vorbeifahrende Schiffe. Auf dem Gelände, insbesondere im Uferbereich, befinden sich weitere Hinweisschilder auf die Überschwemmungsgefahren.
Am 4.11.2001 gegen 17.00 Uhr wurde das Gelände durch ein vorbeifahrendes Schiff kurzzeitig überschwemmt. Der Kläger trägt vor, die Flutwelle habe 1 Meter betragen und habe das Motorrad des Klägers umgerissen, was dadurch beschädigt worden sei. Weggeschwemmt worden seien der Motorradhelm und seine Handschuhe. Er selbst sei über den Asphalt geschleift worden, sodass auch seine Motorradkombination und seine Lederstiefel beschädigt worden seien. Außerdem sei Feuchtigkeit in sein Handy eingedrungen und habe dieses beschädigt.
Die Flutwelle sei auslöst worden durch das unter liberianischer Flagge fahrende Containerschiff "MS ...", dessen verantwortliche Schiffsführer zum Zeitpunkt des Vorfalls der Beklagte zu 2) als Kapitän und der Beklagte zu 3) als beratender Lotse gewesen seien. Das Containerschiff sei zu schnell gefahren.
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Gemeinde durch die Anlegung des Parkplatzes und die Genehmigung der Aufstellung von Verkaufsbuden eine Gefahrenquelle geschaffen habe. Sie habe die Pflicht Vorkehrungen zu treffen, dass den das Gelände betretenden Personen durch eine Flutwelle kein Schaden entstehe. Die Vorkehrungen hätten sich darauf beziehe müssen, dass niemand durch eine plötzlich auftretende Flutwelle zu Schaden kommt.
Die Gemeinde trug vor, sie habe keine andere Möglichkeit, als die Besucher des Außendeichgeländes vor den Gefahren des Wassers zu warnen. Anderenfalls müsste das Vordeichgelände seinerseits durch einen Vordeich oder ähnliche Einrichtungen geschützt werden, was mit einem angemessen Kostenaufwand; nicht zu bewerkstelligen sei und im Übrigen der Beklagten auch verboten sei insoweit sei der Deichverband zuständig. Die Gemeinde habe letztlich nichts anderes getan, als den zunehmenden Ausflugsverkehr im Bereich des Anlegers zu ordnen.
Gründe
Das Landgericht Stade hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Klage ist unbegründet, denn der Beklagten zu 1) fällt keine Verletzung ihrer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht zur Last. Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter zu treffen hat. Dabei sind allerdings nur diejenige Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweilige Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten möglichst abzuwenden (vgl. Palandt, § 823 Rn. 58). Das vorliegende Gelände diente ursprünglich und nach wie vor auch in erster Linie dem Zugang zu den Anlegern der H...-Schiffe und der Fähre. Diese Anleger müssen notwendigerweise unmittelbar an der Elbe und auf Höhe des Stromes liegen. Die Anlegung eines zweiten Deiches verbietet sich daher von selbst. Ebenso selbstverständlich ist es, dass das Vordeichgelände unter Berücksichtigung des Tidehubes, der Windverhältnisse und Flutwellen durch vorbeifahrende Schiffe zeitweise überflutet werden kann. Die Beklagte zu 1) weist zu Recht darauf hin, dass dies aus den vorgenannten Gründen nicht verhindert werden kann. Die Beklagte zu 1) ist ihrer Verkehrssicherungspflicht als Eigentümerin des Geländes dadurch hinreichend nachgekommen, dass sie in ausreichender Zahl und auch gut erkennbar Warnschilder aufgestellt hat und dabei insbesondere auch auf Flutwellen durch vorbeifahrende Schiffe hingewiesen hat. Jeder Besucher des Geländes ist dadurch hinreichend vor diesen Gefahren gewarnt. Es kann und muss von jedem Besucher daher auch erwartet werden, dass er im Hinblick auf diese Gefahren eigene Vorkehrungen trifft. Dazu gehört es, den jeweiligen Wasserstand des Flusses und auch den Schiffsverkehr zu beobachten. Zu mehr als auf diese Gefahren in ausreichender Weise hinweisen, war und ist die Beklagte nach Auffassung der Kammer nicht verpflichtete. Wer sich diesen Gefahren gleichwohl aussetzt, handelt auf eigene Gefahr.