Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 25.06.2007, Az.: 2 B 81/07
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 25.06.2007
- Aktenzeichen
- 2 B 81/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 62075
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2007:0625.2B81.07.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG Niedersachsen - 14.08.2007 - AZ: 11 ME 292/07
- BVerfG - 26.08.2008 - AZ: 2 BvR 1942/07
Rechtsgrundlagen
- 12 V AufenthG
- 51 VI AufenthG
- 61 I AufenthG
- 72 III AufenthG
- 6 I GG
- 3 I Nr. 3a VwVfG
Tatbestand:
Die 1986 geborene Antragstellerin zu 1.) ist libanesische Staatsangehörige, der 1980 geborene Antragsteller zu 3.) ist türkischer Staatsangehöriger. Sie sind seit dem 2. März 2002 durch sog. Handschuhehe nach islamischen Recht verheiratet. Der Antragsteller zu 2.) ist das 2002 in Deutschland geborene gemeinsame Kind der Antragsteller zu 1.) und 3.). Für dieses erkannte der Antragsteller zu 3.) am 20. November 2002 die Vaterschaft an. Ebenfalls unter dem 20. November 2002 gaben die Eltern für den Antragsteller zu 2.) eine gemeinsame Sorgerechtserklärung ab. Die Antragstellerin zu 1.) ist 1989, der Antragsteller zu 3.) 1985 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sie leben aus vom Antragsteller zu 3.) erzielten Einkommen aus einer nichtselbständigen Beschäftigung. Der Antragsteller zu 3.) verfügt über Wohnraum, der für die Aufnahme der Antragsteller zu 1.) und 2.) ausreichend groß ist.
Nach erfolglosem Asylverfahren und nachdem eine zwischenzeitlich erteilte Aufenthaltsbefugnis rechtkräftig zurückgenommen und nicht verlängert worden war (vgl. das Gerichtsverfahren vor dem beschließenden Gericht zu Az.: 1 A 121/04), verfügt der Antragsteller zu 3.) bis heute über eine Duldung. Sie ist räumlich auf das Gebiet Niedersachsens beschränkt und er ist zur Wohnsitznahme in F. verpflichtet. Seine Abschiebung ist aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Die Antragsteller zu 1.) und 2.) verfügten ebenfalls über Duldungen, deren Wirksamkeit jedoch am 4. August 2006 ablief, die räumlich auf Nordrhein-Westfalen beschränkt waren und die Antragsteller zu 1.) und 2.) zur Wohnsitznahme in G. verpflichteten. Mehrfachen Aufforderungen der Ausländerbehörde der Beigeladenen bei ihr zwecks Verlängerung der Duldungen und Mitwirkung bei der Beschaffung libanesischer Pass- bzw. Passersatzpapiere vorzusprechen, leistete die Antragstellerin zu 1.) keine Folge. Auch der Antragsteller zu 3.) verweigert seine Mitwirkung bei der Beschaffung türkischer Pass- bzw. Passersatzpapiere gegenüber der Antragsgegnerin hartnäckig. Ausweislich eines Vermerkes der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin haben die Antragsteller zu 1.) und 3.) am 13. Juli 2006 dort erklärt, sie würden keine Pässe beantragen, da sie sonst abgeschoben würden. Wo sich die Antragsteller zu 1.) und 2.) derzeit aufhalten, lässt sich nicht feststellen. Trotz zweimaliger gerichtlicher Aufforderung, den derzeitigen Aufenthalts bekannt zu geben, hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller hierauf nicht geantwortet.
Seit Jahren versuchen die Antragsteller, ihre Zusammenführung in F. zu erreichen.
Mit Bescheid vom 1. September 2004 lehnte die Antragsgegnerin einen Antrag der Antragsteller zu 1.) und 2.) ab, ihnen eine weitere Duldung zu erteilen. Dieser Bescheid ist bestandskräftig, nachdem die dagegen gerichtete Klage nicht betrieben wurde und als zurückgenommen galt, was durch Beschluss der 1. Kammer des Gerichts vom 10. Juni 2005 ausgesprochen wurde (1 A 228/04 ).
Gegenüber der Ausländerbehörde der Beigeladenen versuchten die Antragsteller zu 1.) und 2.) eine Änderung der Wohnsitzauflage zu erreichen. Dies lehnte die Beigeladene zuletzt mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 16. Juni 2006 ab, weil die Antragsgegnerin hierzu ihre Zustimmung versagt hatte. Einen weiteren entsprechenden Antrag des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 14. März 2007 nahm die Beigeladene nicht entgegen, weil die Antragsteller zu 1.) und 2.) keine Duldung mehr besäßen und sie somit keine Auflage verfügt habe, gegen die sich der Antrag richte. Auch an die Antragsgegnerin wandten sich die Antragsteller zu 1.) und 2.) mit anwaltlichem Schreiben vom 14. März 2007 erneut und beantragten, ihren Zuzug nach F. zu akzeptieren und ihm zuzustimmen. Auch dieser Antrag ist bisher nicht beschieden worden.
Am 18. April 2007 haben die Antragsteller um die Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber der Antragsgegnerin nachgesucht.
Zur Begründung ihres Antrages tragen sie vor, sie hätten einen aus Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitenden Rechtsanspruch auf Zuzug nach F. zu ihrem Ehemann bzw. Vater. Er verfüge über eine ausreichend große Wohnung und sei in der Lage, ihren Lebensunterhalt sicher zu stellen, was er auch bisher schon getan habe. Durch den aus ihrer Sicht untragbaren Zustand sei es bei der Antragstellerin zu 1.) schon zu zwei Fehlgeburten gekommen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern zu 1.) und 2.) vorläufig eine Duldung für den Aufenthalt in ihrem Zuständigkeitsbereich zu erteilen sowie ihnen für diesen Antrag Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. aus I. zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie meint die Änderung der Wohnsitzauflage bzw. die Erteilung einer (weiteren) Duldung durch sie scheitere daran, dass es die Antragsteller zu 1.) und 3.) selbst zu vertreten hätten, dass ihre vollziehbare Ausreisepflicht nicht vollstreckt werden könne. Der Antragsteller zu 2.) habe sich das Verhalten seiner Eltern zurechnen zu lassen. Die Antragsteller zu 1.) und 3.) hätten in der Vergangenheit über ihre Identität getäuscht und bei der Beschaffung libanesischer bzw. türkischer Heimreisepapiere trotz mehrfacher entsprechender Aufforderungen der Antragsgegnerin bzw. der Beigeladenen nicht mitgewirkt. Deshalb könnten sie sich auf den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nicht berufen. Zudem stünde dem Begehren dessen bestandskräftige Ablehnung durch ihren Bescheid vom 1. September 2004 entgegen.
Die Beigeladene, die keinen Antrag stellt, weist auf die fehlende Mitwirkung der Antragstellerin zu 1.) hin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakten der vor der 1. Kammer des Gerichts geführten Verfahren 1 A 121/04 und 1 A 228/04, sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und der Beigeladenen Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beschlussfassung gewesen.
Gründe
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Das Gericht hat bereits Zweifel an seiner Zulässigkeit. Diese ergeben sich zum einen daraus, dass die Antragsteller trotz zweifacher gerichtlicher Aufforderung ihren derzeitigen Aufenthaltsort nicht angegeben haben. Die Antragsteller zu 1.) und 2.) sind somit derzeit untergetaucht, was wegen missbräuchlichen Verhaltens berechtigte Zweifel an ihrem Rechtsschutzbedürfnis aufkommen lässt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.12.1999 -12 M 4779/99 -, zitiert nach juris; Beschluss vom 12.10.2005 -8 ME 163/05 -, NVwZ 2006, 363; BVerfG, Beschluss vom 14.12.1995 -2 BvR 2552/95 -, AuAS 1996, 31).
Zum anderen spricht viel dafür, dass das Begehren der Antragsteller, von der Antragsgegnerin Duldungen für die Antragsteller zu 1.) und 2.) zu erhalten, von dieser bereits mit Bescheid vom 1. September 2004 bestandskräftig und damit für die Antragsteller bindend abgelehnt worden ist. Die Kammer lässt diese Zweifel unbeantwortet, da der Antrag jedenfalls unbegründet ist.
Die Kammer neigt zu der Annahme, dass die Antragsgegnerin nicht der richtige Adressat für die begehrte Verpflichtung ist; weil sie örtlich nicht zuständig für die begehrte Erteilung von Duldungen an die Antragsteller zu 1.) und 2.) ist.
Das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) enthält keine Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörden. Diese richtet sich folglich nach Landesrecht. Das niedersächsische Landesrecht stellt dabei gemäß § 1 NVwVfG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG zunächst auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Ausländers ab. Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist in entsprechender Anwendung von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I maßgeblich, wo jemand sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt ( BVerwG, Urteil vom 4.6.1997 -1 C 25/96 -, NVwZ-RR 1997, 751). Danach wird ein gewöhnlicher Aufenthalt dadurch begründet, dass sich der Betreffende an dem Ort oder in dem Gebiet "bis auf Weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält oder dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat ( BVerwG, Urteil vom 7.7.2005 -5 C 9/04 -, NVwZ 2006, 97 [BVerwG 07.07.2005 - BVerwG 5 C 9.04]). Neben den tatsächlichen Verhältnissen gehören zu der in diesem Zusammenhang anzustellenden Prognose auch ausländerrechtliche Regelungen, die den Verbleib eines Ausländers an einem bestimmten Ort beeinflussen.
Im Tatsächlichen ist hier mangels genauer Angaben der Antragsteller schon fraglich, ob sich die Antragsteller zu 1.) und 2.) derzeit überhaupt im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin aufhalten. Was die ausländerrechtlichen Regelungen betrifft, die eine Aussage zum Aufenthaltsort der Antragsteller zu 1.) und 2.) machen, sind §§ 61 Abs. 1 und 51 Abs. 6 AufenthG in den Blick zu nehmen. Gemäß § 61 Abs. 1 AufenthG ist der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Für die vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller zu 1.) und 2.) ist das hier Nordrhein-Westfalen. Gemäß § 51 Abs. 6 AufenthG bleiben räumliche Beschränkungen nach dem AufenthG auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachkommt. Obwohl die Antragsteller zu 1.) und 2.) seit dem 4. August 2006 nicht mehr über eine förmliche Duldung verfügen, bleibt die räumliche Beschränkung ihres Aufenthalts auf Nordrhein-Westfalen somit bestehen, so dass einiges dafür spricht, dass sie ohne deren Aufhebung rechtlich gehindert sind, an einem anderen Ort einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Dies folgt auch aus einem Umkehrschluss zu § 72 Abs. 3 AufenthG. Danach dürfen u.a. räumliche Beschränkungen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, von einer anderen Ausländerbehörde nur im Einvernehmen mit der Ausländerbehörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Diese Vorschrift, die davon ausgeht, dass eine andere Ausländerbehörde zuständig wird, regelt indes nur die Beschränkungen, die von einer Ausländerbehörde angeordnet worden sind, nicht aber die kraft Gesetzes bestehende Beschränkung des § 61 Abs. 1 AufenthG, um die es hier geht. In dessen Anwendungsbereich kann es damit offenkundig eine andere örtliche Zuständigkeit als diejenige der ursprünglich zuständigen Ausländerbehörde nicht geben.
Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die Regelung in § 51 Abs. 6 AufenthG für die betroffenen Ausländer zu einem Dilemma in den Fällen führt, in denen sie einen dauerhaften und länderübergreifenden Wechsel ihres Aufenthaltsortes anstreben. Denn das Gesetz enthält hierfür - anders als § 51 AsylVfG für im Asylverfahren befindliche Ausländer- Regelungen nicht. In § 12 Abs. 5 AufenthG ist mit dem Zuwanderungsgesetz lediglich eine Regelung für das vorübergehende Verlassen des Aufenthaltsortes getroffen worden. In der Praxis der Gerichte wie auch der Ausländerbehörden ist diesem Dilemma in der Vergangenheit dadurch begegnet worden, dass neben der Möglichkeit, eine Aufhebung der räumlichen Beschränkung zu erreichen, die weitere rechtliche Möglichkeit eröffnet worden ist, bei der Ausländerbehörde des zukünftig gewünschten Aufenthaltsortes eine weitere (Zweit-) Duldung zu beantragen. Lagen hierfür zwingende Gründe vor, insbesondere verfassungsrechtliche, und hier insbesondere solche, die aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleitet waren, wurde eine zweite Duldung, gebunden an den Aufenthaltszweck erteilt ( OVG Lüneburg, Beschluss vom 17.10.2002 -8 ME 142/02 -, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 3, 22; vgl. auch den Klagegegenstand im Verfahren 1 A 228/04; zur ganzen Problematik: Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 61 Rn. 16 ff.). Hiervon gehen aktuell auch die für die Antragsgegnerin verbindlichen Anweisungen der Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 30. November 2005 in Tz. 61.1.2.5 aus. Folgerichtig hat sich die Antragsgegnerin mit der Antragserwiderung auf das Begehren der Antragsteller in der Sache eingelassen.
Ohne sich mit der Problematik der (Zweit-) Duldung auseinander zu setzen, geht das OVG Hamburg von einem anderen rechtlichen Ansatz aus (Beschluss vom 26.4.2006 -4 Bs 66/06 -, NVwZ-RR 2006, 827). Nach dessen Rechtsauffassung bestimmt sich der gewöhnliche Aufenthalt eines Ausländers - auch - danach, ob er einen verfassungsrechtlich begründbaren Anspruch darauf hat, sich im Gebiet der Ausländerbehörde aufzuhalten, in deren Zuständigkeitsbereich er entgegen einer anderslautenden räumlichen Beschränkung ziehen möchte. Danach soll der materiell-rechtliche Anspruch also die örtliche Zuständigkeit begründen können.
Die Kammer hat rechtliche Bedenken sowohl gegen die Zulässigkeit der beschriebenen (Zweit-) Duldung wie auch gegen den rechtlichen Ansatz des OVG Hamburg. Sie ergeben sich aus den oben näher beschriebenen Voraussetzungen für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit einer Ausländerbehörde. Diese sprechen gegen eine Zuständigkeit der Ausländerbehörde, in deren Bereich ein Ausländer erst gelangen möchte. Maßgeblich ist das Fortbestehen einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG bis zu deren Aufhebung gemäß § 51 Abs. 6 AufenthG. Es spricht viel dafür, dass ein dauerhafter Aufenthaltswechsel allein durch einen Antrag auf Aufhebung der räumlichen Beschränkung erreicht werden kann. Dieser Antrag wird an die Ausländerbehörde zu richten sein, die die Wirkung des § 61 Abs. 1 AufenthG durch ursprüngliche Duldungserteilung hervorgerufen hat. Diese Behörde wird in entsprechender Anwendung des § 72 Abs. 1 AufenthG die Ausländerbehörde des Zuzugsortes zu beteiligen haben. Mit dieser Verfahrensweise wird dem Rechtsschutzbedürfnis des umzugswilligen Ausländers hinreichend Rechnung getragen. Er kann sein Begehren gegenüber der "Wegzugsausländerbehörde" durchsetzen, wobei in einem etwaigen Gerichtsverfahren die Ausländerbehörde des Zuzugsortes beizuladen sein wird. Der Beigeladenen dürfte deshalb nicht in ihrer Rechtsansicht beizutreten sein, sie sei für die mit Schriftsatz vom 14. März 2007 begehrte Änderung der Wohnsitzauflage - richtig: Aufhebung der räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG - nicht zuständig, nachdem die Antragsteller zu 1.) und 2.) über eine Duldung nicht mehr verfügen.
Indes bedürfen auch diese Zweifel an der Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die begehrte Duldung keiner abschließenden Klärung. Denn die Antragsteller haben einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung durch die Antragsgegnerin und/oder auf Aufhebung der räumlichen Beschränkung in der Sache nicht.
Sie können sich für ihr Begehren nicht mit Erfolg auf den Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 EMRK berufen.
Es kann offen bleiben, ob sich die Antragsteller, die nachhaltig gegen ihre aus § 48 Abs. 3 AufenthG folgende Pflicht, an der Beschaffung eines gültigen Passes oder Passersatzpapieres mitzuwirken, verstoßen und vollziehbar ausreisepflichtig sind, überhaupt auf das Grundrecht des Schutzes von Ehe und Familie berufen können (ebenso für den Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK offen gelassen von EGMR, Urteil vom 16.9.2004 -11103/03- Ghiban/Deutschland, NVwZ 2003, 1046). Dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallen sie bei einem derartigen Verhalten jedenfalls dann nicht, wenn anzunehmen ist, dass die Ehe und das Familienleben in einem ihrer Heimatstaaten, Libanon oder Türkei, geführt werden kann und es ihnen frei steht, dorthin auszureisen (Familienzusammenführung im Ausland). Diese Annahme bewirkt keinen unzulässigen Druck auf die Ausländer, die ihrer Pflicht zur Ausreise nicht nachkommen, sondern hält sie zu gesetzeskonformem Verhalten an, was nicht unzulässig sein kann ( OVG Lüneburg, Beschluss vom 1.12.2006 -13 ME 352/06 -, zitiert nach der Internetentscheidungssammlung des Gerichts).
Dies vorausgeschickt, ist jedenfalls die Annahme gerechtfertigt, dass die Antragsteller in der Türkei, dem Heimatstaat des Antragstellers zu 3.), Ehe und Familienleben führen können. Denn die Türkei hat bei Gründung des Europarats am 4. November 1950 auch die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert und unterliegt damit selbst der Bindung des Art. 8 EMRK. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass es bei Rückkehr des Antragstellers zu 3.) jedenfalls nicht zu einer dauerhaften Ehe- und Familientrennung kommen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.2.1999 -1 B 2/99 -, InfAuslR 1999, 330). Soweit hiergegen eingewandt werden sollte, die Antragsteller seien der türkischen Sprache nicht mächtig, sind folgende Ausführungen veranlasst.
Da die Ehe der Antragstellerin zu 1.) mit dem Antragsteller zu 3.) im Libanon geschlossen wurde und die Antragstellerin zu 1.) libanesische Staatsangehörige ist, spricht alles dafür, dass die Familie auch berechtigt ist, sich dauerhaft gemeinsam im Libanon aufzuhalten und dort die Ehe und das Familienleben zu führen. Des Arabischen sind die Antragsteller mächtig, da dies ihre familiäre Umgangssprache ist. Die Antragsteller haben nichts dazu glaubhaft gemacht, dass ihnen ein gemeinsamer Aufenthalt im Libanon nicht möglich wäre. Hierzu wären sie jedoch in diesem einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzverfahren gemäß § 123 Abs. Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO verpflichtet gewesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht für erstattungsfähig zu erklären. Dies entspricht der Billigkeit, da sie einen Antrag nicht gestellt und sich somit einem eigenen Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat.
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. 52 Abs. 2 GKG. Den sich danach ergebenden Streitwert von 10 000,00 Euro (je 5 000,00 Euro für das Begehren der Antragstellerin zu 1.) und dasjenige des Antragstellers zu 2.)) halbiert das Gericht im Hinblick auf die Vorläufigkeit der begehrten Regelung.
Da der Antrag erfolglos bleibt, kann den Antragstellern gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO hierfür auch Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden.