Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.08.2024, Az.: 5 W 89/24

Streitwert einer Klage zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der DSGVO gegen einen Telekommunikationsdienstleister im Rahmen eines "Massenverfahrens"

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.08.2024
Aktenzeichen
5 W 89/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 20941
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2024:0820.5W89.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 10.07.2024 - AZ: 18 O 267/23

Amtlicher Leitsatz

Zum Streitwert einer Klage, mit der im Rahmen eines "Massenverfahrens" Ansprüche aus der DSGVO gegen einen Telekommunikationsdienstleister geltend gemacht werden, die ihre Grundlage darin haben, dass der Beklagte - aus Sicht des Klägers zu Unrecht - Daten im Zusammenhang mit dem Mobilfunkvertrag des Klägers an die SCHUFA ... weitergegeben hat.

In der Beschwerdesache
pp.
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... am 20. August 2024 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 18. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Hannover vom 10. Juli 2024 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts in erster Instanz, die sie als zu hoch erachtet.

In dem dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren hat der Kläger gegen die Beklagte Ansprüche aus der DSGVO geltend gemacht. Die Beklagte erbringt Telekommunikationsdienstleistungen. Der Kläger hat seine Klage darauf gestützt, dass die Beklagte - aus seiner Sicht zu Unrecht - Daten im Zusammenhang mit dem Mobilfunkvertrag des Klägers an die SCHUFA ... weitergegeben hat.

Der Kläger hat mit seiner Klage als Ausgleich für behauptete Datenschutzverstöße die Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes in Höhe von 5.000 Euro, einen Feststellungsantrag betreffend die Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich zukünftiger materieller Schäden sowie einen Unterlassungsantrag geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage in Bezug auf den Unterlassungsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit Beschluss vom 10. Juli 2024 hat das Landgericht den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 11.000 Euro festgesetzt. Den Zahlungsantrag hat es dabei mit 5.000 Euro bemessen, den Antrag auf Unterlassung ebenfalls mit 5.000 Euro sowie den Feststellungsantrag mit 1.000 Euro. Dagegen richtet sich die Streitwertbeschwerde der Beklagten, mit der diese beantragt, den Streitwert auf 6.000 Euro herabzusetzen.

II.

Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Allerdings hat der Senat in der jüngeren Vergangenheit mehrfach entschieden, dass in Verfahren, in denen eine Rechtsanwaltskanzlei massenhaft Verfahren anhängig gemacht hat, in denen sie für ihre jeweiligen Mandanten Ansprüche aus der DSGVO verfolgt, in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass es den jeweiligen Klageparteien in erster Linie nur auf den mit der Klage verfolgten immateriellen Schadensersatzanspruch ankommt und die mit den Klagen ergänzend verfolgten Feststellungs-, Auskunfts- und/oder Unterlassungsklagen nur ein geringer Wert beizumessen ist, weil derartige Klageanträge in erster Linie "der Anreicherung des Prozessstoffs ohne ein wesentliches eigenes materielles Interesse der jeweiligen Klagepartei dienen" (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 2024 - 5 U 77/23, juris Rn. 70 f.; Senat, Urteil vom 4. April 2024 - 5 U 31/23, juris Rn. 113 f.; Senat, Beschluss vom 10. Juni 2024 - 5 W 46/24, juris Rn. 6 f.; Senat, Beschluss vom 29. April 2024 - 5 W 19/24, juris Rn. 8 f.).

Vergleichbare Umstände in dem vorgenannten Sinn bestehen an sich auch vorliegend. Die Beklagte hat nämlich auf Seite 2 ihrer Klageerwiderung vom 12. Januar 2024 auszugsweise Folgendes ausgeführt:

"Auffällig ist dabei, dass die Prozessbevollmächtigten der Klagepartei die behaupteten Auswirkungen auf die (jeweilige) Klagepartei wortgleich in dutzenden Klageverfahren gegen die Beklagte behauptet haben, ohne dass auch nur der Versuch einer Individualisierung vorgenommen wird. Behauptet werden hier folglich identische Auswirkungen einer behaupteten Kenntnisnahme einer SCHUFA-Auskunft, die gleichermaßen bei jeder Klagepartei in dutzenden Verfahren eingetreten sein sollen."

Der Kläger ist in der Folgezeit auf dieses Vorbringen der Beklagten nicht eingegangen. Der Senat hat dieses daher seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 138 Abs. 3 ZPO).

2. Trotz dieser Umstände sieht der Senat es vorliegend ausnahmsweise als geboten an, von diesem Grundsatz abzuweichen. Das beruht auf der "speziellen Materie" des vorliegenden Rechtstreits, bei dem es darum geht, dass die Beklagte - nach Auffassung des Klägers sowie des Landgerichts zu Unrecht - bestimmte Daten an die SCHUFA weitergegeben hat. Das aber kann - wie gerichtsbekannt ist (§ 291 ZPO) - im Einzelfall tatsächlich (ggf. sehr) erhebliche (wirtschaftliche) Folgen für den jeweils Betroffenen nach sich ziehen, weshalb der Senat bei dieser speziellen "DSGVO-Verstoß-Fallkonstellation" nicht zu erkennen vermag, dass der Unterlassungsantrag der jeweiligen Klagepartei letztlich gar nicht in deren eigenen Interesse gestellt worden ist, sondern ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend dem Gebühreninteresse ihres Prozessbevollmächtigten dient.

Soweit die Beklagte in diesem Rahmen in der Beschwerdebegründung noch argumentiert, dass sie die von dem Kläger monierte Einmeldung von Positivdaten an die SCHUFA eingestellt habe, und deshalb eine Wiederholungsgefahr nicht ersichtlich sei, ist das zum einen rechtsirrig und zum anderen in dem hier erörterten Rahmen der Bemessung des Streitwertes sowieso von vornherein ohne Belang:

- Rechtsirrig ist diese Argumentation, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Wiederholungsgefahr in aller Regel nicht dadurch entfällt, dass der Beklagte die beanstandete Handlung nicht mehr vornimmt bzw. ihre Wirkungen beseitigt, sondern nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (vgl. aus jüngerer Zeit z.B. BGH, Urteil vom 13. Mai 2022 - V ZR 7/21, juris Rn. 33).

- Ohne Belang ist diese Argumentation, weil dieser rechtliche Gedanke sowieso nur im Rahmen der Begründetheit der Klage eine Rolle spielen könnte, nicht aber bei der Frage, welchem Wert der Unterlassungsantrag (bei Anhängigmachung der Klage, § 40 GKG) zuzumessen ist

Angesichts der aufgezeigten potentiellen wirtschaftlichen Gefahren, die bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden dem Betroffenen drohen können, erscheint dem Senat schließlich auch die Bemessung des Wertes des Feststellungsantrages durch das Landgericht als gut vertretbar.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.