Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 27.08.2024, Az.: 13 Verg 3/24

Erlöserzielung von Krankenhausleistungen, Wahlleistungen und ambulanten Leistungen durch ein in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH betriebenes Fnchkrankenhauses für Psychiatrie und Psychotherapie; Öffentliche Finanzierung im Sinne des § 99 Nr. 2 a) GWB

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.08.2024
Aktenzeichen
13 Verg 3/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 21371
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2024:0827.13VERG3.24.00

Amtlicher Leitsatz

Wenn eine gemeinnützige GmbH, die ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie betreibt, Erlöse aus Krankenhausleistungen, Wahlleistungen und ambulanten Leistungen erzielt, handelt es sich nicht um eine öffentliche Finanzierung im Sinne des § 99 Nr. 2 a) GWB, sondern um Entgelte für spezifische Gegenleistungen für die Behandlung von Patienten.

In dem Vergabenachprüfungsverfahren
M. I. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer, ...,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
gegen
A. gGmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, ...,
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsgesellschaft ...,
Beigeladene:
N. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, ...,
hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 27. August 2024 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 19. Juni 2024 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens über den Antrag nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB - einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin - zu tragen.

    Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren war für die Antragsgegnerin notwendig.

  3. 3.

    Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 22.511,17 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin, eine gemeinnützige GmbH, betreibt in K. das "A. Psychiatriezentrum", ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie, psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Sie beabsichtigt - gefördert durch einen Zuwendungsbescheid des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (Anlage Ag 2, Bl. 108 ff. VergK-A) - die Beschaffung eines Ressourcenmanagementsystems (RMS). Hierzu hat sie eine EU-weite Ausschreibung für ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchgeführt. Dazu sah sie sich aufgrund einer Nebenbestimmung in dem Zuwendungsbescheid gehalten, wonach bei der Vergabe von Aufträgen die Vorgaben des nationalen und europäischen Vergaberechts zu berücksichtigen seien.

Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Teilnahmeantrag an dem Vergabeverfahren (Anlage Ast 5, Bl. 52 ff. VergK-A). Die Antragsgegnerin schloss die Antragstellerin mit Nachricht vom 18. April 2024 vom weiteren Verfahren aus, weil sie die Mindestanforderungen an die Eignung nicht erfüllt habe (Anlage Ast 6, Bl. 66 VergK-A), und wies die hiergegen gerichtete Rüge der Antragstellerin zurück.

Den hiergegen gerichteten Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hat die Vergabekammer mit Beschluss vom 19. Juni 2024, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, - primär als unzulässig - zurückgewiesen und hierzu u.a. ausgeführt, der Rechtsweg zur Vergabekammer sei schon nicht eröffnet, weil die Antragsgegnerin keine öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 99 GWB sei.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie ihren Nachprüfungsantrag weiterverfolgt. Sie meint, die Antragsgegnerin sei öffentliche Auftraggeberin nach § 99 Nr. 2 GWB. Entgegen der Auffassung der Vergabekammer werde die Antragsgegnerin im Sinne dieser Regelung von öffentlichen Stellen finanziert. Sie erhalte für die Krankenhausaufenthalte der Patienten nach dem "pauschalierenden Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP)" nicht lediglich eine Gegenleistung der Krankenkassen. Vielmehr handele es sich um pauschalierte Leistungen der Krankenkassen, deren Höhe die Antragsgegnerin nicht konkret kalkulieren könne. Zudem sei die Antragsgegnerin auch Auftraggeberin nach § 99 Nr. 4 GWB. Denn das Ressourcenmanagementsystem stehe in einem funktionellen Verhältnis zum Gebäude, weil ein Krankenhaus ohne dieses nicht betrieben werden könne.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, aber unbegründet.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen ist nicht eröffnet. Hierauf hat der Senat bereits mit dem Beschluss vom 24. Juli 2024 hingewiesen. An den Ausführungen wird festgehalten.

Das Vergabenachprüfungsverfahren findet nur in Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen statt (§ 155 GWB). Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen (§ 103 GWB). Wer öffentlicher Auftraggeber ist, ist abschließend in § 99 GWB geregelt.

Im Streitfall handelt es sich nicht um einen öffentlichen Auftrag, denn die Antragsgegnerin ist in Bezug auf die verfahrensgegenständliche Beschaffung eines RMS keine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 99 GWB.

1. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Antragsgegnerin keine öffentliche Auftraggeberin i.S.d. § 99 Nr. 2 a) und 2. Halbsatz GWB. Die Antragsgegnerin erhält keine überwiegende Finanzierung durch die dort genannten Stellen.

Als öffentliche Finanzierung sind nur solche Leistungen anzusehen, die kein Entgelt für eine spezifische Gegenleistung darstellen, sondern im Sinne einer Finanzierungshilfe die allgemeine Tätigkeit der Einrichtung finanzieren oder unterstützen (BeckOK VergabeR/Bungenberg/Schelhaas, 32. Ed. 1.2.2023, GWB § 99 Rn. 73 m.w.N. zur Rspr. des EuGH). Für diese Beurteilung ist es entgegen der Ansicht der Antragstellerin ohne Belang, wie sich die öffentliche Stelle, die die Zahlungen leistet, selbst finanziert.

Im Streitfall erzielt die Antragsgegnerin unstreitig ihre Einnahmen ganz überwiegend in Form von Erlösen aus Krankenhausleistungen, Wahlleistungen und ambulanten Leistungen (vgl. Anlage AG 3, Bl. 112 VergK-A). Auch soweit die Antragsgegnerin diese Zahlungen von gesetzlichen Krankenkassen oder anderen öffentlichen Stellen erhält, handelt es sich um keine öffentliche Finanzierung, sondern um Entgelte für spezifische Gegenleistungen für die Behandlung von Patienten. Daran ändert es nichts, dass nach dem maßgeblichen, gemäß § 17d KHG eingeführten Entgeltsystem (Pauschalierendes Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik - PEPP) die Entgelte auf der Grundlage der abzurechenden Behandlungstage und der für den jeweiligen Patienten maßgeblichen "Strukturkategorie" bestimmt werden. Diese Entgelte sind zwar pauschalierend gebildet, weil nicht der individuelle Kostenaufwand im Einzelfall (Arbeitsminuten für Ärzte und Pfleger, Materialkosten, Unterbringungskosten, etc.) ermittelt, sondern - nach der gesetzlichen Regelung - der unterschiedliche Aufwand der Behandlung bestimmter, medizinisch unterscheidbarer Patientengruppen berücksichtigt wird. Solche pauschalierenden Elemente, die auch bei Entgeltsystemen in anderen Bereichen üblich sind (z.B. bei der Anwaltsvergütung nach den Gebührentatbeständen im RVG-VV) ändern aber nichts daran, dass es sich um das Entgelt für eine spezifische Gegenleistung (die Behandlung der einzelnen Patienten) und nicht um eine Finanzierungshilfe (für das allgemeine Vorhalten des Krankenhauses) handelt.

Es ändert nichts an der Beurteilung, dass die Antragsgegnerin auch eine forensische Psychiatrie betreibt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Einnahmen, die sie hierfür bezieht, Entgelte im vorgenannten Sinn darstellen. Auch wenn es sich um eine Finanzierung im Sinne des § 99 Nr. 2 a) GWB handelte, überwögen jedenfalls die leistungsbezogenen Entgelte bezogen auf die Gesamteinnahmen erheblich.

2. Die Antragsgegnerin ist im Streitfall auch nicht öffentliche Auftraggeberin nach § 99 Nr. 4 GWB. Das Ressourcenmanagementsystem, das die Antragsgegnerin beschaffen will, ist keine Dienstleistung, die im Sinne dieser Regelung mit der Errichtung eines Krankenhauses in Verbindung steht.

a) Ein Dienstleistungsauftrag gilt nur dann als mit dem betreffenden Bauauftrag verbunden, wenn gerade zu dem Bauauftrag eine funktionale Verbindung besteht (BeckOK VergabeR/Bungenberg/Schelhaas, 32. Ed. 1.2.2023, GWB § 99 Rn. 111a). Ein alleinstehender Dienstleistungsauftrag fällt nicht unter den Anwendungsbereich des § 99 Nr. 4 GWB (aaO Rn. 111).

Im Streitfall steht die zu beschaffende Software in keinem funktionalen Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudes. Dafür genügt es - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - nicht, dass die Software allgemein dem Betrieb des vorhandenen Krankenhauses dient (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 19. März 2019 - Verg 3/19, juris Rn. 80 ff.).

b) Im Übrigen fallen auch überwiegend subventionierte Dienstleistungsaufträge, die mit einem Bauauftrag in Verbindung stehen, nur dann unter § 99 Nr. 4 GWB, wenn der Bauauftrag selbst überwiegend subventioniert ist (BeckOK VergabeR/Bungenberg/Schelhaas, 32. Ed. 1.2.2023, GWB § 99 Rn. 111). Dass es einen solchen überwiegend subventionierten Bauauftrag gibt, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

3. Schließlich wird der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen auch nicht dadurch eröffnet, dass sich die Antragsgegnerin durch die Nebenbestimmung Nr. 7 des Zuwendungsbescheides verpflichtet sah, die Regelungen des Vergaberechts zu beachten.

Dabei ist schon fraglich, ob diese Nebenbestimmung dahin zu verstehen ist, dass die Antragstellerin die Regelungen des öffentlichen Vergaberechts auch dann - in entsprechender Anwendung - einhalten soll, wenn das Vergaberecht mangels öffentlichen Auftrags gar nicht anzuwenden ist.

Jedenfalls würde aber eine Verpflichtung zur entsprechenden Anwendung des Vergaberechts nichts daran ändern, dass der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen nur bei öffentlichen Aufträgen eröffnet ist. Dies steht nicht zur Disposition des Sozialministeriums als Zuwendungsgeber. Auch eine etwaige Selbstbindung der Antragsgegnerin an Bestimmungen des Vergaberechts eröffneten diesen Rechtsweg nicht.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 175 Abs. 2, § 71 Satz 2 GWB.

2. Der Gegenstandswert beläuft sich gemäß § 50 Abs. 2 GKG auf 5 Prozent der Bruttoauftragssumme. Die Bruttoauftragssumme beträgt - einschließlich der von der Vergabekammer zutreffend mit 50 % des zusätzlichen Auftragswertes berücksichtigten Verlängerungsoption von 12 Monaten - insgesamt 450.223,34 € (s. S. 20 des Beschlusses der Vergabekammer).