Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 08.08.2024, Az.: 8 U 124/23

Rechtmäßigkeit von Beitragsanpassungen in einer privaten Krankenversicherung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
08.08.2024
Aktenzeichen
8 U 124/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 22345
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 25.04.2023 - AZ: 3 O 231/22

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juli 2024 durch die Vorsitzenden Richterinnen am Oberlandesgericht ... und ... sowie die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 25. April 2023 verkündete Teil-Versäumnis- und Schlussurteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 4.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Rechtsmittel des Klägers betrifft denjenigen Teil des landgerichtlichen Teil-Versäumnis- und Schlussurteils, mit dem die Klage teilweise abgewiesen worden ist (unechtes Teil-Versäumnisurteil). Die vom unechten Teil-Versäumnisurteil umfassten Klageanträge lassen sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, denn dieses enthält entgegen § 313 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Wiedergabe der gestellten Anträge. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 25. April 2023 (Bl. 310 f. d. A.) ergibt sich jedoch, dass der Kläger dort die Anträge aus dem Schriftsatz vom 3. April 2023 (Bl. 226 ff. d. A.) gestellt hat. Unter Berücksichtigung des mittels (echten) Teil-Versäumnisurteils zugesprochenen Teils der Klage sind mithin folgende Beitragsanpassungen Gegenstand des unechten Teil-Versäumnisurteils:

- in den Tarifen für K. H.

- im Tarif KHT 10,23 um 0,39 € zum 1. November 2016,

- im Tarif AZZPrePlus um 11,07 € zum 1. November 2016,

- im Tarif BZ20 um 0,12 € zum 1. November 2016,

- im Tarif BS20 um 0,06 € zum 1. November 2016,

- im Tarif BA20 um 11,18 € zum 1. November 2016,

- in den Tarifen für C. H.

- im Tarif KHTB 10,23 um 0,33 € zum 1. Juli 2014,

- im Tarif BS20 um 0,21 € zum 1. Juli 2014,

- im Tarif BA20 um 6,37 € zum 1. Juli 2014,

- im Tarif BZ20 um -0,01 € zum 1. Juli 2014,

- im Tarif KHTB 10,23 um 0,47 € zum 1. Juli 2019,

- im Tarif BA20 um 23,77 € zum 1. Juli 2019,

- im Tarif BZ20 um 3,28 € zum 1. Juli 2019,

- im Tarif BS20 um 7,50 € zum 1. Juli 2019.

Soweit der Kläger mit seinen Berufungsanträgen die erstinstanzlich gestellten Anträge auch insoweit wiederholt, als diesen seitens des Landgerichts stattgegeben worden ist, ist sein Berufungsbegehren dahin zu verstehen, dass er mit der vorliegenden Berufung seine Klageanträge, soweit sie vom Landgericht mittels unechten Teil-Versäumnisurteils vom 25. April 2023 abgewiesen worden sind, in vollem Umfang weiterverfolgt. Denn der Kläger hat erklärt, das Urteil (nur) im Umfang des Unterliegens anzugreifen (Bl. 322 d. A.).

Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz seinen Zahlungsantrag um die im Zeitraum November 2022 bis Oktober 2023 aufgelaufenen Beitragszahlungen erweitert, was auch die vom Landgericht ursprünglich mittels (echten) Teil-Versäumnisurteils für unwirksam erklärten Anpassungen betrifft, steht nunmehr aufgrund des rechtskräftigen landgerichtlichen Urteils vom 26. September 2023 (Bl. 367 ff. d. A.), mit welchem auch der verbleibende Teil der Klage abgewiesen worden ist, fest, dass die restlichen Beitragsanpassungen wirksam sind und dem Kläger somit keine Ansprüche auf Rückzahlung von Beitragsanteilen oder Herausgabe von Nutzungen aufgrund jener Anpassungen zustehen.

2. Die Zulässigkeit des im Berufungsrechtszug gegenständlichen unechten Teil-Versäumnisurteils kann nach den Umständen des Streitfalls offen bleiben. Wie auch sonst beim Teilurteil (§ 301 ZPO) darf auch im Falle eines echten Teil-Versäumnisurteils in Kombination mit einem unechten Teil-Versäumnisurteil nicht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bestehen; ein Teilurteil ist daher auch in dieser Konstellation unzulässig, wenn es eine Frage entscheidet, die sich im weiteren Verfahren über die anderen Ansprüche noch einmal stellt (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 5 U 567/07, OLGR Koblenz 2008, 163, juris Rn. 10, 13 f.). Eine etwaige Unzulässigkeit des unechten Teil-Versäumnisurteils wäre vorliegend aber jedenfalls durch die Rechtskraft der Entscheidung des Landgerichts über den verbleibenden Teil mit Urteil vom 26. September 2023 nachträglich geheilt worden. Damit wäre eine etwaige fehlerhafte Aufteilung der Verfahrensteile endgültig geworden, sodass der Senat über den bei ihm anhängigen Teil zu befinden hat (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 8. August 2012 - 5 U 116/12, MDR 2013, 269, juris Rn. 10; Musielak/Wolff in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl., § 301 Rn. 4a).

3. Die im vorliegenden Berufungsverfahren streitgegenständlichen Beitragsanpassungen sind sämtlich formell wirksam. Dem Kläger stehen deshalb aufgrund dieser Anpassungen unter formellen Gesichtspunkten keine Ansprüche auf Feststellung, Rückzahlung der auf die Erhöhungen geleisteten Beitragsanteile oder auf Herausgabe von Nutzungen zu.

Bei sämtlichen Beitragsanpassungen, die Gegenstand des unechten Teil-Versäumnisurteils sind, handelt es sich nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts nicht um Beitragsanpassungen im Sinne des § 203 VVG, sondern um Umgruppierungen (der mitversicherten Kinder des Klägers) in die nächsthöhere Altersgruppe. Dies erfolgte auf der Grundlage der Regelung in den Tarifbedingungen der HUK-Coburg-Krankenversicherung, Abs. 1 zu § 8 MB/KK 2009 (Anlage BLD 1-1, Anlagenband Beklagte), welche lautet:

"Die Beiträge für Kinder gelten bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres, die für Jugendliche bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres. Mit dem der Vollendung des 16. Lebensjahres folgenden Monat ist der dann gültige Jugendlichenbeitrag und mit dem der Vollendung des 21. Lebensjahres folgenden Monat der dann gültige Erwachsenenbeitrag des jeweiligen Geschlechts zu zahlen."

Gleichlautende Regelungen enthalten die Zusatzbedingungen für den Tarif KHT-B (Anlage BLD 1-4, Anlagenband Beklagte) in Ziffer II sowie die Zusatzbedingungen für die Krankheitskostenteilversicherung Teil III - Krankheitskostenteilversicherungstarif: AZZ PremiumPlus (Anlage BLD 1-5, Anlagenband Beklagte) in Ziffer V.

Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor, nachdem K. H. am ...1995 geboren ist und deshalb im ...2016 das 21. Lebensjahr vollendete; C. H. ist am ...1998 geboren und vollendete somit im ...2014 das 16. Lebensjahr und im ...2019 das 21. Lebensjahr. Hieraus erklären sich die streitgegenständlichen Umstufungen von K. H. zum ...2016 und von C. H. zum ... 2014 bzw. zum ...2019.

Unzutreffend meint der Kläger, der Versicherungsnehmer werde durch die - vom Kläger zudem fehlerhaft zitierte (Bl. 324 d. A.) - Vertragsklausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unangemessen benachteiligt. Vielmehr ergibt sich die grundsätzliche Zulässigkeit einer Prämienveränderung bei Erreichen eines anderen Lebensalters oder einer anderen Altersgruppe aus § 205 Abs. 3 VVG. Die Eingruppierung von Versicherten in die Altersgruppe der Kinder bzw. Jugendlichen ist in § 10 Abs. 3, 4 KVAV geregelt. Die dort aufgestellten Voraussetzungen hat die Beklagte eingehalten. Insbesondere dürfen gemäß § 10 Abs. 4 KVAV für Versicherte vor Vollendung des 21. Lebensjahres planmäßig steigende Prämien kalkuliert werden.

Dass und zu welchen Zeitpunkten die Prämien für Kinder und Jugendliche bei der Beklagten ansteigen, ist aus der Klausel in Abs. 1 der Tarifbedingungen zu § 8 MB/KK 2009 für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres zu ersehen. Soweit die Höhe der Prämie zwar bei Abschluss des Versicherungsvertrags in der seinerzeit aktuellen Altersgruppe des jeweiligen Versicherten feststeht, nicht aber schon die Prämienhöhe, die sich einige Jahre später aus einem Altersgruppensprung ergeben wird, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Denn aufgrund des gesetzlich vorgeschriebenen Mechanismus der Beitragskalkulation (§ 10 Abs. 1 KVAV) können die Beiträge jeweils nur aufgrund der aktuell erhobenen Rechnungsgrundlagen kalkuliert werden, was eine vorgreifende Kalkulation ausschließt. Diesen Besonderheiten in der privaten Krankenversicherung trägt die Klausel Rechnung (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 21. November 2022 - 8 U 1621/22, r + s 2023, 70, juris Rn. 15; OLG Köln, Urteil vom 29. April 2022 - 20 U 92/21, juris Rn. 61). Hier fällt auch ins Gewicht, dass der Versicherungsnehmer im Falle einer Beitragserhöhung aufgrund eines Altersgruppensprungs durch ein außerordentliches Kündigungsrecht aus § 205 Abs. 3 VVG geschützt ist.

4. Soweit der Kläger in materieller Hinsicht die Richtigkeit des Prüfverfahrens sämtlicher streitgegenständlicher Beitragsanpassungen infrage stellt, insbesondere in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Limitierungsmaßnahmen, verfängt dieser Einwand gegenüber den hier allein streitgegenständlichen Beitragsanpassungen aufgrund Altersgruppensprungs nicht. Denn da es sich bei der altersbedingten Umstufung gerade nicht um eine Beitragsanpassung im Sinne des § 203 Abs. 2 VVG handelt, gelten hierfür auch nicht die Voraussetzungen dieser Vorschrift, insbesondere nicht diejenigen des § 203 Abs. 2 Satz 4 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 2 VAG. Insofern findet auch nicht eine Prüfung durch einen Treuhänder und/oder eine Limitierung durch Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung statt, sondern die Änderung der Beiträge erfolgt ausschließlich auf der Grundlage des Erreichens des in den Tarifbedingungen festgelegten Lebensalters. Jedenfalls im weiteren Verlauf dürfte der Kläger von der Rüge der materiellen Rechtmäßigkeit auch Abstand genommen haben, denn nach dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 26. September 2023 hat er die Prämienanpassungen (lediglich) für formell unwirksam gehalten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Von der Zulassung der Revision hat der Senat abgesehen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

III.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren bemisst sich nach dem Umfang des auf die Klagabweisung im angefochtenen Teil-Versäumnis- und Schlussurteil entfallenden Berufungsbegehrens. Nach der Darstellung in der Berufungsbegründung (Bl. 315 ff. d. A.) entfallen auf die insoweit gegenständlichen Beitragsanpassungen insgesamt Zahlbeträge in Höhe von 2.520,80 €. Im Hinblick auf die begehrte Feststellung ist zu berücksichtigen, dass nur die Feststellungsanträge zu 1 einen eigenständigen Wert aufweisen, indem sie zukünftig fortbestehende Tarife betreffen. Insoweit ergibt sich ein Wert von (0,39 € + 11,07 € + 0,33 € + 0,47 € =) 12,26 € × 42 = 514,92 €. Bei dem Nutzungsherausgabeanspruch nebst Zinsen handelt es sich um nicht streitwertrelevante Nebenforderungen im Sinne des § 43 Abs. 1 GKG.