Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 28.05.2008, Az.: 9 U 184/07

Haftung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft wegen Vergabe eines ungesicherten Kredits an ein finanzschwaches Upstart-Unternehmen; Voraussetzungen für das Vorliegen einer Pflichtverletzung des Vorstandes wegen Nichtdurchführung eines Risikomanagementverfahrens über die Darlehensgewährung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.05.2008
Aktenzeichen
9 U 184/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 36979
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2008:0528.9U184.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - AZ: 3 O 314/05

Fundstellen

  • AG 2008, 711-713 (Volltext mit amtl. LS)
  • AR 2008, 146
  • DStR 2008, VIII Heft 34 (amtl. Leitsatz)
  • NZG 2008, 669-670 (amtl. Leitsatz)
  • OLGR Celle 2009, 180-182
  • WM 2008, 1745-1748 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZCG 2008, 276-277

Amtlicher Leitsatz

1. Der alleinvertretungsberechtigte Vorstand einer AG geht mit der Vergabe eines ungesicherten Kredits an ein finanzschwaches Upstart-Unternehmen als Vertragspartner der Gesellschaft kein unvertretbares Risiko ein, wenn der Kredit die Durchführung eines Kooperationsvertrages mit dem Vertragspartner ermöglichen soll, die Rechtsverhältnisse des Vertragspartners und die durchzuführenden Kooperationsprojekte vor Abschluss des Kooperationsvertrages im Hause der Konzernmutter geprüft worden sind und dabei der Sicherheitenstellung in dem gesondert abzuschließenden Darlehensannexvertrag keine Bedeutung zugemessen wurde.

2. Die Nichtdurchführung eines Risikomanagementverfahrens über die Darlehensgewährung an einen Vertragspartner stellt keine Pflichtverletzung des Vorstands dar, wenn ihm alle dabei ermittelbaren Informationen bekannt sind und es zur alleinigen Entscheidung über den Vertragsabschluss befugt ist.

3. Bei der Prüfung, ob ein Vorstand ein unvertretbares Risiko eingegangen ist, ist die unternehmensnahe Eigenbeurteilung des Gesamtvorstandes sowie der Aufsichtsratsmitglieder der Konzernmutter ein wesentliches Indiz.

In dem Rechtsstreit

P. ... AG ... in C.,

Klägerin und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte A. ... in H.,

gegen

G. K. ... in C.,

Beklagter und Berufungsbeklagter,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte P. ... in F.,

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. A. und Dr. St. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe hinsichtlich des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbracht hat.

Gründe

1

I. Der Beklagte war Vorstandsmitglied einer Rechtsvorgängerin der Klägerin. Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen des Vorwurfs, der Beklagte habe pflichtwidrig ein Darlehen gewährt.

2

Der Beklagte war zwischen 1999 und Juni 2004 Vorstandsmitglied für Finanzen der N. ... AG (N. AG), die im Jahre 2002 in die P. N. AG umfirmierte, dann durch formwechselnde Umwandlung zur P. N. GmbH (vormalige Klägerin) wurde, und letztlich mit der jetzigen Klägerin, der P. ... AG (P. AG) zum 31.10.2005 verschmolzen wurde. Im Herbst 2001 war der Beklagte ein allein vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der N. ... AG, einer damaligen 100 %-igen Tochtergesellschaft der jetzigen Klägerin.

3

Am 27.09.2001 schlossen die Klägerin, die N. ... AG und die I. ... GmbH einen notariellen Rahmen- und Kooperationsvertrag, in dem sich die I. ... GmbH für die Dauer von 3 Jahren zu Übertragung von bis zu 300 Standorten für die Errichtung von Windenergieanlagen an die N. ... AG verpflichtete. Als Gegenleistung sollte die I. ... GmbH bis zu 2 Mio. Aktien der Klägerin erhalten. Weiterhin sah dieser Vertrag den "unverzüglichen" Abschluss eines Darlehensvertrages zur Gewährung eines Darlehens durch die N. ... AG in Höhe von bis zu 15 Mio. DM an die I. ... GmbH vor.

4

Ebenfalls am 27.09.2001 unterzeichnete der Beklagte in seiner Eigenschaft als alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der N. ... AG in deren Namen mit der I. ... GmbH einen Darlehensvertrag, in dem sich die N. ... AG dazu verpflichtete, der I. ... GmbH zur Finanzierung ihres laufenden Geschäftsbetriebes ein Darlehen in Höhe von bis zu 15 Mio. DM mit einer Laufzeit bis zum 30.09.2004 und einer Verzinsung von 8 % p.a. zu gewähren. Eine Einräumung von Sicherheiten war in dem Vertrag nicht geregelt.

5

Am 02.10.2001 und am 02.04.2002 zahlte die N. ... AG in Anrechnung auf das Darlehen jeweils 2.556.459,41 € an die I. ... GmbH aus. Mit Schreiben vom 12.08.2003 kündigte die P. N. AG, vormals N. ... AG, beide Verträge und forderte die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 5.621.243,84 € als "aufgrund des Darlehensvertrages derzeit offener Betrag einschließlich Zinsen per heute". Die I. ... GmbH kam dieser Zahlungsaufforderung trotz Mahnung nicht nach. Am 30.04.2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. ... GmbH eröffnet.

6

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.08.2004 ist der Beklagte erfolglos zur Zahlung von 4.294.309,32 € incl. Zinsen zum 30.04.2004 aufgefordert worden. Zuvor war der Beklagte mit dem Vertrag vom 02.06.2004 unter Erteilung einer Ausgleichsquittung auch aus der P. ausgeschieden.

7

Wegen des weitergehenden erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der klagabweisenden Entscheidung des Landgerichts wird auf dessen Urteil Bezug genommen.

8

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin meint, auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Landgerichts sei ein mehrfach pflichtwidriges Verhalten des Beklagten anzunehmen, weil er sich vor der Darlehensvergabe nicht hinreichend informiert habe, das obligatorische Risikomanagementverfahren nicht beachtet habe, das Darlehen ohne die notwendigen Absicherungen gewährt und die Freigabe der Darlehenstranchen verfügt habe. In Einzelfragen sei die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht frei von Zweifeln.

9

Die Entscheidung BGHZ 135, 244, 253 f. gebe ein verantwortungsbewusstes, am Unternehmenswohl orientiertes unternehmerisches Handeln als Prüfungsziel vor. Das unternehmerische Handeln müsse auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhen, die Bereitschaft zur Eingehung unternehmerischer Risiken dürfe nicht in unverantwortlicher Weise überspannt werden und das Verhalten des Vorstands dürfe nicht aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten. Diese Grundsätze hätten teilweise Eingang in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG gefunden.

10

Der Beklagte habe Informationsfehler begangen, indem er sich nicht ausreichend über die Art des Darlehens, das Risiko des Darlehensnehmers und die übliche Ausgestaltung solcher Darlehen informiert habe. Wenn der Beklagte das vorgeschriebene Risikomanagementverfahren eingeleitet oder jedenfalls mit dem federführenden Gestalter des Rahmen- und Kooperationsvertrages, dem Rechtsanwalt B., eine Abstimmung vorgenommen hätte, wäre ihm mitgeteilt worden, dass Betriebsmittelkredite nicht ungesichert vergeben werden dürften und dass in der finanziellen Situation der Klägerin ein Darlehensvertrag ohne Sicherheiten oder sonstige Absicherungen ein unverantwortliches Risiko darstelle. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Klägerin und die N. ... AG kein Risikokapital hätten vergeben wollen, sondern einen Betriebsmittelkredit. Betriebsmittelkredite würden nach Aussage des Zeugen F. immer nur gegen Absicherung ausgegeben. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Darlehensnehmerin erst am 14.12.2000 mit dem Mindeststammkapital von 25.000,00 € gegründet worden sei und im Jahre 2001 fünf Projekte mit insgesamt sechs Windkraftanlagen verkauft habe. In der Laufzeit des Rahmen- und Kooperationsvertrages hätten 300 werthaltige Projekte entwickelt werden sollen, obwohl lediglich 12 feste Angestellte und 10 freie Mitarbeiter bei der Darlehensnehmerin zur Verfügung gestanden hätten. Das habe in einem alarmierenden Missverhältnis zu dem Darlehensbetrag von 15.000.000,00 DM gestanden. Zur Erfüllung der Informationspflichten könne der Beklagte nicht auf den Due Diligence Report vom 26.09.2001 verweisen. Dort seien keine finanziellen und wirtschaftlichen Risiken erörtert worden. Der Bericht habe nur die rechtlichen Verhältnisse der Darlehensnehmerin und ihrer Projekte erörtert. Ein Prüfbericht eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers sei zur Vorbereitung der Darlehensvergabe nicht in Auftrag gegeben worden. Die rechtliche Prüfung des Reports zeige, dass eine Reihe von Unsicherheiten mit Blick auf die Durchführbarkeit der angestrebten Projekte bestanden habe. Diese Probleme hätten jedoch schließlich zu einem Scheitern der Darlehensnehmerin geführt.

11

Der Beklagte habe das obligatorische Risikomanagementverfahren missachtet. Ihm sei im Bereich der organschaftlichen Treuebindung kein Ermessen eingeräumt gewesen. Die Notwendigkeit von Risikomanagementverfahren habe der Gesetzgeber in § 91 Abs. 2 AktG ausdrücklich niedergelegt. Das standardisierte und strukturelle Vorgehen habe die Arbeit bei Entwurf und Gestaltung eines Vertrages erleichtern und die Entstehung von Risiken weitestgehend ausschließen sollen. Der vom Landgericht angenommene enge zeitliche Rahmen könne den Beklagten nicht entlasten. In besonderen Fällen könne das Risikomanagementverfahren sehr kurzfristig durchgeführt werden. Vor dem Notartermin am 27.09.2001 müsse der Darlehensentwurf des Beklagten erstellt worden sein, weil der Beklagte einen ausgedruckten Entwurf vorgelegt habe. Der bereits unterzeichnete Rahmen- und Kooperationsvertrag habe lediglich eine unverzügliche, nicht aber eine sofortige oder gleichzeitige Unterzeichnung des Darlehensvertrages in Aussicht gestellt. Das Unterlassen der Einleitung des Risikomanagementverfahrens sei für die anderen Vorstandsmitglieder entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht erkennbar gewesen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass der Beklagte neben seinem Vorstandsposten bei der N. ... AG im Jahre 2001 gleichzeitig Finanzvorstand der Klägerin gewesen sei. Zum damaligen Zeitpunkt sei allen Beteiligten bewusst gewesen, dass die Darlehensvaluta von der Klägerin fließen sollte, weil die N. ... AG über keine Finanzmittel in Höhe der Zahlungsverpflichtungen verfügt habe. Bei der Klägerin seien die Vorstände lediglich zur Gesamtvertretung berechtigt gewesen. Die Beteiligung eines weiteren Vorstandsmitglieds könne nicht durch eine angeblich zustimmende Geste des Vorstandsmitglieds Dr. v. G. der Klägerin ersetzt werden. Überdies richte sich der Vorwurf nicht auf die Darlehensvergabe als solche, sondern auf die ungeeignete konkrete Ausgestaltung des Darlehensvertrages.

12

Die fehlerhafte Ausgestaltung des Darlehensvertrages stelle eine selbständige Pflichtverletzung dar. Ein Sicherungsbedürfnis der Klägerin und der N. ... AG sei in besonderem Maße gegeben gewesen, weil die Höhe der Darlehensvaluta für die Klägerin ein überdurchschnittlich hohes geschäftliches Engagement dargestellt habe und die Darlehensnehmerin ein noch sehr junges Unternehmen gewesen sei. Bedenken hätten sich auch daraus ergeben müssen, dass die Prognose für die weitere Geschäftsentwicklung von großer Unsicherheit geprägt war. Werthaltige Projekte in der hohen Zahl von 300 Objekten innerhalb von 3 Jahren zu entwickeln, habe für die Darlehensnehmerin eine besondere und unlösbare Herausforderung dargestellt. Der Rahmen- und Kooperationsvertrag habe nur begrenzte Vorgaben für den abzuschließenden Darlehensvertrag enthalten. Die Formulierung zum unverzüglichen Abschluss habe kein überstürztes Vorgehen gerechtfertigt. Die Auszahlung des Darlehens könne entsprechend der Zweckbindung als Betriebsmittelkredit an Bedarfs- und Erfolgsnachweise gebunden werden. Persönliche Sicherungsmittel wie eine Bürgschaft des Geschäftsführers der I. ... GmbH hätten vereinbart werden müssen. Insbesondere dadurch hätte ein Anreiz zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Darlehensvaluta gesetzt werden können, weil der Geschäftsführer 90 % des Unternehmens kontrolliert habe und die übrigen 10 % von seinem Bruder gehalten worden seien. Die von der I. ... GmbH erworbenen Anteile hätten als Sicherungsmittel zur Verfügung gestanden. § 7 des Rahmen- und Kooperationsvertrages habe einer Verpfändung nicht entgegengestanden. Weitere Absicherungen hätten in Form gestaffelter Auszahlungen und der Verknüpfung der Auszahlung an bestimmte Projekterfolge vereinbart werden müssen.

13

Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass der Beklagte auch dadurch pflichtwidrig gehandelt habe, dass er ohne Abstimmung mit dem Vorstand zwei Tranchen des Darlehens in erheblicher Höhe freigegeben habe, ohne die Abhängigkeit von den finanziellen Erfordernissen der I. ... GmbH und einer erfolgreichen Projektentwicklung zu prüfen. Die I. ... GmbH habe zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen, dass die Mittel tatsächlich für die Finanzierung des Geschäftsbetriebes oder den Erwerb werthaltiger Standorte erforderlich gewesen seien. Jedenfalls die zweite Darlehenstranche hätte nicht mehr ausgezahlt werden dürfen, als sich in der Geschäftsentwicklung abgezeichnet habe, dass die I. ... GmbH große Schwierigkeiten hatte, werthaltige Projekte zur Verfügung zu stellen.

14

Die Pflichtverletzung des Beklagten sei in der Folgezeit nicht geheilt worden. Die rechtlichen Anforderungen an den Erlass der Ersatzpflicht gem. § 93 Abs. 4 AktG seien hoch. Eine nachträgliche Sicherung der ausgezahlten Darlehensbeträge sei nicht möglich gewesen. Die I. ... GmbH habe vertragswidrig keine werthaltigen Projekte zur Verfügung gestellt. Die Feigabe nicht werthaltiger Projekte sei kein Indiz für ein mangelndes Sicherungsbedürfnis der Klägerin. Ein Anspruch auf nachträgliche Besicherung des Darlehens habe nach dem Darlehensvertrag nicht bestanden.

15

Der Beklagte habe fahrlässig gehandelt. Ein ungesichertes Darlehen in erheblicher Höhe ohne vorherige gehörige Prüfung der Sachlage zu vergeben, entspreche nicht dem Vorgehen eines pflichtbewussten selbständig tätigen Unternehmensleiters. Dasselbe gelte für die Freigabe der Darlehenstranchen ungeachtet der schlechten Erfahrungen mit der Darlehensnehmerin.

16

Die schuldhaften Pflichtverletzungen hätten zu einer unmittelbaren Schädigung der Klägerin geführt. Das infolge der außerordentlichen Kündigung vom 12.08.2003 fällig gestellte Darlehen samt Zinsen sei von der I. ... GmbH bis zum Tage der Berufungsbegründung nicht zurückgezahlt worden. Am 30.09.2004 sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. ... GmbH eröffnet worden, so dass von einer Rückführung des Darlehens nicht mehr ausgegangen werden könne. Der Schaden belaufe sich auf 4.294.309,32 € incl. Zinsen in Höhe von 8 % p.a. nach dem Stand vom 30.04.2004. Der Zinsanspruch ergebe sich aus Ziffer 3 des Darlehensvertrages vom 27.09.2001. Werthaltige und anrechenbare Windenergieprojekte in entsprechender Gesamthöhe stünden der Darlehensforderung nicht gegenüber.

17

Die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts seien hinsichtlich der Aussagen des Zeugen F. unzureichend. Die Aussagen seien widersprüchlich. Dementsprechend hätte das Landgericht Anlass gehabt, die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage und die Glaubwürdigkeit des Zeugen näher zu begründen. Unrichtig habe das Landgericht aufgrund der Aussage des Zeugen F. eine zustimmende Geste des Vorstandvorsitzenden Dr. v. G. angenommen, obwohl der Zeuge auf Vorhalt erklärt habe, er könne nicht mehr genau sagen, ob Dr. v. G. im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages anwesend gewesen sei. Unaufgeklärt geblieben sei zudem, dass entgegen der Aussage des Zeugen F. die Zahlungen nicht mittels einer Scheckübergabe, sondern im Wege einer Überweisung erfolgt seien. Daraus ließen sich erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Zeugenaussage ableiten.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stade vom 2. Oktober 2007 - Az. 3 O 314/05 - den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 4.294.309,32 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem Tag nach Rechtshängigkeit der Klage, Zug um Zug gegen Abtretung der aus dem zwischen der Klägerin in der I. GmbH, P., am 27. September 2001 geschlossenen Darlehensvertrag resultierenden Darlehensrückzahlungs- und Zinsansprüchen durch die Klägerin an den Beklagten.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

22

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und verneint eine Pflichtwidrigkeit unter Hinweis auf den grundsätzlich weiten unternehmerischen Ermessensspielraum des Vorstandes. Die Konzernmutter habe quasi die Firma I. ... übernommen, nachdem sie zuvor im Rahmen einer 14-tägigen Prüfung im Hause der I. ... einen Due Diligence Report habe erstellen lassen. In der Vorstandssitzung der Klägerin vom 12.09.2001 sei unter Ziffer 5 b des Protokolls auf die erhebliche Bedeutung der Übernahme der Projekte der I. ... GmbH und die Kooperation mit Herrn F. hingewiesen worden. Die Übernahme- bzw. Zusammenarbeitsentscheidung habe im Monat September 2001 getroffen werden müssen, weil Mitbewerber der Klägerin Herrn F. laut dessen Aussage bereits 20 bis 30 Mio. Euro angeboten hatten. Aus den Zahlen des Kooperationsvertrages ergebe sich, dass die Werthaltigkeit der Gesellschaft auch von der Klägerin mit eher 50.000.000,00 DM eingeschätzt worden sei. Herr F. habe mit seiner Zeugenaussage unterstrichen, dass eine namhafte Finanzierung bereitgestellt werden musste, um die erhebliche Ausweitung des bisherigen Geschäftes in Gang zu bringen. Die Differenzierung zwischen einer Finanzierung als Anschubfinanzierung und als Finanzierung für reine Betriebsmittel sei theoretischer Art. Von den als notwendig angesehenen 15.000.000,00 DM seien die Mitarbeiter und der Geschäftsbetrieb der I. ... sowie vertragliche Verpflichtungen gegenüber Grundstückseigentümern und auswärtigen Akquisiteuren beglichen worden. Sowohl der Zeuge G. als auch der Zeuge F. hätten in ihrer Aussage darauf hingewiesen, dass ohne die Mittel eine Zusammenarbeit in der vorgesehenen Art absolut unmöglich gewesen wäre.

23

In der Aufsichtsratssitzung vom 06.12.2001 habe allein das Mitglied B., das bei der Protokollierung am 27.2. nicht anwesend gewesen sei, nach dem Darlehen gefragt. Der Beklagte habe erläutert, dass das Darlehen ausschließlich mit den Projektkäufen verrechnet werden solle. Der wirtschaftliche Eigentümer der Klägerin und Aufsichtsratsvorsitzende N. P. habe ergänzt, dass auch er die Absicherung des Darlehens in dem Unternehmen I. ... selbst sehe. Daraufhin sei es zu einer Zustimmung des Aufsichtsrates gekommen. Daraus ergebe sich im Rückschluss, dass der bei der notariellen Protokollierung anwesende Herr P. über das eingegangene Risiko informiert und damit einverstanden gewesen sei, ohne irgendwelche nicht erbringbare zusätzliche Sicherungen für das Darlehen zu konzipieren.

24

Wenn das interne Risikomanagementverfahren für den Kooperationsvertrag durchgeführt worden sei, habe die Frage einer Darlehensbesicherung ein essentieller Bestandteil dieses Vertrages sein müssen, so wie die anderen klar umrissenen Einzelheiten des Darlehens bereits im Kooperationsvertrag statuiert wurden.

25

Der abzuschließende Darlehensvertrag sei eine reine Formsache für die Buchungsunterlagen gewesen.

26

Im Due Diligence Report sei am Ende zusammenfassend festgehalten worden, dass ungeachtet von Unsicherheiten bezüglich der Umsetzbarkeit generell bzw. der Durchführung in Einzelfragen keine gravierenden Bedenken hinsichtlich der Projekte bestanden hätten. Eine zusätzliche Risikominimierung sei dadurch betrieben worden, dass man Herrn F. in den Vorstand der Gesellschaft berufen habe, um die eng miteinander verflochtene Interessenlage zusätzlich zu betonen.

27

Die Durchführung eines Risikomanagementverfahrens hätte eine erhebliche Verzögerung bewirkt, wie allein die zahlreichen Formblätter zeigten. Ein etwaiges Verlangen nach weiteren Sicherheiten wären von Herrn F. in keiner Weise akzeptiert worden. Die wirtschaftliche Gesamtentscheidung hätte dann zu einer Ablehnung des Projekts geführt, was niemand gewollt habe.

28

Gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen F. könnten die Unsicherheiten über die Einzelheiten der Auszahlung, nämlich per Scheck oder durch Überweisung, nicht als Unglaubwürdigkeitsindiz angeführt werden.

29

Die Inanspruchnahme des Beklagten sei als reiner Vorwand anzusehen, um die D.-Versicherung in Anspruch nehmen zu können, wie in der Ladung zur Aufsichtsratssitzung vom 23.09.2003 thematisiert worden sei. Jedenfalls habe es an einem Verschulden des Beklagten gefehlt, wenn er ein formelles Risikomanagementverfahren nicht betrieben habe. Eine Torpedierung des Projekts durch das Verlangen nach Sicherheiten wäre dem Beklagten als Pflichtverletzung angekreidet worden.

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Der Klägerin sei kein Schaden erwachsen. Bereits im Anwaltsschreiben vom 05.11.2002 sei darauf hingewiesen worden, dass die gesamten Mittel betrieblich verwendet und ausschließlich in Windkraftprojekte investiert worden seien. Die fristlose Kündigung des Kooperationsvertrages und die Verweigerung weiterer Mittel seien rein unternehmerische Entscheidungen der Klägerin gewesen, die zwangsläufig die Insolvenz der I. ... GmbH zur Folge gehabt hätten; daraus resultiere die Abschreibung der noch offen stehenden Darlehensbeträge.

31

Der Zeuge F. habe ausgesagt, dass alle etwa 450 akquirierten Standorte der Klägerin übertragen oder angeboten wurden. Alles was mit den erhaltenen 10 Mio. DM an Werten und Gegenwerten erwirtschaftet worden sei, habe die Klägerin erhalten. Von den 1 Mio. Aktien seien 900.000 Stück wieder an die Klägerin zurückübertragen worden. Nur die übrigen 100.000 Aktien seien in den Betrieb der Firma eingebracht worden, weshalb nur 250.000,00 € an die I. ... geflossen seien.

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Der Klägerin sei möglicherweise sogar ein Vorteil dadurch entstanden, dass sie verschiedene Standorte im Insolvenzverfahren zu sehr viel günstigeren Konditionen vom Insolvenzverwalter erhalten habe.

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Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

34

II. Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet, weil der geltend gemachte Anspruch u. a. mangels Pflichtverletzungen des Beklagten nicht besteht.

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1. Haftungsgrundlage

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Als Grundlage eines Schadensersatzanspruchs kommt nur § 93 Abs. 1 AktG in der im Jahre 2001 geltenden Fassung, also vor dessen Änderung durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) im Jahre 2005, in Betracht. Zweck der Neuregelung durch Einfügung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG war es, die US-amerikanische Business Judgement Rule formell in das deutsche Aktienrecht zu übernehmen und dem Vorstand dadurch einen "sicheren Hafen" ohne Haftungsbefürchtungen für sich später als Fehlschlag erweisende unternehmerische Entscheidungen zu schaffen, soweit die Entscheidungen rechtlich nicht gebunden sind (GroßkommAktG/Hopt/M. Roth [Bearbeitung 2006]§ 93 Rdnr. 2 f., 8 f., 12, 48). Der Vorstand benötigt einen weiten Beurteilungsspielraum, um auch mit Risiken behaftete Geschäfte vornehmen zu können (MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, 2. Aufl., § 93 Rdnr. 24). In Anlehnung an diese Rule hat der BGH seit der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung (BGHZ 135, 244) die Rechtsfigur des unternehmerischen Ermessens ausgeformt (GroßKommAktG/Hopt/M. Roth § 93 Rdnr. 2). Deren Prüfkriterien sind daher auch auf die Konkretisierung des Pflichtengehalts nach § 93 Abs. 1 AktG in der im Jahre 2001 geltenden Fassung anwendbar. Es muss sich demgemäß um eine Entscheidung mit unternehmerischem Handlungsspielraum, also ohne rechtliche Bindung handeln, die (subjektiv) zum Wohl der vom Organ geleiteten Gesellschaft getroffen wird und die bei der Bereitschaft zum unternehmerischen Risiko nicht unvertretbare Grenzen überschreitet (GroßKommAktG/Hopt/M. Roth, § 93 Rdnrn. 16, 30, 33, 35; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer, AktG 2008, § 93 Rdnr. 10). Unvertretbar ist das Vorstandshandeln, wenn sich für einen Außenstehenden das Vorliegen eines Leitungsfehlers förmlich aufdrängt (MünchKommmAktG/Hefermehl/Spindler § 93 Rdnr. 24). Dafür kommt es auf die Marktlage des Unternehmens, seine Struktur, bestehende Geschäftschancen und Risiken und sonstige Umstände des Einzelfalles an (vgl. MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler § 93 Rdnr. 24). Der Vorstand ist verpflichtet, die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen, hat dabei aber die Reichweite der Ermittlung unter Abwägung von Kosten und Nutzen bei Einbeziehung der Eilbedürftigkeit der Entscheidung festzulegen (MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler § 93 Rdnr. 25; siehe ferner GroßKommAktG/Hopt/M. Roth § 93 Rdnr. 44 und 47). Fixpunkt der Pflichtenstellung ist die eigene Gesellschaft (GroßKommAktG/Hopt/M. Roth § 93 Rdnr. 29).

37

Für die Einhaltung der pflichtenbegründenden Merkmale trifft den Vorstand eine sekundäre Darlegungslast (GroßKommAktG/Hopt/M. Roth § 93 Rdnr. 68 f.). Ob ihn darüber hinaus sogar die primäre Darlegungslast und gleichlaufend die Beweislast trifft (so die ganz herrschende Meinung: BGHZ 152, 280, 283 [für die GmbH]; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler § 93 Rdnr. 86; GroßKommAktG/Hopt/M. Roth § 93 Rdnr. 66; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer § 93 Rdnr. 31), ist jedenfalls für die Rechtslage vor der gesetzlichen Neureglung des § 93 Abs. 1 AktG nicht zweifelsfrei, bedarf aber keiner Entscheidung im Streitfall.

38

2. Nichteinhaltung des Risikomanagementverfahrens als mögliche Pflichtverletzung

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a) Die Klägerin beruft sich auf ein Risikomanagementverfahren, das konzernweit eingeführt worden sein soll. Da es sich nur um einen faktischen Konzern handelte, handelte der Vorstand der N. ... AG unabhängig und frei von Weisungen der Konzernmutter (vgl. K. Schmidt/Lutter/Seibt § 76 Rdnr. 17). Ein formelles Risikomanagementverfahren war für die N. ... AG nicht beschlossen worden. Die Klägerin konnte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht einmal konkretisieren, welche Instanz für die Durchführung des Verfahrens formell zuständig sein sollte. Ob im übrigen das Risikomanagementverfahren im Konzern - abweichend von der Behauptung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung - ausnahmslos praktiziert worden ist, bedarf keiner Aufklärung.

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Allerdings könnte sich die Pflicht zur Praktizierung eines solchen Verfahrens aus § 91 Abs. 2 AktG ergeben. Welche Maßnahmen danach zu ergreifen sind, ist unternehmensspezifisch zu differenzieren. Nur für Kreditinstitute gilt nach § 25 a Abs. 1 S. 3 und 4 KWG eine detaillierte gesetzliche Regelung. Alleiniger Zweck ist die frühzeitige Erkennung von existenzgefährdenden Entwicklungen. Dazu hat die Klägerin nichts vorgetragen, obwohl der Beklagte auf die Verhältnismäßigkeit der vereinbarten Darlehensvaluta zur Größe des intendierten Windparkgeschäfts hingewiesen hat. Ein umfassendes Risikomanagementsystem muss auf der Grundlage des § 91 Abs. 2 AktG nicht eingeführt und praktiziert werden (MünchKomm AktG/Hefermehl/Spindler § 91 Rdnr. 15; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer § 91 Rdnr. 14).

41

b) Wenn man entgegen der Ansicht des Senats (s. vorstehend 2 a) eine Pflicht zur Beachtung eines Risikomanagementverfahrens annehmen wollte, würde dessen Missachtung nicht zum Ersatz des geltend gemachten Schadens führen. Verfahrensvorkehrungen zur Vermeidung eines Schadens dürfen bei unsicherem Ausgang des Verfahrens zwar nicht deren Schutzzweck zuwider durch nachträgliche Spekulationen über das mutmaßliche Verfahrensergebnis entwertet werden; ihre Missachtung begründet aber nur eine Beweislastumkehr, legt also nicht unverrückbar fest, wie das weitere Entscheidungsverhalten im Anschluss an die Verfahrensdurchführung ausgegangen wäre.

42

aa) Das Risikomanagementverfahren hätte dem Beklagten nur Informationen zur Beurteilung des Risikos liefern können, hätte ihn aber nicht hinsichtlich der anschließend alleinverantwortlich von ihm zu treffenden Entscheidung gebunden, ob er das Risiko für die von ihm vertretene Gesellschaft oder für die Konzernmutter, die die Darlehensvaluta zur Verfügung zu stellen hatte, eingehen sollte. Der Beklagte hätte also selbst dann den Darlehensvertrag wie geschehen unterzeichnen dürfen, wenn das Risikomanagementverfahren neue Informationen hätte liefern können.

43

Auf weitere bis dahin verborgene Informationen, die das Verfahren hätte aufdecken können, beruft sich selbst die Klägerin nicht. Dass die I. eine erst wenige Monate zuvor mit Mindeststammkapital gegründete GmbH war, war allen Beteiligten ebenso bekannt wie der Umstand, dass die I. über keinerlei Vermögenswerte verfügte, die Grundlage einer Realbesicherung hätten sein können. Dass in einer derartigen Situation allenfalls eine Personalsicherheit in Form einer Bürgschaftsverpflichtung des Gesellschafter-Geschäftsführers F. in Betracht kam, gehört zum allgemeinen Wissen und bedurfte nicht der Aufklärung durch ein Risikomanagementverfahren. Ob der Beklagte eine derartige Sicherheit verlangen wollte, war Teil der alleinigen Entscheidung des Beklagten, die sich an das Risikomanagementverfahren erst anschloss.

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bb) Die Klägerin hätte hinsichtlich des Kausalitätserfordernisses nachvollziehbar darlegen müssen, dass sie angesichts der von ihr verfolgten unternehmerischen Ziele, der Konkurrenzlage bei Eingehung der Kooperation, der Eilbedürftigkeit einer Auszahlung der ersten Tranche der Darlehensvaluta, die am 01.10.2001 erfolgt ist, und des Fehlens von Sicherungsmöglichkeiten der I. ... GmbH nach der Durchführung des Risikomanagementverfahrens entweder ganz auf die Kooperation verzichtet hätte oder welche den Valuta- und Zinsverlust vermeidenden Vertragsvorkehrungen sie getroffen hätte. Dazu hat die Klägerin trotz ausdrücklicher Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keinen konkreten Sachvortrag geliefert.

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Die Klägerin hat sich lediglich - wie bereits schriftsätzlich vorgetragen - darauf berufen, die Auszahlung der Valuta habe nach Höhe und Zeitpunkt dem nachzuprüfenden, auf die Zwecke des Kooperationsvertrages bezogenen wirtschaftlichen Bedarf der I. angepasst werden müssen, wofür eine Vorkehrung im Darlehensvertrag habe vorgesehen werden müssen.

46

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf ausdrückliches Befragen behauptet hat, die Klägerin hätte bei Durchführung des Risikomanagementverfahrens auf die Kooperation mit der I. verzichtet, ist darin ein der Verhandlungssituation angepasster und nicht durch Anhaltspunkte unterfütterter Sachvortrag zu sehen, dem der Senat angesichts entgegenstehender Indizien keinen Glauben schenkt. Dagegen spricht schon der Umstand, dass das Risikomanagementverfahren an der alleinigen Entscheidungszuständigkeit des Beklagten nichts geändert hätte, er sich also zum Abschluss des Darlehensvertrages mit dem konkreten Inhalt nicht hätte von dritter Seite ermächtigen lassen müssen. Als weiteres entgegenstehendes Indiz sieht der Senat den Umstand an, dass der Darlehensvertrag als von untergeordneter Bedeutung behandelt wurde, indem dieser Vertrag zwar in den für wesentlich erachteten inhaltlichen Komponenten zum Bestandteil des Kooperationsvertrages gemacht, die Frage der Sicherheitengewährung dort aber trotz der insoweit evident bestehenden Schwierigkeiten ausgeklammert wurde.

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cc) Wenn der Beklagte in der dargelegten Entscheidungssituation auf ein Risikomanagementverfahren verzichtete, lag darin jedenfalls kein unvertretbares Risiko.

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c) Sähe man im Unterbleiben eines zusätzlichen Risikomanagementverfahrens für den Darlehensvertrag eine schadensursächliche objektive Pflichtverletzung, wäre gleichwohl ein Verschulden zu verneinen. Angesichts der konkreten Prüfung des Kooperationsvertrages und der Durchführung einer Due Diligence für die I. ... GmbH sowie der positiven Entscheidung für eine Kooperation mit einem Upstart-Unternehmen trotz Zweifeln an der Werthaltigkeit der Gesamtheit der Projekte und trotz fehlender Vermögensausstattung und unter Berücksichtigung des allgemein erzeugten und vom Beklagten empfundenen Zeitdrucks, durfte der Beklagte davon ausgehen, dass eine zusätzliche isolierte Prüfung des Darlehensvertrages durch eine ihn in seiner Entscheidung nicht bindende Instanz nicht erforderlich war. Jedenfalls durfte er annehmen, dass er mit dem sofortigen Abschluss eines nicht weiter geprüften Darlehensvertrages kein unvertretbares Risiko einging, zumal die Klägerin den Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der I. in den Vorstand der Konzernmutter aufgenommen und dadurch ihr Vertrauen in dessen Person unterstrichen hatte, nachdem sie zuvor auch die Alternative einer stärkeren Eingliederung der I. in den Konzern erwogen hatte.

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3. Nichtvereinbarung der Bestellung von Sicherheiten als Pflichtverletzung

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a) Da die I. ... GmbH selbst keine zur Sicherheitenstellung geeigneten Vermögenswerte besaß, wäre nur die Übernahme einer Bürgschaft durch die Gesellschafter der I. in Betracht gekommen. Aus der Zeugenaussage des Hauptgesellschafters F., Sicherheiten seien nicht vorhanden gewesen, ergibt sich zwanglos der Schluss, dass er zur Eingehung einer Bürgschaft nicht bereit war, was angesichts der vorherigen Gründung einer GmbH mit Mindeststammkapital und eines geplanten Darlehensvolumens von 15 Mio. DM auch der Lebenserfahrung entspricht.

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b) Jedenfalls liegt in der ungesicherten Darlehensvergabe unter den konkreten Umständen (zuvor 3 a) kein unvertretbares Risiko. Der Senat stützt seine Beurteilung der Vertretbarkeit auf die unternehmensnahe Eigenbeurteilung der Aufsichtsratsmitglieder der Klägerin, darunter ihres Vorsitzenden und wirtschaftlichen Eigentümers sowie ihres stellvertretenden Vorsitzenden und heutigen Vorstandes.

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Die Sicht des Aufsichtsrates ist dem Protokoll der Sitzung vom 06.12.2001 zu TOP 2 zu entnehmen. In dieser Sitzung ist die fehlende Sicherheitenbestellung ausdrücklich erörtert worden, ohne dass das Fehlen gerügt worden ist. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat vielmehr dezidiert gesagt, er sehe die Absicherung des Darlehens in dem Unternehmen selbst. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende war ebenfalls der Ansicht, dass die Bonität von I. gewährleistet und eine zusätzliche Besicherung nicht notwendig sei.

53

Indirekt ergibt sich die später fortdauernde positive Beurteilung des Darlehensvertrages auch daraus, dass dem Beklagten bei Beendigung seines Vertrages als Finanzvorstand der Muttergesellschaft am 02.06.2004 eine Ausgleichsquittung erteilt wurde, obwohl bereits am 12.08.2003 der Kooperationsvertrag mit der I. aus wichtigem Grund gekündigt worden war und der Zusammenbruch der I. mit Folgen für die mangelnde Realisierbarkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.04.2004 feststand. Die Würdigung der Quittung unter dem Gesichtspunkt eines - rechtlich nicht möglichen - Haftungsverzichts wird dem Sachvortrag des Beklagten nicht gerecht. Ein Vorstand, der nach Meinung des sachnah urteilenden Gesamtvorstandes und des Aufsichtsrates ein unvertretbares Risiko zu Lasten der Gesellschaft eingegangen ist, erhält typischerweise keine derartige Ausgleichsquittung. Die Klägerin hat zu einem entsprechenden Vorhalt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine entkräftende Stellungnahme abgegeben.

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4. Zeitpunkt und Höhe der Darlehensvalutierung

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Eine Pflichtverletzung stellt es auch nicht dar, dass der Beklagte die zweite Tranche des Darlehens genau sechs Monate nach Auszahlung der ersten Tranche freigegeben hat. Abgesehen von einer fortbestehenden vertraglichen Verpflichtung zur Darlehensvalutierung waren zu diesem Zeitpunkt nach eigener Ansicht der Klägerin offenbar keine Zweifel am unternehmerischen Konzept der I. und deren Bonität erkennbar, obwohl die Klägerin nach ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat über ausreichende eigene Beurteilungsfähigkeiten im Windparkgeschäft verfügte. Hätte die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt Zweifel an der I. und dem in den eigenen Vorstand aufgenommenen Gesellschafter-Geschäftsführer der I. gehegt, hätte sie den später aus wichtigem Grund gekündigten Kooperationsvertrag nicht noch mehr als 16 Monate fortbestehen lassen. Dabei ist abrundend zu berücksichtigen, dass der gewährte Kredit nach dem Vorbringen des Beklagten, dem die Klägerin nur vage entgegengetreten ist, nur für betriebliche Zwecke der I., nämlich für die Entwicklung von Windkraftprojekten entsprechend den Vorgaben des Kooperationsvertrages, verwendet wurde.

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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.