Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 06.11.2017, Az.: 4 A 3645/15

einfacher Bebauungsplan; Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans; Wetterradar; Windenergie

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
06.11.2017
Aktenzeichen
4 A 3645/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54053
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Funktionslosigkeit eines einfachen Bebauungsplanes.

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zu erteilten, wonach die Errichtung und der Betrieb von vier Windenergieanlagen auf den Flurstücken 17, 20 und 34 der Flur 8, Gemarkung Neuwarmbüchen, immissionsschutzrechtlich und bauplanungsrechtlich zulässig ist. Der Bescheid der Beklagten vom 13.11.2014 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12.06.2015 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung von vier Windenergieanlagen - WEA - im Gebiet der Beklagten.

Unter dem 17.07.12 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von vier WEA des Typs Enercon E-53 mit einer Gesamthöhe von 99,5 m auf den Flurstücken 17, 20 und 34 der Flur 8, Gemarkung Neuwarmbüchen. Der vorgesehene Standort liegt etwa 14,2 km östlich des Flughafens Hannover-Langenhagen, auf dessen Gelände die Beigeladene durch den Deutschen Wetterdienst - DWD - eine Wetterradaranlage betreibt.

Der seit 2005 rechtsverbindliche Bebauungsplans Nr. 4/176 „Windkraftanlagen“ der Gemeinde F. weist für den Vorhabenstandort zwei Sondergebiete für WEA aus. Pkt. 2 seiner textlichen Festsetzungen setzt Obergrenzen für flächenbezogene Schallleistungspegel fest, PKt. 3.1 begrenzt die Anlagenhöhe auf 100 m. Am Planaufstellungsverfahren beteiligte sich der DWD nicht.

Im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens erhob der DWD Einwände gegen das Vorhaben: Die geplanten WEA lägen sämtlich innerhalb des Schutzbereichs von 15 km rund um seine Wetterradaranlage. Deren Betrieb werde durch die von den WEA hervorgerufenen Abschattungen und Fehlechos erheblich gestört.

Mit Bescheid vom 13.11.14 lehnte die Beklagte den Genehmigungsantrag der Klägerin ab. Das Vorhaben störe die Funktionsfähigkeit der vom DWD betriebenen Wetterradaranlage erheblich. Ihm stehe daher der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB entgegen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.15 zurück.

Am 15.07.15 hat die Klägerin Klage erhoben, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet: Das von ihr in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten der Airbus Defence und Space GmbH vom 13.10.17 belege, dass eine rechtserhebliche „Störung der Funktionsfähigkeit“ i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB nicht gegeben sei. Zwar werde die Radarmessung im untersten Elevationswinkel des Volumenscans örtlich begrenzt beeinflusst. Diese Einflüsse seien durch die lokale Beschränkung aus radartechnischer Sicht jedoch nicht so gravierend, dass sie praxisrelevante Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung des DWD hätten. Es sei ohne weiteres möglich, die in der hier relevanten Entfernung allenfalls schwachen Störsignale der WEA auszublenden. Im Übrigen sei ihr Vorhaben nach den Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans Nr. 4/176 zulässig.

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.11.14 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12.06.15 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr nach Vorlage des mit der unteren Naturschutzbehörde abgestimmten geänderten landschaftspflegerischen Begleitplans die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der vier Windenergieanlagen auf den Flurstücken 17, 20 und 34 der Flur 8 der Gemarkung Neuwarmbüchen gemäß dem Antrag der Klägerin vom 17.07.12 zu erteilen.

hilfsweise,

ihr einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid bezogen auf die bauplanungsrechtliche und immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von vier Windenergieanlagen auf den Flurstücken 17, 20 und 34 der Flur 8 der Gemarkung Neuwarmbüchen zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die ablehnenden Bescheide und führt ergänzend aus: Die Zulässigkeit des Vorhabens richte sich zumindest ergänzend nach § 35 BauGB, weil es im Geltungsbereich eines „nur“ einfachen Bebauungsplans liege, bei dessen Aufstellung die Belange des DWD nicht berücksichtigt worden seien. Zudem sollten die geplanten WEA außerhalb der regionalplanerischen Vorranggebiete des Regionalen Raumordnungsprogramm 2016 - RROP 2016 -verwirklicht werden. In Bezug auf den Bebauungsplan bestehe daher eine Anpassungspflicht. Schließlich sei der Genehmigungsantrag nicht bescheidungsreif, weil der erforderliche landschaftspflegerische Begleitplan fehle. Auch die bereits eingereichten immissionsschutzfachlichen Unterlagen müssten aufgrund des Zeitablaufs seit Antragstellung und der geänderten Anforderungen überarbeitet werden.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Sie geht von einer erheblichen Störung ihrer Wetterradaranlage aus, da die WEA im 15 km-Schutzradius geplant seien und bis zu 47 m in den untersten Volumenscan der Anlage hineinragten. Wegen der von den WEA hervorgerufenen Fehlechos und Abschattungen könnten meteorologische Phänomene nicht mit ausreichender Sicherheit korrekt erfasst und qualifiziert werden. Eine unverfälschte Datenerfassung sei jedoch gerade für den Betrieb des Flughafens Hannover-Langenhagen von besonderer Relevanz, weil die erhobenen Daten u.a. die Basis für Echtzeit-Flugwetterdaten und Wetterwarnungen im unmittelbaren Bereich des Flughafens lieferten. Mit der Errichtung und Inbetriebnahme der geplanten WEA seien erhebliche Auswirkungen auf das Flugverkehrsmanagement, die Flughafenkapazität und die Arbeitssicherheit auf dem Vorfeld des Flughafens verbunden. Ihren Aufgaben und Pflichten zum Schutz der Bevölkerung könnte sie dann nicht mehr in ausreichendem Maße nachkommen. Schließlich sei die Klägerin aufgrund der „zeitlichen Priorität“ des Wetterradars zur besonderen Rücksichtnahme verpflichtet. Auch die Ortsgebundenheit des Wetterradars spreche für ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an dessen ungestörter Funktionsfähigkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Soweit die Klägerin mit ihrem Hauptantrag begehrt, ihr nach Vorlage des mit der unteren Naturschutzbehörde abgestimmten geänderten landschaftspflegerischen Begleitplans die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, hat die Klage keinen Erfolg. Eine derartige Verpflichtung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das Gericht den Inhalt des landschaftspflegerischen Begleitplans nicht kennt. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kann daher nicht abschließend beurteilt werden, ob die begehrte Genehmigung unter der aufschiebenden Bedingung erteilt werden kann, dass der landschaftspflegerische Begleitplan durch die Klägerin nachgereicht wird.

Der Hilfsantrag ist zulässig. In dem erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids sieht die Kammer eine sachdienliche Klageänderung i. S. d. § 91 Abs. 1 VwGO. Die Beklagte hat dem nicht widersprochen.

Der Hilfsantrag hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung des begehrten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides. Der Bescheid der Beklagten vom 13.11.14 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.15 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Gem. § 9 Abs. 1 BImSchG soll auf Antrag durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage entschieden werden, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides besteht. Die geplanten WEA mit einer Gesamthöhe von jeweils 99,5 m bedürfen nach § 4 Abs. 1 BImSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV und Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Zu den Genehmigungsvoraussetzungen gehört nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG u. a., dass andere öffentlich-rechtliche Vorschriften - hier insbesondere die bauplanungsrechtlichen Anforderungen der §§ 29 ff. BauGB - der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

In bauplanungsrechtlicher Hinsicht richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 30 Abs. 3 BauGB. Danach ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans zulässig, wenn es - soweit der Bebauungsplan Festsetzungen enthält - diesen Festsetzungen nicht widerspricht. Lediglich ergänzend - d.h. soweit keine Festsetzungen vorhanden sind - sind die Bestimmungen der §§ 34 oder 35 BauGB heranzuziehen (so BVerwG, Bes. v. 08.06.16 - 4 B 14/16 -, Juris). Beim Bebauungsplan Nr. 4/176 „Windkraftanlagen“ der Gemeinde F. handelt es sich um einen einfachen Bebauungsplan, weil er weder überbaubare Grundstücksflächen noch örtliche Verkehrsflächen festsetzt, § 30 Abs. 1 BauGB. Der Plan enthält jedoch Festsetzungen zur Art und zum Maß der baulichen Nutzung: So setzt er zwei Sondergebiete für Windenergie i. S. d. § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO fest. Diese Festsetzung gehört bereits wegen der Verortung des § 11 BauNVO im1. Abschnitt der BauNVO („Art der baulichen Nutzung“) zu den Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung. Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung enthält der Plan in seinen textlichen Festsetzungen, indem er die Höhe der Anlagen auf 100 m begrenzt, § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO. Diesen Vorgaben des Bebauungsplanes widersprich das Vorhaben der Klägerin nicht. Es ist somit planungsrechtlich zulässig, ohne dass es darauf ankäme, ob bei seiner Verwirklichung Belange des   § 35 Abs. 3 Nr. 8 BauGB beeinträchtigt sein könnten. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten bleibt hinsichtlich der im Bebauungsplan Nr. 4/176 ganz konkret festgesetzten Art der baulichen Nutzung (Windenergie) für einen Rückgriff auf § 35 BauGB und damit auch auf § 35 Abs. 3 Nr. 8 BauGB kein Raum (vgl. BVerwG, Bes. v. 08.06.16, a. a. O.).

Der Bebauungsplan Nr. 4/176 der Gemeinde F. erweist sich nach Auffassung der Kammer weder als unwirksam (dazu unter 1.) noch als funktionslos (dazu unter 2.).

1. Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, dass die von der Klägerin geplanten WEA an Standorten errichtet werden sollen, die sich außerhalb der vom RROP 2016 festgelegten Vorranggebiete für Windenergie befinden. Diese Diskrepanz führt allein nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Zwar setzt sich die Zielfestsetzung eines Regionalplans als Bestandteil der übergeordneten Planung gegenüber einem zielwidrig gewordenen Bebauungsplan durch und verpflichtet betroffene Gemeinden, ihre Bauleitplanung nach § 1 Abs. 4 BauGB inhaltlich durch Änderung oder Aufhebung ihrer bestehenden Bauleitpläne anzupassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.09.13 - 4 C 14.01 -, Juris). Diese Anpassungspflicht an die Ziele der Raumordnung zieht jedoch nicht automatisch die Unwirksamkeit des Bebauungsplans nach sich. Schon der Umstand, dass § 1 Abs. 4 BauGB ausdrücklich eine Anpassungspflicht normiert, zeigt, dass ein Bauleitplan nicht gleich mit dem Inkrafttreten des entgegenstehenden Regionalplans außer Kraft tritt. Er gilt vielmehr solange - vorläufig - fort, bis eine Korrektur durch eine entsprechende Planung der Gemeinde erfolgt ist. Das Anpassungsgebot enthält eine Handlungsverpflichtung für den Satzungsgeber und setzt damit voraus, dass zunächst (noch) eine gültige Satzung besteht, die angepasst werden kann. Für ein vorläufiges Fortgelten des Bebauungsplans spricht auch die unterschiedliche Zwecksetzung der verschiedenen Planungsebenen. Regionalpläne sind als Ziele der Landesplanung zur Steuerung der großräumigen Entwicklung angelegt und bedürfen einer konkretisierenden Umsetzung durch detailgenaue, unmittelbar geltende Bebauungspläne. Ein Wegfall gemeindlicher Pläne bei Inkrafttreten entgegenstehender Zielfestsetzungen eines später veröffentlichten Regionalplans wäre schon deshalb bedenklich, weil er auf der konkreten und unmittelbar geltenden Planungsebene ein Vakuum hinterließe (vgl. HessVGH, Bes. v. 10.09.09 - 4 B 2068/09 -; OVG Lüneburg, Urt. v. 16.06.82 - 1 A 194/80 -, jeweils Juris; Schrödter, BauGB, 8. Auflage 2015, § 1 Rn. 126 ff.).

Im Übrigen wäre der Gemeinde für eine Anpassung auch ein „angemessener Zeitraum“ einzuräumen, innerhalb derer sie z.B. die Rechtmäßigkeit des neuen Ziels der Raumordnung und die Auswirkungen auf bestehende Baurechte in ihrem Zuständigkeitsbereich überprüfen kann (vgl. Schrödter, aaO, § 1 Rn. 138). Nach Auffassung der Kammer ist dieser angemessene Prüfzeitraum für die Gemeinde F. noch nicht abgelaufen, da das RROP 2016 erst am 10.08.17 in Kraft getreten ist. Bereits aufgrund dieses zeitlichen Aspekts ist eine Anpassungspflicht noch nicht entstanden.

Darüber hinaus bezweifelt die Kammer, ob das 2016 aufgestellte RROP überhaupt eine Anpassung des Bebauungsplanes Nr. 4/176 der Gemeinde F. erfordert. Nach den Vorgaben der Regionalplanung sollen raumbedeutsame WEA außerhalb der im RROP 2016 festgelegten Vorranggebiete zwar grundsätzlich unzulässig sein (so Pkt. 4.2.3 der Begründung zum RROP 2016). Für den streitbefangenen Standort trifft das Programm jedoch eine Sonderregelung: Im Anhang zu Pkt. 4.2.3 (Arbeitsblätter Windenergie) wird festgestellt, dass der rechtskräftige Bebauungsplan Nr. 4/ 176 „Windkraftanlagen“ der Ausschlusswirkung des RROP 2016 gerade nicht unterliegt. Entsprechend der festgesetzten Art der baulichen Nutzung soll in seinem Geltungsbereich die Errichtung von WEA weiterhin zulässig sein.

Die Unwirksamkeit des Bebauungsplans ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der DWD im 2004/2005 durchgeführten Planaufstellungsverfahren nicht beteiligt worden ist. Denn eine derartige Beteiligung war nach übereinstimmender Ansicht der Verfahrensbeteiligten zum Zeitpunkt der Planaufstellung noch nicht angezeigt. Ein Schutzradius von 15 km rund um Wetterradaranlagen wurde zu dieser Zeit nämlich noch nicht gefordert. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind jedoch nur diejenigen Behörden und Träger öffentlicher Belange zu beteiligen, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann. Damit liegt schon kein Verfahrensfehler vor, der die Unwirksamkeit des Bebauungsplans i. S. d. § 214 BauGB und damit die Anwendung des § 35 Abs. 3 Nr. 8 BauGB rechtfertigen könnte. Nach Bekanntwerden der vorliegenden Problematik hätte es vielmehr an der Gemeinde gelegen, die Berechtigung des Bebauungsplans zu überprüfen und - bei Bedarf - ggf. ein Aufhebungsverfahren einzuleiten.

2. Die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 4/176 zur Art der baulichen Nutzung sind auch nicht wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Eine bauplanungsrechtliche Festsetzung tritt wegen Funktionslosigkeit erst dann außer Kraft, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Festsetzung überhaupt noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.77 - IV C 39.75 -; BVerwG, Bes. v. 09.10.03 - 4 B 85/03 -; BayVGH, Bes. v. 09.09.13 - 2 ZB 12.1544 -, jeweils Juris). Bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit eines Plans führen nicht zu seiner Funktionslosigkeit. Vielmehr muss ihm - in Anlehnung an die zu § 44 VwVfG ergangene Rechtsprechung - die fehlende Verwirklichungsfähigkeit gleichsam „auf der Stirn“ geschrieben sein. Allein diese Offensichtlichkeit rechtfertigt es, auf die Durchführung eines förmlichen Aufhebungsverfahrens zu verzichten (vgl. OVG Münster, Urt. v. 16.06.16 - 8 D 99/13.AK -, Juris).

Ausgehend von diesen Vorgaben sieht die Kammer die zentrale Festsetzung des Bebauungsplanes Nr. 4/ 176 zur Art der baulichen Nutzung nicht als funktionslos an.

Die Kammer bezweifelt bereits, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse seit Inkrafttreten des Bebauungsplanes im Jahr 2005 überhaupt verändert haben. Der Planbereich ist nach wie vor unbebaut und auch am Betrieb der Wetterradaranlage auf dem Flughafen Langenhagen hat sich seit 2005 nichts geändert. Verändert hat sich allenfalls die Bewertung möglicher Störwirkungen, die von WEA auf Wetterradaranlagen ausgehen können. So wurde der DWD - nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten zu Recht - am Planungsverfahren nicht als Träger öffentlicher Belange beteiligt, weil seine Radaranlage immerhin 14,2 km vom Plangebiet entfernt liegt. Erst seit jüngerer Zeit fordert der DWD in Anlehnung an die Vorgaben und Empfehlungen der Weltorganisation für Meteorologie (eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen) vom September 2010 (Beschluss auf der 15. Sitzung der „Commission for Instruments and Methods of Observations, www.wmo.int/pages/prog/www/IMOP/reports.html) einen Schutzradius von 15 km rund um seine Wetterradaranlagen, der von WEA grundsätzlich freizuhalten sei. Innerhalb dieser Zone sei die Beeinträchtigung durch WEA regelmäßig erheblich. Dieses Umdenken des DWD in Richtung auf einen allgemeinen Vorsorgeabstand stellt indes keine Veränderung tatsächlicher Verhältnisse dar. Zum einen sind die Vorgaben und Empfehlungen der Weltorganisation für Meteorologie rechtlich nicht verbindlich (so BayVGH, Urt. v. 18.09.15 - 22 B 14.1263 -, Juris). Zum anderen war es 2005 und ist es heute selbst aus Sicht des DWD möglich, dass außerhalb des 15 km Radius gelegene WEA ein Wetterradar erheblich stören oder innerhalb des Radius gelegene WEA derartige Störungen nicht nach sich ziehen.

Jedenfalls ist die fehlende Verwirklichungsfähigkeit der Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung dem Bebauungsplan Nr. 4/176 nicht gleichsam „auf die Stirn“ geschrieben. Denn es ist nicht offensichtlich, dass die Errichtung von WEA im Plangebiet zwangsläufig zu erheblichen Störungen der Wetterradaranlage des DWD führt.

Hinsichtlich der Störeinflüsse von WEA auf die Funktionsfähigkeit von Wetterradaren nimmt die Kammer zunächst Bezug auf die ausführliche Darstellung in der Entscheidung des BayVGH vom 18.09.15 (22 B 14.1263 -, Juris). Die Errichtung von WEA in den Sondergebieten des Bebauungsplans Nr. 4 /176 wird nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten die Wetterradaranlage durch Abschattungen und Fehlechos beeinträchtigen. Heftig umstritten ist jedoch, ob diese Beeinträchtigung auch zu einer rechtserheblichen Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage führt; ob die Wetterradaranlage also technisch derart nachteilig beeinflusst werden wird, dass die Erzielung der - im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung des DWD - erwünschten Ergebnisse verhindert, verschlechtert, verzögert oder spürbar erschwert wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.09.16 - 4 C 6/15 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.01.16 - 8 A 10535/15 - jeweils Juris; BayVGH, Urt. v. 18.09.15, a. a. O.). Hierzu legt die Klägerin ein Sachverständigengutachten der Airbus Defence und Space GmbH vom 13.10.17 vor, wonach die hier lediglich vorliegende Beeinflussung des unteren Volumenscans nicht zu praxisrelevanten Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung des DWD führe. Durch die WEA verursachte Fehler der Radarmessung könnten durch Interpolation mit unbeeinflussten Messdaten aus der unmittelbaren Umgebung ausgeglichen werden. Dieser Darstellung widerspricht der DWD in seiner sachverständigen Stellungnahme vom 27.10.17 vehement: Er zieht sämtliche Ausgangspunkte des Airbus-Gutachtens in Zweifel und bezeichnet die zu erwartenden Störungen gerade im Hinblick auf den Flugverkehr am Flughafen Langenhagen als „empfindlich“.

Angesichts dieses Sachverständigenstreits sieht die Kammer die Frage als offen an, ob von im Plangebiet errichteten WEA tatsächlich rechtserhebliche Störungen für die Wetterradaranlage ausgehen können. Sie muss dieser Frage im vorliegenden Verfahren aber nicht weiter nachgehen. Denn es ist jedenfalls nicht offensichtlich, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 4/176 auf unabsehbare Zeit nicht - auch nicht unter evtl. Beifügung von Nebenbestimmungen - verwirklicht werden können. Dies gilt umso mehr, als nach den zu § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen (BVerwG, Urteil v. 22.09.16; BayVGH, Urt. v. 18.09.15; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.01.16, jeweils a. a. O.) das Vorliegen einer rechtserheblichen Störung in der Regel ausgeschlossen werden kann, wenn wie hier lediglich der untere Volumenscan der Radarerkennung betroffen ist.

Ist die Verwirklichung der Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 4/176 somit nicht offensichtlich von vornherein ausgeschlossen, darf die Klägerin auf die Fortgeltung dieser Festsetzungen berechtigterweise vertrauen; zumindest so lange, bis die Gemeinde F. u. U. im Hinblick auf die aufgezeigte Problematik eine Abänderung des Bebauungsplans Nr. 4/176 beschließt oder diesen aufhebt.

Sonstige Gründe, die der Erteilung des Vorbescheides entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass durch den Betrieb der WEA die im Bebauungsplan festgesetzten Lärmgrenzwerte überschritten würden. Diesem könnte im Übrigen im Genehmigungsverfahren durch Nebenbestimmungen begegnet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Klägerin lediglich in geringem Umfang unterliegt, entspricht es der Billigkeit, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.