Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.08.2007, Az.: 15 K 30254/06
Berücksichtigungsfähigkeit von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung des Jahres 2005 als vorweggenommene Werbungskosten bzw. Sonderausgaben; Verfassungsrechtliche Beurteilung der beschränkten steuerlichen Abziehbarkeit der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und deren Zuweisung zu den Sonderausgaben; Vorrangige Anwendung des § 10 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) auf die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung; Beurteilung der beschränkten Abziehbarkeit von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf eine Verletzung des objektiven und des subjektiven Nettoprinzips; Minderung der Versorgungsaufwendungen um den gesamten steuerfreien Arbeitgeberanteil als sachgerechte Gleichstellung mit den die Rentenversicherungsbeiträge allein tragenden Steuerpflichtigen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.08.2007
- Aktenzeichen
- 15 K 30254/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 49509
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2007:0828.15K30254.06.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 18.11.2009 - AZ: X R 34/07
Rechtsgrundlagen
- § 10 Abs. 1 EStG 2005
- § 10 Abs. 3 EStG 2005
Fundstellen
- AuA 2008, 741 (Kurzinformation)
- DStR 2008, VIII Heft 42 (Kurzinformation)
- DStRE 2008, 1372-1374 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 2007, X Heft 50 (amtl. Leitsatz)
- NJW-RR 2010, 1583
- NJW-RR 2008, 6-8 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 2005
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung des Jahres 2005 sind keine vorweggenommenen Werbungskosten; gegen die Regelung des § 10 Abs. 3 EStG 2005 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bzw. als Sonderausgaben in voller Höhe zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der im Jahr 1973 geborenen Kläger ist Angestellter. Er entrichtete für das Jahr 2005 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 3.733,00 EUR. Der Arbeitgeber leistete Beiträge in gleicher Höhe. Im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 2005 berücksichtigte der Beklagte diese Zahlung des Klägers mit einem Betrag von 747,00 EUR als Sonderausgaben gemäß § 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Gegen den Bescheid vom 27. März 2006 in der Fassung des geänderten Bescheids vom 13. April 2006 haben die Kläger mit Schreiben vom 26. April 2006 Sprungklage erhoben; dieser stimmt der Beklagte zu.
Die Kläger begehren die Berücksichtigung der Rentenversicherungbeträge als vorweggenommene Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte nach § 22 Nr. 1 EStG in Höhe des den Sonderausgabenabzugs übersteigenden Betrags von 2.986,00 EUR, da der Ehemann diese bei Eintritt des Versicherungsfalls voraussichtlich im Jahr 2040 zu 100% zu versteuern habe.
Die Kläger machen geltend, die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung seien als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünfte aus § 22 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen. Dies folge aus der Systemumstellung durch das so genannte Alterseinkünftegesetz. Dies folge dem "Nettoeinkommensprinzip", wonach nur die "Nettoeinkünfte" versteuern werden dürften. Da nach dem Alterseinkünftegesetz die Rückzahlung von zuvor eingezahltem Kapital nachgelagert besteuert werde, müsste steuersystematisch die Einzahlung des Kapitals in voller Höhe steuermindernd geltend gemacht werden können, um das so genannte "Nettoprinzip" zu gewährleisten. Der insofern erforderliche Veranlassungszusammenhang sei gegeben. Ferner liege der erforderliche ausreichend bestimmte wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den vorab entstanden Werbungskosten und der Einkunftsart vor, in deren Rahmen der Abzug geltend gemacht werde.
Entgegen der gesetzlichen Regelung sei für die steuersystematische Einordnung der geleisteten Beiträge zu den Sonderausgaben schon deswegen kein Raum, weil § 10 Abs. 1 EStG dem Abzug von Aufwendungen als Werbungskosten den uneingeschränkten Vorrang vor dem Abzug als Sonderausgaben gewähre. Soweit der Gesetzgeber mit § 10 Einkommensteuergesetz gleichwohl eine abweichende Regelung getroffen habe, setze das Alterseinkünftegesetz die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Übergangsregelung nicht den Vorgaben entsprechend um. Insbesondere habe der Gesetzgeber die Haushaltslage nicht als Argument für solch tiefgreifende Einschnitte zu Lasten der Steuerbürger heranziehen dürfen. Der Gesetzesbefehl gehe daher an der aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen notwendigen Einstufung der Aufwendungen als Werbungskosten zur Umsetzung des objektiven Nettoprinzips vorbei.
Die zu entscheidene Rechtsfrage sei auch keinesfalls durch die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesfinanzhofs (Beschluss des BFH vom 1. Februar 2006 X B 166/05, BStBl II 2006, 420) erledigt. In dieser Entscheidung werde die Rechtslage vielmehr verkannt.
Die grundlegende Fehlinterpretation der Beurteilung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ergebe sich aus der Nichtanwendung des objektiven Nettoprinzips. Danach müssen Aufwendungen, die zur Erzielung von Einnahmen aufgewendet werden, auch steuerlich absetzbar sein. Soweit der Gesetzgeber den ihm durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in der Entscheidung vom 6. März 2002 (2 BvL 17/99, BStBl II 2002, 618) freigestellten Systemwechsel hin zur so genannten nachgelagerten Besteuerung der Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorgenommen hat (vgl. § 22 Abs. 3 EStG mit der Übergangsregelung bis 2040), könne nicht ernsthaft in Frage gestellt werden, dass Aufwendungen zur Erzielung von Einnahmen im konkreten Fall Werbungskosten seien. Dies bestimme nach wie vor der Grundsatz gemäß § 10 Abs. 1 EStG, dass Sonderausgaben nur dann vorliegen könnten, wenn die Aufwendungen nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu subsumieren seien.
Es liege auch kein einleuchtender sachlicher Grund vor, von diesem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz abzuweichen. Insofern überrasche die Erkenntnis des 10. Senats des BFH (Beschluss vom 1. Februar 2006, a.a.O.), dass § 10 Abs. 1 Nr. 2 a, § 10 Abs. 3 und § 10 Abs. 4a EStG eine durch den Gesetzgeber ausdrücklich bestimmte Ausnahmeregelung darstelle. Diese Begründung sei unhaltbar, da sie verfassungsrechtliche Grundsätze außer Acht lasse. Das objektive Nettoprinzip sei Ausschluss des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und fordere uneingeschränkte Abzugsfähigkeit der Aufwendungen, die durch die Einkommensart begründet werde. Dieser Grundsatz stehe weder für den Gesetzgeber noch für die Gerichte zur Disposition. Ein Verstoß begründe die Vorlagepflicht eines Rechtsstreit an das Bundesverfassungsgericht. Soweit der 10. Senat des BFH (Beschluss vom 1. Februar 2006, a.a.O.) die "Spezialregelung" der §§ 10 Abs. 1 Nr. 2 a, 10 Abs. 3 und 10 Abs. 4a EStG damit begründe, dass ein anderes Auslegungsergebnis dem vom Gesetzgeber erkennbar gewordenen Verhältnis der Korrespondenz zwischen Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen und Steuerbarkeit der entsprechenden Alterseinkünfte keinen relevanten Anwendungsbereich belassen würde, verstoße er gegen die Forderung des Bundesverfassungsgerichts auf Folgerichtigkeit der gesetzlichen Bestimmung als Ausfluss aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Systemgerecht sei demgegenüber vielmehr die Anwendung des objektiven Nettoprinzips, wie sie der 9. Senat in seiner Entscheidung vom 8. März 2006 (IX R 107/00, BStBl II 2006, 446) bestätigt habe.
In diesem Sinne könne nicht folgerichtig sein, dass auf Grund der Übergangsregelung gemäß § 10 Abs. 3 EStG lediglich 60% der Beitragsaufwendungen abziehbar seien. Bereits diese Reduzierung der Abziehbarkeit der entsprechenden Aufwendungen auf einen niedrigeren Prozentsatz als der zu erwartende Anteil der Besteuerung der Einnahmen werde dem Anspruch aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht gerecht. Der Gesetzgeber könne dem Steuerpflichtigen nicht zumuten, die Aufwendungen nur beschränkt abziehen zu dürfen, wenn auf der anderen Seite ein entsprechender höherer Prozentsatz der Einnahmebesteuerung garantiert sei (vgl. § 22 Nr. 1 a, a.A. EStG). In seiner Entscheidung habe der 10. Senat des BFH (Beschluss vom 1. Februar 2006, a.a.O.) nicht beachtet, dass ein "weiter Gestaltungsspielraum" dort seine Grenze finde, wo die Entscheidung durch den Gesetzgeber nicht folgerichtig umgesetzt werde. Auch eine Übergangsregelung müsse verfassungsrechtlichen Grundsätzen entsprechen. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung zur Besteuerung der Alterseinkünfte ausdrücklich auf die Folgerichtigkeit und das Verbot der Doppelbesteuerung hingewiesen. Hier werde die Doppelbesteuerung nur unnötig durch den Gesetzgeber in der Übergangsregelung durch verschiedene Ansätze der Besteuerungs-grundlagen gefestigt, die nicht gerechtfertigt seien.
Selbst wenn das objektive Nettoprinzip nicht zu beachten wäre, ergebe sich die Abzugsfähigkeit als vorgenommene Werbungskosten aus dem subjektiven Nettoprinzip.
Ferner sei die Regelung in § 10 EStG zur Ermittlung der abzugsfähigen Beiträge steuersystematisch nicht nachvollziehbar. Nach der vorzunehmenden Berechnung:
3.733,00 EUR | Arbeitnehmeranteil |
---|---|
+ 3.733,00 EUR | Arbeitgeberanteil |
7.466,00 EUR | Rentenversicherungsgesamtbeitrag , davon 60% |
= 4.479,60 EUR, | dieser zu kürzen um den Arbeitgeberanteil in Höhe von 3.733,00 EUR |
verblieben lediglich 746,60 EUR abziehbare Rentenversicherungsbeiträge. Dies entspreche nur 20% der vom Steuerbürger selbst entrichteten Rentenversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteile).
Die Berechnung führe dazu, dass der tatsächlich gezahlte Aufwand des Arbeitnehmers nicht berücksichtigt werde. Wenn erst die Kürzungen der absetzbaren Beiträge um 60% erfolge und dann der volle Arbeitgeberanteil abgezogen werde, sei die nächste Ungerechtigkeit der Übergangsregelung vollzogen. Da nunmehr der Arbeitsgeberanteil zu 100% und nicht zu 60%, was folgerichtig wäre, berücksichtigt worden sei, werde der tatsächlich gezahlte Teil des Arbeitsnehmerbeitrages nochmals reduziert.
Die Kläger beantragen,
den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 13. April 2006 insoweit zu ändern, als die entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, vermindert um die bereits bei den Sonderausgaben gemäß § 10 EStG berücksichtigten Beiträge, als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften aus § 22 Nr. 1 EStG in Höhe von 2.986,00 EUR anzusetzen sind und die Einkommensteuer für 2005 entsprechend herabzusetzen ist,
alternativ eine Herabsetzung der Einkommensteuer für 2005 durch den vollen Ansatz der geltend gemachten Sonderausgaben herbeizuführen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, die Voraussetzungen für einen Abzug der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als Werbungskosten lägen nicht vor. Durch das Alterseinkünftegesetz sei die Besteuerung der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung geändert worden. Die Beiträge zu dieser Versicherung seien jedoch weiterhin Sonderausgaben im Sinne § 10 EStG. Der Umfang der steuerlichen Abziehbarkeit dieser Vorsorgeaufwendungen sei abschließend in § 10 Abs. 3 und 4 EStG geregelt. Das Alterseinkünftegesetz sehe die Abziehbarkeit dieser Aufwendungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben nicht vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung lediglich im Rahmen der Höchstbeträge nach § 10 Abs. 3 EStG berücksichtigt.
1.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 a und Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG (in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeauf-wendungen und Altersbezügen (AltEinkG) vom 05. Juli 2004, BGBl. I 2004, 1427) sind Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Höchstbetrag von 20.000 EUR (bzw. bei zusammenveranlagten Ehegatten bis 40.000 EUR) als Sonderausgaben abziehbar. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG ist der nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreie Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung den vom Arbeitnehmer gezahlten Beiträgen hinzuzurechnen. Gemäß § 10 Abs. 3 S. 4 EStG sind im Kalenderjahr 2005 die so ermittelten Vorsorgeaufwendungen mit 60% anzusetzen und nach § 10 Abs. 3 S. 5 EStG ist von dem danach sich ergebenden Betrag der steuerfreie Arbeitgeberanteil wieder in Abzug zu bringen.
Mit dieser ab dem 1. Januar 2005 geltenden gesetzlichen Neuregelung ist der Gesetzgeber den Vorgaben des BVerfG zur Neuordnung der Altereinkünfte gefolgt. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 6. März 2002 (a.a.O.) die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG a.F. einerseits und von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits teilweise für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, die Rechtslage bis zum Jahresbeginn 2005 einwandfrei zu gestalten.
Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber für einen Systemwechsel zur nachgelagerten Besteuerung der Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung genutzt. Demnach sind Rentenbezüge ab dem Jahr 2040 zu 100% (abzüglich eventueller Freibeträge) nach § 22 Nr. 1 EStG steuerpflichtig. Im Rahmen einer Übergangsregelung zur nachgelagerten Besteuerung wird die Jahresrente zunächst im Jahr 2005 mit einem Besteuerungsanteil von 50% berücksichtigt. Dieser Besteuerungsanteil erhöht sich in den folgenden Jahren bis zum Jahr 2020 um jeweils 2%, in den Jahren danach bis zum Jahr 2040 um jeweils 1%. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen geändert und die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wie oben dargestellt im Jahr 2005 zu 60%, vermindert um den steuerfreien Arbeitgeberanteil, als Sonderausgaben zum Abzug zugelassen. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 6 EStG erhöht sich der berücksichtigungsfähige Anteil der Beiträge in der Folgezeit um jeweils 2% pro Jahr, bis schließlich im Jahr 2025 die Beiträge in voller Höhe abziehbar sind.
In Anwendung dieser gesetzlichen Regelung hat der Beklagte zu Recht den als Sonderausgaben abziehbaren Teil der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung des Kläger mit 747,00 EUR berechnet.
2.
Entgegen der Ansicht der Kläger ist der gesetzgeberischen Zuordnung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu den Sonderausgaben zu folgen.
a)
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Vorsorgeaufwendungen als Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen im Rahmen des § 22 Nr. 1 EStG ihrer Rechtsnatur nach Werbungskosten im Sinne § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG darstellen. Dies führen die Kläger zur Begründung an, dass sich ein beschränkter Abzug nach § 10 Abs.3 EStG verbiete, da bereits nach dem Eingangssatz des § 10 Abs. 1 EStG Sonderausgaben nur vorliegen könnten, soweit die Aufwendungen keine Werbungskosten oder Betriebsausgaben darstellten. Denn der Gesetzgeber hat diese Aufwendungen mit konstitutiver Wirkung dem Bereich der Sonderausgaben zugewiesen. § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG bestimmt ausdrücklich die Abziehbarkeit der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als Sonderausgaben. Diese spezielle Regelung hat Vorrang vor der Anwendung der generellen Regelung der §§ 10 Abs. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Diese Auslegung hat der BFH der Entscheidung in seinem Beschluss vom 1. Februar 2006 (a.a.O.) zugrunde gelegt und mit dem aus der Systematik der gesamten Neuregelung durch das AltEinkG erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers begründet, eine Korrespondenz zwischen Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen und Steuerbarkeit der entsprechenden Alterseinkünfte zu schaffen.
Diesen Ausführungen des BFH schließt sich der erkennende Senat an. Auch wenn diese Entscheidung im summarischen Verfahren ergangen ist, überzeugt die Argumentation, dass bei einer vorrangigen Anwendung des § 10 Abs. 1 EStG auf die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung den Regelungen der § 10 Abs. 1 Nr. 2 a, Abs. 3, 4a EStG kein relevanter Anwendungsbereich mehr verbliebe. Die Tatsache, dass dies ersichtlich nicht der gesetzgeberische Wille war, steht einer entsprechenden Lesart entgegen.
b)
Dieses Ergebnis steht auch nicht - wie die Kläger irrig anführen - im Widerspruch zum Urteil des BFH vom 8. März 2006 (IX R 107/00, BStBl II 2006, 446). In dieser Entscheidung hat der BFH Ausgleichszahlungen, die ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Ehegatte auf Grund einer Vereinbarung gemäß § 1587o BGB an den anderen Ehegatten leistet, um Kürzungen seiner Versorgungsbezüge (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zu vermeiden, als Werbungskosten zum sofortigen Abzug zugelassen. Denn der erkennende Senat lässt in Übereinstimmung mit dem BFH in seiner Entscheidung vom 1. Februar 2006 (a.a.O.) die Frage nach der Rechtsnatur der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung offen. Die Zuordnung zu den Sonderausgaben ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 10 Abs. 3 EStG. Diese war aber in dem Fall, der der Entscheidung des BFH vom 8. März 2006 (a.a.O.) zugrunde lag, nicht einschlägig.
3.
Einem ungekürzten Abzug der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung - wie ihn die Kläger hilfsweise vortragen - steht die Regelung in § 10 Abs.3 EStG entgegen. Diese ist zwingend anzuwenden, wenn man die Berücksichtigung der entsprechenden Vorsorgeaufwendungen dem Bereich des Sonderausgabenabzugs zuordnet.
4.
Gegen die gesetzliche Zuweisung der Beiträge zur Rentenversicherung zu den Sonderausgaben und deren beschränkter Abziehbarkeit bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 1. Februar 2006 (a.a.O.) auch zu dieser Frage Stellung genommen und einen Verfassungsverstoß nicht feststellen können. Dem schließt sich der erkennende Senat an und verweist insoweit zur Begründung auch auf die dortigen Ausführungen des BFH. Insbesondere ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht zu erkennen. Der Gesetzgeber hat die steuerliche Grundentscheidung des BVerfG vom 6. März 2002 (a.a.O.) folgerichtig umgesetzt.
a)
Zu den das Einkommensteuerrecht tragenden Grundprinzipien rechnet das objektive Nettoprinzip. Danach werden Einnahmen nicht brutto, sondern gekürzt um damit im Zusammenhang stehende Erwerbsaufwendungen der Besteuerung unterworfen (BVerfG-Entscheidungen vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BStBl II 1970, 140, und vom 23. Januar 1990 1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BStBl II 1990, 483).
Die Kläger rügen ausdrücklich eine Verletzung des objektiven Nettoprinzips, da der Kläger die Vorsorgeaufwendungen nur beschränkt abziehen könne, die Rentenbezüge aber im Jahr seines Rentenbeginns 2040 in Gänze werde versteuern müssen. Dabei übersehen die Kläger, dass sich ein möglicher Verstoß nicht aus der Regelung der beschränkten Abziehbarkeit allein, sondern erst aus der Relation zum nachgelagerten steuerlichen Zugriff auf die später zufließenden Alterseinkünfte ergeben kann. Die Regelung der Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen, auf deren Anwendung es im vorliegenden Fall ankommt, ist isoliert betrachtet als eine für den Kläger günstige Regelung verfassungsrechtlich unproblematisch. Denn die bis zum Jahre 2024 beschränkte Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen ist integraler Bestandteil der Übergangsregelung, die sich im Rahmen des dem Gesetzgeber vom BVerfG zugestandenen Gestaltungsspielraum hält.
b)
Das aus dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs. 1 GG) abgeleitete subjektive Nettoprinzip ist ebenfalls nicht verletzt. Nach diesem muss dem Steuerpflichtigen ein "staatsfreies Existenzminimum" verbleiben; bestimmte zwangsläufige Aufwendungen müssen, auch wenn sie in den Bereich der privaten Lebensführung fallen, steuerlich verschont werden (BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BStBl II 2003, 534). Ab dem Jahre 2025 geleistete Rentenversicherungsbeiträge werden im Rahmen des Sonderausgabeabzugs vollständig von der Steuer freigestellt sein. Die bis dahin geltende Beschränkung des Abzugs ist Bestandteil der Übergangsregelung in das System der nachgelagerten Besteuerung. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber aufgegeben, die steuerliche Behandlung der Abzugs von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Neuordnung der Rentenbesteuerung mit zu regeln. Die vom Gesetzgeber gewählte Form des prozentual jährlich ansteigenden Sonderausgabenabzugs ist in der Gesamtschau mit dem Stufenplan zur Überleitung in die nachgelagerte Besteuerung sachlich gerechtfertigt und nicht zu beanstanden.
c)
Ebenfalls ist - entgegen der Ansicht der Kläger - die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG unbedenklich. Nach dieser werden die ermittelten 60% der Versorgungsaufwendungen um den gesamten steuerfreien Arbeitgeberanteil vermindert. Dies beruht auf der sachgerechten Gleichstellung mit Steuerpflichtigen, die - ohne einen steuerfreien Arbeitgeberanteil zu erhalten - allein den Gesamtbetrag zur Rentenversicherung oder andere Altersvorsorgeaufwendungen zu tragen haben. Da der abzuziehende Arbeitgeberanteil gemäß § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei gestellt ist, ist auch ein Abzug von den berücksichtigungsfähigen Sonderausgaben in voller Höhe sachgerecht. Insoweit ist dem Vortrag der Kläger nicht zu folgen, diese Regelung beinhalte eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungerechtigkeit. Die hierzu vorgebrachte Berechnung überzeugt nicht. Die Kläger übersehen, dass ein Steuerpflichtiger mit gleichen, aber eigenen Beiträgen zur Rentenversicherung diese zwar in Höhe von 4.479,60 EUR abziehen kann, er auf der anderen Seite aber auch 3.733,00 EUR mehr als der Kläger zu versteuern hat. Insofern gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz die Kürzung der Vorsorgeaufwendungen um 100% des steuerfreien Arbeitgeberanteils.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
6.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).