Landgericht Oldenburg
Urt. v. 27.10.1994, Az.: 5 O 932/94

Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Presseartikel; Herabsetztende Betitelung und Beschreibung in Zeitungsartikel und dessen Überschrift

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
27.10.1994
Aktenzeichen
5 O 932/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 16707
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:1994:1027.5O932.94.0A

Fundstellen

  • AfP 1995, 679-682
  • GesPol 1996, 15
  • NJW-RR 1995, 1427-1429 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Zahlung eines Schmerzensgeldes

Prozessführer

des Herrn ...

Prozessgegner

1. die ...

2. den Herrn ...

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 08.09.1994
durch
den Präsidenten des Landgerichts ... sowie
die Richter am Landgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagen werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 15.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31.12.1992 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldner auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 18.500,00 DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Presseartikel.

2

Die Beklagte zu 1. ist Herausgeberin des Anzeigenblattes "Delme-Report", das zweimal pro Woche in einer Auflage von 46.000 Exemplaren in Delmenhorst und Umgebung erscheint. Der Beklagte zu 2. ist der Chefredakteur. Der Kläger war bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden nach zwölfjähriger Amtszeit am 31.03.1993 Stadtdirektor in Northeim. Seine Amtsführung hatte in dieser Zeit zu Beanstandungen keinen Anlaß gegeben. Am 15.12.1992 sollte der Vertreter des Oberstadtdirektors der Stadt Delmenhorst, ... zu seinem Nachfolger gewählt werden. Am 09.12.1992 erschien hierzu mit der schwarzunterlegten großen Überschrift:

"In Northeim geht 'allergrößte Pfeife'",

3

der folgende Artikel im "Delme-Report":

"'Das ist genau der Mann, den wir in Northeim brauchen'. So äußerte sich Bürgermeister ... (SPD), dessen Fraktion ... in geheimer Wahl einstimmig als künftigen Stadtdirektor empfiehlt (der DR berichtete bereits am Sonntag). Auf der Stadtratssitzung am 15.12.1992 wird eine breite Mehrheit für den Delmenhorster erwartet. In den "Northeimer Neuesten Nachrichten" sprechen die Lokal-Journalisten von einem "überfälligen Generationswechsel". Gegenüber dem Delme Report formulierte es ein HNA-Redakteur deutlicher: "Wir hatten hier zwölf Jahre lang die allergrößte Pfeife. Wir erhoffen uns frischen Wind von ..." Bis nach Northeim hat sich herumgesprochen, daß der künftige Hobbypilot (Prüfung im Frühjahr) in Delmenhorst als Arbeitstier gilt, das auch schon mal nachts im Rathaus durcharbeitet. ... wird Ende März 1993 nach sechs Jahren Stadtdirektoren-Zeit die Delmestadt in Richtung Vorharz verlassen. Insgesamt war der geborene Friesoyther 14 Jahre in der Delmenhorster Stadtverwaltung tätig."

4

Der Inhalt dieses Artikels, den der Beklagte zu 2. verfaßt hat und insbesondere seine Überschrift verbreiteten sich auch in der Stadt Northeim, wo sie "Stadtgespräch" waren. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.12.1992 forderte der Kläger die Beklagen unter Fristsetzung zum 30.12.1992 auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und an ihn ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 DM zu zahlen. Mit Schreiben seiner Korrespondenzanwälte vom 08.01.1993 gaben die Beklagten die verlangte Erklärung ab, verweigerten jedoch die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

5

Das Amtsgericht Delmenhorst verurteilte den Beklagten zu 2. am 19.08.1993 rechtskräftig wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 100,00 DM.

6

Der Kläger behauptet, der Presseartikel vom 09.12.1992 sei noch am Tage seines Erscheinens an das Rathaus der Stadt Northeim übersandt worden. Er ist der Ansicht, bei der beanstandeten Äußerung handele es sich um eine Tatsachenbehauptung, die ausschließlich von einer Skandal- und Sensationslust motiviert gewesen sei.

7

Er beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 15.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31.12.1992 zu zahlen.

8

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

9

Sie behaupten, der Beklagte zu 2. habe anläßlich des bevorstehenden Wechsels des Stadtdirektors der Stadt Northeim telefonisch mit dem zuständigen Redakteur der Zeitung "Hessische/Niedersächsische Allgemeine" gesprochen. Dieser Redakteur habe sich in der beanstandeten Weise über den Kläger geäußert und er - der Beklagte zu 2. - habe dieses Zitat lediglich wiedergegeben. Ihm habe daran gelegen aufzuzeigen, aus welchen Gründen der allseits geschätzte Stadtdirektor ... bei den Gremien der Stadt Northeim und der örtlichen Tagespresse positiv aufgenommen werde.

10

Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist zulässig und begründet.

12

I.

Die Beklagten sind als Gesamtschuldner nach §§ 823 Abs. 1 B, 31, 840 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Kläger für die erlittene Verletzung seiner Persönlichkeit ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.

13

1.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann eine Person, deren Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist, von dem Schädiger einen Ausgleich in Geld für den immateriellen Schaden verlangen, wenn es sich um einen schweren, schuldhaften Eingriff handelt und wenn sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen läßt. Darüberhinaus muß ein unabwendbares Bedürfnis für die Zahlung eines Schmerzensgeldes bestehen.

14

Die Gewährung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung unter diesen Voraussetzungen findet ihre sachliche Rechtfertigung in dem Gedanken, daß das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden rechtlichen Schutz bliebe. Nach diesem Sinngehalt hat der Geldersatzanspruch zurückzutreten, wenn die Verletzung auf andere Weise hinreichend ausgeglichen werden kann, wozu je nach Sachlage eine Unterlassungsverpflichtung von Bedeutung seiner (BGH GRUR 1971, 529, 531) und insbesondere der Widerruf ein angemessenes und geeignetes Mittel darstellen können (BGH NJW 1970 1077 ff., NJW 1971 698 ff.; NJW 1979, 1041 ff.; NJW 1085, 1617, 1619 ff.; Erman/Ehemann, 9. Aufl., § 12 BGB Anhang Rdnr. 478 Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 3. Aufl., Rdnrn. 14.88 ff.; 14.105).

15

a.

Der Presseartikel vom 09.12.1992 und insbesondere seine große Überschrift stellen eine schwere vorsätzliche Verletzung der Persönlichkeit des Klägers dar. Die Bezeichnung des Klägers als "allergrößte Pfeife" ist ein rechtswidriges, die Grenze zur Schmähkritik weit überschreitendes Werturteil, das nicht mehr durch die Presse- oder Meinungsfreiheit gedeckt ist.

16

aa.

Dabei verkennt die Kammer nicht, daß das Bundesverfassungsgericht bei Äußerungen über die die Öffentlichkeit bewegende Fragen insbesondere im politischen Meinungskampf Großzügigkeit walten läßt. Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist es, Aufmerksamkeit zu erregen. Deshalb sind angesichts der heutigen Reizüberflutung aller Art einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen (BVerfGE 24, 278, 286) [BVerfG 06.11.1968 - 1 BvR 501/62]. Verfolgt der Äußernde nicht eigennützige Ziele, sondern dient sein Beitrag dem geistigen Meinungkampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der Äußerung (BVerfGE 42, 163, 170 [BVerfG 11.05.1976 - 1 BvR 163/72];  68, 226, 232) [BVerfG 31.10.1984 - 1 BvR 753/83]. Für die Beurteilung der Reichweite des Grundrechtschutzes aus Art. 5 Abs. 1 GG kommt es ferner maßgeblich darauf an, ob und in welchem Ausmaß der von den Äußerungen Betroffene seiterseits an dem von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Prozeß öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen, sich damit aus eigenem Entschluß den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen und sich durch dieses Verhaltens eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben hat (BVerfGE 54, 129, 138) [BVerfG 13.05.1980 - 1 BvR 103/77].

17

Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat die Äußerung, auch wenn sie eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage betrifft, als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzustehen (BVerfGE 82, 272, 283 f. [BVerfG 26.06.1990 - 1 BvR 1165/89]; BVerfGE 85, 1, 16 [BVerfG 09.10.1991 - 1 BvR 1555/88]; BGH, NJW 1994, 124, 126) [BGH 12.10.1993 - VI ZR 23/93].

18

So liegt der Fall hier. Die beanstandete Textpassage ist eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung. Von einer Tatsachenbehauptung ist dann auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehens grundsätzlich dem Beweis offen steht (z.B. BGH NJW 1952, 660 -Constanze; BGH AfP 1975, 804- Brüning I). Im Gegensatz dazu mißt eine Meinungsäußerung einen Vorgang oder Zustand an einem vom Kritiker gewählten Maßstab. Davon ist auszugehen, wenn die Äußerung den Empfänger als subjektive Meinung anspricht und ihm als solche erkennbar ist (z.B. BGH NJW 1974, 1762 - Deutschlandstiftung). Insoweit kommt es darauf an, ob die Äußerung durch Elemente des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist (BVerfGE 61, 1, 9 [BVerfG 22.06.1982 - 1 BvR 1376/79] - Wahlkampfäußerung).

19

Der Beklagte zu 2. wollte mit seinem Artikel und mit der Verwendung der markigen Überschrift nicht etwas tatsächlich Geschehenes mitteilen, sondern den Kläger bewerten. Er wollte seine bzw. die Meinung des HNA-Redakteurs über den Kläger verbreiten. Der unbefangene Leser macht sich zwar bei der Lektüre des Artikels darüber Gedanken, welche Einschub zu Seite 8:

20

Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob - wie des Amtsgericht im Strafverfahren angenommen hat der Bekl. zu 2) mit seinem Artikel eine Beleidigung i.S. von § 185 StGB begangen hat. Die bloße Weite gabe eines ehrenrührigen Werturteils, das ein Dritter geäußert hat wird dann nicht als strafbare Beleidigung angesehen, wenn der Täter sich bei der Weitergabe das Werturteil nicht zu eigen gemacht hat (Lencker bei Schönke/Schröder, 24. Aufl., § 185 StGB RdNr. 1). Hier spricht sehr viel dafür, daß der Bekl. zu 2) sich die herabsetzende, von ihm referierte Aussage, des unbekannten Northeimer Journalisten zu eigen gemacht hat. Dem Artikel ging es seiner Zielrichtung nach darum darzustellen, wie positiv die Berufung des Herr ... nach Northeim bewertet werde; die positive Bewertung des Amtsnachfolgers des Klägers in Northeim sollte mit der Mitteilung der Abwertung des Klägers unterstrichen worden. Eine bloßes wertneutrales Mitteilen des referierten Unwerturteils über den Kläger konnte diese Funktion nicht erfüllen. Der Gesamtzusammenhang des Zeitungsartikels läßt daher jede Distanzierung von dem referierten Unwerturteil über den Kläger vermissen, so daß der Beklagte sich auf diese Weise das Unwerturteil zu eigen gemacht hat. Aber selbst wenn man der Tatbestand des § 185 StGB verneinen wurde, bliebe es dabei, daß die unkritische, zu dem in der Überschrift herausgestellte Mitteilung der ehrenrührigen Aussage eines ungenannten Dritten eine erhebliche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers darstellt. Ehrenschutztatbestände des Strafrechts und das allgemeine Persönlichkeitsrechts sind nicht deckungsgleich, sondern überschneiden sich nur (vgl. Lencker a.a.O. RdNr. 2 a.E.).

21

Leistungen und Handlungen, also Tatsachen, die Zeitung zu einer solchen Bewertung veranlaßt haben mögen. Dies nimmt aber dem Inhalt des Presseartikels nicht den Charakter einer Meinungsäußerung und läßt ihn nicht zur Tatsachenbehauptung werden.

22

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß der Beklagte zu 2. lediglich ein Zitat eines namentlich nicht genannten Dritten wiedergegeben hat. In der Rechtssprechung ist anerkannt, daß sich niemand durch ein solches Verstecken hinter einem anonymen Urheber der Haftung ohne weiteres entziehen kann. Sonst ließe sich praktisch jeder Angriff führen, ohne daß der Betroffene dem entgegentreten könnte (Wenzel, a.a.O., Rn 4.74 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

23

Diese Meinungsäußerung überschreitet die Grenze zur Schmähkritik deutlich. Die Beklagten haben selbst nicht geltend gemacht, daß für eine derartige Bewertung des Klägers auch nur die geringsten Anhaltspunkte bestehen.

24

Deshalb ist es unverständlich, warum sie den Kläger in dieser Weise herabsetzten. Der bevorstehende Wechsel der Person des Stadtdirektors der Stadt Northeim hat jedenfalls dafür keine Veranlassung gegeben. Die Berufung auf das Grundrecht der Presse - und Meinungsfreiheit ist fehl am Platz. Dieses Grundrecht wird in seinem Wesen verkannt, wenn ihm die von einer Verantwortung entbundene Freiheit entnommen wird, Klatsch zu verbreiten und die Berichterstattung auf Kosten der Ehre anderer zugkräftig zu machen (BGH NJW 1963, 902). Bei dem beanstandeten Artikel und vor allem bei Verwendung der genannten Überschrift hat nicht nur die Auseinandersetzung der Sache nicht mehr im Vordergrund gestanden, sondern eine solche Sachauseinandersetzung mit den Leistungen des Klägers hat überhaupt nicht stattgefunden. Dem Beklagten zu 2. ging es ganz vordergründig um die Herabsetzung der Person des Klägers. Sie war in keiner Weise erforderlich, um das Anliegen des Artikels, das Lob des Amtsnachfolgers und das Interesse in der Stadt Northheim an ihn, zu verfolgen oder auch nur zu verstärken.

25

bb.

Diese schuldhafte, weil vorsätzlich begangene Persönlichkeitsrechtsverletzung ist auch derart Schwer, daß die Zahlung eines Schmerzensgeldes als Genugtuung unabdingbar erforderlich ist.

26

Ob ein solcher schwerer Eingriff in den Eigenwert der Persönlichkeit vorliegt, kann nur aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalles beurteilt werden. Es hängt von der Bedeutung und Tragweite des Angriffs, also dem Ausmaß der Verbreitung, der Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- und, Rufschädigung, dem Anlaß und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab

27

(vgl. z.B. OLG Hamburg NJW-RR 1988, 737).

28

Zunächst ist zu berücksichtigen, daß die völlig aus der Luft gegriffene Beleidigung des Klägers nicht etwa in einem kleinen Kreise, sondern in einem Presseorgan erfolgte. Auch wenn es sich "nur" um ein Anzeigenblatt mit einer Auflage von 46.000 Exemplare handelt, das zweimal pro Woche in Delmenhorst und Umgebung vertrieben wird, ist diese Ehrverletzung gleichwohl manifestiert und zum Stadtgespräch in Northeim geworden, wo der Kläger eine bekannte Persönlichkeit ist. Es besteht auch heute noch die Möglichkeit, daß der Inhalt des Artikels in Northeim verbreitet und Gegenstand weiterer Presseberichte wird. Die Beklagten haben den Kläger bewußt am Ende seiner aktiven Dienstzeit als Stadtdirektor in Northeim in seiner Ehre tief getroffen. Aufgrund seines Ausscheidens aus dem Amt war er nach dem Artikel nicht mehr in der Lage, sich ausreichend gegen die Schmähung durch aktive dienstliche Leistungen zu wehren. Für den unbefangenen Durchschnittsleser des Presseartikels ist mit dieser Formulierung der falsche Eindruck entstanden, der Kläger sei während seiner zwölfjährigen Dienstzeit den Anforderungen seines Amtes nicht gewachsen gewesen und habe seine Arbeit schlecht erledigt. Der Leser wird sich daher fragen, was in der Vergangenheit alles vorgefallen sein mag. Aufgrund des Ablaufes seiner Amtszeit konnte der Kläger diesen Eindruck in der Zukunft nicht mehr durch eine positive Arbeit als Stadtdirektor vernichten.

29

Für die Beklagten bestand auch kein journalistischer Anlaß den Kläger in dieser Weise zu bewerten, denn die Delmenhorster Leserschaft hatte keinerlei Beziehung zu dem Northeimer Stadtdirektor. Selbst wenn es Gründe gegeben haben sollte, den Kläger zu kritisieren, wäre dies in Delmenhorst und Umgebung nicht von Interesse gewesen. Vorrangiges Ziel der Beklagten kann daher nur gewesen sein, durch eine aufreißerische Schlagzeile, deren beleidigenden Charakter die Beklagten bewußt in Kauf genommen haben, Leser anzulocken. Zu vernachlässigen ist dabei, daß der Kläger nicht namentlich genannt wurde. Als Northeimer Stadtdirektor war er für jeden interessierten Leser sofort zu identifizieren.

30

Schließlich liegt ein besonders schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers auch deshalb vor, weil die Beklagten in gröblicher Form gegen ihre journalistischen Sorgfaltspflichten verstoßen haben. Sie haben sich, ohne eigene Recherchen anzustellen, ausschließlich auf eine telefonische Auskunft eines ihnen nicht persönlich bekannten Redakteurs der Zeitung "Hessische/Niedersächsische Allgemeine" verlassen, den sie auch im nachhinein, jetzt im Prozeß, nicht namhaft machen können. Sie haben nicht einmal vorgetragen, daß dieser Redakteur ihnen Tatsachen mitgeteilt habe, die die Bewertung des Klägers als "allgergrößte Pfeife" auch nur ansatzweise höhe rechtfertigen können. Die hierdurch ausgelöste Rufbeeinträchtigung des Klägers war nachhaltig und von erheblichem Gewicht, was nicht zuletzt die glaubhaften persönlichen Ausführungen des Klägers im Termin vom 08.09.1994 belegen. Aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers hat die Kammer die Überzeugung gewonnen, daß er erheblich in seiner Ehre gekränkt ist und noch heute unter dem Artikel leidet.

31

b.

Für den Kläger besteht keine Möglichkeit, diese erhebliche Beeinträchtigung auf andere Weise befriedigend auszugleichen. Ein Widerruf der beanstandeten Äußerung oder eine Gegendarstellung kommt nicht in Betracht, weil es sich bei der Äußerung nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil handelt. Die Unterlassungserklärung der Beklagten im Schreiben der Rechtsanwälte ... und Partner vom 08.01.1993 kann ein solcher Ausgleich für die Ehrschädigung schon deshalb nicht sein, weil sie der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger vor der Beklagten die Veröffentlichung der Unterlassungsverpflichtung verlangen könnte (vgl. BGHZ 99, 133). Denn selbst ein gerichtlicher Unterlassungstitell in Form eines Urteils stellt nur unter besonderen Voraussetzungen, die hier nicht vorliegen, einen den Schmerzensgeldanspruch ausschließenden Ausgleich dar (BGH GRUR 1971, 529, 531; Wenzel, a.a.O., Rdnr. 14.109).

32

Die Beklagten sind daher verpflichtet, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen. Die Haftung des Beklagten zu 2. als Verfasser des Berichtes ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB Die Haftung der Beklagten zu 1. als Verlegerin folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 31 BGB (vgl. dazu Wenzel, a.a.O., Rn. 14.56 und 14.52).

33

2.

Die Kammer hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 DM für angemessen. Die festgestellte Ehrverletzung hat ein ganz erhebliches Gewicht. Zur Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes kann zunächst auf die Ausführungen zur besonderen Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung Bezug genommen werden (Ziff. 1 a.). Der Presseartikel traf den Kläger am Ende seiner aktiven Laufbahn als Stadtdirektor, er stellt einen gröblichen Verstoß gegen die journalistischen Sorgfaltspflichten dar; weder das Verhalten des Klägers noch das Informationsbedürfnis der Leserschaft des "Delme-Reports" gaben im geringsten Anlaß zu einer derartigen Beleidigung des Klägers. Das Ansehen des Klägers in der Northeimer Bevölkerung hat durch den Pressebericht und insbesondere durch die reißerische Überschrift im hohen Maße gelitten. Die Kammer konnte sich im Termin vom 08.09.1994 davon überzeugen, daß den Kläger die Beleidigung tief getroffen hat.

34

Auch den Verletzten unnötig kränkende Äußerungen im Prozeß stellen eine zusätzliche Beeinträchtigung des Geschädigten dar und können daher zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen (Mertens in Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl., § 847, Rdnr. 34 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Der Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Herr ..., äußerte im Termin vom 08.09.1994 gegenüber dem Kläger, er habe den Eindruck, dem Kläger ginge es in diesem Verfahren nicht um die Wiederherstellung seiner Ehre, sondern um die Erlangung eines hohen Geldbetrages, obwohl der Kläger versicherte, das Schmerzensgeld, wenn es ihm zugesprochen werde, einer sozialen Einrichtung der Stadt Northeim zur Verfügung zu stellen. Die Kammer wertet die Äußerung des Geschäftsführers als grundlose, unnötige und zusätzliche Ehrkränkung.

35

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Beklagte zu 2. für seinen Artikel bereits strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen und zu einer Geldstrafe von insgesamt 2.000,00 DM verurteilt wurde, ist ein Schmerzensgeld von 15.000,00 DM als Ausgleich für die erlittene Unbill und zur Genugtuung des Klägers angemessen.

36

II.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1, 285, 288 Abs. 1 S. 1. BGB.

37

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.