Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 05.12.1994, Az.: 8 T 1200/94
Anspruch auf Vergütung als Berufsbetreuer; Beurteilung der Berufsmäßigkeit anhand der Zahl übertragener Betreuungen; Vergütungsanspruch für die ersten noch nicht professionellen Einsätze des angehenden Berufsbetreuers bei späterem Eintritt der Berufsmäßigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 05.12.1994
- Aktenzeichen
- 8 T 1200/94
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 23262
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1994:1205.8T1200.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Oldenburg - 22.09.1994 - AZ: 6 XVII (S) 542
Rechtsgrundlagen
- § 11 RPflG
- § 20 FGG
- § 1836 Abs. 2 BGB
- § 1908i BGB
Fundstellen
- FamRZ 1996, 230-231 (Volltext mit red. LS)
- Rpfleger 1995, 355-356 (Volltext mit amtl. LS)
In der Betreuungssache
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
durch
die unterzeichnenden Richter
am 5. Dezember 1994 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluß des Amtsgerichts Oldenburg vom 22.09.1994 - 6 XVII (S) 542 - wird aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung über die Anträge auf Vergütung als Berufsbetreuer nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses an das Amtsgericht Oldenburg zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Mit Beschluß vom 08.07.1994 bestellte das Amtsgericht Oldenburg den Beschwerdeführer zum Betreuer für den Betroffenen. Der Beschwerdeführer war dem Amtsgericht von der Betreuungsbehörde als Betreuer vorgeschlagen worden. Dort hatte sich der Beschwerdeführer, der von Beruf Sozialarbeiter ist, mit Schreiben vom 14.06.1994 zur berufsmäßigen Übernahme von Betreuungen beworben.
Der Beschwerdeführer beantragt mit Schreiben vom 03.08.1994 Vergütung als Berufsbetreuer für seine Betreuungstätigkeit im Juli 1994. Dieser Antrag wurde von ihm mit Schreiben vom 14.09.1994 durch eine genaue Abrechung spezifiziert und auf die Vergütungsfestsetzung für August 1994 erweitert. Ein Vergütungsanspruch würde bestehen, da er die Betreuung berufsmäßig führe.
Bis zum 14.09.1994 waren dem Beschwerdeführer vier Betreuungen übertragen worden.
Das Amtsgericht wies den Vergütungsantrag durch den angefochtenen Beschluß mit der Begründung zurück, eine Übertragung von Betreuungen in solchem Umfang, daß diese nur im Rahmen der Berufsausübung geführt werden könnten, habe noch nicht stattgefunden. Denn erst bei 10 übertragenen Betreuungen sei das Kriterium der Berufsmäßigkeit zu bejahen.
Am 08.11.1994 legte der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Erinnerung ein und führte darin unter anderem aus, daß ihm mittlerweile neun Betreuungen übertragen worden seien.
Das Amtsgericht hat dem Rechtsbehelf des Beschwerdeführers nicht abgeholfen.
Die als Beschwerde geltende Erinnerung ist zulässig, § 11 RPflG i.V.m. § 20 FGG, und hat in der Sache auch Erfolg.
Der Beschwerdeführer hat einen Anspruch auf Vergütung als Berufsbetreuer.
Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 1908 i, 1836 Abs. 2 BGB, denn ihm sind mittlerweile Betreuungen in einem solchen Umfang übertragen worden, daß er diese nur im Rahmen seiner Berufsausübung führen kann, er also als Berufsbetreuer anzusehen ist.
Der Beschwerdeführer hat mittlerweile neun Betreuungen zu führen. Die von ihm erstellten Abrechnungen für die Monate Juli und August 1994 machen deutlich, daß zumindest die vorliegend geführte Betreuung einen relativ hohen Zeitaufwand erfordert, was in der Person des Betreuten begründet ist. Dieser leidet unter chronischem Alkoholismus mit beginnendem alkoholtoxischen dementiellen Syndrom, war mehrfach zur Behandlung in das Landeskrankenhaus Wehnen eingewiesen worden und verfügte über keine Wohnung. Der Beschwerdeführer hatte und hat sich im Rahmen der Aufgabenübertragung U.a. um die Gesundheit und die Wohnungsangelegenheiten des Betroffenen zu sorgen. Daß zur Erfüllung dieser Aufgaben gerade am Anfang einer Betreuung - ein recht großer Zeitaufwand erforderlich ist, bedarf keiner weiteren Ausführung.
Derzeit kann der Beschwerdeführer die ihm übertragenen Betreuungen wegen des Umfangs also nur im Rahmen seiner Berufsausübung führen.
Die vom Amtsgericht vorgenommene Beurteilung der Berufsmäßigkeit allein anhand der Zahl übertragener Betreuungen hält die Kammer für nicht überzeugend. Denn das ausschließliche Abstellen auf die Anzahl der übertragenen Betreuungen läßt den jeweils unterschiedlichen Aufwand der einzelnen Betreuung unzulässigerweise unberücksichtigt.
Dem Beschwerdeführer steht als Berufsbetreuer auch eine Vergütung für die ersten ihm übertragenen Betreuungen zu. Denn die Kammer hält es in ergänzender Auslegung des § 1836 Abs. 2 BGB für geboten, bereits dem angehenden Berufsbetreuer eine Vergütung auch für die ersten, für sich gesehen vielleicht noch keinen professionellen Einsatz erfordernden Betreuungen zuzugestehen, wenn erst später die Berufsmäßigkeit eintritt.
Dieser Vergütungsanspruch besteht auch für die erste übertragene Betreuung jedenfalls dann, wenn sich im Zeitpunkt des Vergütungsantrages eines angehenden Berufsbetreuers, der seine Dienste als solcher angeboten hat, ergibt, daß diesem seit der ersten Bestellung kontinuierlich weitere Betreuungen übertragen wurden und deshalb absehbar ist, daß der Umfang der Betreuungen innerhalb kurzer Zeit nur berufsmäßig zu bewältigen sein wird. Ist nach der Übertragung der ersten Betreuung hingegen eine längere Zeit vergangen, ohne daß weitere Übertragungen folgen, kann für die in diesem Zeitraum geführte Betreuung kein Vergütungsanspruch bestehen. In einem solchen Fall gibt es nämlich keine objektiven Anzeichen dafür, daß der Betreuer ein angehender Berufsbetreuer ist.
Nur eine sich nach diesen Kriterien bestimmende Vergütungsregelung vermag die Probleme des angehenden Berufsbetreuers praktikabel und angemessen zu erfassen.
Insofern ist nämlich zu berücksichtigen, daß auch der angehende Berufsbetreuer bereits einen - unter Umständen erheblichen - Kostenaufwand hat und gegebenenfalls - so im vorliegenden Fall - die Betreuertätigkeit seine einzige Einnahmequelle darstellt.
Würde dem Berufsbetreuer, ein Vergütungsanspruch erst nach einiger Zeit zustehen, ergäben sich außerdem kaum zu lösende Probleme bei der Vergütungsfestsetzung.
Je kürzer der Zeitraum zwischen der ersten Übertragung und dem Erreichen einer Auslastung als Berufsbetreuer ist, desto komplizierter und damit unwägbarer wäre die Berechnung und Festsetzung einer Vergütung. Bei der Festsetzung wäre zunächst für jeden abgerechneten Zeitraum zu prüfen, ob der Betreuer durchgängig als Berufsbetreuer tätig war. Die Abrechnung des Berufsbetreuers müßte derart detailliert ausfallen, daß sämtliche durch die Berufsbetreuervergütung abgedeckten, also umzulegenden Kosten für die Unterhaltung eines Büros, eines beruflichen benötigten Fahrzeugs usw. den jeweils zu bestimmenden Zeiträumen zuzurechnen wären. Denn nur die während der Zeit der Berufsbetreuung entstandenen Kosten dürften bei der Vergütung berücksichtigt werden.
Eine solche Abrechnung mag einfach erscheinen, wenn - wie hier - der Berufsanfänger unmittelbar nach der Übertragung der ersten Betreuung abrechnet. Wenn diese Abrechnung aber in gesetzlich zulässiger Weise erst nach einem Jahr und zwischenzeitlich unzweifelhaft vorliegendem Status als Berufsbetreuer erfolgt, wäre es realitätsfern zu fordern, bei der Festsetzung der Vergütung zeitlich danach zu differenzieren, ab wann Berufsbetreuung vorgelegen hat.
Vorliegend sind die geforderten Kriterien erfüllt.
Der Beschwerdeführer hatte seine Dienste als Berufsbetreuer angeboten. Ihm sind nach der ersten Übertragung einer Betreuung kontinuierlich weitere Betreuungen übertragen worden. Bereits nach vier Monaten konnten diese Betreuungen nur noch in berufsmäßiger Weise geführt werden. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang ist nach Überzeugung der Kammer ausreichend, den Beschwerdeführer bereits ab Juli 1994 als angehenden Berufsbetreuer anzusehen und zu vergüten.
Sofern sich das Amtsgericht bei seiner Vergütungsentscheidung auf die Ansicht von Schwab (Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl., § 1836, Rn. 24) beruft, der meint, es genüge, wenn eine Person im Hinblick auf ihr Anerbieten, das Amt berufsmäßig zu führen, vom Vormundschaftsgericht als Betreuer ausgewählt werde, teilt die Kammer diese Ansicht nicht. Das allein auf die subjektive Vorstellung des Richters abzielende Kriterium scheint nämlich nicht akzeptabel, weil die Anerkennung als Berufsbetreuer und damit der Zugang zu einem Beruf von objektiven Maßstäben abhängig bleiben muß und nicht von der richterlichen Willensbildung bestimmt werden darf.
Da das Amtsgericht bisher nur über den Grund der Vergütungsentscheidung und konsequenterweise nicht zur Höhe entschieden hat, war die Sache zurückzuverweisen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 131 Abs. 2 KostO, 13 a FGG.
Meyer
Zobel