Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 06.05.2022, Az.: 9 U 25/22

Zurückweisung der Berufung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
06.05.2022
Aktenzeichen
9 U 25/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 70215
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 08.12.2021 - AZ: 7 O 141/19

Redaktioneller Leitsatz

Eine Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen, wenn die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist und das Rechtsmittel auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet.

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Richter am Oberlandesgericht ..., .... und ... am 6. Mai 2022 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. Dezember 2021 verkündete Teil- und Schlussurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird einstimmig zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  3. 3.

    Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin macht, soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse, gegenüber der Beklagten zu 3 Ansprüche auf Schadensersatz in Höhe von € 271.320,- zuzüglich Zinsen geltend, die sie auf die vermeintliche Zahlung von Schmiergeldern durch die Beklagte zu 3 an einen vormals für sie, die Klägerin, tätigen Bau- und Projektleiter stützt.

Die Klägerin führte Bauprojekte zur Anbindung von ...-Windparks an das Stromnetz auf dem Festland durch. Zwischen 2007 und 2014 waren zunächst der vormalige Beklagte zu 1 als natürliche Person, später die H ... GmbH (im Folgenden: H ... GmbH), deren Geschäftsführer der vormalige Beklagte zu 1 ist, selbständig als Bau- und Projektleiter für sie tätig.

Die Beklagte zu 3 erbrachte ab 2008 als Subunternehmerin Leistungen für die Klägerin, die der vormalige Beklagte zu 1 bzw. die H ... GmbH steuerten und überwachten.

Am 29. Mai 2008 wurde zwischen der H ... GmbH und der Beklagten zu 3 ein Vertrag betreffend Planungs-, Ausführungs- und sonstige Leistungen im Rahmen des Netzausbaus der XY GmbH in einem Ausbaugebiet, für das die Beklagte zu 3 als Generalunternehmerin beauftragt worden war, geschlossen. In § 3 des Vertrages, wegen dessen näherer Einzelheiten auf die Anlage K 39 (wie alle nicht anders gekennzeichneten, von der Klägerin vorgelegten Anlagen im "Anlagenband Klägerin") verwiesen wird, war eine feste monatliche Nettovergütung in Höhe von € 6.000,- vereinbart.

Die Klägerin kündigte Anfang 2014 ihre vertraglichen Beziehungen zur H ... GmbH bzw. zu dem Beklagten zu 1. Im Rahmen der Abwicklung der Zusammenarbeit erhielt sie u.a. Kenntnis von sechs Rechnungen auf vertraglicher Grundlage über jeweils € 6.000,- netto, die die H ... GmbH im Jahr 2009 der Beklagten zu 3 erteilt hatte. Auch wurde ihr eine von der Beklagten zu 3 herrührende Gutschrift vom 9. Januar 2012 über € 7.140,- (entspricht € 6.000,- netto) auf dem Konto des ehemaligen Beklagten zu 1 bekannt.

Mit an die Staatsanwaltschaft Hannover gerichtetem Schriftsatz ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 25. Juli 2014 (Anlage K 10) erstattete die Klägerin Strafanzeige "wegen des Verdachts der Untreue gemäß § 266 StGB sowie der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, § 299 StGB, jeweils im besonders schweren Fall" gegen den vormaligen Beklagten zu 1 und ihren Mitarbeiter F. S., der dessen Ansprechpartner im Hause der Klägerin gewesen war. Mit dieser Anzeige äußerte die Klägerin den Verdacht, dass mehrere von ihr beauftragte Nachunternehmen, deren Tätigkeit der ehemalige Beklagte zu 1 zu überwachen hatte, darunter die Beklagte zu 3 und die ehemaligen Beklagten zu 2 und 4, dem vormaligen Beklagten zu 1 und ihrem eigenen Mitarbeiter F. S., die "gemeinsam Aufträge vergeben und Zahlungen an Lieferanten freigeben" konnten, Vorteile gewährt hätten, "um nicht gerechtfertigte Rechnungen freizugeben und vermutlich im Übrigen auch Aufträge zu vergeben" (S. 3 der Strafanzeige). In Bezug auf die Beklagte zu 3 heißt es unter Nr. 3.4 der Strafanzeige (Anlage K 10, dort S. 13) auszugsweise wörtlich:

"Im Rahmen einer Sichtung von Herrn H. [ehem. Bekl. zu 1] Firmen-E-Mail-Account (...) wurde eine E-Mail des Herrn H. vom 17. Dezember 2009 an Frau S. T., einer Mitarbeiterin der Fa. S., gefunden. An diese E-Mail waren sechs Rechnungen der H ... an die Fa. S. angehängt. Als Rechnungsdatum ist jeweils der 30. November 2009 und als Rechnungsbetrag stets 6.000 € genannt. Die Rechnungen weisen die Rechnungsnummern 01 bis 04/2009 sowie 06/2009 und 08/2009 aus. Als Bankverbindung der H ... ist das Privatkonto des Herrn H. bei der DKB angegeben. Die E-Mail nebst den angehängten Rechnungen fügen wir (...) bei.

(...)

Aus dem (...) beigefügten Kontoauszug (...) ist zudem ersichtlich, dass Herr H. von der Fa. S. tatsächlich nicht allein in 2009, sondern auch später regelmäßig 6.000,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer von 19 % per Monat erhielt. So ist eine Gutschrift der Fa. S. vom 9. Januar 2012 über 7.140,00 € aufgeführt.

(...) Vermutlich wurde Herr H. demnach seit mindestens 2009 von der Fa. S. für seine "Leistungen" vergütet. (...)

Die Staatsanwaltschaft Hannover nahm die Ermittlungen auf, in deren Rahmen es zu Durchsuchungen auch bei der Beklagten zu 3 kam; Unterlagen zu Beratungsleistungen des ehemaligen Beklagten zu 1 für die Beklagte zu 3 wurden nicht aufgefunden. Mit Verfügung vom 25. Oktober 2019 bzw. 19. Dezember 2019 (Anlage B.3.1, wie alle nicht anders gekennzeichneten, von der Beklagten zu 3 vorgelegten Anlagen im "Anlagenband Beklagte") stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, soweit es sich gegen zwei (frühere) Mitarbeiter der Beklagten zu 3 gerichtet hatte.

Die Klägerin nahm am 24. Januar 2019 Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und beantragte im April 2019 Mahnbescheide gegen die (vormaligen) Beklagten. Aus den dagegen gerichteten Widersprüchen resultiert das vorliegende Verfahren, in dessen Rahmen sich die Klägerin mit den vormaligen Beklagten zu 1, 2 und 4 auf eine vergleichsweise Lösung geeinigt hat (vgl. Bl. 123 ff. Bd. V d.A.).

Die Klägerin hat behauptet, bei den monatlichen Zahlungen der Beklagten zu 3 an den vormaligen Beklagten zu 1 habe es sich um Schmiergeldzahlungen gehandelt; der Beklagte zu 1 habe sich dafür bei der Vergabe von Aufträgen und bei der Prüfung von Aufmaßen und Nachträgen für die Beklagte zu 3 einsetzen sollen. Die von der Beklagten zu 3 an den ehemaligen Beklagten zu 1 geleisteten Zahlungen seien anders nicht erklärbar. Sie hat gemeint, die Beklagte zu 3 sei daher (gesamtschuldnerisch mit dem ehemaligen Beklagten zu 1) verpflichtet, ihr die von Dezember 2009 bis September 2012 von der Beklagten zu 3 an den ehemaligen Beklagten zu 1 geflossenen Zahlungen in einer Gesamthöhe von € 271.320,- zu erstatten.

Die Beklagte zu 3 hat Schmiergeldzahlungen bestritten und die tatsächliche Erbringung von Leistungen durch den Beklagten zu 1 behauptet.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 136 ff. Bd. V d.A.), auf das wegen der näheren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 3 seien verjährt. Bereits zum Zeitpunkt der Strafanzeige vom 25. Juli 2014 habe die Klägerin von dem nach ihrer Auffassung anspruchsbegründenden Sachverhalt in einem solchen Umfang Kenntnis gehabt, der ihr die Erhebung einer hinreichend aussichtsreichen Klage ermöglicht hätte. Dies gelte umso mehr deshalb, weil bei behaupteten Schmiergeldzahlungen Besonderheiten in der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu berücksichtigen seien: Die Klägerin habe lediglich ausreichende Anhaltspunkte für eine Schmiergeldabrede dartun müssen, wozu sie bereits 2014 in der Lage gewesen sei. Ein Anspruch aus § 852 BGB komme nicht in Betracht, weil weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass die Beklagte zu 3 etwas im Sinne dieser Vorschrift aus den behaupteten Schmiergeldzahlungen erlangt habe.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt, soweit es sich gegen die Beklagte zu 3 richtet. Sie meint, bei Erstattung der Strafanzeige lediglich in der Lage gewesen zu sein, einen strafprozessualen Anfangsverdacht zu beschreiben, was nicht ausreiche, um von einem Beginn der zivilrechtlichen Verjährungsfrist auszugehen. Das Landgericht verkehre zudem die ihr, der Klägerin, zukommenden Erleichterungen in der Darlegungs- und Beweislast in ihr Gegenteil, wenn es diese zur Begründung eines frühen Verjährungsbeginns heranziehe. Schließlich bestehe jedenfalls ein Anspruch aus § 852 BGB, weil die für Korruptionssachverhalte entwickelten Regeln zur Beweislastumkehr auch im Rahmen dieser Vorschrift herangezogen werden müssten.

Die Klägerin hat angekündigt, zu beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hannover, Az. 7 O 141/19, die Beklagte zu 3 zu verurteilen, an die Klägerin € 271.320,- zuzüglich gestaffelter Zinsen zu zahlen.

Wegen des genauen Wortlauts des Antrags der Klägerin, insbesondere der Zinsstaffelung, wird auf die Berufungsbegründung vom 25. Februar 2022, dort S. 2-5 (= Bl. 161 ff. Bd. V d.A.), verwiesen.

Die Beklagte zu 3 hat angekündigt, zu beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 30. März 2022 (Bl. 178 ff. Bd. V d.A.), auf den Bezug genommen wird, auf seine Absicht hingewiesen, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, und der Klägerin insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der diese indes trotz antragsgemäß bis 5. Mai 2022 verlängerter Frist (vgl. Bl. 197 Bd. V d.A.) keinen Gebrauch gemacht hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird neben der angefochtenen Entscheidung auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, namentlich die Berufungsbegründung vom 25. Februar 2022 (Bl. 160 ff. Bd. V d.A.), verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist jedoch gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist und das Rechtsmittel schließlich auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet.

Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 30. März 2022, zu dem sich die Klägerin trotz antragsgemäß verlängerter Frist nicht mehr geäußert hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.