Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.12.2013, Az.: 13 K 194/13

Kindergeldanspruch eines verheirateten Kindes seit dem Wegfall des Jahresgrenzbetrags für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
03.12.2013
Aktenzeichen
13 K 194/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 52314
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2013:1203.13K194.13.0A

Fundstellen

  • EFG 2014, 293-296
  • EStB 2014, 182

Amtlicher Leitsatz

Seit dem Wegfall des Jahresgrenzbetrags für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes zum 1. Januar 2012 kann der Kindergeldanspruch für ein verheiratetes Kind nicht mehr mit der Begründung verneint werden, das Kind habe einen vorrangigen Unterhaltsanspruch gegenüber seinem Ehegatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die beklagte Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für das Kind D für den Zeitraum ab Januar 2012 aufheben durfte.

2

Der Kläger ist der Kindergeldberechtigte für das Kind D (geb. am xx. xx 1990).

3

D heiratete am xx. xx 2010.

4

Das Kind besuchte bis zum 31. Juli 2010 das Fachgymnasium Wirtschaft. Am 1. August 2010 begann D eine Ausbildung als Bankkaufmann. Nach dem Ausbildungsvertrag endete das Ausbildungsverhältnis am 31. Juli 2013. Nach dem Ausbildungszeugnis bestand D am xx. April 2013 die Prüfung zum Sparkassenkaufmann und am xx. Juni 2013 die Abschlussprüfung zum Bankkaufmann. Das Abschlusszeugnis erhielt er am xx. Juni 2013. D wurde zum xx. Juni 2013 in ein unbefristetes Angestelltenverhältnis übernommen.

5

Die Ehefrau von D wurde am 1. August 2010 zur Beamtin auf Widerruf (xx-anwärterin) ernannt.

6

Das Kindergeld wurde zunächst weitergezahlt.

7

Im Februar 2013 begann die Beklagte mit einer Überprüfung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes ab dem Jahr 2010.

8

Nachdem der Kläger die entsprechenden Unterlagen zu den eigenen Einkünften und Bezügen seines Sohns und seiner Schwiegertochter vorgelegt hatte, nahm die Beklagte eine Grenzbetragsprüfung für die Jahre ab 2010 vor. Diese ergab für das Jahr 2010, dass D unter dem Jahresgrenzbetrag lag. Für das Jahr 2011 ergab sich, dass D unter Einbezug eines Unterhaltsbeitrags seiner Ehefrau über dem Jahresgrenzbetrag lag.

9

Für das Streitjahr 2012 nahm die Beklagte folgende Berechnung vor: Zunächst ermittelte sie die Einkünfte und Bezüge von D. Diese betrugen 8.386,66 EUR. Dann ermittelte er die Einkünfte und Bezüge des Ehegatten. Diese betrugen 10.250,72 EUR. Die Differenz aus den beiden Einkommen betrug demnach 1.864,06 EUR. Die Hälfte der Differenz nahm die Beklagte als mögliche Unterhaltsleistung an (932,00 EUR). Diesen Unterhaltsbetrag addierte die Beklagte zu den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes (8.386,66 EUR + 932,00 EUR = 9.318,66 EUR). Dann zog die Beklagte noch eine Kostenpauschale in Höhe von 180,00 EUR ab und kam auf einen Betrag in Höhe von 9.138,66 EUR.

10

Diesen Betrag verglich die Beklagte mit dem früheren Jahresgrenzbetrag in Höhe von 8.004 EUR. Hätte der ermittelte Betrag unter dem Jahresgrenzbetrag gelegen, hätte die Beklagte einen sog. Mangelfall angenommen, so dass der Kläger weiterhin kindergeldberechtigt gewesen wäre. Im vorliegenden Fall lag der ermittelte Betrag aber über dem früheren Jahresgrenzbetrag. Deswegen bestand nach Ansicht der Beklagten kein Anspruch auf Kindergeld mehr.

11

Mit Bescheid vom 30. April 2013 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2011 auf. Gleichzeitig forderte sie das Kindergeld für die Jahre 2011 und 2012 zurück (4.416,00 EUR). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass D verheiratet sei. Mit der Heirat gehe die vorrangige Unterhaltsverpflichtung auf den Ehegatten über. Unter Berücksichtigung des vom Ehegatten anzurechnenden Unterhaltsbeitrags könne sich D selbst unterhalten. Deshalb entfalle der Kindergeldanspruch.

12

Mit am 21. Mai 2013 eingegangenem Schreiben legte der Kläger gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung insoweit Einspruch ein, als die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung den Zeitraum ab Januar 2012 umfasste.

13

Er verwies auf ein Urteil des Finanzgerichts Münster vom 30. November 2012 (4 K 1569/12 Kg) wonach ab dem Jahr 2012 der Kindergeldanspruch für verheiratete Kinder unabhängig von dem Einkommen des Ehegatten entstehe, weil die Regelungen zum Jahresgrenzbetrag entfallen seien. § 32 EStG sei durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 dahingehend geändert worden, dass für den Kindergeldanspruch nur noch eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium erforderlich seien. Die früher festgelegten Einkommensgrenzen seien weggefallen. Dementsprechend könne auch ein Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Ehefrau nicht mehr für die Berechnung einer schädlichen Einkommensgrenze herangezogen werden.

14

Mit Einspruchsbescheid vom 17. Juli 2013 wies die Beklagte den Einspruch zurück. Die Beklagte verwies auf die Rechtsprechung des BFH, wonach für ein verheiratetes Kind kein Kindergeldanspruch mehr bestehe, weil die Unterhaltsverpflichtung beim Ehepartner liege. Eine zwingende Unterhaltsbelastung der Eltern liege nicht mehr vor (BFH-Urteil vom 2. März 2000, BStBl II 2000, 522 [BFH 02.03.2000 - VI R 13/99]). Anders sei es nur, wenn der Ehepartner ein so geringes Einkommen habe, dass er seiner vorrangigen Unterhaltsverpflichtung nicht nachkommen könne (sog. Mangelfall). Maßstab dafür sei, ob die Einkünfte des Kindes, ggf. zusammen mit den anrechenbaren Unterhaltsleistungen des Ehepartners den Jahresgrenzbetrag überschreiten würden. Die Beklagte ging davon aus, dass für diese Prüfung der Jahresgrenzbetrag des Kalenderjahres 2011 in Höhe von 8.004,00 EUR Anwendung finde.

15

Mit am 16. August 2013 eingegangener Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

16

Der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld 2012. Der Sohn habe sich in der erstmaligen Berufsausbildung befunden. Weitere Voraussetzungen enthalten das Gesetz nicht. Die Höhe der Ausbildungsvergütung des Sohns sei für den Kindergeldanspruch nicht maßgeblich, da die in § 32 Abs. 4 EStG - in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung - enthaltene Regelung zum 1. Januar 2012 entfallen sei. Gleiches gelte seit dem 1. Januar 2012 für den Unterhaltsanspruch des Sohns gegen seine Ehefrau nach §§ 1608, 1360, 1360a BGB.

17

Die Einkünfte der Ehefrau des Sohns seien für den Kindergeldanspruch des Klägers nicht von Bedeutung. Ob ein sogenannter Mangelfall vorliege, sei unerheblich, weil der Umstand, dass der Sohn verheiratet sei, dem Kindergeldanspruch nicht entgegenstehe.

18

Für verheiratete Kinder sehe das Gesetz keinerlei Einschränkungen vor. Der Kindergeldanspruch setze entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH keine "typische Unterhaltssituation" mehr voraus.

19

Nach der gesetzgeberischen Entscheidung sei das Kindergeld nunmehr unabhängig von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes zu gewähren. Dies habe der Gesetzgeber wegen des Vereinfachungseffekts bewusst in Kauf genommen. Damit habe der Gesetzgeber davon abgesehen, die "typische Unterhaltssituation" zur Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung von Kindergeld zu machen.

20

Hätte der Gesetzgeber den Kindergeldanspruch für verheiratete Kinder ausschließen wollen, hätte er einen entsprechenden Ausschlusstatbestand eingeführt.

21

Der Kläger beantragt,

22

die Beklagte zu verurteilen, den Aufhebungsbescheid vom 30. April 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2013, mit der die Kindergeldfestsetzung für das Kind D ab Januar 2011 aufgehoben und die Rückforderung mit 4.416,00 EUR festgesetzt worden ist, aufzuheben, soweit sie den Zeitraum ab dem 1. Januar 2012 betreffen.

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Es bestehe keine Anspruch mehr auf Kindergeld, weil nicht mehr die Eltern des Kindes sondern der andere Ehegatte nach § 1615 l BGB zum Unterhalt verpflichtet sei. Die Beklagte habe auf Grund der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs (Abschnitt 31.2.2. DA-FamEStG) keine Möglichkeit, die Klägerin klaglos zu stellen.

26

Der Kläger hat mit Schreiben vom 30. August 2013 auf mündliche Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt. Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 1. Oktober 2013 diesen Erklärungen angeschlossen.

Entscheidungsgründe

27

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

28

I. Die beklagte Familienkasse hat die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 2012 bis Juni 2013 zu Unrecht aufgehoben. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

29

1. Der Klageantrag ist dahingehend auszulegen, dass sich das Klagebegehren auf die Kindergeldfestsetzung von Januar 2012 bis Juli 2013 bezieht.

30

a) Der Kläger begehrt ausweislich seines Klageantrags die Aufhebung des Bescheids vom 30. April 2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2013 soweit mit diesen Bescheiden die Kindergeldfestsetzung "ab Januar 2012" aufgehoben und das Kindergeld insoweit zurückgefordert worden ist.

31

b) Die Bezeichnung "ab Januar 2012" ist zeitlich offen formuliert worden. Die Familienkasse trifft aber im Falle eines Einspruchs gegen einen Aufhebungsbescheid längstens bis zu dem Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung eine Regelung über den Kindergeldanspruch (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs (-BFH-) vom 4. August 2011 III R 71/10, BFH/NV 2012, 298; BFH-Urteil vom 9. Juni 2011 III R 54/09, BFH/NV 2011, 1858; BFH-Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 41/07, BStBl II 2012, 681; BFH-Urteil vom 27. September 2012 III R 70/11, BStBl II 2013, 544; BFH-Urteil vom 7. März 2013 V R 61/10, BFH/NV 2013, 1025). Dieser zeitliche Regelungsumfang des Aufhebungsbescheides wird durch die Klageerhebung nicht verändert (BFH-Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 41/07, BStBl II 2012, 681; BFH-Urteil vom 7. März 2013 V R 61/10, BFH/NV 2013, 1025).

32

c) Es entspricht daher der recht verstandenen Interessenlage des Klägers, dass er mit seiner Klage die Aufhebung des Aufhebungsbescheids nur für den Zeitraum Januar 2012 bis Juli 2013 erreichen will (ebenso: BFH-Urteil vom 27. September 2012 III R 70/11, BStBl II 2013, 544). Mehr ist von vornherein aus prozessualen Gründen nicht möglich. Den Beteiligten ist rechtliches Gehör gewährt worden. Der Kläger hat nicht verlangt, dass über die Kindergeldfestsetzung nach Juli 2013 entschieden werden soll.

33

2. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind für die Kindergeldgewährung grundsätzlich Kinder im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG berücksichtigungsfähig. § 32 Abs. 3 bis 5 EStG gilt entsprechend (§ 63 Abs. 1 Satz 2 EStG). Da D mit dem Kläger im ersten Grad verwandt ist, ist § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt. D hatte in dem streitigen Zeitraum ab Januar 2012 das 18. Lebensjahr bereits vollendet. Daher müssen die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG erfüllt sein.

34

a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird ein Kind, dass - wie D im vorliegenden Fall - das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der Fassung für den Streitzeitraum).

35

aa) D begann am 1. August 2010 eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Bei dieser Ausbildung handelt es sich um eine "erstmalige Berufsausbildung" im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Zwar hatte D zuvor das Fachgymnasium Wirtschaft besucht. Ein vorangegangener Besuch eines Gymnasiums erfüllt zwar den Berücksichtigungstatbestand der "Berufsausbildung" im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, stellt aber keine "erstmalige Berufsausbildung" im Sinne der enger auszulegenden Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dar. Eine "erstmalige Berufsausbildung" liegt nur vor, wenn dem Kind alle notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt wurden, die es für die Ausübung des von ihm angestrebten Berufes benötigt (Urteil des FG Münster vom 30. November 2012 4 K 1569/12 Kg, EFG 2013, 298; Urteil des FG Münster vom 2. Juli 2013, 11 K 4300/12 Kg, [...]; Urteil des FG Köln vom 16. Juli 2013, 9 K 935/13, [...], Revision eingelegt, Az. des BFH: XI R 32/13; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22. August 2013, 6 K 187/13, [...]; BMF-Schreiben vom 7. Dezember 2011, BStBl. I 2011, 1243, Tz. 21). Diese Fertigkeiten und Kenntnisse wurden D noch nicht während des Schulbesuchs, sondern erst in der Berufsausbildung zum Bankkaufmann vermittelt.

36

bb) Allerdings erfüllte D die Voraussetzung einer noch nicht abgeschlossenen Berufsausbildung nicht bis einschließlich des letzten Monats des Streitzeitraums - also bis einschließlich des Monats Juli 2013 - sondern nur bis einschließlich des Monats Juni 2013.

37

aaa) Zwar wies eine im Klageverfahren zunächst eingereichte Bescheinigung (Anlage K2) das Ende des Ausbildungsverhältnisses erst mit dem 31. Juli 2013 aus. Die Berufsausbildung des Kindes endet aber spätestens mit der Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse. Sie ist auch beendet, wenn das Kind nach der Erbringung der Prüfungsleistungen eine Vollerwerbstätigkeit aufnimmt (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 VI R 143/99, BStBl II 2000, 473; BFH-Urteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BStBl II 2010, 298; vgl. auch die Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs (DA-FamEStG) vom 16. Juli 2012 (BStBl I 2012, 734), DA 63.3.2.7. Abs. 4 und 5). Nach dem Ausbildungszeugnis hat die Ausbildung von D nur bis zum xx. Juni 2013 gedauert. Die Prüfung zum Sparkassenkaufmann fand bereits am xx. April 2013 statt. Die Abschlussprüfung zum Bankkaufmann vor der Industrie- und Handelskammer A fand am xx. Juni 2013 statt. D erhielt am xx. Juni 2013 sein Ausbildungszeugnis und wurde zum xx. Juni 2013 in ein unbefristetes Angestelltenverhältnis übernommen. Mithin war Ds Ausbildung am xx. Juni 2013 abgeschlossen.

38

bbb) Da der Anspruch auf Kindergeld nur für Kalendermonate besteht, in denen wenigstens an einem Tag die Anspruchsvoraussetzungen vorgelegen haben (BFH-Beschluss vom 8. März 2002 VIII B 185/01, BFH/NV 2002, 1289; auch: DA 66.2. Abs. 1 Satz 1 DA-FamEStG; Schmidt/ Weber-Gellet, Einkommensteuergesetz, 32. Auflage, § 66 Rz. 4), kann der Kläger zwar noch Anspruch auf Kindergeld für den Monat Juni 2013 nicht aber mehr für den Monat Juli 2013 haben. Hinsichtlich des Monats Juli 2013 ist die Klage unbegründet.

39

b) Neben der "erstmaligen Berufsausbildung" müssen keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen für den Kindergeldanspruch erfüllt sein. Die Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich abschließend aus § 32 Abs. 4 EStG. Nach der Gesetzesfassung für den streitigen Zeitraum ab Januar 2012 ist die Höhe der Ausbildungsvergütung von D für den Kindergeldanspruch nicht mehr maßgeblich, da die in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Gesetzesfassung enthaltene Regelung zu den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes zum 1. Januar 2012 entfallen ist (Art. 1 Nr. 17 Buchst. a, Art. 18 Abs. 1 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011, BGBl. I 2011, S. 2131 ff.).

40

c) Zwar gehörte auch der Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber der Ehefrau nach § 1608 Satz 1 BGB in Verbindung mit §§ 1360, 1360a BGB bis einschließlich 2011 zu den Einkünften und Bezügen des Kindes (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2011 III R 8/08, BStBl II 2012, 340). Da aber der Gesetzgeber die gesetzliche Regelung ab 2012 dahingehend geändert hat, dass kein Jahresgrenzbetrag mehr zu prüfen ist, hat der Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehegatten seine entsprechende Bedeutung für die Kindergeldfestsetzung verloren (ebenso: Urteil des FG Münster vom 30. November 2012, 4 K 1569/12 Kg, EFG 2013, 298; Urteil des FG München vom 20. Februar 2013, 9 K 3405/12, [...], Revision wurde zugelassen, Az. des BFH: III R 33/13; Urteil des FG Münster vom 24. April 2013, 5 K 3297/12 Kg, EFG 2013, 1242, Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 22/13; Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 13. Juni 2013, 2 K 458/13 (Kg), EFG 2013, 1501, Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 34/13; Urteil des FG Münster vom 2. Juli 2013, 11 K 4300/12 Kg, [...]; Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 3. Juli 2013, 8 K 1201/12 (Kg), [...]; Urteil des FG Köln vom 16. Juli 2013, 9 K 935/13, [...], Revision eingelegt, Az. des BFH: XI R 32/13; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22. August 2013, 6 K 187/13, [...]; Urteil des FG Düsseldorf vom 27. August 2013, 10 K 1940/13 Kg, [...], Revision eingelegt: Az. des BFH: III R 44/13; Urteil des FG Düsseldorf vom 29. Oktober 2013 10 K 3113/13 KG, [...]; vgl. auch Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 26. Juni 2013, 2 K 470/13 (Kg), [...], Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 37/13 und Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. September 2013, 4 K 951/12, [...], Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 46/13).

41

d) Die Einkünfte der Ehefrau von D sind für den Kindergeldanspruch des Klägers auch im Übrigen nicht von Bedeutung.

42

aa) Zwar setzte der Kindergeldanspruch nach der früheren Rechtsprechung des BFH als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine "typische Unterhaltssituation" voraus. Deshalb bestand nach der Eheschließung des Kindes grundsätzlich kein Kindergeldanspruch der Eltern mehr, weil ab diesem Zeitpunkt in erster Linie der Ehepartner dem Kind zum Unterhalt verpflichtet war (§§ 1608 Satz 1 BGB in Verbindung mit §§ 1360, 1360a BGB). Der Kindergeldanspruch entstand nur, wenn die Eltern weiterhin unterhaltsverpflichtet blieben, weil das Einkommen des Ehepartners so gering war, dass er zum vollständigen Unterhalt nicht in der Lage war (sog. Mangelfall). Ein Mangelfall wurde bei kinderlosen Ehen angenommen, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes einschließlich der Unterhaltsleistungen des Ehepartners den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. nicht überschritten (BFH-Urteil vom 2. März 2000 VI R 13/99, BStBl II 2000, 522; BFH-Urteil vom 23. November 2001, VI R 144/00, BFH/NV 2002, 482; BFH-Urteil vom 19. April 2007 III R 65/06, BStBl II 2008, 756; BFH-Urteil vom 4. August 2011 III R 48/08, BStBl II 2011, 975; BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2011 III R 8/08, BStBl II 2012, 340). Ein weiterer Fall, in dem die Rechtsprechung keine "typische Unterhaltssituation" annahm, lag vor, wenn das Kind einer Vollzeitbeschäftigung nachging (BFH-Urteil vom 23. Februar 2006 III R 8/05 und III R 46/05, BStBl II 2008, 704; BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 III R 78/04, BFH/NV 2006, 2248; BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 III R 58/05, BFH/NV 2006, 2249).

43

bb) In seiner neueren Rechtsprechung hat der BFH das Erfordernis des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der "typischen Unterhaltssituation" sowohl für die Fälle der Vollzeitbeschäftigung (BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 III R 34/09, BStBl II 2010, 982; BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 III R 57/10, BFH/NV 2011, 1316; BFH-Urteile vom 22. Dezember 2011 III R 64/10, BFH/NV 2012, 927; III R 65/10, BFH/NV 2012, 929; III R 67/10, BFH/NV 2012, 930 [BFH 22.12.2011 - III R 67/10]; III R 93/10, BFH/NV 2012, 932 [BFH 22.12.2011 - III R 93/10] und III [BFH 05.09.2011 - X B 144/10] R 66/10, BFH/NV 2012, 1301 [BFH 22.12.2011 - III R 66/10]) als auch für die Fälle der verheirateten Kinder (BFH-Urteil vom 11. April 2013 III R 24/12, BFH/NV 2013, 1307 [BFH 11.04.2013 - III R 24/12]) ausdrücklich aufgegeben. Zur Begründung führte der BFH aus, dass die Frage, ob ein Kind typischerweise nicht auf Unterhaltsleistungen seiner Eltern angewiesen sei, sei nach der gesetzlichen Regelungssystematik noch nicht bei den Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG a.F. sondern erst im Rahmen der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.) zu prüfen.

44

cc) Das Gericht schließt sich der geänderten Rechtsprechung des BFH an. Der Gesetzgeber unterstellte bei der früheren Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG typisierend, dass Eltern dann nicht mehr mit Unterhaltsaufwendungen für das Kind belastet waren, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes den maßgeblichen Grenzbetrag überschritten. Für ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal einer "typischen Unterhaltssituation" bestand darüber hinaus keine Notwendigkeit. Für eine Einschränkung der Kindergeldberechtigung unabhängig von der Überschreitung des früheren Jahresgrenzbetrags finden sich im Gesetz keine Anhaltspunkte. Das Fehlen einer "typischen Unterhaltssituation" kann deshalb einen ansonsten nach dem Gesetz bestehenden Kindergeldanspruch nicht ausschließen. Das Gesetz sieht insbesondere für verheiratete Kinder keinerlei zusätzlicher Einschränkungen vor. Es ist deshalb unerheblich, ob der Ehegatte vorrangig unterhaltsverpflichtet ist oder nicht. Der Umstand, dass D verheiratet ist, hat nach den gesetzlichen Regelungen keine Bedeutung.

45

dd) Das aufgegebene ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "typischen Unterhaltssituation" ist auch nicht nach dem Wegfall der Prüfung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes ab dem Jahr 2012 wieder zur rechtlichen Relevanz erstarkt. Nach der gesetzgeberischen Entscheidung ist Kindergeld ab dem Jahr 2012 bei Vorliegen eines Berücksichtigungstatbestandes unabhängig von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes zu gewähren. Der Gesetzgeber hat eine Ausweitung der Begünstigungsfälle bewusst in Kauf genommen. Der Wegfall des Grenzbetrages sollte zu einer erheblichen Entlastung von Eltern, volljährigen Kindern, Familienkassen und Finanzämtern führen (Bundestags-Drucksache 17/5125, S. 41). Damit hat sich auch der Gesetzgeber von der Leitvorstellung einer typischen Unterhaltssituation - die sich durch die Höhe des eigenen Einkommens des Kindes ausdrückte - verabschiedet. Diese gesetzgeberische Entscheidung würde konterkariert werden, wenn die Rechtsprechung nunmehr das Erfordernis eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals "typische Unterhaltssituation" wieder einführen würde. Hätte der Gesetzgeber den Kindergeldanspruch für verheiratete Kinder ausschließen wollen, hätte er einen entsprechenden Ausschlusstatbestand eingeführt (ebenso: Urteil des FG Münster vom 30. November 2012 4 K 1569/12 Kg, EFG 2013, 298; Urteil des FG München vom 20. Februar 2013, 9 K 3405/12, [...], Revision wurde zugelassen, Az. des BFH: III R 33/13; Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 13. Juni 2013, 2 K 458/13 (Kg), EFG 2013, 1501, Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 34/13; Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 26. Juni 2013, 2 K 470/13 (Kg), [...], Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 37/13; Urteil des FG Münster vom 2. Juli 2013, 11 K 4300/12 Kg, [...]; Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 3. Juli 2013, 8 K 1201/12 (Kg), [...]; Urteil des FG Köln vom 16. Juli 2013, 9 K 935/13, [...], Revision eingelegt, Az. des BFH: XI R 32/13; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22. August 2013, 6 K 187/13, [...]; Urteil des FG Düsseldorf vom 27. August 2013, 10 K 1940/13 Kg, [...], Revision eingelegt: Az. des BFH: III R 44/13; Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. September 2013, 4 K 951/12, [...], Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 46/13; Urteil des FG Düsseldorf vom 29. Oktober 2013 10 K 3113/13 KG, [...]).

46

e) Die DA-FamEStG geht dagegen davon aus, dass der Anspruch auf Kindergeld erlischt, wenn ein volljähriges Kind heiratet und dadurch die vorrangige Unterhaltsverpflichtung auf den Ehegatten übergeht. Eine Kindergeldfestsetzung komme in diesen Fällen nur dann in Betracht, wenn durch den Berechtigten nachgewiesen werde, dass der vorrangig Unterhaltsverpflichtete aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage sei, seiner Verpflichtung zur Sicherung des Kindesunterhalts nachzukommen (sog. Mangelfall; DA 31.2.1. DA-FamEStG, zur Berechnung vgl. DA 31.2.2. DA-FamEStG). Diese Rechtsauffassung legt unabhängig von der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung der Kindergeldvorschriften immer noch ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der "typischen Unterhaltssituation" zugrunde, was nach dem Wegfall des Jahresgrenzbetrags nicht mehr aus den gesetzgeberischen Grundentscheidungen hergeleitet werden kann.

47

II. Der Bescheid vom 30. April 2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2013 ist auch insoweit rechtswidrig, soweit die Beklagte das ab Januar 2012 ausgezahlte Kindergeld zurückgefordert hat.

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1. Nach § 37 Abs. 2 AO ist eine Steuervergütung - zu der gemäß § 31 Satz 3 EStG auch das Kindergeld gehört - zurück zu zahlen, wenn die Zahlung ohne rechtlichen Grund erfolgt ist. Nach den obigen Ausführungen war die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 2012 bis Juni 2013 rückgängig zu machen. Deshalb bestand auch ein rechtlicher Grund für die Auszahlung des Kindergelds für die Monate Januar 2012 bis Dezember 2012. Ein Rückforderungsanspruch besteht nicht.

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2. Von dem insgesamt zurück geforderten Kindergeld in Höhe von 4.416 EUR entfällt ein Teilbetrag in Höhe von 2.208 EUR (184 EUR x 12 Monate) auf die Monate Januar 2012 bis Dezember 2012.

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Kläger hat den Rechtsstreit nur zu einem ganz geringen Teil verloren.

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IV. Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Es sind bereits mehrere Revisionen anhängig, die den hier vorliegenden Streitfall betreffen. Außerdem widerspricht die Entscheidung einer bundesweit geltenden Verwaltungsanweisung (DA 31.2.1 und DA 31.2.2. DA-FamEStG).