Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.12.2013, Az.: 6 K 147/12
Geltung des Ausschlusses vom Abzinsungsgebot nur für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 05.12.2013
- Aktenzeichen
- 6 K 147/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 56992
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2013:1205.6K147.12.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 06.05.2015 - AZ: I R 7/14
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 1 KStG
- § 21 Abs. 1 KStG
- § 21 Abs. 3 KStG
- § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG
Fundstelle
- BB 2014, 1520-1521
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der Ausschluss vom Abzinsungsgebot gem. § 21 Abs. 3 KStG gilt nur für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen.
- 2.
Eine Beitragsrückerstattung ist auch dann erfolgsunabhängig, wenn Zuführungen zur Rückstellung nur bei einem positiven Ergebnis aus einer bestimmten Versicherungsart (hier Pflegeversicherung), aber unabhängig von dem Gesamtergebnis aus dem selbst abgeschlossenen Geschäft vorgenommen werden.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen abgezinst werden müssen.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft eine Krankenversicherung. Dabei handelt es sich um eine sog. substitutive Krankenversicherung, d.h. eine solche, die anstelle der gesetzlichen Krankenversicherung tritt.
Die Klägerin war zudem in den Streitjahren neben anderen Versicherungsunternehmen Gesellschafterin der ... GbR mit Sitz in Köln. Nach § 2 des Gründungsvertrages ist Zweck der Gesellschaft die Beitragskalkulation gem. §§ 23, 110 und 111 SGB XI, die Durchführung des finanziellen Ausgleichs gem. § 111 Abs. 1 SGB XI, die Führung einer Gemeinschaftsstatistik sowie die Überprüfung der Risikoprüfung und der Schadenregulierung bei den einzelnen Gesellschaftern jeweils für die private Pflegeversicherung. Hintergrund der Gründung der Gesellschaft ist die Einführung der Pflichtversicherung zur Finanzierung der Kosten wegen Pflegebedürftigkeit (1994, durch das Pflegeversicherungsgesetz - SGB XI). In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber die Unternehmen der privaten Krankenversicherung in § 111 SGB XI verpflichtet, ein der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) unterworfenes Ausgleichssystem zu schaffen. Die privaten Krankenversicherer haben diesen gesetzlichen Vorgaben durch Gründung der ... GbR entsprochen.
Der Gesellschaftsvertrag der ... GbR vom ... bzw. in der Neufassung vom ... enthält in § 8 die folgende Regelung:
"Die Gesellschafter stellen für die private Pflegeversicherung eine eigene Abrechnung gem. dem Abrechnungsschema in Anlage 1 auf....Wie dort ausgeführt, sind Überschussmittel in der sich ergebenen Höhe unabhängig vom Gesamtergebnis des Versicherungsunternehmens der Rückstellung für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung (RfuB-PPV) zuzuführen.
Die Mittel aus der RfuBPPV werden... zum Abbau der Umlage verwendet..."
Regelungen über eine Verzinsung der Rückstellung sind zunächst nicht vereinbart worden.
Am ...2006 wurde den Gesellschaftern der ...GbR ein geänderter Vertragsentwurf zur Abstimmung vorgelegt, der erstmals eine Verzinsung der Rückstellung mit dem jeweils gültigen Rechnungszinssatz vorsah. Diesem Vertragsentwurf verweigerte die BaFin jedoch zunächst die Zustimmung. Daraufhin wurde mit dem geänderten Gesellschaftsvertrag vom ... die Verzinsung in § 8 wie folgt geregelt: "... Die RfuB-PVV ist nach der in Anlage 1 zu Punkt 12 angegebenen Berechnungsweise zu verzinsen." Die BaFin stimmte der geänderten Vertragsfassung am 6.11.2007 zu.
Mit Schreiben vom 16.11.2010 an den Verband der privaten Krankenversicherung e.V. führte die BaFin aus: "...hiermit bestätige ich Ihnen, dass die BaFin mit der Verzinsung der Rückstellung für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung im Jahr 2006 auf der Grundlage der von den Gesellschaftern der ... im gleichen Jahr beschlossenen Änderungen des Pool-Vertrages einverstanden ist. Mein Schreiben vom 6.11.2007 stellt insoweit implizit auch eine Zustimmung hinsichtlich der im Jahr 2006 vorgenommenen Änderungen des Poolvertrages dar."
...
Aufgrund der Verpflichtungen aus dem Pool-Vertrag passivierte die Klägerin die folgenden Rückstellungen:
zum 31.12.2005: 1.046.404 Euro
zum 31.12.2006: 1.462.316 Euro
zum 31.12.2007: 1.857.670 Euro.
Im Einzelnen entwickelte sich die Rückstellung in dem Zeitraum vom 31.12.2000 bis zum 31.12.2007 wie folgt:
31.12.2000 | 2.382.307 DM | ||
---|---|---|---|
1.218.054 Euro | |||
Entnahmen zur Verrechnung (z.V.) | - 1.435.075 DM | ||
Zuführung | + 156.875 DM | ||
31.12.2001 | 1.104.107 DM | ||
564.521 Euro | |||
Entnahme z.V. | - 105.593 Euro | ||
Zuführung | 0 | ||
31.12.2002 | 458.928 Euro | ||
Entnahme z.V. | - 344.022 Euro | ||
Zuführung | + 370.726 Euro | ||
31.12.2003 | 458.632 Euro | ||
Entnahme z.V. | 0 | ||
Zuführung | 351.608 | ||
31.12.2004 | 837.240 Euro | ||
Entnahme z.V. | 511.557 Euro | ||
Zuführung | 464.221 Euro | ||
31.12.2005 | 789.904 Euro | ||
Entnahme z.V. | 54.812 Euro | ||
Zuführung | 505.033 Euro | ||
31.12.2006 | 1.240.125 Euro | ||
Entnahme z.V. | 0 | ||
Zuführung | 473.207 Euro | ||
31.12.2007 | 1.713.332 |
Der Beklagte folgte den Angaben der Klägerin zunächst mit den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheiden.
In dem Zeitraum vom ... führte das Finanzamt bei der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung durch.
Der Außenprüfer vertrat die Auffassung, die Rückstellung sei gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG abzuzinsen. Die ursprüngliche vertragliche Regelung sehe keine Verzinsung vor. Erst ab dem 31.12.2007 gelte die Neufassung. Bei der vertraglich vereinbarten Verzinsung handele es sich jedoch nicht um eine wirtschaftliche Zinszahlung für die Kapitalüberlassung, sondern um eine Wertfortschreibung der Rückstellung bei der Pflegeversicherung. Allein der Versicherer entscheide, ob das Kapital entweder durch direkte Zuteilung an die Versicherungsnehmer im Wege der Direktgutschrift fließe oder ob er die Beträge der Rückstellung zuführe. Die Zuführung zur Rückstellung werde nach Durchführung des Ausgleichs gem. § 111 SGB XI zwischen den Versicherungsunternehmen ermittelt. Nach dem Abrechnungsschema in Anlage 1 zu dem Vertrag vom ... werde die Zuführung um eine Verzinsung erhöht. Die Höhe der Verzinsung sei von drei Größen abhängig (3,5 % Rechnungszins, Unternehmensnettozins, Verzinsung 10-jähriger Pfandbriefe). Dabei sei jeweils der geringste Betrag anzusetzen. Die Ermittlung des Unternehmensnettozinses sei nicht weiter geregelt. Es sei daher nicht sichergestellt, ob auch in einem Verlustjahr aufgrund eines positiven Unternehmensnettozinses eine Zinszahlung erfolgen werde. Dies spreche dafür, dass lediglich eine Wertfortschreibung und keine Verzinsung vorliege. Insoweit nahm der Außenprüfer Bezug auf das BMF-Schreiben vom 28.03.2007 (IV B 2 - S 2175-07-0002, Rz. 10). Die geänderte Vereinbarung aus 2007 entspreche der Regelung im Poolvertrag aus 1997/2002. Dort sei dem Grunde nach die gleiche Wertfortschreibung der nicht zugeteilten Rückstellung enthalten gewesen. Der Unterschied bestehe nur darin, dass im Neuvertrag die Wertfortschreibung offen ausgewiesen werde, während diese im alten Vertrag lediglich verdeckt bei der Ermittlung der Erträge aus Kapitalanlagen enthalten gewesen sei.
Im Übrigen entspreche auch die Berechnung für 2007 nicht den vertraglichen Vereinbarungen. Im Vertrag werde in der Berechnung von der mittleren Rückstellung ausgegangen, in der tatsächlich durchgeführten Berechnung von der Rückstellung zu Beginn des Kalenderjahres.
Nach Feststellungen des Außenprüfers ergaben sich daraus die folgenden Abweichungen bei der Höhe der Rückstellung:
31.12.2005 | 31.12.2006 | 31.12.2007 | |
---|---|---|---|
Wert vor Prüfung | 1.046.404 | 1.462.316 | 1.857.670 |
Differenz | - 130.804 | - 182.816 | - 232.170 |
Wert nach Prüfung | 915.600 | 1.279.500 | 1.625.500 |
Bei der Berechnung ging der Außenprüfer von einer Restlaufzeit am Bilanzstichtag von zwei Jahren und sechs Monaten aus und ermittelte daraus einen Vervielfältiger von 0,875. Hinsichtlich der Berechnung im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Berechnungsblätter zur Abzinsung in den AP-Unterlagen.
Auf der Grundlage der Feststellungen der Außenprüfung erließ der Beklagte nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer 2005 bis 2007 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag 2005 bis 2007.
Die dagegen eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid zurück. Er hielt daran fest, dass die gebildeten Rückstellungen in allen Streitjahren unverzinslich seien. Daher sei eine Abzinsung zwingend vorzunehmen.
Begünstigte der in der Rückstellung gebundenen Mittel für Beitragsrückerstattungen seien die Versicherten der privaten Pflegeversicherung. Zwischen den Versicherten und der Klägerin habe keine Vereinbarung bestanden, nach der die Klägerin gegen Überlassung von Kapital zur Zahlung von Zinsen verpflichtet gewesen sei. Daraus folge die Unverzinslichkeit der Forderung. Die Tatsache, dass die Klägerin als Gesellschafterin des Pflege-Pools verpflichtet gewesen sei, Teile der von ihr erwirtschafteten Kapitalerträge an die Versicherten auszukehren, ändere daran nichts. Insoweit bezog sich der Beklagte zur Begründung auf das Urteil des BFH vom 25.11.2009 (I R 9/09, BStBl II 2010, 304). Eine Unverzinslichkeit sei ferner deswegen anzunehmen, weil die vertragliche Regelung im Neuvertrag aus dem Jahr 2007 vorsehe, dass Zinssatz das Minimum von drei verschiedenen Bezugsgrößen sei. Damit sei jedoch nicht sichergestellt, dass der Zinssatz über 0 % liege. Die Verzinsung sei u.a von der individuellen Unternehmensrendite abhängig und diese könne bei Null liegen.
Die Rückstellungen seien auch nicht gem. § 21 Abs. 3 KStG von der Abzinsung auszunehmen. Der Anwendungsausschluss beziehe sich allein auf erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen. Das Finanzamt bezog sich insoweit erneut auf das Urteil des BFH vom 25.11.2009.
Die von der Klägerin gebildeten Rückstellungen seien als erfolgsunabhängig zu qualifizieren und unterlägen daher nicht der in § 21 Abs. 3 KStG geregelten Ausnahme vom Abzinsungsgebot. Beitragsrückerstattungen seien dann erfolgsabhängig, wenn und soweit sie wegen der Höhe des nach handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Jahresergebnisses gewährt würden; hingegen seien Beitragsrückerstattungen, die unabhängig vom handelsrechtlichen Jahresüberschuss gezahlt würden, als sog. erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen zu qualifizieren. Im Streitfall bemesse sich die Rückstellung in der privaten Pflegeversicherung nicht nach dem handelsrechtlichen Jahresergebnis.
Aus der in § 341 e Abs. 1 Satz 3 HGB n.F. geregelten Freistellung versicherungstechnischer Rückstellungen vom handelsrechtlichen Abzinsungsgebot ergebe sich keine entsprechende Anwendung für die steuerliche Behandlung.
Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.
Im Klageverfahren hält die Klägerin daran fest, dass eine Abzinsung nicht vorzunehmen sei.
Sie ist der Auffassung, die Rückstellungen seien nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG nicht abzuzinsen, da es sich um verzinsliche Rückstellungen handele. In der Rückstellungsberechnung sei bereits ein Diskontierungsfaktor enthalten. Für die Streitjahre 2006 und 2007 würden unterschiedliche Vertragsformulierungen gelten, die jedoch jeweils eine ausdrücklich genannte Verzinsungskomponente enthielten. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung liege keine "Wertfortschreibung" sondern eine Regelung über eine Verzinsung vor. Entscheidend sei, dass bei der Ermittlung der Zuführung zur Rückstellung nach dem Vertrag aus 2007 eine Zinsgröße zugunsten des Versicherungsnehmers mit zu berechnen sei. Die Versicherungsnehmer gäben dem Versicherungsunternehmen zwar kein Darlehen, sie ermöglichten diesem aber, mit den Beiträgen Kapital zu bilden und Erträge zu erzielen. Es bestünden keine Zweifel, dass hierin eine Verzinslichkeit liege, da diese Erträge in einem bestimmten Verfahren der Gesamtheit der Versicherten des Pflegepools wieder zugutekämen. Selbst wenn es möglich sei, dass eine Verzinsung für ein einzelnes Jahr rechtlich ausfalle, so liege dennoch die generelle Verzinslichkeit vor.
Für das Jahr 2006 habe der Vertragsentwurf eine Verzinsung mit dem jeweils gültigen Rechnungszinssatz vorgesehen. Insoweit habe die BaFin zwar ursprünglich Bedenken angemeldet, die Vertragsfassung sei jedoch im Nachhinein akzeptiert worden.
Für das Jahr 2005 sei eine Verzinsung zwar nicht ausdrücklich in der geltenden Vertragsfassung benannt, auch hier beinhalte die Rückstellung jedoch im Ergebnis einen Zinsfaktor. Denn nach dem Abrechnungsschema für den PVV-Pool-Ausgleich umfasse das relevante Ergebnis für die Ermittlung der Rückstellung auch das Ergebnis aus Kapitalanlagen.
Ergänzend führt die Klägerin aus, eine Ausnahme vom Abzinsungsgebot greife auch deswegen, weil die Rückstellung den Charakter der Rückzahlung einer zu hohen Vorauszahlung habe. Die in der Rückstellung enthaltenen Mittel seien schon dem Namen nach (zu viel) gezahlte Beiträge der Mitglieder. Die Rückstellung stelle daher eine nachträgliche Verminderung der Leistung des Versicherungsnehmers für den Versicherungsschutz dar. Steuerlich sei der Vorgang so zu betrachten, als ob die Beiträge von vornherein abzüglich der Rückerstattungen erhoben worden seien. Daher ergebe sich kein Unterschied zwischen erfolgsabhängiger und erfolgsunabhängiger Rückstellung. Beide seien Rückzahlungen überhobener Beiträge. Damit hätten bei einer ex-post Betrachtung auch beide den Charakter einer zu hohen Vorauszahlung. Deren Abzinsung sei jedoch nicht zulässig, da die Aktivierung der zu hohen Vorauszahlung zu einem Ausweis nicht realisierter Gewinne führen würde.
Die Klägerin vertritt ferner die Auffassung, die Abzinsung sei gem. § 21 Abs. 3 KStG aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Die Ausnahmeregelung in § 21 Abs. 3 KStG müsse - entgegen der Entscheidung des BFH vom 25.11.2009 (I R 9/09, BStBl II 2010, 304) auch für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen gelten.
Schließlich meint die Klägerin, bei der streitgegenständlichen Rückstellung handele es sich tatsächlich um eine erfolgsabhängige Vergütung, so dass aus diesem Grund eine Abzinsung nach § 21 Abs. 3 KStG nicht vorzunehmen sei. Die Zuführung zur Rückstellung sei von einem Überschuss in der privaten Pflegeversicherung abhängig, die ein geschlossenes Versichertenkollektiv bilde und als Versicherungsart im Sinne des § 28 Abs. 2 RechVersV anzusehen sei. Es komme daher nicht auf das Gesamtergebnis des Versicherungsunternehmens, sondern allein auf das Ergebnis der Versicherungsart an. Insoweit verweist die Klägerin zur weiteren Begründung auf einen Aufsatz von Boetius ("Die Wirtschaftsprüfung" 00 2013, Seite 1 ff).
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über Körperschaftsteuer 2005 bis 2007 und über den Gewerbesteuermessbetrag 2005 bis 2007 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen zum 31.12.2005 in Höhe von 1.046.404 Euro, zum 31.12.2006 in Höhe von 1.462.316 Euro und zum 31.12.2007 in Höhe von 1.857.670 Euro berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er beruft sich zur Begründung auf die Ausführungen im Einspruchsbescheid.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide über Körperschaftsteuer 2005 bis 2007 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag 2005 bis 2007 vom 27.1.2011, jeweils in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23.3.2012, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
1. Der Beklagte hat die Rückstellung für Beitragsrückerstattung zu Recht abgezinst. Das Abzinsungsgebot gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 a Buchstabe e EStG ist im Streitfall weder durch die Regelung in § 21 Abs. 3 KStG ausgeschlossen, noch liegt eine verzinsliche Rückstellung vor oder eine solche, die auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruht (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG).
a) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG, der gem. § 8 Abs. 1 KStG auch für Kapitalgesellschaften gilt, sind Rückstellungen für Verpflichtungen mit einem Zinssatz von 5,5 v.H. abzuzinsen. Nach § 21 Abs. 3 KStG gilt die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG nicht für Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen.
Nach der Rechtsprechung des BFH gilt der in § 21 Abs. 3 KStG geregelte Ausschluss vom Abzinsungsgebot nur für erfolgsabhängige, nicht jedoch für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen (Urteil des BFH vom 25.11.2009 I R 9/09, BStBl II 2010, 304). Hinsichtlich der Begründung wird insoweit vollumfänglich Bezug genommen auf die Ausführungen des BFH o.g. Urteil vom 25.11.2009. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des BFH an und hält nicht mehr an seiner noch im Urteil vom 12.8.2012 (6 K 35/08, EFG 2009, 507[FG Niedersachsen 12.11.2008 - 6 K 355/08]) vertretenen Rechtsauffassung fest.
b) Im Streitfall liegen erfolgsunabhängige Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen vor.
(1) Beitragsrückerstattungen können im Wege der Direktgutschrift oder - wie vorliegend - über Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen mit späterer Auszahlung gewährt werden. Die erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung wird nach dem nach handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Jahresergebnis für das selbst abgeschlossene Geschäft bzw. nach dem versicherungstechnischen Überschuss bemessen. Bei einem negativen Jahresergebnis kann keine erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung gewährt werden (vgl. Roser in Gosch, KStG, 2. Auflage, § 21 Rz 2). Nach der Rechtsprechung des BFH liegen dann erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen, d.h. solche, die aufgrund des Jahresergebnisses gewährt werden, vor, wenn und soweit sie auf der Basis des nach den handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Jahresergebnisses und dessen Höhe gewährt werden (BFH vom 7.3.2007 I R 61/05, BStBl II 2007, 589).
Bei erfolgsunabhängigen Modellen werden Beitragsrückerstattungen ohne Rücksicht auf das versicherungstechnische Ergebnis oder das Jahresergebnis auf der Grundlage einer Globalerklärung, einer satzungsmäßigen, gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung als Mindest-Beitragsrückerstattung gewährt und begründen unmittelbare Pflichten gegenüber den Versicherten (vgl. Roser in Gosch, KSt G, 2. Auflage, § 21 Rz 3; BFH vom 7.3.2007 I R 61/05, BStBl II 2007, 589).
Der Grund für die Entscheidung ist der Gedanke, dass Beitragsrückerstattungen sich typisiert als Rückerstattungen sog. "überhobener" Versicherungsbeiträge darstellen, wenn der prognostizierte Verlauf des Schadensrisikos höher angesetzt wurde als es dem tatsächlichen Schadensverlauf entspricht. Da derart überhobene Versicherungsbeiträge beim Versicherungsnehmer nicht besteuert werden, soll mittels der Abzugsbeschränkung in § 21 KStG verhindert werden, dass an ihn steuerfrei Gewinne des Versicherers ausgekehrt werden. Deswegen wird der Betriebsausgabenabzug für die Beitragsrückerstattungen auf den Betrag des nach den handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Jahresergebnisses für das selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft beschränkt; dies beruht auf der Annahme, dass von überhobenen Versicherungsbeiträgen, die im Wege von Beitragsrückerstattungen zurückerstattet werden, nur dann die Rede sein kann, wenn die Beitragseinnahmen die Versicherungsleistungen und Verwaltungskosten des Versicherungsunternehmens in einem Geschäftsjahr übersteigen (vgl. BFH vom 7.3.2007 I R 61/05, BStBl II 2007, 589).
(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen im Streitfall Rückstellungen für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen vor.
Dies ergibt sich zunächst bereits aus der vertraglichen Formulierung im Gesellschaftsvertrag der ... GbR. Dort wird ausdrücklich ausgeführt, die Überschussmittel (aus der isoliert vorzunehmenden Abrechnung für die Pflegeversicherung) sollen unabhängig vom Gesamtergebnis des Versicherungsunternehmens der Rückstellung für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung zugeführt werden. Die bilanzielle Behandlung durch die Klägerin erfolgte sodann entsprechend der vertraglichen Vereinbarung (Bilanzposition "Rückstellung für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung", siehe z.B. Jahresabschluss 2007, Seite 79, 80). Die Verpflichtung zur Zuführung der Beträge in die Rückstellung ist auch tatsächlich erfolgsunabhängig. Die Klägerin nimmt (nur) dann eine Zuführung zur Rückstellung vor, wenn sich aus der isolierten Abrechnung der Pflegeversicherung Überschüsse ergeben. Daraus folgt jedoch noch keine Abhängigkeit der Beitragsrückerstattung vom Gesamtergebnis der Klägerin als Versicherungsunternehmen. Die Einnahmen der Klägerin aus Beiträgen beruhen nur zu einem verhältnismäßig geringen Anteil auf Einnahmen aus der Pflegeversicherung, während der überwiegende Anteil auf die Einnahmen aus der Krankenversicherung entfällt (z.B. in 2007: 1,6 Mio Beiträge aus Pflegeversicherung und 23 Mio Beiträge aus KV, Bl 90 Jahresabschluss 2007). Eine Zuführung zur Rückstellung ist auch bei einem negativen Gesamtergebnis möglich und zwingend erforderlich, wenn aus dem entsprechenden Teilgeschäft Überschüsse erzielt worden sind. Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung der Klägerin, dass es für die Qualifizierung als erfolgsabhängig / erfolgsunabhängig nicht mehr auf das Gesamtergebnis ankomme, sondern allein auf das Ergebnis der Versicherungsart "Pflegeversicherung". Dagegen spricht eindeutig der Wortlaut des § 21 Abs. 1 KStG, der nur auf "Beitragsrückerstattungen, die für das selbst abgeschlossenen Geschäft aufgrund des Jahresergebnisses... gewährt werden", abstellt und nicht nach Versicherungsarten differenziert. Durch die Bezugnahme des Gesetzgebers auf die selbst abgeschlossenen Geschäfte sind alle Versicherungsgeschäfte erfasst, ausgenommen sind lediglich die Überschüsse aus übernommener Rückversicherung oder versicherungsfremden Geschäften (vgl. Roser in Gosch, KStG, 2. Auflage, § 21 Rz. 15).
c) Der handelsrechtliche Verzicht auf eine Abzinsung in § 341 e Abs. 1 Satz 2 HGB ist für das Steuerrecht unerheblich. Für eine zwingende Verknüpfung zwischen Körperschaftsteuerrecht und Handelsrecht liegen insoweit keine Gründe vor (vgl. Urteil des BFH vom 25.11.2009 I R 9/09, BStBl II 2010, 138, dort Rz. 14).
d) Die Rückstellung ist zudem nicht gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG von der Abzinsung ausgenommen. Danach sind Rückstellungen u.a. dann nicht abzuzinsen, wenn sie verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruhen.
(1) Die im Streitfall gebildeten Rückstellungen sind nicht verzinslich.
Eine tatsächliche Verzinsung ergibt sich nicht daraus, dass möglicherweise dem Rechtsgedanken der Verzinsung dadurch Rechnung getragen wird, dass in die Zuführung die Überschüsse der Folgejahre einfließen (so Roser in Gosch, KStG, 2. Auflagen, § 21 Rz. 43). Vielmehr stellt das Steuerrecht anders als die handelsrechtlichen Regelungen gerade nicht darauf ab, ob in der zugrunde liegenden Verbindlichkeit ein Zinsanteil enthalten ist (vgl. Kulosa in Schmidt, EStG, 32. Auflage § 6 Rz. 481).
Aus den vertraglichen Vereinbarungen in § 8 des Pflege-Pool-Vertrages ergibt sich ebenfalls keine Verzinslichkeit. Ausdrücklich ist in der für das Streitjahr 2005 geltenden Vertragsfassung keine Regelung über eine Verzinsung enthalten. Nach dem Abrechnungsschema (Vertrag vom 23.8.2002, Anlage 1) berücksichtigt der für die Zuführung zur Rückstellung errechnete Betrag jedoch auch das Ergebnis aus Kapitalanlagen mit einem bestimmten - in der Erläuterung Nr. 4 der Anlage 1 festgelegten - Zinssatz. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der zurückzustellende Betrag nicht nur Beiträge der Versicherungsnehmer, sondern auch Zinserträge umfasst. Diese Tatsache rechtfertigt jedoch zur Überzeugung des Senates nicht die Annahme einer Verzinslichkeit. Die (zurückgestellten) Zinserträge kommen nicht dem einzelnen Versicherungsnehmer, der einen Beitrag in einer bestimmten Höhe gezahlt hat, zugute. Vielmehr sollen die Rückstellungsbeträge zur Senkung der Umlage verwendet werden, d.h. zur Durchführung des gesetzlichen vorgesehenen Risikoausgleiches zwischen den einzelnen Versicherungsunternehmen. Die Vereinbarung begründet lediglich das Berechnungsmodell zur Ermittlung des der Rückstellung zuzuführenden Betrages und gibt damit intern für die Klägerin vor, welche Einnahmen sie bei der Berechnung zugrunde legen muss. Die Vereinbarung begründet jedoch in keiner Weise einen Anspruch des Versicherungsnehmers auf die Verzinsung seiner Beitragszahlung. Gegenleistung für die Beitragszahlung ist allein die Gewährung des Versicherungsschutzes, nicht jedoch die Zahlung von Zinsen.
Auch die geänderten vertraglichen Vereinbarungen führen nicht zur Annahme der Verzinslichkeit. Zwar wird insoweit in § 8 des Pool-Vertrages ausgeführt, die RfuB sei zu verzinsen, im Ergebnis entspricht jedoch auch die Vertragsänderung dem Vertrag vom .... Die vertraglich genannte Verzinsung in § 8 wird nach dem Abrechnungsschema in der Weise durchgeführt, dass der errechnete Betrag, der der Rückstellung zugeführt werden soll, um einen Zinsanteil erhöht wird. Dies führt jedoch lediglich - wie in der ursprünglichen vertraglichen Fassung aus dem Jahr 1997 - zu einer rechnerischen Erhöhung des Rückstellungsbetrages. Dieser Betrag wird sodann wiederum zur Senkung der Umlage verwendet. Auch aus der in § 8 des Pool-Vertrages geregelten Verzinsung ergibt sich - wie im Ursprungsvertrag - kein Anspruch des Versicherungsnehmers auf Verzinsung seiner Beitragszahlungen.
Da sich die Unverzinslichkeit der Rückstellungen aus oben dargestellten Erwägung ergibt, kann offen bleiben, ob für den Veranlagungszeitraum 2006 für die steuerliche Beurteilung der erst nachträglich von der BaFin genehmigte Vertrag vom 5.9.2006 zugrunde gelegt werden kann.
(2) Die Rückstellungen beruhen zudem nicht auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung.
Bei Anzahlungen oder Vorausleistungen soll das Abzinsungsgebot nicht gelten, weil andernfalls die Passivierung der Rückgewährverpflichtung mit dem abgezinsten Wert wegen der Aktivierung der Anzahlungen oder Vorausleistungen mit den Anschaffungskosten dem Ausweis eines nicht realisierten Gewinns bedeuten würde (vgl. BFH vom 21.9.2011 I R 50/10, BStBl II 2012, 197). Anzahlungen und Vorauszahlungen sind Vorleistungen, die in Erfüllung eines zu einem späteren Zeitpunkt noch zu vollziehenden Rechtsgeschäft erbracht werden (vgl. auch BMF-Schreiben vom 26.5.2005, BStBl I 2005, 699, Tz. 20). Im Streitfall handelt es sich jedoch nicht um ein künftig noch zu vollziehendes Rechtsgeschäft. Vielmehr werden die Versicherungsbeiträge geleistet um den Versicherungsschutz zu erhalten. Die Frage, ob sich im Ergebnis am Jahresende unter Betrachtung der Gesamtheit der Pflegeversicherten ein Überschuss ergibt, der der Rückstellung zuzuführen ist, führt nicht zur Annahme eines Schwebezustandes.
2. Gegen die Höhe der seitens der Beklagten vorgenommenen Abzinsung bestehen ebenfalls keine Bedenken. Die Abzinsung beruht insoweit auf der Annahme einer geschätzten Laufzeit von zwei Jahren und 6 Monaten und dem daraus resultierenden Abzinsungsfaktor von 0,875. Aus der tatsächlichen Entwicklung der Rückstellung wird deutlich, dass die Beträge - entgegen der Stellungnahme der Klägerin gegenüber dem Außenprüfer, nach der eine Verwendung der Mittel innerhalb von zwei Jahren vorgesehen sei - deutlich länger zurückgestellt worden sind. So sind z.B. der Bestand der Rückstellung zum 31.12.2000 in Höhe von 2.382.307 DM sowie die Zuführung aus 2001 in Höhe von 156.875 Euro erst im Jahr 2005 vollständig verwendet worden und die Zuführung aus 2003 in Höhe von 370.726 Euro ist erst im Laufe des Jahres 2006 verwendet worden.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage der Verzinslichkeit sowie der Qualifizierung der Rückstellung als erfolgsunabhängig nach Kenntnis des Senates bisher nicht ergangen ist.