Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 22.01.2002, Az.: 1 Ws 18/02

Rechtmäßigkeit der Beiordnung eines vorherigen Wahlverteidigers nach Niederlegung des Wahlmandats als Pflichtverteidiger; Entbindung des Pflichtverteidigers wegen Stattfindens der Hauptverhandlung nicht am Gerichtsort, sondern auswärtig ; Anspruch auf Beiordnung eines eigenen Dolmetschers für Gespräche mit dem Mandanten während der Hauptverhandlung auf Kosten der Staatskasse

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
22.01.2002
Aktenzeichen
1 Ws 18/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 26606
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2002:0122.1WS18.02.0A

Amtlicher Leitsatz

Keine Entbindung des Pflichtverteidigers, weil die Hauptverhandlung nicht am Gerichtsort, sondern auswärtig (hier: in Hannover) stattfindet. Zum Anspruch auf einen "Vertrauensdolmetscher" des Angeklagten.

Gründe

1

Der Rechtsanwalt war als Wahlverteidiger des Angeklagten tätig. Mit der Niederlegung des Wahlmandates ist er dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Diese Beiordnung war mit Rücksicht darauf, dass der Verteidiger mit dem angeklagten Sachverhalt vertraut ist und sich der Angeklagte bisher in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Oldenburg befunden hat, sowie im Hinblick auf die in Kürze beginnende Hauptverhandlung sachgerecht, zumal auch kein Anhalt für ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger besteht. Dass die Hauptverhandlung nicht in Oldenburg oder Osnabrück, sondern in Hannover stattfinden wird, vermag die Aufhebung der Beiordnung zum Pflichtverteidiger nicht zu rechtfertigen. Die Erschwernisse, die sich ohne Zweifel aus der - sachlich begründeten - Verlegung des Hauptverhandlungstermins nach Hannover ergeben, stellen keinen Entbindungsgrund dar.

2

Soweit sich der Verteidiger mit der Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrages wendet, dem Angeklagten für Gespräche mit ihm während der Hauptverhandlung einen Dolmetscher für die litauische bzw. russische Sprache auf Kosten der Staatskasse beizuordnen, bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Das Landgericht hat für das Verfahren die Beiziehung vereidigter Dolmetscher (zwei Dolmetscher/innen für die litauische Sprache und je eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin für die russische und polnische Sprache) beschlossen. Diese stehen auch für die Gespräche der Verteidiger mit ihren Mandanten zur Verfügung. Mit Rücksicht darauf, dass nach Mitteilung der Strafkammer dem Pflichtverteidiger bei Bedarf an unmittelbarer Verständigung mit seinem Mandanten in litauischer Sprache jederzeit die beiden vereidigten Dolmetscher/innen für diese Sprache zur Verfügung stehen werden, besteht keine Veranlassung, dem Angeklagten einen eigenen Dolmetscher zur Verfügung zu stellen. Eine Behinderung der Verteidigung ist nicht erkennbar. Begründete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte befürchten muss, dass der Dolmetscher den Inhalt seiner Gespräche mit dem Verteidiger an Mitangeklagte oder deren Verteidiger weiter geben wird, sind nicht ersichtlich. Die Ansicht der Oberlandesgerichte Frankfurt (StV 1996, 166) und Düsseldorf (StV 1993, 144), die ohne nähere Begründung ein solches pflichtwidriges Verhalten eines vereidigten Dolmetschers offenbar stets für möglich halten, teilt der Senat nicht.