Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 05.06.1996, Az.: 8. T. 617/95
Beschwerdebefugnis des Partners einer nichtehelicher Lebensgemeinschaft gegen Anordnung der Betreuung
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 05.06.1996
- Aktenzeichen
- 8. T. 617/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 23892
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1996:0605.8.T.617.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Vechta - 28.04.1995 - AZ: 14. P XVII 26
Rechtsgrundlagen
- § 69g Abs. 1 FGG
- § 20 FGG
- § 1093 Abs. 2 BGB analog
- § 1897 Abs. 5 BGB
Fundstellen
- BtPrax 1996, 196 (amtl. Leitsatz)
- FamRZ 1996, 1343-1344 (Volltext mit amtl. LS)
- JurBüro 1996, 594-595 (Volltext mit amtl. LS)
- Rpfleger 1997, 21 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Betreuungsverfahren
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
durch
die unterzeichnenden Richter
am 05.06.1996 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluß des Amtsgerichts Vechta vom 28.04.1995 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Durch Beschluß vom 28.04.1995 hat das Amtsgericht Vechta für den Betroffenen eine vorher bestehende Betreuung für die Bereiche Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge erweitert. Es hat eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis "Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer möglichen Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft" angeordnet. Die Beteiligte zu 2. die seit Dezember 1977 bis zum 24.01.1995 mit dem Betroffenen zusammen wohnte und lebte, hat gegen diesen Beschluß Beschwerde eingelegt. Sie wendet sich dagegen, daß als Betreuerin für diesen Aufgabenkreis die Tochter des Betroffenen, die Beteiligte zu 1., bestimmt wurde.
Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2. ergibt sich aus einer entsprechender Anwendung des § 69 g Abs. 1 FGG. Nach dieser Vorschrift steht die Beschwerde gegen die Bestellung eines Betreuers unbeschadet des § 20 FGG dem Ehegatten des Betroffenen sowie denjenigen zu, die mit dem Betroffenen in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum 3. Grad verwandt sind, sowie der zuständigen Behörde zu. Nach dem Wortlaut der vorstehenden Bestimmung scheidet mithin ein Beschwerderecht aus. Die Rechtsprechung hat aber dem Umstand der erheblichen Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften bereits verschiedentlich Rechnung getragen. So ist der Inhaber eines dinglichen Wohnungsrechts als befugt angesehen worden, die Partnerin (den Partner) einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in analoger Anwendung des § 1093 Abs. 2 BGB in die Wohnung aufzunehmen, wenn beide unverheiratet sind und das Verhältnis auf Dauer angelegt ist (BGH NJW 82, 1868). Im Mietrecht hat der Vermieter unter den Voraussetzungen des § 549 BGB den ständigen Aufenthalt eines nichtehelichen Partners in der Mietwohnung zu dulden (BGH NJW 85, 130). Auch außerhalb des Miet- und Wohnungsrechts haben Rechtsprechung und Gesetzgeber die nichteheliche Lebensgemeinschaft als Form des Zusammenlebens von Mann und Frau zur Kenntnis genommen und rechtliche Folgen an ihre Existenz geknüpft (vgl. etwa §§ 122 BHSG, 137 Abs. 2 a AFG). Gerade die Bestimmungen der §§ 122 BSHG und § 137 a AFG zeigen, daß der Gesetzgeber selbst von der Existenz außerehelicher Gemeinschaften ausgeht, in denen die partnerschaftlichen Bindungen im Sinne einer Verantwortungs- und Entstehungsgemeinschaft den auf Ehe oder Verwandtschaft beruhenden Bindungen so ähnlich sein können, daß sie ein partielle rechtliche Gleichbehandlung gebieten. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 13.01.1993 (NJW 93, 999) ausgesprochen, daß die Anerkennung einer eheähnlichen Gemeinschaft eine Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau voraussetzt, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft weiterer Art zuläßt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Unter diesen Umständen hat die Kammer keinen Zweifel, die Beziehung der Beteiligten zum Betroffenen, die seit 1977 andauert, als eine solche im Rechtssinne zu schützende und zu beachtende Beziehung zu werten. Eine Gleichbehandlung mit einer ehelichen Beziehung ist unter diesen Voraussetzungen zu bejahren.
Auch wenn man eine Beschwerdeberechtigung nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Sonderregelung des § 69 g Abs. 1 FGG sieht, sondern eine Beschwerdeberechtigung auch unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 1 FGG prüft, ergibt sich, daß eine Beschwerdeberechtigung dann gegeben ist, wenn die Beeinträchtigung eines vom Gesetz anerkannten und vom Staat geschützten subjektiven Rechts behauptet wird. Aus den Grundsätzen, die zur analogen Anwendung des § 69 g Abs. 1 FGG auch auf nichteheliche Lebensgemeinschaften gelten, ergibt sich inzidenter, daß die nichteheliche Lebensgemeinschaft, wenn derer Voraussetzungen vorliegen, zugleich eine vom Gesetz anerkannte und geschützte Lebensgemeinschaft ist.
Der Beteiligten zu 2. steht daher ein Beschwerderecht zu.
Die Beschwerde ist dagegen nicht begründet.
Im betreuungsrechtlichen Verfahren zur Erweiterung auf die mögliche Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hat der Betroffene einen Vorschlag zur Betreuerbestellung nicht gemacht. Gem. § 1897 Abs. 5 BGB ist dann bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Betroffenen insbesondere auf seine Bindungen zu Eltern, Kindern und zum Ehegatten sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen. Im Anfangsstadium des Verfahrens, in dem es um die Bestellung eines Betreuers für die Bereiche Gesundheitsvorsorgefürsorge und Vermögenssorge ging, hat der Betroffene in seiner Anhörung vor dem Amtsgericht Vechta am 17.01.1995 angegeben, daß es in seinem Sinne sei, daß seine Tochter, die jetzige Betreuerin, sich um seine finanziellen Angelegenheiten kümmere. Aus dieser Aussage des Betroffenen ergibt sich, daß er jedenfalls bezüglich der ursprünglichen Betreuungsanordnung feste Vorstellungen über die Auswahl des Betreuers hatte. Gem. § 1897 Abs. 4 ist dem Vorschlag des Betroffenen zur Betreuerauswahl zu folgen, wenn er dessen Wohl nicht zuwider läuft. Auf der Grundlage der Entscheidung vom Januar 1995 läßt sich daher jedenfalls feststellen, daß der Betroffenen ein weitgehendes Vertrauen in seine Tochter, die Betreuerin, hat und eine Betreuung durch sie wünscht.
Die Anhörung des Betroffenen zur Frage der Betreuerauswahl für die Betreuung im Rahmen der Angelegenheit Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch das Amtsgericht Vechta und durch den Berichterstatter der Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Betroffene bezüglich der Person des Betreuers eine Änderung wünscht.
Die Beweisaufnahme durch den Berichterstatter hat zudem ergeben, daß der Betroffene nach Antritt der Kur durch die Beteiligte zu 2. davon ausging, daß diese zu ihm nicht zurückkehren wolle. Die Kammer hat keinen Zweifel, der Aussage der Zeugin ... insoweit zu folgen. Diese Zeugin hat in der Zeit nach der Entlassung des Betroffenen aus dem Krankenhaus zu ihm intensivsten Kontakt gehabt. Sie war täglich auch nachts mit ihm zusammen. Die Zeugin ... war daher am ehesten in der Lage, Verläßliches über die Wünsche des Betroffenen auszusagen. Ihre Angaben verdienen deshalb besonders Vertrauen. Danach ergibt sich, daß der Betroffene im Januar 1995 die eheähnliche Gemeinschaft mit der Beteiligten zu 2. als gescheitert ansah. Auch der Betroffene selbst beurteilt die Zeit mit der Beteiligten zu 2. sehr differenziert. So hat er in der Anhörung angegeben, daß die Zeit mit der Beteiligten zu 2. ursprünglich schön gewesen sei. Es wurde aber auch deutlich, daß er diese Zeit als Vergangenheit ansieht und eine Veränderung seiner jetzigen Lebensverhältnisse nicht wünscht. Die Anhörung des Betroffenen steht in Übereinstimmung mit der Aussage der Zeugin .... Bei dieser Sachlage hat die Kammer keinen Grund anzunehmen, daß die Auswahl der Betreuerin vom Amtsgericht Vechta unrichtig getroffen wurde. Zwar mögen zwischen der Beteiligten zu 2. und den Töchtern des Betroffenen auch finanzielle Probleme eine erhebliche Rolle mitspielen. Die Rundumversorgung des Betroffenen in seinem Hause durch Frau ... zeigt jedoch, daß es der Betreuerin vordringlich um eine ordnungsgemäße und den Wünschen des Betroffenen entsprechende Versorgung geht. Unter diesen Gesichtspunkten spielen nach Ansicht der Kammer mögliche Interessenskonflikte (vgl. § 1897 Abs. 5 BGB) keine so geartete Rolle, daß die Betroffene zu 1. als Betreuerin von vornherein ausscheidet. Die Anhörung des Betroffenen im Garten seines Hauses in Abwesenheit aller weiteren Beteiligten und auch des Arztes belegt, daß er mit seiner jetzigen Situation sehr zufrieden ist und Veränderungen ablehnend gegenübersteht. Daß die Äußerungen des Betroffenen auf einer massiven Beeinflussung durch seine Tochter beruhen könnten, war im Rahmen des Anhörungsgesprächs nicht erkennbar und nach dem Eindruck von seiner Persönlichkeit auch wenig wahrscheinlich.
Die Beschwerde konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a Abs. 1 FGG.
Kopka-Paetzke
Meyer