Amtsgericht Lingen
Urt. v. 20.03.2007, Az.: 12 C 1004/06 (I)

Umfang des Nacherfüllungsanspruchs bei einer Lieferung mangelhafter Parkettstäbe bzgl. der ersten Einbaukosten; Anforderungen an die Führung des Entlastungsbeweises durch den Schuldner i.R.d. in Rede stehenden Pflichtverletzung

Bibliographie

Gericht
AG Lingen
Datum
20.03.2007
Aktenzeichen
12 C 1004/06 (I)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 54214
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGLINGE:2007:0320.12C1004.06I.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LG Osnabrück - 27.06.2007 - AZ: 1 S 217/07
BGH - 15.07.2008 - AZ: VIII ZR 211/07

In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Lingen im schriftlichen Verfahren gem. §128 ZPO
mit einer Erklärungsfrist bis zum 15. Februar 2007
durch
den Richter am Amtsgericht Dr. Reichenbach
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.)

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.)

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht diese zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

  4. 4.)

    Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf € 1.212,23 bis zum 01. November 2006 und auf € 1.583,05 seit dem 02. November 2006.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Kaufvertrag über die Lieferung von Parkettstäben in Anspruch.

2

Mit Kaufvertrag vom 04. November 2004 erwarb der Kläger bei der Beklagten 37,83 m² Parkettstäbe Typ Buche Superior ungedämpft lackiert sowie 24,3 m Sockelleisten zum Preis von€ 1.514,22. Die von der Beklagten gelieferten Parkettstäbe wurden alsdann von einem Parkettlegemeister in dem Wohn- und Esszimmer des Hauses des Klägers verlegt. Der Kläger musste dann feststellen, dass etwa 50 Prozent der verlegten Fläche von sog. Decklamellenablösungen betroffen waren.

3

In einem von dem Kläger vor dem Amtsgericht Lingen (Ems) betriebenen selbstständigen Beweisverfahren (12 H 5/05) stellte der Sachverständige fest, dass die Ursache für die Ablösungen der Parkettlamellen auf einen Produktfehler zurückzuführen seien. Die Klebeverbindung der Buchendecklamelle zur Weichholznutzschicht war nicht ausreichend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen ... vom 11. Januar 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 17. Mai 2006, Bl. 27 ff., 69 der Akte 12 H 5/05.

4

Der Sachverständige stellte den durch die Lieferung der mangelhaften Parkettstäbe entstandenen Schaden mit € 3.666,56 fest. Die Beklagte zahlte an den Kläger € 940,11.

5

Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe - nachdem er unstreitig den Kaufpreis für die Parkettstäbe an die Beklagte nicht bezahlt hat - gegen die Beklagte noch eine Restforderung in Höhe von€ 1.583,05 zu. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird Bezug genommen auf Bl. 26 d.A. Er meint, die Beklagte habe ihm - als Teil des Nacherfüllungsanspruchs - auch die Kosten des Einbau der gelieferten Materialien zu erstatten. Im Übrigen habe die Beklagte die Mangelhaftigkeit des gelieferten Parketts auch zu vertreten, da sie sich insofern nicht exkulpiert habe.

6

Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.212,23 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2006 zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 01. November 2006, tags darauf bei Gericht eingegangen, hat der Kläger seine Klage erweitert.

7

Nunmehr beantragt er,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.583,05 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2006 zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Sie ist der Auffassung, dem Kläger habe von vornherein nur ein Schadensersatzanspruch in Höhe von € 2.083,51 zugestanden. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird Bezug genommen auf Bl. 17 d.A. Dieser Anspruch sei durch Erfüllung erloschen. Sie meint, die Nacherfüllung bei einem Kaufvertrag beschränke sich auf die Nachlieferung mangelfreier Waren und die Ausbaukosten der verbauten mangelhaften Ware. Die insofern - nach Abzug des nicht gezahlten Kaufpreises - noch offene Forderung des Klägers habe sie vollständig ausgeglichen. Soweit der Kläger die Kosten der Erstverlegung des Parkettbodens erstattet verlange, müsse sie dafür schon mangels Verschuldens nicht einstehen. Hierzu behauptet sie, dass sie die später festgestellte Mangelhaftigkeit des Parkettbodens nicht habe erkennen können. Denn die Parkettstäbe seien verpackt gewesen, als sie ausgeliefert und verkauft worden seien; im Übrigen habe nicht einmal der von dem Kläger beauftragte Parkettfußbodenverleger anlässlich der Verlegung die Mangelhaftigkeit des Materials erkannt. Ein etwaiges Verschulden ihrer Lieferantin müsse die Beklagte sich im Übrigen nicht zurechnen lassen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

11

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Verlegekosten aus §§433 Abs. 1, 434 Abs. 1, 437 Nr. 1, 439 Abs. 2 BGB. Denn derartige Aufwendungen sind grds. nur dann gem. §§437 Nr. 3, 284 BGB erstattungsfähig, wenn der Verkäufer den Sachmangel zu vertreten hat. Der verschuldensunabhängige Nacherfüllungsanspruch des Käufers umfasst diese Kosten nämlich nicht. Der Gesetzgeber hat anlässlich der Neuregelung des Kaufvertragsrechts derartige Einbaukosten dem Schadensersatz- nicht dem Gewährleistungsrecht zugeordnet (vgl. OLG Köln, ZGS 2006, S. 77 [78] m.w.N.). Die von dem Verkäufer vertraglich geschuldete Nacherfüllung beschränkt sich auf die ordnungsgemäße (Nach-) Lieferung des Materials; Einbau und Verlegung der Fliesen gehören nicht zu seinen Verkäuferpflichten. Eine derartige Haftung des Unternehmers kommt lediglich im Werkvertragsrecht infrage, denn dort gehört die ordnungsgemäße Leistungserbringung gerade zu den Vertragspflichten des Herstellers.

12

Ein Anspruch aus §§433 Abs. 1, 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 284 BGB besteht ebenfalls nicht. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte den Mangel des von ihr gelieferten Parkettbodens zu vertreten hatte. Hierzu Folgendes:

13

Grds. ist es Sache des Schuldners darzutun und ggf. zu beweisen, dass er die in Rede stehende Pflichtverletzung nicht begangen hat. Es besteht aber Einigkeit in Rechtsprechung und Schrifttum, dass an die Führung des Entlastungsbeweises keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Der Entlastungsbeweis ist bereits dann erbracht, wenn der Schuldner die Ursache des Schadens nachweist und dartut, dass er hierfür nicht einzustehen hat (Unberath, in: BeckOK-BGB, Stand: 01.07.2006, §280, Rdn. 97 f.).

14

Die Beklagte hat dargelegt, dass der Parkettfußboden verpackt gewesen sei, als er an den Kläger verkauft und ausgeliefert worden ist. Auch der von dem Kläger mit der Verlegung beauftragte professionelle Fußbodenverleger ... habe den Mangel nicht schon von vornherein erkannt; er habe die Mangelhaftigkeit der Parkettstangen erst im Laufe des Verlegungsprozesses erkannt. Dem ist der Kläger nicht entgegen getreten. Er hat lediglich eingewandt, der Beklagten werde den Entlastungsbeweis wohl nicht führen können. Trotz des soeben dargelegten Einwandes der Beklagten hat der Kläger nichts weiter dazu vorgetragen, dass es der Beklagten bei pflichtgemäßem Verhalten gleichwohl möglich gewesen wäre, die Mängel der Parkettstäbe zu erkennen. Es ist auch nicht erkennbar, wie dies bei Anlegung eines allgemein üblichen Sorgfaltsmaßstabes möglich gewesen sein sollte. Denn in der Regel darf der Verkäufer neu hergestellter Sachen davon ausgehen, dass sie nicht mit Mängeln behaftet sind; ein anderes gilt allenfalls dann, wenn konkrete Anhaltspunkte aufseiten des Verkäufers dafür vorhanden sind, dass der Lieferant mangelhafte Ware hergestellt hatte (OLG Köln, a.a.O.).

15

Ein etwaigen Verschulden des Herstellers muss die Beklagte sich im Übrigen nicht gem. §278 BGB zurechnen lassen, weil der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist.

16

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Dr. Reichenbach