Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 07.11.2003, Az.: 6 B 1748/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 07.11.2003
- Aktenzeichen
- 6 B 1748/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 40804
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2003:1107.6B1748.03.0A
Gründe
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt ganz oder teilweise wiederherstellen. Die vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung erfordert eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse daran, dass ein belastender Verwaltungsakt alsbald durchgesetzt wird, und dem privaten Interesse des Betroffenen daran, von den Wirkungen des Verwaltungsakts bis zum Eintritt der Bestandskraft verschont zu bleiben.
Von Bedeutung sind im Rahmen der Abwägung zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zur Hauptsache; denn es besteht einerseits in der Regel kein öffentliches Interesse daran, einen Verwaltungsakt sofort zu vollziehen, gegen dessen Rechtmäßigkeit ernsthafte Bedenken bestehen; andererseits verstärkt sich das Vollzugsinteresse, wenn die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs gering sind.
Im vorliegenden Fall erweist sich die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 5. August 2003 nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtmäßig.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Ladenschluss (im folgenden LadSchlG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 2003 (BGBl. I S. 744) müssen Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich geschlossen sein.
Gem. § 10 Abs. 1 LadSchlG können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen in Kurorten und in einzeln aufzuführenden Ausflugs-, Erholungs- und Wallfahrtsorten mit besonders starkem Fremdenverkehr Badegegenstände, Devotionalien, frische Früchte, alkoholfreie Getränke, Milch und Milcherzeugnisse im Sinne des § 4 Abs. 2 des Milch- und Fettgesetzes, Süßwaren, Tabakwaren, Blumen und Zeitungen sowie Waren, die für diese Orte kennzeichnend sind, abweichend von den Vorschriften des § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 3 LadSchlG verkauft werden dürfen. Von dieser Ermächtigung hat Niedersachsen mit der Verordnung über den Warenverkauf in Kur-, Ausflugs-, Erholungs- und Wallfahrtsorten an Sonn- und Feiertagen und an Sonnabendnachmittagen vom 14. Januar 1983 (Nds. GVBl. S. 3) - zuletzt geändert durch Artikel 4 der Verordnung vom 2. Dezember 1996 (Nds. GVBl. S. 473) - Gebrauch gemacht. Nach § 1 dieser Verordnung dürfen in Kurorten sowie Orten und Ortsteilen, die in den Anlagen 1 - hier ist auch Worpswede verzeichnet- und 2 aufgeführt sind, 1. an jährlich höchstens vierzig Sonn- und Feiertagen bis zur Dauer von acht Stunden, 2. an bestimmten Sonnabenden bis spätestens zwanzig Uhr, die in § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Ladenschluss genannten Waren in Verkaufsstellen verkauft werden. Die von der Antragsgegnerin angeführte Verordnung des Landkreises Osterholz vom 22. Dezember 1987 ist demgegenüber nicht mehr einschlägig, da die ursprünglich in § 2 der Verordnung über den Warenverkauf in Kur-, Ausflugs-, Erholungs- und Wallfahrtsorten an Sonn- und Feiertagen und an Sonnabendnachmittagen vom 14. Januar 1983 (Nds. GVBl. S. 3) enthaltene Verordnungsermächtigung an die Landkreise mit Art. 4 der Verordnung zur Bereinigung von Zuständigkeitsregelungen in kommunalen Aufgabenbereichen vom 2. Dezember 1996 (Nds. GVBl. 1996, S. 473) ersatzlos gestrichen wurde.
An den materiellen Voraussetzungen für einen zulässigen Sonntagsverkauf hat sich dadurch aber nichts geändert. Maßgeblich bleibt weiter § 10 LadSchlG.
Unter den für den vorliegenden Fall streitentscheidenden Begriff der für einen Ort kennzeichnenden Waren i. S. des § 10 LadSchlG fallen (OLG Stuttgart, Urteil vom 29.05.1987 - 2 U 100/87 - NJW-RR 1988, 424 m. w. N.):
(1) Waren, die in ihrer Art oder Ausgestaltung auf den Ort oder dessen nähere Umgebung, in dem sie feilgeboten werden, besonders Bezug nehmen,
(2)
Gegenstände, die in dem betreffenden Ort oder Gebiet als besondere Spezialität hergestellt oder gewonnen werden, von den Fremden als charakteristisch für dieses Gebiet empfunden und deshalb gekauft werden,
(3) Gegenstände, die zwar an ihrem Verkaufsort nicht hergestellt werden, jedoch landschaftlich so typisch und charakteristisch sind, dass die Ortsbezogenheit dadurch vermittelt wird
(4)
Waren eines Betriebes, dessen Vorhandensein zumindest wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Ort Ausflugsort geworden ist, weil vor allem dieser Betrieb Fremde zum Besuch des Orts und des Betriebes veranlasst und dadurch bei den Besuchern den Wunsch entstehen lässt, diese Waren des Betriebes gleich an Ort und Stelle zu erwerben.
Die von dem Antragsteller in seinem Fischwagen bzw. Fischimbiss angebotenen Waren wie hauptsächlich Fischbrötchen unterfallen offensichtlich keiner dieser Kategorien. Entgegen seiner Auffassung bietet der Antragsteller mit den mit Matjes, Seelachs, Bismarckhering und Krabben belegten Brötchen keine Waren an, die für den Ort Worpswede kennzeichnend sind. Die touristische Bedeutung Worpswedes resultiert vielmehr aus der Vergangenheit als Künstlerkolonie. Ein Bezug der Gemeinde Worpswede zum Meer bzw. zum Fischfang liegt auch unter Berücksichtigung der Entfernung zu Bremen und Bremerhaven fern. Ebenso abwegig ist der Hinweis auf die Nähe zum Fluss Lesum. Eine Verbindung zwischen dem Anbieten von Seefisch und dem in der Nähe verlaufenden Fluss Lesum ist nicht erkennbar. Abgesehen davon vermittelt nicht bereits jede bloße Nähe zu einem Fluss, dass Fisch für den nahegelegenen Ort kennzeichnend ist.