Landgericht Osnabrück
Urt. v. 27.03.1995, Az.: 9 T 33/95
Unzulässigkeit einer vollständigen Absetzung der vom Kläger angemeldeten Kosten für die Prozessbevollmächtigten und Verkehrsanwälte in der Berufungsinstanz im Kostenfestsetzungsbeschluss; Notwendigkeit einer Maßnahme des Prozessbevollmächtigten unmittelbar nach der Einlegung der Berufung; Reduzierung des Anspruchs auf eine volle Prozessgebühr bei der Rücknahme einer Berufung vor ihrer Begründung; Maßgeblichkeit des Grundsatzes der Verpflichtung zur kostensparenden Prozessführung
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 27.03.1995
- Aktenzeichen
- 9 T 33/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 31999
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:1995:0327.9T33.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 25 BRAGO
- § 26 BRAGO
- § 31 BRAGO
- § 32 BRAGO
- § 91 Abs. 1 ZPO
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.
Die Beklagte erhebt hinsichtlich der Festsetzung der Kosten für die 1. Instanz in Höhe von 1.338,31 DM keine Einwendungen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 31.01.95). Die Beklagte wendet sich aber zu Recht dagegen, daß die Rechtspflegerin die von der Klägerin angemeldeten Kosten für ihre Prozeßbevollmächtigten und Verkehrsanwälte in der Berufungsinstanz in dem angefochtenen Beschluß vollständig abgesetzt hat.
1.
Die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung für den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der Berufungsinstanz ist teilweise begründet; die Prozeßbevollmächtigten erhalten jedoch lediglich eine 13/20 Prozeßgebühr.
Dem Grunde nach hat die Rechtspflegerin zu Recht zugunsten der Klägerin die Prozeßgebühr der Prozeßbevollmächtigten für die zweite Instanz festgesetzt. Es kann dem Berufungsgegner nicht verwehrt werden, sich sogleich nach Berufungseinlegung eines Rechtsanwalts zu bedienen, der sich alsbald zu den Akten legitimiert. Die damit erwachsenen Kosten sind grundsätzlich als vom Berufungsführer verursacht zu erstatten.
Lediglich hinsichtlich der Höhe ist die von § 91 I ZPO gemachte Einschränkung zu berücksichtigen und zu fragen, ob eine Maßnahme des Prozeßbevollmächtigten zu diesem Zeitpunkt bereits notwendig und die damit verbundenen Gebühren im vollen Umfang erstattungsfähig waren.
Das OLG Oldenburg vertrat zwar in einem Beschluß vom 10.01.1882 (OLG Oldenburg JurBüro 92, 632) die Auffassung, daß dem Prozeßanwalt des Berufungsbeklagten, der die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt hat, die volle Prozeßgebühr auch dann in erstattungsfähiger Weise erwächst, wenn die Berufung vor ihrer Begründung zurückgenommen wird. Das OLG Oldenburg stellte in seiner Begründung darauf ab, daß durch den Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels ein das Verfahren einleitender Antrag i.S.d. § 32 I BRAGO vorliege, weshalb der Prozeßbevollmächtigte nach §§ 31, 32 BRAGO einen Anspruch auf die volle Prozeßgebühr habe. Diese Gebühren sind nach Auffassung des OLG auch im Sinne von § 91 I ZPO voll erstattungsfähig, da der Berufungsbeklagte nach der Rechtsmitteleinlegung sofort einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Berufungsverfahren beauftragen dürfe.
Die Kammer vermag dieser Auffassung des OLG aber nicht zu folgen und schließt sich vielmehr der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung (OLG Köln JurBüro 92, 801; OLG Koblenz JurBüro 92, 466; OLG Saarbrücken JurBüro 92, 37; OLG Nürnberg JurBüro 93, 215; OLG Karlsruhe JurBüro 94, 158,160; OLG München Rpfl. 94, 130,181; OLG Hamm JurBüro 91, 386; OLG Hamburg JurBüro 95, 80) und in der Literatur (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert BRAGO, 12. Auflage, § 31 Rn. 20; Göttlich/Mümmler BRAGO, 18. Auflage, Stichwort: Berufung, Rnm. 1.33c) an, nach der der Prozeßbevollmächtigte entsprechend der §§ 31, 32 BRAGO i.V.m. § 91 I ZPO lediglich eine 13/20 Prozeßgebühr im Berufungsverfahren verlangen kann, wenn die Berufung vor ihrer Begründung zurückgenommen wird. In diesen Fällen kann es nämlich grundsätzlich nicht als notwendig im Sinne des § 91 I ZPO erachtet werden, daß der Prozeßbevollmächtigte des Berufungsgegners bereits einen Gegenantrag formuliert, da eine Prozeßförderung damit nicht erreicht wird. Mangels Berufungsbegründung ist eine sachliche Prüfung nämlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Der Sachantrag auf Zurückweisung der Berufung ist in diesem Zeitpunkt ohne Einfluß auf die Verfahrensgestaltung, da wohl als selbstverständlich davon ausgegangen werden kann, daß der Rechtsmittelgegner das angefochtene Urteil aufrechterhalten will. Der Rechtsanwalt befaßt sich im übrigen erfahrungsgemäß erst nach Vorliegen der Begründung mit dem Rechtsmittel. Dem entspricht die gebührenrechtliche Regelung in § 32 I BRAGO (vgl. Mümmler JurBüro 93, 388).
Im Hinblick auf den in § 91 I ZPO verankerten Grundsatz der Verpflichtung zur kostensparenden Prozeßführung ist der Berufungsbeklagte auch verpflichtet, seinen Rechtsanwalt zu veranlassen, sich unnötiger gebührenauslösender Maßnahmen zu enthalten, wie dieser aufgrund des anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages auch seinem Mandanten gegenüber verpflichtet ist, keine Kosten zu verursachen, die unnötig und deshalb nicht erstattungsfähig sind.
Dadurch, daß die Rechtsanwälte Grondmann pp. den Schriftsatz vom 18.07.94 mit dem Antrag auf Berufungszurückweisung zu den Akten gereicht haben, haben sie unnötig die volle 13/10 Prozeßgebühr nach dem Berufungsstreitwert ausgelöst. Hätte ihr Schriftsatz diesen Sachantrag nämlich nicht enthalten, wären aufgrund der durch die Berufungsrücknahme der Beklagten eingetretenen Auftragsbeendigung für sie nach § 32 I BRAGO nur eine 13/20 Prozeßgebühr zuzüglich Postauslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO und Mehrwertsteuer gemäß § 25 II BRAGO entstanden. Die Gebühren wären insgesamt erheblich niedriger gewesen, als die verursachte 13/10 Prozeßgebühr nach dem vollen Berufungsstreitwert.
2.
Die Erinnerung der Beklagten erweist sich insoweit als begründet, als es um die Kosten der von der Klägerin im Berufungsverfahren eingeschalteten Verkehrsanwälte Küchle pp. geht.
Im hier zu entscheidenen Fall war die Einschaltung eines Verkehrsanwalts im Berufungsverfahren nicht notwendig und damit entsprechend § 91 I ZPO auch nicht erstattungsfähig.
Nach § 91 I ZPO sind die Parteien gehalten, die Prozeßkosten auf das zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung erforderliche Maß zu beschränken (vgl. Göttlich/Mümmler BRAGO, 18. Auflage, Stichwort: Verkehrsanwalt, Rnm. 1.1.). Die Einschaltung eines Verkehrsanwaltes im Berufungsverfahren war hier aus mehreren Gründen nicht notwendig.
Zum einen haben die Prozeßbevollmächtigten Grondmann pp. die Berufungsbeklagte bereits in der 1. Instanz vertreten und waren deshalb mit dem Streitstoff, der ja bereits im erstinstanzlichen Urteil in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gewürdigt wurde, vertraut (vgl. Gerold/Schmidt/ v.Eicken/Madert BRAGO, 12. Auflage, § 52 Rn. 43). Zum anderen war eine Erörterung des Sach- und Streitstandes zwischen der Berufungsbeklagten und deren Prozeßbevollmächtigten nach Einlegung der Berufung noch nicht erforderlich, da zu diesem und auch zu keinem späteren Zeitpunkt eine Berufungsbegründung vorlag, sich also der Streitstoff gegenüber dem erstinstanzlichen Urteil nicht veränderte und er damit keiner weiteren Erörterung bedurfte (vgl. Göttlich/Mümmler, a.a.O.., Stichwort: Verkehrsanwalt, Rnm. 4.11.).
3.
Die Erinnerung erweist sich auch insoweit als begründet, als der Berufungsbeklagten auch nicht anstelle der Kosten des in der Berufungsinstanz eingeschalteten Verkehrsanwalts die fiktiven Reisekosten zuzubilligen sind, die ohne Einschaltung des Verkehrsanwalts bei direktem Kontakt mit den Prozeßbevollmächtigten Grondmann pp. entstanden wären (vgl. Göttlich/Mümmler,a.a.O.., Stichwort: Verkehrsanwalt, Rnm. 4.11 m.w.N.). Eine Informationsreise der Berufungsbeklagten zu ihrem Prozeßbevollmächtigten, um sich mit diesem über die Berufung zu beraten bzw. den Streitstoff zu erörtern, wäre weder zum Zeitpunkt der Berufungserwiderung, noch später notwendig gewesen. Eine Begründung der Berufung lag bis zum Zeitpunkt ihrer Rücknahme nicht vor, weshalb sich an dem bereits in der 1. Instanz ermittelten Sach- und Streitstand nichts änderte und somit auch nichts zwischen der Berufungsbeklagten und ihrem Prozeßbevollmächtigten zu erörtern gewesen wäre.