Landgericht Osnabrück
Urt. v. 11.08.1995, Az.: 3 O 145/95

Wirksamkeit eines Vertrages zur Übertragung von Milchreferenzmengen; Heilung des Mangels der Vertretungsmacht ; Anwendung der Rechtsscheingrundsätze auf Körperschaften des öffentlichen Rechts; Unterschied zum Geschäftsverkehr mit Körperschaften des öffentlichen Rechts und juristischen Personen des Privatrechts; Beachtlichkeit einer Rechtsscheinvollmacht einer Körperschaft

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
11.08.1995
Aktenzeichen
3 O 145/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 17952
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:1995:0811.3O145.95.0A

Redaktioneller Leitsatz

Die Grundsätze der Haftung aus Duldungs- oder Anscheinsvollmacht finden auf Körperschaften des öffentlichen Rechts zwar grundsätzlich Anwendung, unterliegen dabei aber im einzelnen Einschränkungen.

In dem Rechtsstreit
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 11.08.1995
durch
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Es wird festgestellt, daß der Vertrag zur Übertragung von Milchreferenzmengen vom 01.09.1994 zwischen der Klägerin und dem Beklagten endgültig unwirksam ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Klägerin in Höhe von 4.000,- DM vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird wie im Beschluß vom 20.04.1995 festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines von ihnen geschlossenen Vertrages über die Übertragung einer Milchreferenzmenge, einer sog. "Milchquote".

2

Der Beklagte war als Rechtsnachfolger seines Vaters, ..., Pächter mehrerer landwirtschaftlicher Grundstücke der Klägerin, die er als Milcherzeugungsflächen nutzte.

3

Auf seinen Wunsch hin wurden die Pachtverträge mit Ablauf des 31.08.1994 aufgelöst. Der Beklagte machte dabei aber geltend, es stünde ihm Pächterschutz zu, mit der Folge, daß er die auf den Grundstücken ruhende Milchreferenzmenge weiter nutzen dürfe. Zu diesem Zweck kam es am 01.09.1994 zwischen den Parteien zum Abschluß eines Vertrages zur Übertragung einer Milchreferenzmenge ohne Übergang der entsprechenden Fläche gemäß § 7 Abs. 2 a S. 2 Nr. 1 Alt. 2 MGV. Die Klägerin wurde dabei vertreten durch ihren Stiftsamtmann, ..., der auch die vorausgegangenen Verhandlungen mit dem Beklagten geführt hatte. Am 29.09.1994 stellte die zuständige Landwirtschaftskammer Weser-Ems durch das Landwirtschaftsamt Bersenbrück die erforderliche Bescheinigung gemäß § 9 Abs. 1 MGV für den Übergang einer Milchquote von 61.034 kg aus.

4

Die Klägerin bestreitet die Wirksamkeit des Vertrages. Sie behauptet, der ... habe ohne Vertretungsmacht gehandelt; er sei zur Veräußerung von Stiftsvermögen weder durch die Satzung des Stifts noch aufgrund einer - sei es auch stillschweigenden - Vereinbarung mit der Äbtissin befugt. Auch in der Vergangenheit habe der Amtmann keine Geschäfte vorgenommen, denenzufolge der Beklagte habe annehmen können, er sei zum Abschluß des Übertragungsvertrages befugt gewesen. Erforderlich sei vielmehr gemäß § 12 der Satzung des Stiftes Börstel die Zustimmung der Äbtissin bzw. gemäß § 17 ein Beschluß des Stiftskapitels.

5

Vorsorglich hat die Klägerin den Übertragungsvertrag darüber hinaus wegen arglistiger Täuschung angefochten.

6

Sie behauptet, der Beklagte habe dem in Fragen des Milchreferenzmengenrechts unkundigen Stiftsamtmann lediglich vorgespiegelt, daß ihm Pächterschutz zustehe, während dies tatsächlich nicht der Fall sei, wenn der Pächter freiwillig die Pacht aufgebe. Amtmann ... habe sich auf das Wort des Beklagten als eines langjährigen Bekannten verlassen, ohne die Materie im einzelnen glauben prüfen zu müssen.

7

Auf diese Weise sei dem Beklagten, dem die Rechtslage aufgrund von Erkundigungen beim Landwirtschaftsamt Bersenbrück bekannt gewesen sei, unentgeltlich die Nutzung der Milchquote möglich geworden, für die eigentlich ein Pachtpreis von ca. 0,15 DM/kg/Jahr zu entrichten sei.

8

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, daß der Vertrag zur Übertragung von Milchreferenzmengen (§ 7 IIa MGV) vom 01.09.1994 zwischen der Klägerin und dem Beklagten nichtig ist.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er behauptet, der Stiftsamtmann sei stets sein Verhandlungspartner gewesen, gerade auch, wenn es um die Änderung der Landpachtverträge, etwa betreffend die Höhe des Pachtzinses, gegangen sei. Wenn die Stiftssatzung auch eine Vertretung durch die Äbtissin fordere, so habe diese doch einen Rechtsschein dahingehend, daß Amtmann ... bevollmächtigt sei, gesetzt, den sie sich zurechnen lassen müsse.

11

Der Beklagte bestreitet auch, den Stiftsamtmann arglistig getäuscht zu haben. Er behauptet, Amtmann ... sei vor Abschluß des Übertragungsvertrages durch einen Sachbearbeiter des Landwirtschaftsamtes Bersenbrück, ... ausführlich über die Modalitäten eines solchen Vertrages und die rechtlichen Bedingungen von Pächterschutz im Zusammenhang mit der Rückgabe angepachteter Milcherzeugungsflächen informiert worden, so daß von Ausnutzen durch gezielte Fehlinformation keine Rede sein könne.

12

Mit Schriftsatz vom 16.06.1995 (dort unter IV.) hat der Beklagte hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit des Übertragungsvertrages die Anfechtung der Pachtaufhebungsvereinbarungen wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erklärt.

Entscheidungsgründe

13

A.

Die Klage ist zulässig.

14

Insbesondere ist das Landgericht Osnabrück zuständig.

15

Zur näheren Begründung wird auf den Beschluß des Gerichts vom 28.06.1985 (Bl. 94 ff. d.A.) verwiesen.

16

B.

Die Klage ist auch begründet.

17

Der Vertrag der Parteien über die unentgeltliche Übertragung von Milchreferenzmengen vom 01.09.1994 ist gemäß § 177 Abs. 1 BGB endgültig unwirksam. Die vertraglichen Vereinbarungen hätten nämlich zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Kapitels des Stifts Börstel und des Präsidenten der Klosterkammer Hannover als Landeskommissar für das Stift Börstel bedurft, die aber nicht vorliegt bzw. verweigert ist.

18

I.

Der auf Seiten der Klägerin am Vertragsschluß ausschließlich beteiligte Stiftsamtmann, ..., besaß keine Vertretungsmacht zum Abschluß des Vertrages.

19

Gemäß § 18 Abs. 2 S. 1 der Satzung des Stiftes Börstel i.d.F. vom 01.04.1977 (im folgenden: Satzg.) führt der Stiftsamtmann in alleiniger Verantwortung lediglich die Stiftskasse, d.h. Barmittel und Zahlungsverkehrskonten, um die es hier aber nicht geht. Die Vermögensverwaltung unterliegt dagegen der Aufsicht der Äbtissin, die dafür gemäß § 17 S. 1 Satzg. die Verantwortung trägt. Eine Genehmigung des Übertragungsvertrages hat die Äbtissin der Klägerin, ... aber nicht erteilt.

20

Weiterhin statuiert § 17 S. 2 Satzg., daß in bestimmten Fällen ein Beschluß des Stiftskapitels erforderlich ist; so etwa gemäß Nr. 4 beim Verzicht auf Rechte, die dem Stift zustehen.

21

Um einen solchen Fall handelt es sich hier, denn der Beklagte sollte nach der streitigen Vereinbarung die Milchquote unentgeltlich nutzen. Da ihm selbst im Falle eines Anspruchs auf Pächterschutz gemäß § 595 BGB allenfalls eine Fortsetzung des Pachtverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen, d.h. entgeltlich, zugestanden hätte, liegt in der Vereinbarung unentgeltlicher Nutzung der Referenzmenge ein Rechtsverzicht, der einen Kapitelbeschluß erforderlich macht, der aber ebenfalls nicht vorliegt.

22

Schließlich ist gemäß Nr. 4 lit. d) der Anordnung des Landeskommissars für das Stift Börstel über Umfang und Handhabung der Staatsaufsicht (Nds. Mbl. Nr. 8/1961, S. 151) im Falle des Verzichts auf Rechtsansprüche des Stifts zusätzlich die Genehmigung des Landeskommissars erforderlich, die mit Schreiben vom 17.11.1994 (Bl. 26 d.A.) ausdrücklich nicht erteilt wurde.

23

II.

Dieser Mangel der Vertretungsmacht des Vertreters des Stiftes Börstel beim Abschluß des Übertragungsvertrages ist auch nicht etwa geheilt oder aus anderen Gründen unbeachtlich.

24

1.

Der Beklagte kann sich für die Wirksamkeit des Vertrages nicht auf die Rechtsfiguren der Anscheins- oder Duldungsvollmacht berufen.

25

Die Grundsätze der Haftung aus Duldungs- oder Anscheinsvollmacht finden nämlich auf Körperschaften des öffentlichen Rechts - wie auch das Stift Börstel - zwar grundsätzlich Anwendung, unterliegen dabei aber im einzelnen Einschränkungen.

26

a)

So darf die Anwendung der Rechtsscheingrundsätze nicht dazu fuhren, daß im öffentlichen Interesse bestehende gesetzliche oder satzungsrechtliche Zuständigkeitsregelungen, Genehmigungserfordernisse oder Formvorschriften ihrer Wirksamkeit entkleidet würden (BGHZ 5, 205 [213 f.]; BGH NJW 1972, 940 [941]; 1984, 606 [607]; RGZ 146, 42 [49]).

27

So liegt es auch hier. Schon aus der Zweckbestimmung des Stiftes Börstel gemäß § 2 Abs. 1 Satzg. ergibt sich, daß die in der Satzung normierten Zuständigkeitsregelungen im öffentlichen Interesse bestehen.

28

Zudem ist das Vermögen des Stiftes Teil des Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds (AHK), in dem das Vermögen der im vormaligen Königreich Hannover säkularisierten Klostergüter zusammengefaßt ist. Der Fonds wird von der Klosterkammer Hannover vertreten, einer der Dienstaufsicht des Nds. Kultusministers unterstehenden Sonderbehörde der unmittelbaren Landesverwaltung des Landes Niedersachsen, der grundsätzlich auch die Verwaltung des AHK obliegt.

29

Der AHK verkörpert dadurch, daß in ihm der in dem ehemaligen Land Hannover säkularisierte Klosterbesitz als geschlossene Vermögensmasse zusammengefaßt und seit mehr als 150 Jahren unverändert ganz bestimmten Zwecken nutzbar gemacht worden ist, eine für das Land Niedersachsen typisch gewordene Form der Erfüllung kultureller und sozialer Fürsorge (StGH OVGE 28, 483 [492] = StGHE 1, 120 [136]).

30

Am öffentlichen Auftrag und Gepräge des AHK ändert sich auch nichts dadurch, daß sein Vermögenssubstrat eindeutig und ausschließlich geistlicher Herkunft ist und entsprechend dem Schutzgedanken des Art. 72 Abs. 2 Nds. Verf. der ursprüngliche Verwendungszweck weiterhin erhalten werden muß, weswegen das vom AHK verwaltete Vermögen auch als Kirchengut unter staatlicher Aufsicht bezeichnet wird (Korte/Rebe/Sperling, Verfassung und Verwaltung Nds., 2. Aufl. 1986, S. 727 f.). Diese Charakteristik des AHK ist vielmehr gerade der Grund für seine Leistungen für das kulturelle Leben des jetzigen Landes Niedersachsen wie für dessen historischer Vorgänger, z.B. für die Erhaltung der Kunstdenkmäler, die im wesentlichen darauf beruhen, daß es der Klosterkammer auch in wirtschaftlich mühevollen und politisch bewegten Zeiten gelungen ist, die Vermögenssubstanz und das geschichtliche Erbe zu erhalten (Korte, Verfassung und Verwaltung Nds., 1. Aufl. 1962, S. 76 ff.; vgl. auch vonCampenhausen, Staatskirchenrecht, 2. Aufl. 1983, S. 187).

31

Zur Sicherstellung dieser öffentlichen Interessen sind für die Vermögensverwaltung auch des Stiftes Börstel die o.a. Genehmigungserfordernisse bestimmt worden. Deren Nichtbeachtung müßte hingenommen werden, wenn die Regeln über die Rechtsscheinvollmachten von Rechts wegen anzuwenden wären.

32

Zur Vermeidung dieses Effekts ist mit der Rechtsprechung eine Einschränkung des Anwendungsbereichs geboten.

33

Das Gericht verkennt nicht, daß dadurch der Geschäftsverkehr mit Körperschaften öffentlichen Rechts im Einzelfall erschwert werden kann; dies um so mehr, wenn die einschlägigen Regelungen aus nachgeordneten Vorschriften innerhalb der Normenhierarchie zu entnehmen sind, wie etwa bloßen Satzungen.

34

Zu berücksichtigen ist aber, daß auch diese im Interesse des Rechtsverkehrs veröffentlicht werden. So sind die für den Rechtsverkehr wichtigen Satzungsbestimmungen der Klägerin im Nds. Ministerialblatt (1961, S. 151) veröffentlicht. Auch weiß jedermann, daß bei Körperschaften des öffentlichen Rechts Zuständigkeitsregeln bestehen. Demgemäß hat schon das Reichsgericht bei öffentlichen Sparkassen die Regeln über die Anscheinsvollmacht nicht angewandt (RGZ 146, 42 [49]). Im übrigen besteht kein prinzipieller Unterschied zum Geschäftsverkehr mit Handelsgesellschaften oder anderen juristischen Personen privaten Rechts, über deren Verhältnisse im Hinblick auf Vertretungsmacht und Zuständigkeiten im Zweifel ebenfalls nur durch Einsicht in öffentliche Register verläßlich Klarheit zu gewinnen ist. Stehen dabei besonders bedeutsame Geschäfte in Rede, sind an die Bemühungen des Vertragspartners um Gewißheit hinsichtlich der Vertretungsverhältnisse auch um so höhere Anforderungen zu stellen, ohne daß dies an sich schon unzumutbar wäre (BGH NJW 1972, 940 [942] m.w.N.).

35

b)

Zum Teil wird in der Rechtsprechung auch danach differenziert, ob der Rechtsscheinbevollmächtigte selbst ein Organ der Körperschaft ist, das lediglich für den betreffenden Einzelfall unzuständig ist, oder ob die Bevollmächtigung einen Dritten betrifft. Nur im letzteren Fall soll die Berufung auf die Anscheins- oder Duldungsvollmacht möglich sein (BGHZ 40, 197 [203]).

36

Für den hier zur Entscheidung stehenden Fall kann sich dann aber eine Haftung der Klägerin ebenfalls nicht ergeben, denn der Stiftsamtmann, in dessen Person die Rechtsscheinvollmacht bestanden haben soll, ist gerade kein "Dritter", sondern selbst Organ des Stiftes Börstel.

37

c)

Die Rechtsprechung zur eingeschränkten Anwendbarkeit von Duldungs- und Anscheinsvollmacht hat in der Literatur neben Zustimmung (Palandt/Heinrichs, 54. Aufl. 1995, § 173 Rn. 20; MüKo-BGB/Schramm, 3. Aufl. 1993, § 167 Rn. 42 m.w.N.; Boujong, WiVerw 1979, 48 [53]; i.Erg. auch Bienert, Diss. iur. 1975, S. 37) auch Kritik erfahren.

38

Soweit im Schrifttum dabei für die Beachtlichkeit einer Rechtsscheinvollmacht einer Körperschaft öffentlichen Rechts danach unterschieden wird, ob Verletzungen bloßer Formvorschriften wie Schriftform, Angabe der Dienstbezeichnung, Beifügung eines Amtssiegels etc. - nur solche sollen die Anwendbarkeit begründen - oder Verletzungen der materiellen Zuständigkeitsordnung geheilt werden sollen (Staudinger/Dilcher, 12. Aufl. 1980, § 167 Rn. 49; Reinicke, Rechtsfolgen formnichtig abgeschlossener Verträge, 1969, S. 150), ergibt sich daraus nichts anderes für diesen Fall, da es auf seiten der Klägerin nicht um Formvorschriften geht.

39

Auch handelt es sich nicht um interne Bindungen ohne Außenwirkung, wie etwa z.T. im Falle von Zeichnungsbefugnissen von Mitarbeitern öffentlich-rechtlicher Sparkassen.

40

Im übrigen ist zu beachten, daß ein etwaiger Rechtsschein nicht weiter reichen kann, als die tatsächlichen Verhältnisse reichen würden, lägen sie denn vor. Voraussetzung muß dann aber bleiben, daß die Zurechnungstatbestände in der Person aller auf seiten des Vertretenen maßgeblichen Beteiligten vorliegen (Canaris, Vertrauenshaftung im deutschen Zivilrecht, 1971, S. 461 f.; Reinicke, a.a.O.). Dies ist hier aber nicht der Fall, denn wie oben ausgeführt hätte die streitige Vereinbarung nicht nur der Zustimmung der Äbtissin des Stifts Börstel, sondern auch der Zustimmung der Klosterkammer Hannover bedurft. Daß aber eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht auch durch das Verhalten der Klosterkammer begründet sein könnte, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

41

Den Vorbehalten gegenüber einer eingeschränkten Anwendbarkeit der Grundsätze über die Rechtsscheinvollmachten im älteren Schrifttum (Nachweise bei MüKo-BGB/Schramm, § 167 Fn. 68; kritisch auch Bader, Diss. iur. 1978, S. 83, der aber Genehmigungserfordernisse ausdrücklich ausnimmt) ist entgegenzuhalten, daß sie zum großen Teil noch unter dem Eindruck einer totalitären Diktatur entstanden und die heutigen Rechtswirklichkeiten, insbesondere auch im Bereich der Judikative, nur unzureichend berücksichtigen (Canaris, a.a.O., Fn. 38, spricht in diesem Zusammenhang von "stark "ideologischen" Akzenten").

42

Die in der Literatur geäußerten Bedenken am Standpunkt der Rechtsprechung vermögen demnach für den vorliegenden Fall nicht zu einer von den o.a. Grundsätzen abweichenden Beurteilung zu zwingen.

43

2.

Weiterhin kann sich der Beklagte für die Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarungen auch nicht auf das Gebot von Treu und Glauben zu berufen.

44

Ist selbst eine Verletzung gesetzlicher Formvorschriften nur in ganz besonderen Fällen unter Beachtung strenger Anforderungen aufgrund von Billigkeitserwägungen - daß die Nichtigkeit einen Vertragsteil hart trifft, reicht nicht (BGHZ 92, 164 [172]) - als unerheblich anzusehen (BGH a.a.O. m.w.N.), so gilt dies um so mehr, wenn es um die Verletzung von Vorschriften über Zuständigkeiten und/oder Vertretungsmacht geht, die über reine Förmlichkeiten hinausgehen (BGHZ 90, 164 [BGH 16.02.1984 - III ZR 196/82] [174]). Andernfalls würde der Schutz öffentlicher Interessen, der durch diese Vorschriften erreicht werden soll, wieder preisgegeben. Zudem ergäben sich Friktionen gegenüber der Unanwendbarkeit der Grundsätze über Anscheins- und Duldungsvollmacht, die letztendlich ebenfalls eine - richterrechtlich geprägte -Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben sind.

45

III.

Das Gericht sieht es auch nicht als einen Verstoß gegen Treu und Glauben i.S. des § 242 BGB an, daß die Äbtissin des Stiftes Börstel zwar den Pachtaufhebungsvertrag des Beklagten mit dem Stiftsamtmann genehmigt hat, nicht aber den Vertrag über die Milchquotenübertragung.

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Abgesehen davon, daß der Übertragungsvertrag aus den o.a. Gründen zu seiner Wirksamkeit zusätzlich der Zustimmung des Stiftskapitels und der Aufsichtsbehörde bedurft hätte, so daß es auf die Genehmigung durch die Äbtissin allein ohnehin nicht ankommt, regem die Verträge doch wesentlich verschiedene Inhalte, die eine verschiedene rechtliche Behandlung durch die Beteiligten rechtfertigen, mögen sie auch aus Sicht des Beklagten wirtschaftlich einander bedingen. So hat der Pachtaufhebungsvertrag für die Klägerin zur Folge, daß sie die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über die Pachtsache, d.h. über ihr Eigentum, zurückerhielt, während aufgrund des Übertragungsvertrages die Verfügungsmöglichkeiten zumindest zeitweise geschmälert werden. Aufgrunddessen konnte bei unbefangener Betrachtungsweise nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß beide Verträge in gleicher Weise von den zuständigen Stellen genehmigt werden würden. Anhaltspunkte im Verhalten der Beteiligten, aus denen sich ein schützenswertes Interesse des Beklagten ergeben könnte, sind gleichfalls nicht ersichtlich, etwa die Vereinbarung eines einander bedingenden Verhältnisses der Verträge zueinander oder eine andauernde diesbezügliche Übung der Parteien.

47

Aus diesem Grunde kann im Verhalten der Klägerin keine Willkür im Sinne eines "venire contra factum proprium" oder anderer Konkretisierungen der Verhaltensmaxime des § 242 BGB gesehen werden.

48

IV.

Nach alledem war dem Begehren auf Feststellung endgültiger Unwirksamkeit des Vertrages vom 01.09.1994 stattzugeben. Soweit die Klage im übrigen abgewiesen wurde, bezieht sich dies auf die Feststellung der Nichtigkeit. Da es sich bei Nichtigkeit und endgültiger Unwirksamkeit aber um Synonyme handelt (Palandt/Heinrichs, Übbl. vor § 104 Rn. 31 a.E.), ergeben sich daraus keine Folgen, insbesondere nicht für die Kostentragungslast.

49

V.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits findet ihre Grundlage in § 91 ZPO; diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird wie im Beschluß vom 20.04.1995 festgesetzt.

Dr. Arnhold