Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.06.1990, Az.: 12 L 177/89

Folgenbeseitigungsanspruch; Durchgangsverkehr; Widmung; Entwidmung; Straße; Schließung; Verkehrsplanung; Unzulässige Rechtsausübung; Treu und Glauben

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.06.1990
Aktenzeichen
12 L 177/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 13069
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1990:0628.12L177.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig 23.05.1989 - 3 A 283/87
nachfolgend
BVerwG - 26.06.1991 - AZ: BVerwG 4 B 153.90
BVerwG - 26.08.1993 - AZ: BVerwG 4 C 24/91

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 3. Kammer - vom 23. Mai 1989 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Kläger ist seit 1983 Eigentümer eines Reihenhauses in B., .... Das Reihenhaus liegt an der Westseite der Straße ..., ca. 20 m südlich der Einmündung dieser Straße in die Bundesstraße ...; es handelt sich um das südliche Reihenendhausgrundstück aus einer insgesamt vier Reihenhäuser umfassenden Reihenhauszeile. Die Zimmer der Häuser sind so angeordnet, daß Küche, Bad, WC und ein Wohnzimmer (Kinderzimmer) zur Straße hinaus liegen; die weiteren Räume (Wohn- und Schlafräume) liegen auf der der Straße abgewandten Seite zum Garten hinaus.

2

Das Reihenhaus ist 1969 gebaut worden; die Straße ... war seinerzeit aufgrund des Bebauungsplanes 1967 a.F. als Sackgasse mit 12,50 m Breite ausgebaut und 1969 gewidmet worden.

3

Die Verkehrsplanungen der Beklagten seit 1976 sind im Generalverkehrsplan 1976 mit Fortschreibungen dargelegt. Diese Planungen zielen darauf ab, ein leistungsfähiges zentralörtliches Verkehrsnetz zu schaffen. Verkehrszählungen haben ergeben, daß der überörtliche Durchgangsverkehr in Bargteheide Wohngebiete wie die Straßen Papendorf, Lindenstraße, Alte Landstraße in Teilbereichen zwischen Lindenstraße und Eckhorst stark belastete; der Verkehr zwischen Hamburg-Nord und -Nordost sowie BAB A 1 nimmt ständig zu. Zur Entlastung der Innenstadt von Bargteheide vom Durchgangsverkehr (B 75, Lindenstraße, Alte Landstraße und Papendorf) wurde nach Auffassung der Beklagten der "Durchbau" der Straße Eckhorst, die auf halber Strecke zwischen der B 434 und der B 75 endete, zur B 75 notwendig. Dementsprechend beschloß die Beklagte 1976 den Bebauungsplan Nr. 10, der im Juli 1977 in Kraft trat. Der Plan wies die Straße Eckhorst als durchgehende Verbindungsstraße aus. Ebenso wurde die vom Eckhorst nach Osten abzweigende Schloßstraße, die früher ebenfalls eine Sackgasse war, als eine bis zur Lindenstraße durchgehende Straße geplant. Der Planung entsprechend wurde der Eckhorst auch in seinem zweiten Teil, als Verbindungsstraße zwischen B 434 und B 75, ausgebaut und am 9. Februar 1981 gemäß § 6 Abs. 1 StrWG dem öffentlichen Verkehr gewidmet und dabei als Ortsstraße eingestuft. Diese Widmung wurde von Anliegern nicht angefochten. (Aufgrund eines Irrtums der Beklagten wurde im Oktober 1987 noch einmal eine Widmung verfügt, die auch vom Kläger angefochten wurde; diese Widmungsverfügung ist durch Bekanntmachung vom 2. Januar 1989 aufgehoben worden.)

4

Der Kläger hatte im September 1987 ein Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan Nr. 10 eingeleitet, die Verletzung des Abwägungsgebotes wegen Verletzung eigener Interessen infolge der Nachteile wegen der wachsenden Verkehrsbelastung auf dem Eckhorst geltend gemacht und die Nichtigerklärung des Bebauungsplanes Nr. 10 beantragt. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 15. September 1988 - 1 OVG C 19/87 - den Bebauungsplan für nichtig erklärt, weil wegen ungenügender Berücksichtigung der privaten Belange des Klägers ein schwerer Abwägungsmangel gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 BBauG 1960 vorliege. Dem Abwägungsmangel lasse sich nicht entgegenhalten, das für den streitigen Plan maßgebliche BBauG 1960 habe noch nicht die nunmehr in § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB vorgesehene Möglichkeit gekannt, Vorkehrungen zum Schutz gegen schädliche Immissionen vorzuschreiben; der Plangeber hätte jedenfalls unter der Geltung des BBauG 1960 die Möglichkeit gehabt, bei seiner Abwägung zum Ausdruck zu bringen, daß der Bebauungsplan wegen der noch erforderlichen Lärmschutzvorkehrungen ergänzungsbedürftig sei, nämlich ergänzt werden müsse durch einen von der zuständigen Behörde noch zu erlassenden, Lärmschutzmaßnahmen vorsehenden Planfeststellungsbeschluß gemäß § 40 Abs. 6 Satz 2 StrWG.

5

Die Stadtvertretung der Beklagten hat am 16. Dezember 1988 den Aufstellungsbeschluß über die Neuaufstellung eines Bebauungsplanes Nr. 10 gefaßt; der Beschluß ist am 2. Januar 1989 bekanntgemacht worden; im Mai 1989 wurden erste Vorentwürfe in den Fraktionen beraten; die Beklagte hatte seinerzeit die Absicht, die Neuaufstellung des Bebauungsplanes zügig voranzutreiben.

6

Die "Interessengemeinschaft Eckhorst" beantragte im November 1986 bei der Beklagten die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Straße als Sackgasse, hilfsweise die Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen, da insbesondere die Lärmentwicklung unzumutbar geworden sei und sich die Anlieger zudem infolge des starken Verkehrs Gefahren ausgesetzt sähen. Die Beklagte lehnte mit einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 27. November 1986 den Rückbau der Straße und deren Sperrung für den Durchgangsverkehr ab und bekräftigte diesen Standpunkt in einem von ihr so bezeichneten "Widerspruchsbescheid" an den Kläger vom 8. Oktober 1987, in dem sie ergänzend darauf aufmerksam machte, daß sie für die Anordnung verkehrsrechtlicher Maßnahmen nicht zuständig sei.

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Der Kläger hat 1987 Klage erhoben und beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, den ursprünglichen Zustand der Straße Eckhorst als Sackgasse wiederherzustellen,

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hilfsweise,

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die Straße für den Durchgangsverkehr zu schließen.

11

Aufgrund der Nichtigerklärung des Bebauungsplanes dürfe er verlangen, daß der Zustand wieder hergestellt werde, der vor der Verwirklichung der rechtswidrigen Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 10 bestanden habe. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für den Ausbau der Straße zur Verbindungsstraße, wie aus § 41 BImSchG und aus dem StrWG folge. Die Belastungen der Anlieger durch den Durchgangsverkehr seien so stark, daß der Kläger in seinen Rechten betroffen sei. Die Lärmsteigerung gegenüber der Vorbelastung durch die B 434 sei von erheblicher Bedeutung. 1976 habe der Lärmpegel ca. 54,9 dB(A) betragen. Nur durch die Straße Eckhorst solle ein Lärm von 65,9 dB(A) verursacht werden, die Gesamtbelastung 66,6 dB(A) betragen, unter Berücksichtigung des "Kreuzungszuschlages" sogar mehr als 70 dB(A). Die Zahl der die Straße benutzenden Kraftfahrzeuge sei mit 15.000 Kraftfahrzeugen pro Tag zu veranschlagen. Die Beklagte könne sich nicht auf die Widmung von 1981 berufen. Auch eine nachträgliche Legalisierung des Bauvorhabens liege nicht vor. Schließlich sei auch keine Verwirkung anzunehmen, da der Kläger bereits 1985/86 mündlich und schriftlich an die Beklagte herangetreten sei mit dem Ziel, die von der Straße ausgehenden Lärmauswirkungen erheblich zu reduzieren, unter anderem auch durch eine Schließung der Straße. Auch der Rechtsvorgänger des Klägers, der Voreigentümer seines Hauses, hätte sich 1970 gegen die Planungen gewandt. Umstände, die bei der Beklagten die Annahme rechtfertigen konnten, der Kläger wolle seinen Anspruch nicht mehr geltend machen, bestünden nicht.

12

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

13

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23. Mai 1989 die Klage abgewiesen.

14

Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts die Beklagte zu verpflichten, die Straße Eckhorst für den Durchgangsverkehr zu schließen.

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Zur Begründung trägt er vor: Die angefochtene Entscheidung verkenne die Funktion einer Widmung sowie die Anfechtungsmöglichkeit des Klägers. Darüber hinaus berücksichtige sie nicht im ausreichenden Maße die von den Anliegern der Straße Eckhorst angefochtene Widmung aus 1987. Der Kläger habe sein Anfechtungsrecht auch nicht verwirkt. Schließlich befinde sich der Ausbauzustand nicht in Übereinstimmung mit den Festsetzungen des nichtigen B-Plans Nr. 10.

17

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie vertritt die Auffassung, daß der Rückbau eine Teileinziehung voraussetze, für die sie nicht zuständig sei und die auch vom Kreis Stormarn abgelehnt werde.

20

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 1990 eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

21

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Senat vorgelegen; auf ihren Inhalt wird ebenfalls Bezug genommen. Ferner wird auf die Akten VG Schleswig 3 A 138/89 und 12 L 87/90 mit Beiakten des Kreises Stormarn betreffend den Rechtsstreit um verkehrsrechtliche Anordnungen in der Straße Eckhorst verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat keinen Erfolg.

23

Die Klage mit dem Antrag, die Beklagte zur "Schließung" der Straße Eckhorst als Durchgangsstraße zu verpflichten, ist unbegründet.

24

Dieser Anspruch hat im öffentlichen Recht keine Rechtsgrundlage. In Betracht kommt nur der anerkannte sog. Folgenbeseitigungsanspruch. Ein Anspruch auf Folgenbeseitigung ist gegeben, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist, der noch andauert; der Anspruch richtet sich grundsätzlich auf die Wiederherstellung des Zustandes, der im Zeitpunkt des rechtswidrigen Eingriffs bestand oder, falls dies unzweckmäßig ist, auf Herstellung eines gleichwertigen Zustandes (BVerwGE 80, 178 [BVerwG 06.09.1988 - 4 C 26/88] = NJW 1989, 118 = DVBl 1989, 44, vgl. auch § 3 des nicht mehr gültigen Staatshaftungsgesetzes vom 26. 6. 1981, BGBl I S. 553).

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Eine "Schließung" der Straße Eckhorst würde zur Wiederherstellung eines gleichartigen Zustandes führen, wie er vor dem Ausbau zur Durchgangsstraße bestand, in dem mit einer Sperrung die Aufnahme des Durchgangsverkehrs durch Bargeteheide zwischen der L 89, B 75, B 434 und der K 56 (Jersbeker Straße) sowie die Verteilung des Quell- und Zielverkehrs Bargteheides von der B 75 und B 434 über den Halbring auf das Stadtgebiet verhindert würden. Das würde zu einer erneuten Belastung des zentralen Ortsbereiches, speziell in der Lindenstraße, Jersbeker Straße, Wurth, Hamburger Straße und B 434 (Alte Landstraße) führen. Aufgehoben würde weiterhin die Verminderung der Abbiegevorgänge in der Ortsdurchfahrt der B 75. Die vom Kläger beklagte Belastung durch Verkehrslärm und Verkehrsemissionen würden sich sonach wieder in den zentralen Bereich von Bargteheide verlagern, was durch die Generalverkehrsplanung gerade verhindert werden sollte. Der vom Kläger insoweit geltend gemachte Anspruch kann aus mehreren Rechtsgründen nicht durchdringen.

26

1. Baumaßnahmen entsprechend dem Begehren des Klägers auf Schließung der Straße Eckhorst als Durchgangsstraße könnten nur zu einer zeitlich begrenzten Verhinderung des Durchgangsverkehrs auf der Straße Eckhorst führen. Die von der Beklagten überzeugend dargelegten schweren Nachteile durch die Verlagerung des Verkehrs in den zentralen Ortsbereich müßten zwangsläufig zur erneuten Bauleitplanung durch Aufstellung eines Bebauungsplanes führen, wobei die Maßgaben des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 15. September 1988 - 1 OVG C 90/87 - berücksichtigt werden müßten. Hierzu läuft bereits ein Planaufstellungsverfahren. Die Stadtvertretung der Beklagten hat am 16. Dezember 1988 den Aufstellungsbeschluß über die Neuaufstellung eines Bebauungsplans Nr. 10 gefaßt; dieser Beschluß ist am 2. Januar 1989 bekanntgemacht worden; im Mai 1989 wurden erste Vorentwürfe in den Fraktionen beraten, und die Beklagte hat dem Senat in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, daß weiterhin an der Planaufstellung gearbeitet werde. Unter diesen Umständen würde es eine unzulässige Rechtsausübung seitens des Klägers darstellen, wenn seinem Antrag entsprechend eine Verpflichtung der Beklagten zur Schließung der Straße als Durchgangsstraße durch verwaltungsgerichtliche Entscheidung begründet würde, obwohl sehr wahrscheinlich ist, daß dieser Zustand nur begrenzte Wirkung haben würde, weil die Schließung wieder rückgängig gemacht werden müßte. Die Beklagte könnte ihre Rechte im Wege einer vollstreckungsrechtlichen Gegenklage entsprechend § 767 ZPO geltend machen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25. 1. 1990 - 12 A 150/88 -). Niemandem ist es erlaubt, unzulässige Rechtsausübung unter Verstoß gegen Treu und Glauben zu betreiben. Es wäre aber eine unzulässige Rechtsausübung, wenn die Wiederherstellung eines früheren Zustandes verlangt würde, obwohl auf der Grundlage einer neu entstehenden materiellen Rechtslage die Wiederherstellung des früheren Zustandes wieder rückgängig gemacht werden muß (vgl. z.B. BVerwGE 80, 178 [BVerwG 06.09.1988 - 4 C 26/88]).

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Einer Verpflichtung der Beklagten zur "Straßenschließung" steht ferner entgegen, daß aufgrund des ungültigen Bebauungsplans Nr. 10 inzwischen vollendete Tatsachen geschaffen worden sind, die nur unter unverhältnismäßigem Aufwand wieder rückgängig gemacht werden könnten. Die Straße ist für den Durchgangsverkehr ausgelegt und mit großem finanziellem Aufwand erstellt worden; diese Investitionen würden nutzlos sein, wenn die Straße praktisch wieder zur Sackgasse gemacht würde. Schwerer wiegt noch die im Interesse des Umweltschutzes nicht hinzunehmende Tatsache, daß der Verkehrslärm von der Straße Eckhorst weggenommen und in den zentralen Bereich der Stadt Bargteheide verlegt würde, wie die Ortsbesichtigung für das Gericht überzeugend ergeben hat. Im innerörtlichen Bereich müßten erhebliche Umbaumaßnahmen, sogar der Abriß eines Hauses vorgenommen werden, um den Verkehrsstrom zu kanalisieren und für den innerörtlichen Fußgängerverkehr sicher zu machen.

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2. Nach allgemeiner Auffassung entfallen Folgenbeseitigungsansprüche, wenn die Herstellung eines früheren Zustandes nicht zulässig oder nicht zumutbar ist. Der Ausschlußgrund der Unzumutbarkeit soll den haftenden Rechtsträger vor einer Überforderung bewahren. Unzumutbarkeit der Wiederherstellung des früheren Zustandes ist mit Rücksicht auf die von der Beklagten zu erbringenden erheblichen Leistungen sowie auf die Interessen des Klägers anzunehmen. Er hat das Hausgrundstück erst 1983, d.h. nach dem erfolgten Ausbau der Straße Eckhorst erworben, als der Durchgangsverkehr bereits lief. Er hat sich seinerzeit damit abgefunden, ein erheblich von Verkehrslärm vorbelastetes Hausgrundstück zu erwerben; ihm ist es demgemäß zuzumuten, weiterhin an der für den Durchgangsverkehr eröffneten Straße zu wohnen. Sein Rechtsvorgänger hat den ihm von der Rechtsordnung bereitgestellten Rechtsschutz nicht in Anspruch genommen. Nach der Rechtsprechung des Senats steht fest, daß vorbeugende Unterlassungsklagen gegen Straßenausbau ohne rechtmäßige Bauleitplanung oder straßenrechtliche Planfeststellung zulässig sind; Anlieger von Straßen können derartige vorbeugende Unterlassungsklagen gegen einen bevorstehenden Straßenausbau erheben, wenn bei Ausbauplanungen die ihrem Schutz dienenden Immissionsschutzrechte nicht entsprechend ihrer Bedeutung in die Planabwägung eingestellt worden sind (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 18. 3. 1982 - 12 OVG A 313/80 -, OVGE 37, 233 = UPR 1982, 307). Dieses Unterlassen der Inanspruchnahme rechtzeitigen vorbeugenden Rechtsschutzes muß sich der Kläger als Rechtsnachfolger zurechnen lassen, wenn es um die Bewertung der Belange der Beklagten als haftendem Rechtsträger geht.

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3. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist nicht gegeben, weil die Verkehrsimmissionen infolge des eröffneten Durchgangsverkehrs nicht Folge der fehlerhaften Bauleitplanung sind. Durch den Straßenausbau sind die erwähnten vollendeten Tatsachen geschaffen worden, die Grundlage für die Eröffnung des öffentlichen Straßenverkehrs und für die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen geworden sind. Diese sind die Ursache für die vom Kläger geltend gemachte Rechtsverletzung durch übermäßige Verkehrsimmissionen.

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a) Der Durchgangsverkehr auf der Straße Eckhorst beruht auf der Widmung des II. Bauabschnitts der Straße Eckhorst, begrenzt im Südosten durch die B 75 und im Nordosten durch den Ev. Kindergarten; durch die Widmung wurde dieser Straßenabschnitt für den öffentlichen Verkehr eröffnet (§ 6 Abs. 1 Straßen- und Wegegesetz des Landes Schleswig-Holstein - StrWG - i.d.F. vom 31. 1. 1979, GVOBl S. 163). Die Widmung sollte die Überlassung der Straße für den öffentlichen Verkehr ohne Einschränkung bewirken; für die Durchgangsstraße wurde keine Beschränkung auf bestimmte Benutzungsarten verfügt (§ 6 Abs. 4 StrWG). Diese Widmung ist rechtsbeständig und Grundlage für die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen der Straßenverkehrsbehörde.

31

Der Rechtsvorgänger des Klägers hat es wiederum unterlassen, Rechtsschutz gegen die Widmungsverfügung wahrzunehmen. Er hätte im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen die Widmungsverfügung geltend machen können, daß der zugrundeliegende Bebauungsplan ungültig sei. Die Gültigkeit des Bebauungsplans Nr. 10 der Beklagten hätte im Rechtsstreit um die Widmungsverfügung inzident überprüft werden können (vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 13. 11. 1988 - 1 BvR 1301/84 -, NJW 1989, S. 1271 [BVerfG 30.11.1988 - 1 BvR 1301/84] m.w.Nachw.). Die Widmung hatte den Zweck der Vollziehung der Bauleitplanung, diese hätte bereits in diesem Verfahrensstadium zur Überprüfung gestellt werden können.

32

Der Kläger als Rechtsnachfolger muß sich mit dieser Rechtslage abfinden, die ihm bei dem Erwerb des Hauses 1983 auch bekannt war.

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b) Die straßenverkehrsrechtliche Regelung des Kreises Stormarn als Straßenverkehrsbehörde ist weitere Grundlage für den Durchgangsverkehr auf der Straße Eckhorst. Der Straßenverkehrsregelung gemäß § 45 StVO liegt der Generalverkehrsplan Bargteheide, bearbeitet von Dipl.-Ing. Klintwort im Ingenieurbüro Masuch und Olbrisch, Hamburg, von 1976 zugrunde, der wiederum Grundlage für den Bebauungsplan Nr. 10 war. Der Kläger hat verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gegen die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen des Kreises Stormarn in Anspruch genommen. Über seine Klage, die sich im Berufungsverfahren befindet (12 L 87/90), ist noch nicht entschieden worden. Die vom Kläger behauptete Rechtsverletzung durch Verkehrsimmissionen des Durchgangsverkehrs auf der Straße Eckhorst beruht sonach nicht mehr auf der fehlerhaften Bauleitplanung im Bebauungsplan Nr. 10. Die Voraussetzungen für einen Folgenbeseitigungsanspruch mit dem Ziel der Schließung der Straße Eckhorst sind auch aus diesem Grunde nicht gegeben.

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4. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus den Pflichten der Beklagten als Straßenbaulastträgerin für die Straße Eckhorst als Ortsstraße, als die sie in der Widmungsverfügung eingeordnet ist. Straßenplanungen der Gemeinde haben den Zielen der Landesplanung Rechnung zu tragen (§ 39 StrWG). Für die Straßenplanung gelten die Regeln über das pflichtgemäße Ermessen in § 73 Abs. 1 LVwG. Bei Straßenplanungen hat der Baulastträger im Rahmen seiner Ermessensentscheidung darauf Rücksicht zu nehmen, daß eine menschenwürdige Umwelt erhalten bleibt; gerade bei Planungen müssen Alternativen geprüft und erwogen werden, bevor Straßenanlieger durch den zunehmenden Verkehr auf einer Durchgangsstraße belastet werden (vgl. hierzu z.B. OVG Lüneburg, Urt. v. 8. 7. 1981 - 6 OVG C 13/80 -, OVGE 36, 427 und OVGE 37, 233). Aus diesen Pflichten der Beklagten als Straßenbaulastträgerin ergibt sich indessen kein Anspruch des Klägers auf Schließung der Straße.

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a) Die Beklagte müßte im Rahmen der Erfüllung der Straßenbaulast als Selbstverwaltungsaufgabe ihr Ermessen in einem Maße fehlerhaft gebraucht haben, daß nur die Schließung der Straße Eckhorst als Durchgangsstraße als einzig rechtmäßige Lösung in Betracht käme.

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Die Schließung der Straße würde jedoch im Gegenteil zu Zuständen im Ortskern der Stadt Bargteheide führen, die mit den Grundsätzen der Verkehrsberuhigung im Städtebau in Widerspruch ständen. Es ist allgemein anerkannt, daß Durchgangsverkehr, der weder Quelle noch Ziel im Wohngebiet hat, aus diesem Gebiet entweder ferngehalten oder vermindert werden muß. Dieser Grundsatz ist eines der wesentlichsten Elemente der Verkehrsberuhigung. In der Praxis bedeutet dies Verkehrsverminderung in den Wohngebieten durch Verkehrsverlagerung; andererseits hat die Umlegung eine Verkehrszunahme an anderer Stelle zur Folge, was rechtlich vertretbar sein muß (Verkehrsberuhigung im Städtebau, Praktische Hinweise für Planung und Kommunalpolitik, 1982, S. 93).

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Eine Schließung der Straße Eckhorst würde, wie oben bereits ausgeführt, aber zu einer Verlagerung des Verkehrs in den zentralen Bereich des Ortes, speziell in die Lindenstraße, die Jersbeker Straße, die Wurth, die Hamburger Straße und die Alte Landstraße (B 434) führen, was allen anerkannten Regeln der örtlichen Verkehrsplanung widersprechen würde.

38

In diesem Rechtsstreit geht es nicht um die Lärmsanierung im Bereich des Reihenhausgrundstückes des Klägers. Bei der Lärmsanierung muß der Lärm an bereits bestehenden Straßen reduziert werden. Die Lärmsanierung muß von der Beklagten im laufenden Bauleitplanungsverfahren zur Aufstellung des neuen Bebauungsplanes Nr. 10 mit Rücksicht auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB geprüft werden; es muß ferner geprüft werden, ob eine Geldentschädigung des Klägers entsprechend § 41 Abs. 3 StrWG in Betracht kommt. Diese Fragen sind im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits indessen nicht zu entscheiden (vgl. Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, 1989, § 25 Rdn. 192 S. 443 m.w.Nachw.; Siegel, StrWG, 2. Aufl. 1988, § 41 Erl. 3.4).

39

b) Der Anspruch des Klägers auf Herstellung von Einrichtungen in der Straße Eckhorst, die den Durchgangsverkehr unterbinden sollen, kann mit Rücksicht auf die Zuständigkeit für ein notwendiges Einziehungsverfahren nicht durchdringen. Anlagen zur Sperrung der Straße als Durchgangsstraße müßten für Jahre dauerhaft angelegt werden und einen Teil der Straßenfläche dem öffentlichen Straßenverkehr entziehen (vgl. OVG Lüneburg Urt. v. 9. 6. 1983 - 12 A 183/80 -, VPR 1984, 63). Dies würde eine Teileinziehung der Straße Eckhorst voraussetzen. Gemäß § 8 Abs. 1 StrWG ist für eine Einziehung die Straßenaufsichtsbehörde zuständig. Der Kreis Stormarn als Kommunalaufsichtsbehörde über die Beklagte ist zugleich auch Straßenaufsichtsbehörde (§ 49 Abs. 1 StrWG, § 121 Abs. 12 GO). Insofern bestehen gegen das Begehren des Klägers die gleichen Bedenken, die das Verwaltungsgericht bereits in dem angefochtenen Urteil zur Teileinziehung geltend gemacht hat. Auf die zutreffenden Darlegungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

40

Nach allem ist die Berufung zurückzuweisen.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

42

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht zuzulassen.

43

Dr. Gehrmann

44

Radke

45

Dr. Uffhausen