Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.02.1992, Az.: 18 L 28/90

Pflichtverletzung eines Einzelmitgliedes des Personalrates aufgrund der Durchführung von parteipolitischer Betätigung; Feststellung der Rechtswidrigkeit der Mitunterzeichnung eines Wahlaufrufs durch ein Personalratmitglied; Unwirksamkeit eines Wahlaufrufs

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.02.1992
Aktenzeichen
18 L 28/90
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1992, 21828
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1992:0226.18L28.90.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 30.10.1990 - AZ: 11 A 32/90

Verfahrensgegenstand

Unterzeichnung einer Anzeige im Rahmen der Landtagswahl

In der Personalvertretungssache
hat der 18. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen -
am 26. Februar 1992
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Schwermer und Dr. Uff hausen sowie
die ehrenamtlichen Richter Grevecke und Dr. Elster
ohne mündliche Anhörung
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 30. Oktober 1990 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller ist Mitglied des Gesamtpersonalrats der ...-Universität ... Er möchte festgestellt wissen, daß der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats - der Beteiligte zu 1. - gegen das personalvertretungsrechtliche Verbot parteipolitischer Betätigung verstoßen hat, und begehrt weiterhin die Untersagung entsprechender künftiger Betätigungen.

2

Im Zuge der Landtagswahl vom 13. Mai 1990 wurde im ... Tageblatt am 11. Mai 1990 ein von insgesamt 22 Personen - darunter vom Beteiligten zu 1. - unterzeichneter Wahlaufruf in Anzeigenform veröffentlicht. Die Anzeige trug die Überschrift: "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Hulle H. - Führende Mitglieder aus Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten rufen in ...-Stadt zur Wahl der SPD-Landtagskandidatin ... auf". Im Text der Anzeige wurde die besondere Bedeutung der Wahl für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer herausgestellt. Zur unterstützten Kandidatin hieß es sodann: "Wir kennen sie seit Jahren aus ihrer engagierten, sachkundigen und erfolgreichen Arbeit im Personalrat, in der Gewerkschaft und als sozialpolitische Sprecherin ihrer Ratsfraktion. Aus dieser Erfahrung stellen wir uneingeschränkt fest: ... vertritt die Interessen der Beschäftigten. ... Wählen Sie ... in den Landtag. Sie vertritt Ihre Interessen". Den Namen der Unterzeichner des Wahlaufrufs waren in einem Klammerzusatz die jeweilige Gewerkschaftszugehörigkeit und Funktionsbezeichnung beigefügt; beim Beteiligten zu 1. lautete der Zusatz "ÖTV - Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der Universität".

3

Mit Schreiben vom 18. Mai 1990 wies der Antragsteller den Beteiligten zu 1. darauf hin, daß dieser durch die Hinzufügung seiner Funktionsbezeichnung den Eindruck erweckt habe, der Gesamtpersonalrat setze sich parteipolitisch einseitig für die Wahl einer bestimmten politischen Partei ein; diese Handlungsweise widerspreche dem Verbot einer parteipolitischen Betätigung nach § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. PersVG. Zu diesem Schreiben nahm der Beteiligte zu 1. in der Sitzung des Gesamtpersonalrates vom 22. Mai 1990 dahin Stellung, er halte eine Verletzung des § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. PersVG nicht für gegeben; er habe die Kandidatur von Frau ..., deren Wahl er begrüße, als Privatmann unterstützt, weil er sie als ausgezeichnete Personalrätin kenne. In der Folge versuchte der Antragsteller mit Schreiben vom 15. Juni 1990, den zu 2. beteiligten Präsidenten der Universität zu einem Tätigwerden in seinem Sinne zu veranlassen bzw. von diesem eine Zusage zu erlangen, daß die Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung von der Dienststelle getragen würden. Der Beteiligte zu 2. ließ dieses Schreiben unbeantwortet.

4

Am 24. Juli 1990 hat der Antragsteller unter Wiederholung und Vertiefung seines Rechtsstandpunkts beim Verwaltungsgericht das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren mit den Anträgen eingeleitet,

  1. 1.

    festzustellen, daß die Mitunterzeichnung des Wahlaufrufs zugunsten der SPD-Landtagskandidatin ... durch den Beteiligten zu 1. insoweit rechtswidrig gewesen sei, als dieser mit der Funktionsbezeichnung "Vorsitzender des Gesamtpersonalrates der Universität" unterzeichnet habe,

  2. 2.

    dem Beteiligten zu 1. zu untersagen, künftig in Anzeigen, öffentlichen Äußerungen oder ähnlichen Verlautbarungen mit parteipolitischer Zielsetzung ausdrücklich seinem Namen die Funktionsbezeichnung "Vorsitzender des Gesamtpersonalrates der Universität" oder eine ähnlich lautende Funktionsbezeichnung, die auf dieses Amt hinweise, beizufügen.

5

Die Fachkammer hat die Anträge mit Beschluß vom 30. Oktober 1990 abgelehnt, im wesentlichen mit folgender Begründung: Der Beteiligte zu 1. habe zwar gegen § 65 Abs. 3 Satz 2 Nds. PersVGund § 66 Abs. 1 Satz 2 verstoßen, weil er im Wahlaufruf unzulässigerweise seine Gewerkschaftszugehörigkeit mit seinem Amt als Vorsitzender des Gesamtpersonalrates verbunden und außerdem unter Verstoß gegen das Gebot parteipolitischer Neutralität für eine bestimmte Landtagskandidatin geworben habe. Der Antragsteller sei jedoch als Einzelmitglied des Personalrates nicht befugt, wegen der Pflichtverletzungen das Beschlußverfahren einzuleiten. Ein entsprechendes Antragsrecht stehe allein dem Personalrat, der Dienststelle bzw. in entsprechender Anwendung des § 34 Abs. 2 Nds. PersVG dem dort genannten Quorum von Bediensteten oder Personalratsmitgliedern zu. Die Mitunterzeichnung des Wahlaufrufs durch den Beteiligten zu 1. habe den Antragsteller nicht in seiner vertretungsrechtlichen Stellung als Mitglied des Gesamtpersonalrates berührt. Denn aus dem Zusammenhang der Anzeige ergebe sich eindeutig, daß sich die Unterzeichner in Person für die Wahl von Frau ... eingesetzt hätten; der Text der Anzeige habe auch in bezug auf den Beteiligten zu 1. nicht den Anschein vermittelt, daß dieser auch als Vorsitzender für den Gesamtpersonalrat habe sprechen wollen.

6

Gegen den ihm am 14. November 1990 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 11. Dezember 1990 Beschwerde eingelegt, die er fristgerecht begründet hat. Er macht geltend: Die Fachkammer habe zu Recht entschieden, daß der Beteiligte zu 1. durch die Mitunter Zeichnung des Wahlaufrufs in der vorgenommenen Form gegen die Vorschriften der §§ 65 Abs. 3 Satz 2 Nds. PersVG,66 Abs. 1 Satz 2 verstoßen habe. Diese Pflichtverletzung sei er - der Antragsteller - auch zu rügen befugt. Als Vorsitzender vertrete der Beteiligte zu 1. nach § 40 Abs. 6 Satz 1 Nds. PersVGi.V.m.§ 63 Abs. 2 Satz 1 den Gesamtpersonalrat; das gelte jedenfalls dann, wenn er - wie hier - ausdrücklich als dessen Vorsitzender auftrete. In solchen Fällen repräsentiere er auch die Personalratsmitglieder. Ein diesbezüglicher Eindruck dürfe hier jedenfalls bei der Mehrzahl der von der Anzeige angesprochenen Leser entstanden sein. Der flüchtige Leser sei zu der vom Verwaltungsgericht für geboten gehaltenen differenzierten Betrachtungsweise schwerlich in der Lage, zumal selbst vielen Juristen die Unterscheidung zwischen einer Gesamtheit von Personen und deren einzelnen Mitgliedern nicht immer geläufig sei. Dementsprechend sei durch die Anzeige auch seine - des Antragstellers - gewerkschaftliche und parteipolitische Neutralität in seiner Funktion als Personalratsmitglied öffentlich in Frage gestellt worden.

7

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinen in erster Instanz gestellten Anträgen zu erkennen.

8

Der Beteiligte zu 1. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

9

Er meint, ihm könne bereits kein Verstoß gegen§ 65 Nds. PersVG,§ 66 zur Last gelegt werden; denn er habe den Wahlaufruf erkennbar als Privatperson (unter bloßem Zusatz seiner Funktion als Personalratsvorsitzender) unterschrieben. Dadurch seien der Gesamtpersonalrat und dessen Mitglieder in keiner Weise berührt worden. Das Verwaltungsgericht habe deshalb die Antragsbefugnis des Antragstellers zu Recht verneint. Hinzu komme, daß es mit Blick auf den Zuständigkeitskatalog des § 85 Abs. 1 Nds. PersVG mehr als zweifelhaft erscheine, ob das vom Antragsteller gerügte vermeintliche Fehlverhalten überhaupt zur gerichtlichen Klärung gestellt werden könne.

10

Der Beteiligte zu 2. hat sich auch im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert.

11

Die Verfahrensbeteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

13

II.

Mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten entscheidet der Senat über die Beschwerde des Antragstellers ohne mündliche Verhandlung ( § 85 Abs. 2 Nds. PersVG i.V.m. §§ 90 Abs. 2, 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG). Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge des Antragstellers im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

14

1.

Der Antrag zu 1. zielt auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Mitunterzeichnung des fraglichen Wahlaufrufs durch den Beteiligten zu 1.

15

Soweit der Antragsteller mit diesem Antrag geklärt# haben möchte, der Beteiligte zu 1. habe wegen der Angabe seiner Gewerkschaftszugehörigkeit unter gleichzeitiger Nennung seiner Funktion als Gesamtpersonalratsvorsitzender gegen das personalvertretungsrechtliche Verbot, Gewerkschaftszugehörigkeit und Personalratsamt miteinander zu verbinden ( § 65 Abs. 3 Nds. PersVG), sowie gegen das Verbot parteipolitischer Betätigung ( § 66 Abs. 1 Satz 3 Nds. PersVG) verstoßen, ist das Begehren unzulässig; deswegen bedarf es keiner Entscheidung, ob die erhobenen Vorwürfe - was die Fachkammer ohne nähere Begründung bejaht hat - tatsächlich berechtigt sind. Mit der genannten Zielrichtung ist das Feststellungsbegehren nicht statthaft, weil wegen des insoweit grundsätzlich bestehenden Vorrangs eines Ausschlußverfahrens nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 Nds. PersVG eine Verletzung der den Personalsmitgliedern obliegenden gesetzlichen Pflichten im allgemeinen nicht zum Gegenstand eines (isolierten) Feststellungsbegehrens gemacht werden kann (vgl. BVerwG, Beschluß vom 15. März 1968 - BVerwG VII P 22.66 -, PersV 1968, 190; BayVGH, Beschluß vom 31. Juli 1985 - Nr. 17 C 85 A. 1513 -, ZBR 1986, 92; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, RdNr. 26 b zu § 83).

16

Hiervon mag eine Ausnahme zu machen sein, soweit (angebliche) Pflichtverletzungen streitig sind, die im Zusammenhang mit der Geschäftsführung der Personalvertretung stehen ( §§ 40 ff. Nds. PersVG; so BayVGH und Lorenzen/Haas/Schmitt, jeweils a.a.O.); insofern billigt die Rechtsprechung auch dem einzelnen Personalratsmitglied ein Recht auf gerichtliche Klärung zu, weil es wegen seiner Mitgliedschaft für das gesetzmäßige Handeln der Personalvertretung mitverantwortlich ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschluß vom 16. Juni 1982 - BVerwG 6 P 63.78 -, PersV 1983, 195 m.w.N.). Ein Zusammenhang zwischen der Geschäftsführungstätigkeit des Beteiligten zu 1. für den Gesamtpersonalrat und seiner Wahlunterstützung kann bei verständiger Würdigung des Wortlauts des Wahlaufrufs indessen nicht hergestellt werden. Die Unterzeichner des Aufrufs wollten ersichtlich - ohne daß hieran vernünftige Zweifel aufkommen konnten - als Person die Kandidatur der SPD-Landtagskandidatin unterstützen, ohne den Anspruch zu erheben, zugleich für die Gewerkschaften und Personalvertretungen, denen sie angehörten, zu sprechen. Diesen Personenbezug stellte - wie die Fachkammer zu Recht bemerkt - bereits die Überschrift der Wahlanzeige klar, die dahin lautete "... Führende Mitglieder aus Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten rufen in ...-Stadt zur Wahl der SPD-Landtagskandidatin ... auf". Schon hiernach konnte nicht der Eindruck aufkommen, der Wahlaufruf werde von den Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten selbst getragen. Das wird zusätzlich dadurch unterstützt, daß verschiedene der Mitunterzeichner des Aufrufs nach den angegebenen Funktionsbezeichnungen ohnehin nicht legitimiert waren, die angeführten Institutionen zu repräsentieren. Soweit der Antragsteller hiergegen einwendet, zumindest beim "flüchtigen Leser" habe ein diesbezüglicher Eindruck erweckt werden können, ist ihm entgegenzuhalten, daß etwaige (vermeidbare) Mißverständnisse für sich allein nicht den gegenüber dem Beteiligten zu 1. erhobenen gewichtigen Vorwurf rechtfertigen, dieser habe unter Mißbrauch seiner Geschäftsführungsbefugnisse sich namens des Gesamtpersonalrats parteipolitisch betätigt.

17

2.

Der Antrag zu 2., dem Beteiligten zu 1. zu untersagen, künftig vergleichbare Aufrufe und Verlautbarungen mit der Funktionsbezeichnung als Gesamtpersonalratsvorsitzender zu unterzeichnen, kann ebenfalls nicht zum Erfolg führen. Für den begehrten Ausspruch ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren kein Raum. Denn dieses dient anerkanntermaßen grundsätzlich nur der objektiven Klärung von Rechtspositionen, nicht aber der Durchsetzung (vermeintlicher) Rechtsansprüche (vgl. statt vieler: Grabendorff/Windscheid/Ilbertz, BPersVG, 7. Aufl., RdNr. 25 zu § 83 m.w.N.). Von dieser Regel abzuweichen, besteht vorliegend nach den Fallumständen kein Anlaß.

18

Hiernach ist die Beschwerde zurückzuweisen.

19

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die dafür vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Dr. Dembowski
Schwermer
Dr. Uffhausen
Dr. Elster
Grevecke