Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 15.04.2019, Az.: 3 B 1256/19

Anordnung der sofortigen Vollziehung; Auswechslung der Zielstaatsbezeichnung; Bekanntwerden nach Erlass des Bescheids; neue Zielstaatsbezeichnung; sofortige Vollziehung der Abschiebungsandrohung; Täuschung über die Identität und Staatsangehörigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.04.2019
Aktenzeichen
3 B 1256/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 70100
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. An der Vollziehung der Abschiebung eines über seine Identität und Staatsangehörigkeit täuschenden Asylbewerbers besteht ein besonderes öffentliches Interesse.

2. Das private Interesse des Antragstellers, in Deutschland eine Ausbildung zu beginnen, steht einer sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung nicht entgegen.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Abschiebungsandrohung.

Der Antragsteller ist marokkanischer Staatsangehöriger. Der Zeitpunkt seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ist unbekannt. Am 17. Januar 2017 wurde er in C. im Rahmen einer Personenüberprüfung der Polizei an einem Anlaufpunkt für nordafrikanische Personengruppen wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise festgenommen. Er gab im Rahmen der polizeilichen Befragungen an, er heiße D., sei am E. 1989 in Algerien geboren und wolle in Deutschland Asyl beantragen. Er habe seit vier Jahren in Belgien gelebt und sei mit einem Bekannten nach Deutschland eingereist. Asyl habe er in Belgien nicht beantragt. Dort habe er schwarz gearbeitet und mit seiner deutschen Freundin zusammen gewohnt. In Deutschland wolle er Asyl beantragen, weil es reichlich Probleme in Algerien gebe. Deshalb verließen die jungen Leute das Land. In Algerien werde er nicht verfolgt oder bedroht. Dort gebe es aber keine Arbeit. Man sterbe da eher vor Hunger. Er habe dort Elektrik und Informatik studiert. Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wurde der Antragsteller an Beamte des Ausländeramtes C. übergeben, die ihn unmittelbar einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber zuführten.

Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Antragsteller an, er sei Amazir, Berber. Im Winter 2013 habe er sein Heimatland verlassen. Seinen algerischen Personalausweis habe er nicht mitgenommen, weil er Angst gehabt habe, zurück geschickt zu werden. Er habe nicht gewusst, dass er in Belgien habe Asyl beantragen können. Dort habe er gearbeitet und auch geheiratet, aber ohne Papier in einer Moschee. Er habe einen neun Monate alten Sohn mit einer Deutschen, die diesen Sohn mitgenommen habe. Er sei hierher gekommen, um sie zu suchen. Seine Frau heiße mit Vornamen F.. Die Frage nach dem Nachnamen ließ der Antragsteller unbeantwortet. Auf weitere Nachfrage, ob er nun nach Deutschland gekommen sei, um seine Frau zu suchen oder einen Asylantrag zu stellen, antwortete der Antragsteller, dass er viele Probleme in Algerien habe und Angst habe, Asyl zu beantragen. Falls er zurück geschickt werde, habe er große Probleme mit dem Regime. Er habe den Beruf eines Elektrikers gelernt, aber in Algerien nicht gearbeitet. Seinen Lebensunterhalt habe er mit Gelegenheitsjobs finanziert. In Algerien habe er überhaupt keine Verwandten. Auf die Frage nach seiner Unterkunft in Algerien antwortete der Antragsteller, er habe in einer Wohnung gewohnt, die der Stadt gehört habe. Anschließend gab er an, diese Wohnung habe seiner Tante gehört, weil ihr Mann Lehrer sei. Auf den Vorhalt, dass er soeben gemeint habe, keine Verwandten in Algerien zu haben, antwortete der Antragsteller, er meine damit nicht die direkten Verwandten wie Onkel oder Tante, sondern die Großfamilie. Zu seiner Verfolgungsgeschichte angehört, gab der Antragsteller an, dass er Leute kenne, die in Marokko Drogen verkauft hätten. Er habe den Kontakt hergestellt, wenn ein Algerier Drogen habe kaufen wollen. Dafür habe er Provision bekommen. Zuerst habe er die Leute nach Marokko begleitet, die Haschisch hätten kaufen wollen. Die hätten aber keine kleineren Mengen gewollt, sondern seien Dealer gewesen, die auch größere Mengen gekauft hätten. Danach hätten die marokkanischen Grenzschützer die Grenzen dicht gemacht und die Arbeit erschwert. Er habe versucht an einer anderen Stelle der Grenze „rüber“ zu gehen, wo die Policario kontrollierten. Wenn es sich um kleinere Mengen handele, dann seien sie durch die normalen Grenzübergänge gegangen. Bei größeren Mengen seien sie über die Stelle gegangen, wo die Policario gewesen seien. Es habe sich dabei um Haschisch und Kokain gehandelt. In Marokko habe er Vertrauen mit dem Dealer aufgebaut und danach von den Leuten Drogen und Geld geklaut. Er habe die Drogen weggeschmissen oder ganz billig verkauft. Er wisse nicht, ob die Leute das erkannt hätten. Er habe vier verschiedene Dealer gekannt. Er wisse nicht, ob die gemerkt hätten, dass sie bestohlen worden seien. Er sei schließlich ausgereist, weil die Marokkaner, die Drogendealer, viele Kontakte hätten. Die Leute in Algerien hätten ihn gewarnt. Ein Freund habe ihm bei der Flucht geholfen. Später sagte er, einer von den vier Drogendealern habe gewusst, dass er ihn beklaut habe. Dieser habe ihn treffen wollen. Er glaube, dass er sich deshalb mit ihm habe treffen wollen, um ihm etwas Schlimmes anzutun. Er habe ihn angerufen und gesagt, es sei kein Problem, jeder mache mal Fehler, sie würden wieder Freunde. Auf Nachfrage, wieso er zuerst angegeben habe, dass er nicht wisse, ob die Leute wüssten, dass sie bestohlen worden seien, sagte der Antragsteller, da seien viele Leute gewesen, aber nur von dem einen denke er, dass er das erfahren habe. Mit diesem habe er zuletzt 2012 telefoniert und 2016 auf facebook mit ihm gechattet, weil er habe wissen wollen, ob er derjenige sei, der ihn verfolgt habe. Der andere habe aber aufgrund seines „fake“-Profils nicht gewusst, wer er sei. Auf weitere Nachfrage, warum er erst Ende des Jahres 2013 ausgereist sei, wenn die Bedrohung im Jahr 2012 stattgefunden habe, antwortete er, er habe danach ständig seinen Wohnort gewechselt. Er habe an verschiedenen Orten gelebt, aber viele vergessen.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) noch den subsidiären Schutzstatus zu (Ziffer 3), drohte die Abschiebung nach Algerien an (Ziffer 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung ebenso wenig ersichtlich sei wie ein Verfolgungsgrund. Im Übrigen müsse sich der Antragsteller auf den internen Schutz verweisen lassen.

Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Im Rahmen der Beschaffung von Passersatzpapieren stellte die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen im Oktober 2018 fest, dass es sich bei dem Antragsteller um einen marokkanischen Staatsangehörigen handelt. Seine tatsächliche Identität lautet A., geboren am 14. Oktober 1990.

Am 16. Januar 2019 erließ das Bundesamt – nach Anhörung – einen weiteren Bescheid („Ergänzungsbescheid“). Hierin stellte es das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten fest (Ziffer 1), änderte die Zielstaatsbestimmung der Abschiebungsandrohung des Bescheids vom 18. Mai 2017 in „Marokko“ ab (Ziffer 2) und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an (Ziffer 3). Zur Begründung führte es aus, man habe nunmehr herausgefunden, dass es sich bei dem Antragsteller um einen Marokkaner handele. Abschiebungsverbote seien für diesen Zielstaat nicht gegeben. Die Abschiebungsandrohung sei auf den neuen Zielstaat zu ändern gewesen. Die sofortige Vollziehung werde aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses an der Vollziehung der geänderten Abschiebungsandrohung angeordnet. Der Antragsteller sei seit dem 20. Juni 2017 vollziehbar ausreisepflichtig. Seiner Ausreisepflicht sei er bisher nicht nachgekommen. Eine Aufenthaltsbeendigung durch die zuständigen Behörden habe er durch eine Täuschung über seine Identität und seinen Herkunftsstaat vereitelt. Der ausschließlich durch die Täuschung ermöglichte rechtswidrige Aufenthalt sei nicht schützenswert. Der durch falsche Angaben erreichte Aufenthalt müsse unverzüglich beendet werden, um andere Ausländer von gleichem Verhalten abzuschrecken. Diesen Erwägungen stünden keine privaten Interessen entgegen, die eine andere Ermessensentscheidung nahelegen könnten.

Die diesem Bescheid in arabischer und deutscher Sprache beigefügten Rechtsbehelfsbelehrungen wiesen verschiedene Gerichte als zuständig aus.

Der Antragsteller hat gegen diesen Bescheid am 29. Januar 2019 Klage erhoben (3 A 615/19) und sich auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren bezogen.

Unter dem 22. Februar 2019 stellte das Bundesamt den streitgegenständlichen Bescheid mit anderer – nunmehr einheitlicher – Rechtsbehelfsbelehrung erneut zu.

Am 11. März 2019 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er trägt u.a. vor, dass die Auswechslung der Rechtsmittelbelehrung den Straftatbestand der Urkundenfälschung verwirkliche. Schon deshalb müsse die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden. Hilfsweise sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig. Es bestehe kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der geänderten Abschiebungsandrohung. Er beginne am 1. August 2019 eine Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Dieser Beruf stehe auf der Positivliste der Bundesagentur für Arbeit. Seine Besetzung mit Ausländern sei also gerade gewünscht. Ferner sei in die Abwägung einzubeziehen, dass er strafrechtlich nie verurteilt worden sei. Es bestehe also keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Er bereue die Identitätstäuschung zutiefst. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass er seit Anfang Februar 2019 wegen diverser Symptome in Behandlung des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen sei. Schließlich handele es sich bei der Abschiebungsandrohung um eine Rückkehrentscheidung. Da diese mit der ablehnenden Entscheidung über den Asylantrag verbunden und durch den streitgegenständlichen Bescheid nur ergänzt worden sei, müsse die Antragsgegnerin unter europarechtlichen Gesichtspunkten gewährleisten, dass alle Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung sowohl während der Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs, als auch bis zur Entscheidung über ihn ausgesetzt würden. Dabei könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung als Rechtsbehelf in diesem Sinne betrachtet werden könne.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 29. Januar 2019 (3 A 615/19) gegen den Bescheid vom 18. Mai 2017 in der Form des Ergänzungsbescheides vom 16. Januar 2019 (Az.: ) wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt vor, dass die erneute Übersendung des Bescheids in der Absicht erfolgt sei, Dinge klar zu stellen. Hinsichtlich des vorgelegten Ausbildungsvertrages handele es sich nicht um eine asylrelevante Tatsache. Dessen Rechtswirksamkeit sei im Übrigen zweifelhaft, da der Antragsteller diesen noch unter seiner falschen Identität abgeschlossen habe. Darüber hinaus sei der Antritt dieser Ausbildung zweifelhaft, da die Angaben des Antragstellers zu seiner Schulausbildung erheblich variierten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

II.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Er ist zwar zulässig, insbesondere statthaft, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Antragsteller wendet sich gegen eine geänderte Zielstaatsbezeichnung in einer Abschiebungsandrohung. Hierbei handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.7.2000 – 9 C 42/99 –, BVerwGE 111, 343-349, Rn. 14). Der Regelungscharakter dieser Bezeichnung ergibt sich aus den in § 59 Abs. 4 AufenthG daran geknüpften Rechtsfolgen der Präklusion bezüglich bestimmter zielstaatsbezogener Gefahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.9.2011 – 10 C 23/10 –, juris, Rn. 10). Der Antragsteller hat gegen diesen Verwaltungsakt mit der Klage vom 29. Januar 2019 einen Rechtsbehelf eingelegt. Bei diesem Rechtsbehelf ist die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ausgeschlossen, weil das Bundesamt die sofortige Vollziehung des Bescheids angeordnet hat. Der Klage käme andernfalls gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 38 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung zu. Der Fall, in dem das Bundesamt nach Erlass der Abschiebungsandrohung bei einfach-unbegründeter Ablehnung den Zielstaat der Abschiebungsandrohung auswechselt, ist ein solcher des § 38 Abs. 1 AsylG. Zwar ist in diesen Fällen keine Ausreisefrist mehr zu setzen. Die Ausreisefrist beträgt gleichwohl die in § 38 Abs. 1 AsylG genannten 30 Tage. Es wäre zudem nicht gerechtfertigt, den Betreffenden schlechter zu stellen, als wenn diese Zielstaatsbestimmung von Anfang an erfolgt wäre und er von vornherein seine Klage auf die Abschiebungsandrohung beschränkt hätte (vgl. zum Vorstehenden Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Juni 2014, § 75, Rn 12; VG Stuttgart, Beschluss vom 27.10.2005 – A 4 K 13055/05 –, juris; VG Bremen, Beschluss vom 5.3.2010 – 1 L 203/10.NW –, juris; VG München, Beschluss vom 25.2.2016 – M 17 S 15.31389 –, juris).

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Das Gericht kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wiederherstellen, wenn das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der im Bescheid des Bundesamts enthaltenen Abschiebungsandrohung überwiegt. Dies bemisst sich im Wesentlichen an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. In der Hauptsache ist die Klage begründet, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Vorliegend erweist sich der Verwaltungsakt jedoch nicht als rechtswidrig und rechtsverletzend.

Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig. Das Bundesamt hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich begründet.

Der streitgegenständliche Bescheid ist ferner materiell rechtmäßig.

Nicht Gegenstand des Verfahrens ist dabei die bestandskräftige Abschiebungsandrohung vom 18. Mai 2017, wohl aber die vom Bundesamt in Nr. 2 des angegriffenen Bescheids neu verfügte Bezeichnung von Marokko als Zielstaat der Abschiebung (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.9.2011 – a. a. O. –, juris, Rn. 10).

Diese neue Zielstaatsbezeichnung ist gemäß § 59 Abs. 2 AufenthG rechtmäßig erfolgt. Das Bundesamt ist für diese Bezeichnung (ausschließlich) zuständig (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.9.2007 – 11 S 1684/07 –, juris, Rn. 7). Die neue Zielstaatsbezeichnung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Bei Marokko handelt es sich um das – tatsächliche – Herkunftsland des Antragstellers. Er ist marokkanischer Staatsangehöriger.

Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.

Eine Abschiebung ist nicht gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig. Ein Ausländer darf nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Eine solche droht dem Antragsteller zur Überzeugung des Gerichts nicht in seinem Herkunftsland. Insbesondere ergibt sich eine diesbezügliche Gefahr nicht aus dem Verfolgungsvorbringen des Antragstellers. Dieses ist unglaubhaft aus verschiedenen Gründen. So gab der Antragsteller gegenüber der Polizei selbst an, in seinem Herkunftsland nicht verfolgt und bedroht zu werden. Einen Asylantrag stellte er erst nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Europa. Die Ablehnung desselben ließ er unangefochten bis zu dem Zeitpunkt, in dem seine Ausreise aufgrund nunmehr festgestellter Identität tatsächlich drohte. Seine Ausreise aus dem Herkunftsland erfolgte ebenfalls erst eine erhebliche Zeit nach der behaupteten Verfolgung. Sein Vorbringen gegenüber dem Bundesamt weist – neben der nachgewiesenen Identitätstäuschung – zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten auf. Beispielhaft erwähnt seien hier die Angaben zu seiner im Herkunftsland ausgeübten Tätigkeit, dort verbliebenen Verwandten oder der zentralen Frage, ob die Dealer gewusst hätten, dass er sie beklaut habe. Schließlich ist kaum anzunehmen, dass bei einer begründeten Furcht vor Verfolgung, das Bedürfnis nach einer – hier erfolgten – Kontaktaufnahme zu den Verfolgern bestünde.

Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll nach dieser Vorschrift abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Um ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot feststellen zu können, bedarf es zunächst aussagekräftiger, nachvollziehbarer ärztlicher Atteste, die klare Diagnosen stellen und Aufschluss über die konkret erforderliche Therapie und mögliche Folgen einer unzureichenden Behandlung geben (vgl. Koch in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 16. Edition, AufenthG, § 60, Rn 43; vgl. auch § 60a Abs. 2c AsylG). Derartige Atteste, die auf eine konkret erforderliche Therapie bzw. eine Behandlungsbedürftigkeit schließen ließen, liegen nicht vor.

Im Übrigen wird für die Frage des Vorliegens von Abschiebungsverboten auf die diesbezüglichen Ausführungen im angegriffenen Bescheid gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Das von dem Bundesamt geltend gemachte besondere Interesse an dem sofortigen Vollzug der Abschiebungsandrohung besteht. Die besondere Dringlichkeit in Bezug auf die (sofortige) Vollziehung des Verwaltungsakts ist primär bereichsspezifisch anhand des einschlägigen materiellen Rechts zu ermitteln. Inhalt und Funktion der Rechtsgrundlage für den (angefochtenen) Verwaltungsakt können gesetzliche Wertungen zur Eilbedürftigkeit der Realisierung der Verwaltungsmaßnahme enthalten. Insoweit ist das sofortige Vollziehbarkeitsinteresse durch das Erlassinteresse am Verwaltungsakt vorgeprägt (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 35. EL September 2018, § 80, Rn. 209). Vorliegend ist zwar den Rechtsgrundlagen der streitgegenständlichen Entscheidung selbst eine solche Wertung nicht zu entnehmen. Vielmehr entspricht es der grundsätzlichen gesetzlichen Wertung, dass einer Entscheidung über eine geänderte Zielstaatsbestimmung in einer Abschiebungsandrohung grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukommt (s.o.). Jedoch folgt aus der Systematik und dem Telos des Asylgesetzes, dass in dem vorliegenden Fall ein besonderes Vollzugsinteresse gegeben ist. So bestimmt § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG, dass ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, wenn der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert. Gemäß § 36 Abs. 1 AsylG beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist im Falle offensichtlicher Unbegründetheit seines Asylantrages – abweichend von der 30-Tages-Frist nach § 38 Abs. 1 AsylG – eine Woche. Die Klage hat in einem solchen Fall keine aufschiebende Wirkung gemäß § 75 Abs. 1 AsylG. Sinn und Zweck dieser Regelungen ist es, eine Verkürzung und Beschleunigung des Asylverfahrens mit dem weiteren Ziel der raschen Abschiebung von Asylbewerbern zu ermöglichen (vgl. BT-Drs. 12/2062, 32 f. und 12/4450, 22).

Das Gesetz enthält damit die grundsätzliche Wertung, dass an der Vollziehung der Abschiebung eines über seine Identität und Staatsangehörigkeit täuschenden Asylbewerbers ein besonderes Interesse besteht. Stellt die Behörde – wie im vorliegenden Fall – erst nach Erlass des ablehnenden Bescheids fest, dass der Ausländer über seine Identität und Staatsangehörigkeit getäuscht hat, kann sie deshalb den – nicht von Gesetzes wegen eintretenden – Sofortvollzug selbst anordnen.

Diesem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Bescheids stehen auch keine überwiegenden privaten InterC. des Antragstellers entgegen. Soweit der Antragsteller sich hierfür primär auf die erneute Zusendung des Bescheids mit einer korrekten Rechtsbehelfsbelehrung bezieht, vermag dies schon kein Interesse am Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland zu begründen. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass es der Behörde unbenommen ist, eine Rechtsbehelfsbelehrung zu berichtigen, wenn sie fehlerhaft erteilt wurde. Dies ist weder durch § 58 VwGO noch durch andere Vorschriften ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.4.1987 – 5 C 67/84 –, NVwZ 1988, 153; VGH Mannheim, Beschluss vom 10.6.2003 – 14 S 1155/03 –, NVwZ-RR 2003, 693; OVG Münster, Beschluss vom 21.12.2010 – 1 A 1993/09 –, BeckRS 2011, 45043; Meissner/Schenk in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 35. EL September 2018, § 58, Rn 53).

Das Vorbringen des Antragstellers, die Abschiebungsandrohung dürfe nicht mit der ablehnenden Entscheidung verbunden werden, weil nicht sichergestellt sei, dass alle ihre Rechtswirkungen sowohl während der Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs, als auch bis zur Entscheidung über ihn ausgesetzt würden, ist schon deshalb unerheblich, weil die Abschiebungsandrohung nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist (s.o.).

Das private Interesse des Antragstellers, in Deutschland eine Ausbildung zu beginnen, steht einer sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Mit der Unterscheidung zwischen offensichtlich unbegründeten und schlicht unbegründeten Asylanträgen soll der Nutzung des Asylverfahrens zu asylfremden Zwecken, die der Gesetzgeber beispielhaft in § 30 Abs. 2 AsylG aufführt, Einhalt geboten werden. Der Begriff der missbräuchlichen Nutzung des Asylantrags zur Erlangung eines anderweitig nicht erreichbaren Aufenthaltszwecks findet sich zwar nicht ausdrücklich im Gesetzeswortlaut, jedoch in der Gesetzesbegründung (s.o.; vgl. zum Vorstehenden auch Hailbronner, AuslR, 98. Aktualisierung, Oktober 2016, § 30, Rn 4). Vor diesem Hintergrund ist der Antragsteller für die Frage, ob er aufgrund eines Ausbildungsverhältnisses eine Aufenthaltsgenehmigung erlangen kann, auf die entsprechende Prüfung durch die Ausländerbehörde zu verweisen. Für sein Asylbegehren hat dieser Gesichtspunkt nach dem gesetzgeberischen Willen keine Bedeutung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht begründet. Es fehlt hierfür an den nach §§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 80 AsylG).