Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 17.09.2001, Az.: 1 U 12/01
Schmerzensgeld; Arzthaftung; Vertrauensärztliche Untersuchung ; Behandlungsfehler; Dokumentationspflicht; Beweiserleichterung ; Dokumentationsmangel
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.09.2001
- Aktenzeichen
- 1 U 12/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 21572
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0917.1U12.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 847 BGB
Fundstellen
- MDR 2002, 153 (Volltext mit red. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2001, 308
- RDV 2002, 83
Amtlicher Leitsatz
Eine Dokumentation, die medizinisch nicht erforderlich ist , ist auch aus Rechtsgründen nicht geboten, so daß aus dem Unterbleiben derartiger Aufzeichnungen keine beweisrechtlichen Folgerungen gezogen werden können.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. Februar 2001 verkündete Urteil des Landgerichts ....... wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer: 3. 000 DM.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat aus weitgehend zutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 543 Abs. 1 ZPO verweist, einen Anspruch der Klägerin auf Schmerzensgeld abgelehnt.
Unter Berücksichtigung des Berufungsvortrages ist Folgendes zu ergänzen:
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass es im Rahmen der vertrauensärztlichen Untersuchung am 1. Juli 1997 zu einem Behandlungsfehler gekommen ist. Dieser könnte allein darin gesehen werden, dass die Zeugin ........ ......., die die Untersuchung durchgeführt hat, den Kopf der Klägerin 'rabiat' oder zumindest übermäßig bewegt hat. Die Klägerin hat aber nicht einmal beweisen können - und kann dies mit zulässigen Beweismitteln auch weiterhin nicht -, dass die Zeugin ........ ....... eine entsprechende Maßnahme überhaupt vorgenommen hat.
Die von der Klägerin benannte und vom Landgericht vernommene Zeugin ........ ....... hatte an die Behandlung selbst keine konkrete Erinnerung, wusste aber zu schildern, dass sie bei derartigen Krankheitsbildern die zu untersuchende Person selbst die Bewegungen vornehmen und bei Auftreten von Schmerzen einstellen lässt, ihrerseits hingegen nicht manuell nachhilft. Hieraus hat das Landgericht zu Recht keine Anknüpfungstatsache für einen Behandlungsfehler ableiten können.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt ihr vorliegend eine Beweiserleichterung aus dem Gesichtspunkt des Dokumentationsmangels nicht zugute. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass vorliegend überhaupt eine Dokumentationspflicht in der von der Klägerin geforderten Form bestand. Wenn die Klägerin meint, dass eine Dokumentation darüber Auskunft geben müsste, auf welche Weise die Zeugin ........ ....... die Beweglichkeit von Kopf und Halswirbelsäule untersucht hat, ist dies unzutreffend. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa BGH Urteil vom 23. März 1993 - AHRS 6450/103 m. w. N. ) ist Voraussetzung für die Anwendung derartiger Grundsätze, dass die Aufzeichnung der Maßnahme geboten war, um Ärzte und Pflegepersonal über den Verlauf der Krankheit und die bisherige Behandlung für ihre künftigen Entscheidungen ausreichend zu informieren. Eine Dokumentation, die medizinisch nicht erforderlich ist, ist auch nicht aus Rechtsgründen geboten, sodass aus dem Unterbleiben derartiger Aufzeichnungen keine beweisrechtlichen Folgerungen gezogen werden können (BGH NJW 1989, 2330 f. ). Demgemäß musste vorliegend allenfalls dokumentiert werden, ob und in welchem Umfang eine Beweglichkeit gegeben war, nicht aber, wie dies festgestellt wurde. Ferner könnte - und dies verkennt die Berufung - die fehlende Dokumentation allenfalls dazu führen, dass von der Nichtdurchführung der Untersuchung auszugehen wäre. Gerade die Tatsache der Durchführung einer Untersuchung der Halswirbelsäule der Klägerin ist aber zwischen den Parteien unstreitig.
Überdies hat der Senat (Urteil vom 22. August 1994 - 1 U 57/92 - AHRS 2500/126; rechtskräftig durch Nichtannahmebeschluss des BGH vom 26. September 1995 - VI ZR 319/94) bereits festgestellt, dass eine fehlende Dokumentation durch eine Zeugenaussage selbst dann überwunden wird, wenn der Zeuge an die konkrete Behandlungssituation keine Erinnerung mehr hat, aber bekunden kann, wie in Vergleichsfällen üblicherweise verfahren wird, soweit es sich bei der Behandlungssituation nicht um eine Ausnahmesituation, sondern um eine routinemäßige Behandlung gehandelt hat; so liegt der Fall hier.
Eine Parteivernehmung der Klägerin kommt nicht in Betracht, weil der Beklagte hiermit nicht einverstanden ist, § 447 ZPO, und für die Richtigkeit des Vortrages der Klägerin nicht bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, § 448 ZPO. Insbesondere der Umstand, dass die Klägerin in das Wissen ihres als Zeugen benannten Hausarztes ........ ....... gestellt hat, nach der vertrauensärztlichen Untersuchung habe sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert, genügt hierfür nicht. Denn das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Gesundheitsverschlechterung als wahr unterstellt werden kann, hierfür aber - gerade auch unter Berücksichtigung der Krankheitsgeschichte der Klägerin - zahlreiche andere Ursachen in Betracht kommen. Demgemäß bedarf es auch einer Vernehmung des Ehemannes der Klägerin, der über die durchgeführte Untersuchung keine eigenen Erkenntnisse besitzt, nicht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1; 708 Nr. 10, 713; 546 Abs. 2 ZPO.