Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 29.12.2014, Az.: 13 A 11338/14

Angemessenheit; Beihilfe; Schwellenwert; Spiral-CT; Steigerungsfaktor

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
29.12.2014
Aktenzeichen
13 A 11338/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42439
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger, ein mit dem Bemessungssatz von 70 v.H. beihilfeberechtigter Ruhestandsbeamter, begehrt eine weitere Beihilfe für seine Aufwendungen für eine radiologische Untersuchung.

Am 16.04.2014 ließ sich der Kläger im Abdominalbereich mit einem Computertomographen untersuchen. Unter dem 24.06.2014 berechnete ihm der Arzt dafür 378,87 € (GOÄ 5372). Statt des Faktors 1,8 setzte der Arzt den Faktor 2,5 an und begründete dies mit der „zusätzlichen Darstellung in Spiraltechnik“.

Der Kläger beantragte hierfür eine Beihilfe. Mit Beihilfebescheid vom 08.07.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger hierfür eine Beihilfe, erkannte jedoch nur eine Honorarforderung mit dem Faktor 1,8 als beihilfefähig an.

Der Kläger legte insoweit Widerspruch ein und übersandte ein Schreiben der Abrechnungsstelle. Für die Untersuchung mittels Spiral-CT gebe es keine besondere Gebührenposition, in der Kommentierung zur GOÄ sei ausgeführt, die Besonderheiten könnten beim Steigerungsfaktor berücksichtigt werden.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2014, zugestellt am 24.07.2014, zurück.

Der Kläger hat am 20.08.2014 Klage erhoben.

Es sei ein erhöhter Zeitaufwand des Arztes durch die besondere Spiral-CT-Technik erforderlich gewesen. Diese besondere Schwierigkeit rechtfertige den Steigerungsfaktor.

Im Laufe des Verfahrens legte der Kläger eine Stellungnahme der behandelnden Ärzte vom 21.11.2014 vor, auf die wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 41 der Gerichtsakte).

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm, dem Kläger, zu seinen Aufwendungen hinsichtlich der radiologischen Untersuchung in der Klinikum Region Hannover GmbH, Ambulantes Institut für Radiologie. Behandlung vom 16.04.2014, aus der Rechnung vom 24.06.2014 zu Ziff. 5372 GOÄ eine weitere Beihilfe in Höhe von 74,26 € zu gewähren und den Bescheid der Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen vom 08.07.2014 sowie den Widerspruchsbescheid vom 18.07.2014 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt der Klage entgegen.

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Beihilfe.

Die Frage der Angemessenheit der Aufwendungen richtet sich gemäß § 6 BBhV ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der ärztlichen Gebührenordnung. Beihilfefähig ist nach alledem eine Rechnung auf der Basis einer zutreffenden Auslegung des Gebührenrechts. Es gibt grundsätzlich keine unterschiedliche Angemessenheit hinsichtlich des Honoraranspruchs einerseits und der Beihilfefähigkeit andererseits. Angemessen sind regelmäßig die nach § 5 GOÄ vom Arzt rechtmäßigerweise anzusetzenden Gebühren (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV).

Nach § 5 Abs. 3 GOÄ bildet bei der streitigen Leistung der 1,8fache Gebührensatz die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab; ein Überschreiten dieses Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 GOÄ genannten Bemessungskriterien (Schwierigkeit und der Zeitaufwand der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung) dies rechtfertigen.

Für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, ist die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend (OVG Lüneburg, Urteil vom 05.04.2011 - 5 LB 231/10 -). Die Entscheidung der Beihilfestelle, ob die Aufwendungen notwendig und angemessen sind, ist keine Ermessensentscheidung und unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom v. 19.1.2011 - 2 B 64.10 -, zitiert nach juris-Langtext Rn. 5; Urteil vom 16.12.2009 - 2 C 79.08 -, NVwZ-RR 2010, 365 und zitiert nach juris-Langtext Rn. 14; Urteil vom 28.10.2004 - 2 C 34.03 -, ZBR 2005, 169 und zitiert nach juris-Langtext, Rn. 11, 14).

Zwar hat in dem hier zu entscheidenden Fall bislang kein Zivilgericht die Rechtsfrage geklärt, ob der Arzt des Klägers seine ärztlichen Leistungen hinsichtlich der streitigen Gebührenziffern nur mit dem 1,8fachen abrechnen oder den Schwellenwert überschreiten durfte. Der Bundesgerichtshof hat aber in seinem Urteil vom 8. November 2007 (- III ZR 54/07 -, BGHZ 174, 101 und juris) die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Arzt persönlich-ärztliche Leistungen mit dem Höchstsatz der Regelspanne des Gebührensatzes abrechnen darf. Er hat abschließend in Auseinandersetzung mit der zivilgerichtlichen Judikatur und auch der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sowie insbesondere unter Berücksichtigung der Entwicklung der Abrechnungspraxis ärztlicher Gebühren festgestellt, dass es nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen ist, wenn persönlich-ärztliche Leistungen, die sich in einem Bereich durchschnittlicher Schwierigkeiten und einem durchschnittlichen Zeitaufwand befinden sowie nicht durch Erschwernisse gekennzeichnet sind, zum Schwellenwert abgerechnet werden (OVG Lüneburg, a.a.O unter Hinweis auf BGH, a. a. O., zitiert nach juris-Langtext, Rn. 11 ff. <18, 21>).

Ist demnach zivilgerichtlich festgestellt, dass ein Arzt ohne Begründung seine Leistung mit dem 1,8fachen Gebührenwert abrechnen darf, wenn die Behandlung mit durchschnittlichen Schwierigkeiten und durchschnittlichem Zeitaufwand ohne Erschwernisse verbunden war (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 19.1.2011 - 2 B 70.10 -, juris und Beschl. v. 5.1.2011 - 2 B 55.10 -, juris), folgt daraus auch für das Beihilferecht, dass der Arzt den Schwellenwert des 1,8fachen Gebührenwertes dann überschreiten kann, wenn er überdurchschnittliche Schwierigkeiten und einen überdurchschnittlichen Zeitaufwand der Leistungen und überdurchschnittlich schwierige Umstände der Ausführung schriftlich begründet (OVG Lüneburg, a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Klage als unbegründet.

Der Einsatz der Spiral-CT-Technik stellt schon keine Besonderheit mehr da. Der behandelnde Arzt führt in der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme vom 21.11.2014 aus, dass es sich bei dieser Technik vielmehr um die „heute übliche Untersuchungstechnik“ handelt. Der Einsatz dieser Geräte entspricht mithin dem Durchschnitt.

Als Begründung für eine Überschreitung des Schwellenwertes führt die Arzt aus, dass die Gebührenordnung seit 20 Jahren nicht mehr reformiert wurde und sich noch auf die damals üblichen Einzelscanner beziehe. Da die Gebührenordnung die neuen technischen und arztspezifischen Anforderungen nicht mehr abbilde, könne vom Arzt deswegen ein erhöhter Faktor angesetzt werden.

Diese Verfahrensweise steht indes nicht im Einklang mit dem ärztlichen Gebührenrecht. Sie mag zwar üblich sein, entspricht aber nicht den Vorgaben des § 5 Abs. 2 GOÄ. Maßstab ist danach einzig und allein die Schwierigkeit und der Zeitaufwand bei der einzelnen Leistung und die Umstände bei der Ausführung. Dies bezieht sich eindeutig auf die Umstände bei der Leistungserbringung gegenüber dem einzelnen Patienten, bei denen es aufgrund individueller Verhältnisse eben zu einer Abweichung vom durchschnittlichen Aufwand kommen kann, die dann ggf. auch entsprechend honoriert werden soll. Dass sich die Anforderungen an die technische Ausstattung im Laufe der Zeit geändert haben und sich nunmehr ursprünglich so von der Gebührenordnung möglicherweise nicht berücksichtige Arbeitsschritte für den Arzt ergeben, kann so sein, ist jedoch kein Grund für eine Schwellenwertüberschreitung. Diese Verfahrensweise mag wirtschaftlich gesehen richtig sein, begründet indes aber keine besondere Schwierigkeit oder einen erhöhten Zeitaufwand oder andere besondere Umstände bei der individuellen Erbringung einer Leistung gegenüber einem Patienten im Gegensatz zum Durchschnitt aller Patienten. Entsprechend berechtigt der Einsatz dieses Gerätes nicht für sich allein schon den vorgegebenen Schwellenwert zu überschreiten. Die betroffenen Ärzte können hier nur versuchen, über ihre Interessenvertretungen eine entsprechende Änderung bzw. Ergänzung der GOÄ zu erreichen, ein einfaches Ausweichen auf eine höhere Honorarforderung widerspricht dagegen den Vorgaben der GOÄ

Zwar ist einzuräumen, dass offenbar ein Kommentator der GOÄ zu der hier streitigen Gebührenziffer die Ansicht vertritt, dass der Einsatz eines Spiral-CT einen höheren Faktor rechtfertigt. Nach den obigen Ausführungen kann diese Ansicht des Kommentators jedoch nicht gefolgt werden, weil dies kein nach § 5 Abs. 2 GOÄ zulässiges Bemessungskriterium ist.

Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.