Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 11.12.2014, Az.: 13 A 11920/14

Antrag; Dienstunfähigkeit; Rücknahme; Versetzung in den Ruhestand

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
11.12.2014
Aktenzeichen
13 A 11920/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42437
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Soweit die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages und des Anfechtungsbegehren gegen das Schreiben vom 12.07.2014 (richtig 21.07.2014) zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird der Bescheid der Beklagten vom 18.06.2014 aufgehoben.

Kläger und Beklagte tragen die Kosten je zur Hälfte.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der 1950 geborene Kläger wendet sich gegen seine Versetzung in den Ruhestand. Er war bzw. ist als Realschullehrer im Zuständigkeitsbereich der Beklagten tätig.

Am 16.03.2011 beantragte der Kläger mit Schreiben vom 08.03.2011, ihn mit Ablauf des 31.07.2014 in den Ruhestand zu versetzen. Mitte Februar 2014 teilte die Beklagte mit, dass sie beabsichtige, dem Antrag des Klägers zu folgen.

Mit einer unter dem Datum „18.06.2014“ datierten Verfügung versetzte die Beklagte dann den Kläger mit Ablauf des Monats Juli 2014 gemäß den §§ 37, 38 NBG in den Ruhestand. Dieser Bescheid enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung. Er wurde dem Kläger ausweislich des Empfangsbekenntnisses (Beiakte Bl. 492) erst durch Übergabe am 30.07.2014 durch den Schulleiter zugestellt.

Zuvor, am 02.07.2014, ging ein Schreiben des Klägers vom 27.06.2014 bei der Beklagten ein, indem der Kläger mitteilte, dass er zum Jahreswechsel 2013/14 erkrankt sei und davon ausgehe, dass er nun dauerhaft dienstunfähig sei. Der Kläger führte weiter aus, daher beantrage er seine Versetzung zum 01.08.2014 wegen dauerhafter Dienstunfähigkeit in den Ruhestand, so dass es nicht zu einem Versorgungsabschlag komme.

Daraufhin teilte die Beklagte in einem Schreiben vom 21.07.2014 mit, dass die Feststellung der Dienstunfähigkeit bis zum 31.07.2014 nicht mehr möglich sei und er, der Kläger, antragsgemäß gem. § 37 NBG in den Ruhestand versetzt werde.

Nachdem der Kläger zuvor bereits unzulässigerweise Widerspruch eingelegt hatte, hat er am 26.09.2014 Klage erhoben.

Er trägt vor, er sei schwer erkrankt und nunmehr dauerhaft dienstunfähig. Deshalb habe er mit Schreiben vom 27.06.2014 seinen ursprünglichen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand mit Abschlägen zurückgezogen. Gleichwohl sei er mit Bescheid vom 21.07.2014 in den Ruhestand versetzt worden.

Der Kläger beantragte zunächst (Bl. 1. 2 der Gerichtsakte) wörtlich,

den Bescheid der Niedersächsischen Landesschulbehörde vom 12.07.2014 aufzuheben, sowie,

festzustellen, dass das Beamtenverhältnis zwischen dem Kläger und dem Land Niedersachsen fortbesteht.

Mit dem am 17.10.2014 eingegangenen Schriftsatz vom 15.10.2014 (Gerichtsakte Bl. 16) änderte der Kläger sein Klagebegehren.

Der Kläger beantragt darin,

den Bescheid der Niedersächsischen Landesschulbehörde vom 18.06.2014 sowie den Bescheid der Niedersächsischen Landesschulbehörde vom 12.07.2014 aufzuheben.

Unter dem Datum 27.10.2014 erklärte der Kläger, ihm sei ein Zahlendreher unterlaufen. Mit dem Bescheid vom „12.07.2014“ sei der Bescheid vom 21.07.2014“ gemeint.

Mit Schriftsatz vom 11.11.2014 teilte der Kläger dann mit, er beschränke die Anfechtungsklage auf den Bescheid vom 18.07.2014 (Bl. 39 Gerichtsakte).

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, § 38 Abs. 2 Satz 2 NBG stehe dem Klagebegehren entgegen. Die Versetzung in den Ruhestand könne nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr zurückgenommen werden.

Das Schreiben vom 21.07.2014 sei im Übrigen schon kein Verwaltungsakt; sie habe lediglich über den Sachverhalt informieren wollen.

Auch in der Sache habe sich rechtmäßig gehandelt. Der Antrag des Klägers vom 27.06.2014 auf Versetzung in den Ruhestand sei so spät eingegangen, dass nicht mehr rechtzeitig eine amtsärztliche Untersuchung hätte veranlasst werden können. Der Antrag sei damit nicht fristgerecht gestellt worden.

Im Übrigen sei die Personalplanung für das Schuljahr 2014/2015 schon weitgehend vorangeschritten gewesen. Die Stelle des Klägers sei zum Schuljahresbeginn anderweitig besetzt worden.

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.

Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 15.10.2014 sein Klagebegehren geändert und an der ursprünglich erhobenen Feststellungsklage nicht mehr festgehalten. Darin ist eine teilweise Klagerücknahme zusehe, ebenso in der Beschränkung des Klagebegehrens im Schriftsatz vom 11.11.2014 auf die Anfechtung des Bescheides vom 18.07.2014. Dies beinhaltet die Klagerücknahme, soweit der Kläger das Schreiben vom 21.07.2014 angefochten hatte. Insoweit ist das Verfahren nach alledem einzustellen.

Die verbliebene Anfechtungsklage gegen den am 30.07.2014 zugestellten Bescheid vom 18.07.2014 ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Zwar wurde dieser Bescheid erst am 17.10.2014 (Eingang des Schriftsatzes vom 15.10.2014 bei Gericht) in das Verfahren einbezogen. Da die Beklagte es jedoch versäumt hatte, diesen Bescheid mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen, greift hier zugunsten des Klägers die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO.

Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid vom 18.06.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Die Beklagte beruft sich als Rechtsgrundlage dieses Bescheides auf die §§ 37, 38 NBG.

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 NBG können Beamte auf Lebenszeit auf Antrag in den Ruhestand versetzt werden, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben

Der Kläger erfüllt die altersgemäßen Voraussetzungen dieser Vorschrift. Es handelt sich jedoch bei einer Versetzung in den Ruhestand nach dieser Vorschrift um einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt. Die Zurruhesetzung kann nur bei Vorliegen eines entsprechenden Antrages erfolgen.

Zwar lag der erforderliche Antrag des Klägers ursprünglich ebenfalls vor (Bl. 444 der Verwaltungsvorgänge). Der Kläger hat seinen Antrag indes mit Schreiben vom 27.06.2014 wieder zurückgenommen.

Es ist einzuräumen, dass der Kläger es versäumt hat, ausdrücklich zu schreiben, dass er seinen Antrag unter dem Datum 08.03.2011 wieder zurücknimmt. Es ist bei der Auslegung des Schreibens vom 27.06.2014 jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger um einen Lehrer, mithin einen juristischen Laien, handelt.

Eine Versetzung in den Ruhestand nach § 37 NBG führt beim Kläger zu einen Versorgungsabschlag (nach Darstellung in der Klageschrift im Fall des Klägers exakt in Höhe von 3,89 v.H.). Bei einer Versetzung in den Ruhestand wegen dauerhafter Dienstunfähigkeit entfällt im Fall des Klägers jedoch dieser Abschlag. Das erdiente Ruhegehalt würde in einem solchen Fall  in voller Höhe gezahlt. Der Kläger hat in dem Schreiben vom 27.06.2014 deutlich gemacht, dass er nur noch ohne Abschläge in den Ruhestand versetzt werden möchte. Dies lässt nur die Auslegung zu, dass er seinen Antrag nach § 37 NBG nicht mehr weiter aufrechterhält. Von daher ist seinem Schreiben vom 27.06.2014 weiterhin auch nicht zu entnehmen, dass - sollte die Feststellung der dauerhaften Dienstunfähigkeit bis zum 31.07.2014 nicht erfolgen können - er dann hilfsweise seinen bisherigen Antrag aufrecht erhält. Der Kläger hat zwar das Datum 01.08.2014 in diesem Schreiben angesprochen, jedoch nicht so, als dass die Auslegung gerechtfertigt wäre, ihm ginge es in erster Linie um einen Ruhestand ab 01.08.2014, egal aus welchem Rechtsgrund. Ersichtlich war nur Anliegen des Klägers, den Versorgungsabschlag zu vermeiden. Da sich der Kläger selbst für dauerhaft dienstunfähig hielt, würde eine andere Auslegung aus seiner Sicht auch keinen Sinn machen, weil er unabhängig vom aktuellen Status mangels Dienstfähigkeit nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet war.

Mit der Rücknahme des Antrages am 02.07.2014 (Eingang des Schreibens vom 27.06.2014 bei der Beklagten) ist nach alledem eine der Voraussetzungen für ein Zurruhesetzungsverfahren nach § 37 NBG wieder entfallen. Nach der Rücknahme durfte die Beklagte keine Versetzung in den Ruhestand aufgrund dieser Vorschrift mehr aussprechen. Doch hat sie dies gleichwohl getan. Der Bescheid vom 18.06.2014 ist mithin rechtswidrig.

Zwar ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Versetzung in den Ruhestand der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 2 A 756/11 –, juris). Obwohl der angegriffene Bescheid vom 18.06.2014 datiert und der Antrag auf Versetzung in den Ruhestand erst am 02.07.2014 zurückgenommen wurde, steht dieser Rechtsgrundsatz hier dem Erfolg der Klage aber nicht entgegen.

Der Bescheid vom 18.06.2014 wurde dem Kläger nämlich erst am 30.07.2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt (und damit auch erst wirksam, § 43 VwVfG). Erst mit Aushändigung dieses Bescheides war das Verwaltungsverfahren - unabhängig davon, welches Datum der Bescheid trägt - abgeschlossen. Bis zur Aushändigung des Bescheides am 30.07.2014 hatte der Bescheid die Sphäre der Beklagten noch nicht verlassen, eine endgültige Verwaltungsentscheidung lag letztendlich bis zur Aushändigung des Bescheides durch den Schulleiter am 30.07.2014 noch gar nicht vor. Zu diesem Zeitpunkt - 30. Juli 2014 - fehlte es jedoch bereits an einer Tatbestandsvoraussetzung für eine Versetzung in den Ruhestand nach den §§ 37, 38 NBG. Denn ein entsprechender Antrag des Klägers lag jetzt schon nicht mehr vor.

§ 38 Abs. 2 Satz 2 NBG steht einer Abhilfeentscheidung nicht entgegen. Diese Vorschrift hindert den Dienstherrn (und natürlich auch das Gericht) nicht, auch nach Beginn des Ruhestands eine noch nicht bestandskräftige rechtswidrige Zurruhesetzungsverfügung im Rechtsbehelfsverfahren wieder aufzuheben (so auch Kümmel, Beamtenrecht, LBW, § 38 Rdnr. 19 unter Bezugnahme auf OVG Lüneburg, Urteil v. 27.03.1990 - 5 OVG A 151/87 -). Ansonsten könnte der Rechtsschutz gegen rechtswidrige Versetzungsverfügungen leicht von einer Behörde ausgehebelt werden. Das wäre mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar.

Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 27.11.2014 meint, dass der Kläger eine Versetzung in den Ruhestand spätestens sechs Monate vor Beginn des neuen Schuljahres hätte beantragen müssen, verkennt die Beklagte den Unterschied zwischen einer Versetzung in den Ruhestand auf Antrag und einer Zurruhesetzung infolge andauernder Dienstunfähigkeit. Eine Versetzung in den Ruhestand wegen dauerhafter Dienstunfähigkeit ist antragsunabhängig. Insoweit ist das Schreiben des Klägers vom 27.06.2014 nur als Anregung zu verstehen, bei ihm, dem Kläger, die Voraussetzungen nach § 26 BeamtStG festzustellen. Gemäß § 26 BeamtStG sind Beamte - unabhängig von einer Antragstellung und dem Ende eines Schul- oder Schulhalbjahres - zwingend in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie dauernd vollständig dienstunfähig sind und eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist. Zur Klärung der Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, hat der Dienstherr nach § 43 NBG zuverfahren. Diese Vorschriften werden nicht durch den Umstand, dass das Ende des Schuljahres naht, bei einem Lehrer außer Kraft gesetzt.

Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 und 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.