Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.01.2010, Az.: L 3 KA 29/09
Rechtmäßigkeit der Beendigung der Zulassung eines Arztes zur vertragsärztlichen Versorgung aus Altersgründen; Fortsetzungsfeststellungsinteresse eines wegen Überschreitung der Altersgrenze zur vorübergehenden Schließung und zum Verkauf seiner Praxis gezwungenen Arztes; Vereinbarkeit der Beendigung einer vertragsärztlichen Zulassung mit der Berufsausübungsfreiheit
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.01.2010
- Aktenzeichen
- L 3 KA 29/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 12439
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2010:0127.L3KA29.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 18.02.2009 - AZ: S 24 KA 330/07
- nachfolgend
- BSG - 18.08.2010 - AZ: B 6 KA 18/10 B
Rechtsgrundlagen
- § 131 Abs. 1 S. 3 SGG
- § 95 Abs. 7 S. 3 SGB V a.F.
- Art. 12 Abs. 1 GG
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 7., die ihre Kosten selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 183.023,76 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Beklagten, seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung habe am 31. März 2007 aus Altersgründen geendet.
Der am 24. März 1939 geborene Kläger ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Seit dem 3. Dezember 1973 war er mit Sitz in G. (Landkreis H.), I., zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Schreiben vom 14. September 2006 beantragte er bei der Beigeladenen zu 1. eine Ausnahmegenehmigung zum Weiterbetrieb seiner Praxis nach Vollendung seines 68. Lebensjahres. Zur Begründung machte er geltend, der die Altersgrenze enthaltende § 95 Abs. 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verstoße gegen höherrangiges Recht. Zu seinen Gunsten sei außerdem zu berücksichtigen, dass sich wegen fehlender Attraktivität seines Praxisstandortes kein Juniorpartner für seine Praxis finde und sein Sohn seine Facharztausbildung noch nicht beendet habe. Er wies außerdem auf seine besondere Qualifikation für lokale Besonderheiten in J. sowie auf die schlechte gynäkologische Versorgungslage in J. (16.000 Einwohner) hin.
Der Zulassungsausschuss Hannover lehnte den Verlängerungsantrag mit Beschluss vom 5. Dezember 2006 ab und stellte fest, dass die Zulassung des Klägers am 31. März 2007 ende. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung der Zulassung lägen nicht vor. Die bestehende Regelung führe vielmehr dazu, dass bei Erreichen der Altersgrenze die Zulassung als Vertragsarzt unmittelbar kraft Gesetzes ende. Die gesetzliche Altersbegrenzung sei im Übrigen durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das Bundessozialgericht (BSG) und verschiedene Landessozialgerichte (LSG) als rechtmäßig bestätigt worden.
Gegen den am 22. Februar 2007 abgesandten Beschluss legte der Kläger am 27. Februar 2007 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er an, die Vorschriften über die vertragsärztliche Altersgrenze von 68 Jahren seien mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Die anderslautende Rechtsprechung des BVerfG, wonach die Altersgrenze dem Gesundheitsschutz der Versicherten diene, sei nach dem Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (VÄndG) am 1. Januar 2007 nicht mehr aufrecht zu erhalten. Wenn hiermit Ausnahmeregelungen für unterversorgte Gebiete eingeführt worden seien, gehe der Gesetzgeber davon aus, dass die Berufsgruppe der Ärzte auch mit Erreichen der Altersgrenze von 68 Jahren in der Lage und geeignet sei, ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit vollumfänglich nachzukommen. Damit trage der Gesetzgeber sowohl der demographischen Entwicklung als auch Erkenntnissen der Gerontologie Rechnung. Eine differenzierende Regelung allein für Ärzte in unterversorgten Gebieten verletze sein Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art 3 Abs. 1 GG. Die Altersgrenze verstoße schließlich auch gegen die Richtlinie (RL) des Rates der Europäischen Union 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, die einer Ungleichbehandlung wegen Alters entgegen stehe.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 21. März 2007 - an den Kläger abgesandt am 20. April 2007 - zurück. Die Zulassung des Klägers ende gemäß § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V mit Ablauf des März 2007. Eine Ausnahme hiervon komme nicht in Betracht, weil der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Planungsbereich Landkreis H. nicht festgestellt habe, dass dort für Frauenärzte eine ärztliche Unterversorgung eingetreten sei oder unmittelbar drohe. An die gesetzlichen Vorgaben sei der Beklagte gebunden.
Hiergegen hat der Kläger am 24. April 2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, mit der er seine Auffassung bekräftigt hat, die Altersgrenze von 68 Jahren sei mit dem GG nicht vereinbar und verstoße gegen Europarecht. Sie sei auch nicht durch§ 8 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gerechtfertigt. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass durch das Ende seiner Zulassung eine Unterversorgung der Bevölkerung in J. eintrete, weil die Entfernung der Stadt zu den größeren Nachbarstädten - H. und K. - jeweils mehr als 25 km betrage und nur eine schleppende Busverbindung nach H. bestehe.
Während des Klageverfahrens hat der Kläger seine vertragsärztliche Praxis an die Beigeladene zu 8. veräußert. Nach Ausschreibung des Vertragsarztsitzes durch den Kläger ist die Beigeladene mit bestandskräftigem Beschluss des Zulassungsausschusses Hannover vom 7. Mai 2008 zugelassen worden und führt die vertragsärztliche Praxis in J. seit dem 1. Juli 2008 fort. Der Kläger ist am bisherigen Praxissitz nur noch privatärztlich tätig.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. Februar 2009 zurückgewiesen und angegeben, ein Verstoß gegen das GG oder europäisches Recht liege nicht vor. Zur Begründung hat es auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 9. November 2007 in dem vom Kläger angestrengten Eilverfahren L 3 KA 69/07 ER und den Beschluss des BSG vom 06. Februar 2008 - B 6 KA 58/07 B - verwiesen.
Gegen das ihm am 2. März 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31. März 2009 Berufung vor dem LSG Niedersachsen-Bremen eingelegt. Zur Begründung weist er darauf hin, dass die gesetzliche Altersgrenze für Ärzte zum 1. Januar 2009 gefallen sei. Auch Ärzte, die im 4. Quartal 2008 das 68. Lebensjahr vollendet hätten, dürften nunmehr aufgrund einer bis zum 31. März 2009 abzugebenden Erklärung vom Wegfall der Altersgrenze profitieren. Dem Kläger sei jedoch dieser Weg versperrt; hiermit seien er und Kollegen ungleich behandelt, die in dem Interimszeitraum ihre Zulassung altersbedingt hätten zurückgeben müssen. Die neue gesetzliche Regelung zeige im Übrigen, dass die Argumentation insbesondere des BVerfG nicht haltbar sei. Er sei sowohl in seinen Grundrechten ausArt 3 Abs. 1 GG als auch in den Rechten verletzt, die sich aus der RL 2000/78/EG ergäben. Weiterhin sei die undifferenzierte Zuordnung der Region J. zum Zulassungsbezirk H. nicht zulässig; vielmehr sei der Zulassungsausschuss als Körperschaft des öffentlichen Rechts an die Festlegungen der Raumordnungsprogramme gebunden, die J. als Mittelzentrum auswiesen, in welchem auch eine ärztliche Grundversorgung mit Fachärzten sicher zu stellen sei. Ihm stehe auch trotz der Praxisnachfolge der Beigeladenen zu 8. ein Rechtsschutzbedürfnis zu, weil auch eine ggf. eintretende Überversorgung in Bergen nicht dazu führen könne, dass ihm seine Rechte aus der Zulassung rechtswidrig genommen werden. Darüber hinaus bestehe zumindest ein erhebliches Feststellungsinteresse fort, weil ihm durch die Entziehung der Zulassung ein hoher wirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Bei der Fortdauer seiner Zulassung hätte er die Praxis nicht verkauft, sondern auf seinen Sohn übertragen. Die Beigeladene zu 8. weigere sich nunmehr, ihrer vertragsgemäß übernommenen Pflicht nachzukommen, den Sohn in der Praxis mit aufzunehmen.
Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Februar 2009 aufzuheben,
- 2.
den Beschluss des Beklagten vom 21. März 2007 aufzuheben und festzustellen, dass seine Rechtsstellung als Vertragsarzt auch nach Vollendung des 68. Lebensjahres fortbesteht,
- 3.
hilfsweise:
festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 21. März 2007 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen.
Die Beigeladene zu 8. beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung des SG Hannover sei auf der Grundlage von § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V und der Rechtsprechung des BVerfG nicht zu beanstanden. Auch die RL 2000/78/EG ändere hieran nichts. Schließlich habe der Kläger seine Praxis wirksam an sie verkauft und dies könne auch nicht rückgängig gemacht werden.
Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag. Die Beigeladene zu 1. weist darauf hin, dass für den Kläger die Regelung des (jetzigen) § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V nicht zur Anwendung komme, weil sein Vertragsarztsitz nach § 103 Abs. 4 SGB V fortgeführt werde.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die ebenfalls beigezogene Archivakte zum abgeschlossenen Eilverfahren (erstinstanzlich: S 24 KA 249/07 ER, Beschwerdeverfahren: L 3 KA 69/07 ER) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Hannover vom 18. Februar 2009 ist im Ergebnis zutreffend.
Klagegegenstand ist vorliegend ausschließlich der Beschluss des Beklagten vom 21. März 2007. Dies ergibt sich aus der ständigen BSG-Rechtsprechung (vgl z.B. SozR 3-2500 § 96 Nr. 1 und Nr. 32), wonach der Berufungsausschuss in vertragsärztlichen Zulassungssachen mit seiner Anrufung gemäß § 96 Abs. 4 SGB V funktionell ausschließlich zuständig wird.
Die hiergegen gerichtete Klage war ursprünglich als Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Zulässigkeit dieser Klage ist jedoch am 1. Juli 2008 entfallen, weil sich der angefochtene Beschluss erledigt hat und damit kein Rechtsschutzbedürfnis für dessen Anfechtung mehr besteht. Zu diesem Zeitpunkt ist die Beigeladene zu 8. am bisherigen Vertragsarztsitz des Klägers - L. - zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen worden und hat ihre vertragsärztliche Tätigkeit aufgenommen. Dem lag die vom Kläger beantragte Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes durch die Beigeladene zu 1. gemäß § 103 Abs. 4 SGB V zugrunde. Mit seinem Ausschreibungsantrag hat der Kläger im Ergebnis die Entscheidung des Beklagten "vollzogen" bzw. sich der hieraus ergebenden Pflicht unterworfen, eine weitere Tätigkeit als Vertragsarzt endgültig zu unterlassen. Derartige Erfüllungsakte führen zur Erledigung des Verwaltungsaktes, wenn die Vollziehung oder die Erfüllung der Pflicht nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BSG SozR 4-2700 § 129 Nr. 2; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 131 Rn 7a). So verhält es sich hier, weil eine Möglichkeit, die Ausschreibung oder den hierauf gerichteten Antrag des Klägers rückgängig zu machen, nicht mehr besteht, nachdem die Beigeladene zu 8. als Ergebnis der Ausschreibung bestandskräftig zugelassen worden ist. Eine Entziehung ihrer Zulassung - die allein auf der Grundlage des § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V möglich wäre, der als Spezialregelung die allgemeinen Vorschriften der §§ 45 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verdrängt (BSGE 86, 121, 124) - ist nicht möglich. Denn zu den Voraussetzungen der Zulassung, bei deren Fehlen die Zulassung gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V zu entziehen ist, zählen nur persönliche Umstände und Eigenschaften des zugelassenen Arztes (z.B. Approbation, Ableistung der Vorbereitungszeit, Eignung des Arztes, vgl. Hess in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: Oktober 2009, § 95 SGB V Rn 77; Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 7. Aufl, § 27 Rn 5 ff), nicht jedoch objektive Umstände, die - wie hier die Voraussetzungen des § 103 Abs. 4 SGB V - dem Planungsrecht zuzuordnen sind (BSG, Beschluss vom 10. Mai 2000 - B 6 KA 56/99 B - [...]). Damit ist das primär vom Kläger angestrebte Ziel, als Vertragsarzt in seiner Praxis L. weiterarbeiten zu können, nicht mehr zu erreichen.
Die Klage ist jedoch im Sinne des hilfsweise gestellten Fortsetzungs-feststellungsantrages zulässig. Gemäߧ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn dieser sich durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein Feststellungsinteresse in diesem Sinne kommt nach ständiger Rechtsprechung (vgl den Überblick bei BSG SozR 4-1500 § 131 Nr. 3) grundsätzlich in vier Fällen in Betracht, nämlich bei Präjudiziabilität - d.h. in Fällen, in denen die Entscheidung noch für ein anderes streitiges Rechtsverhältnis bedeutsam sein kann -, bei Relevanz der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsaktes für geltend gemachte Schadensersatzansprüche, bei einem Rehabilitationsinteresse des Klägers oder bei Wiederholungsgefahr.
Vorliegend macht der Kläger geltend, ihm sei ein hoher wirtschaftlicher Schaden entstanden, nachdem er seine Praxis für einen Betrag von (lediglich) 8.000,00 Euro an die Beigeladene zu 8. habe verkaufen müssen, diese aber nicht bereit sei, seinen Sohn als Job-Sharing-Partner oder angestellten Arzt in ihrer Praxis aufzunehmen, wie dies bei der Übergabe der Praxis vorausgesetzt worden sei. Außerdem habe die 15monatige Zwangsschließung zu einer erheblichen Wertminderung seiner Praxis geführt, für die der Zulassungsausschuss verantwortlich sei. Für eine evtl. Klage gegen die Beigeladene zu 8. wäre die Rechtmäßigkeit des genannten Beschlusses aber nicht von Bedeutung, weil sich entsprechende Schadensersatzansprüche nur aus ggf. vorliegenden Pflichtverletzungen der Beigeladenen zu 8. aus dem Praxisübergabevertrag ergeben könnten. Eine u.U. beabsichtigte Klage wegen einer Amtspflichtverletzung (hier: der Zulasssungsgremien) kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nur begründen, wenn dargelegt wird, dass bereits ein Amtshaftungsprozess anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (zu dieser Voraussetzung vgl. Keller a.a.O., § 131 Rn 10e m.w.N.). Hieran fehlt es.
Aus dem Gesamtzusammenhang des klägerischen Vortrages ergibt sich jedoch noch hinreichend deutlich, dass der Kläger ein Rehabilitationsinteresse geltend machen kann. Dies kann zu bejahen sein, wenn der Kläger durch den Verwaltungsakt, dessen Begründung oder die Umstände seines Zustandekommens tief- greifend in seinen Grundrechten beeinträchtigt wird und zur Rehabilitierung ein Feststellungsinteresse hat (BSG SozR 4-1500 § 131 Nr. 3; Keller a.a.O., § 131 Rn 10a). Ein entsprechender Grundrechtseingriff ist hier zu bejahen, weil dem Kläger mit dem Ende der vertragsärztlichen Zulassung das weitaus bedeutendste Betätigungsfeld seines ärztlichen Berufs entzogen ist. Damit wird (zumindest) die durch Art 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit eingeschränkt, möglicherweise sogar die Berufswahlfreiheit (vgl BVerfG SozR 3-2500 § 95 Nr. 17). Da die Altersgrenze bei Vertragsärzten herkömmlicherweise auch mit der eingeschränkten Leistungsfähigkeit älterer Ärzte gerechtfertigt wird - hiergegen wendet sich der Kläger ausdrücklich in beiden Instanzen - ist nicht auszuschließen, dass die beendete Zulassung in der Öffentlichkeit auch in Hinblick auf den Kläger mit einem solchen Verlust an Leistungsfähigkeit verbunden wird. Es ist nachvollziehbar, wenn der privatärztlich weiterhin tätige Kläger dem entgegenwirken will; dies begründet ein ausreichendes Feststellungsinteresse.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die vertragsärztliche Zulassung des Klägers für seine Praxis in J. mit Ende des 1. Quartals 2007 geendet hat. Da die Begründetheit einer Fortsetzungsfeststellungsklage zu untersuchen ist, ist die Rechtslage maßgeblich, die im Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsaktes gegolten hat (vgl Keller a.a.O., § 131 Rn 10i und ders a.a.O., § 55 Rn 21). Einschlägig ist damit § 95 Abs. 7 i.d.F. des VÄndG vom 22. Dezember 2006 (aF).
Gemäß § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V a.F. endet die Zulassung am Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein 68. Lebensjahr vollendet. Da der Kläger am 24. März 2007 68 Jahre alt geworden ist, folgt hieraus das Ende seiner Zulassung am 31. März 2007.
Nach § 95 Abs. 7 Satz 8 SGB V a.F. gilt Satz 3 zwar nicht, wenn der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgestellt hat, dass in einem bestimmten Gebiet eines Zulassungsbezirks eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder unmittelbar droht. Eine derartige Feststellung liegt jedoch unstreitig nicht vor. Der vom Kläger geltend gemachte besondere Bedarf im Raum Bergen ist unerheblich. Der Senat hat bereits in seinem das Eilverfahren L 3 KA 69/07 ER beendenden Beschluss vom 9. November 2007 dargelegt, dass unter "einem bestimmten Gebiet eines Zulassungsbezirks" der gesamte Landkreis H. zu verstehen ist. Dies ist vom Kläger im vorliegenden Hauptsacheverfahren nicht begründet angegriffen worden. Sein Hinweis, der Beklagte habe im Rahmen seiner Entscheidungen "Festlegungen der Raumordnungsprogramme" beachten müssen, steht eindeutig im Widerspruch zu § 95 Abs. 7 Satz 8 SGB V aF, der auf die bedarfsplanungsrechtliche Regelung in § 100 Abs. 1 Satz 1 SGB V verweist.
Die vom Kläger im September 2006 beantragte Verlängerung seiner Zulassung durch den Zulassungsausschuss ist gemäß § 95 Abs. 7 Satz 4 SGB V a.F. nur möglich, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt der Vollendung des 68. Lebensjahres weniger als 20 Jahre als Vertragsarzt tätig und vor dem 1. Januar 1993 bereits als Vertragsarzt zugelassen war. Diese Voraussetzungen liegen bei dem bereits seit 1973 zugelassenen Kläger nicht vor.
§ 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V a.F. verletzt kein höherrangiges Recht. In der Rechtsprechung des BVerfG (SozR 3-2500 § 95 Nr. 17; Beschluss vom 7. August 2007 - 1 BvR 1941/07 - [...]) und des BSG (SozR 3-2500 § 95 Nr. 18 und Nr. 32; SozR 4-2500 § 95 Nr. 14) ist geklärt, dass insbesondere ein Verstoß gegen Art 12 Abs. 1 GG nicht vorliegt. Die Regelung der Altersgrenze ist nach dieser Rechtsprechung vielmehr im Interesse eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts, nämlich des Schutzes der Gesundheit der Versicherten, gerechtfertigt, weil sie die Gefährdungen einschränkt, die von älteren, nicht mehr voll leistungsfähigen Ärzten für ihre Patienten ausgehen können. Das BSG (SozR 4-2500 § 95 Nr. 14 m.w.N.) hat darüber hinausgehend ausgeführt, die Altersgrenze diene im System der versorgungsgradabhängigen Bedarfsplanung mit örtlichen Zulassungssperren der Wahrung der Berufszugangschancen für jüngere Ärzte, denen auch die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, sich in Bereichen niederzulassen, die wegen Überversorgung gesperrt sind. Durch die Zulassung Jüngerer solle auch gewährleistet werden, dass deren neuere medizinische Erkenntnisse in das System der vertragsärztlichen Versorgung eingebracht werden und einer Überalterung der Ärzteschaft entgegengewirkt wird (BSG a.a.O.). Hieran hat sich nichts dadurch geändert, dass durch das VÄndG die Geltung der Altersgrenze zum 1. Januar 2007 für bestimmte unterversorgte Gebiete eingeschränkt worden ist (BVerfG, Beschluss vom 7. August 2007 a.a.O.; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 14).
Die vorliegend umstrittene Altersgrenze steht auch nicht im Widerspruch zum Verbot der Diskriminierung wegen Alters, das sich aus der europäischen GleichbehandlungsRL 2000/78/EG bzw. dem diese umsetzenden AGG ergibt. Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 12. Januar 2010 (C-341/08 - "Petersen") entschieden hat, ist die Altersgrenze für Vertrags(zahn)ärzte keine Diskriminierung, wenn die Begrenzung in geeigneter und widerspruchsfreier Weise einem Ziel des Gesundheitsschutzes oder der Beschäftigungspolitik dient. Der - vom BVerfG a.a.O. im Vordergrund gesehene - Schutz der Versicherten vor nicht mehr uneingeschränkt leistungsfähigen älteren Ärzten sei in diesem Zusammenhang zwar nicht anzuerkennen, weil die außerhalb des Vertragsarztsystems tätigen Zahnärzte bzw. Ärzte von entsprechenden Einschränkungen ausgeschlossen blieben. Es sei jedoch grundsätzlich ein angemessenes und erforderliches Ziel der Altersgrenze, jüngeren Zahnärzten bzw. Ärzten trotz einer überhöhten Zahl von Vertrags(zahn)ärzten den Zugang zur Beschäftigung zu ermöglichen.
Dass dies auch 2007 ein Zweck der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Altersgrenze gewesen ist, hat das BSG bereits in seiner Entscheidung vom 6. Februar 2008 (SozR 4-2500 § 95 Nr. 14) ausgeführt. Dabei hat es auch dargelegt, dass in weiten Bereichen der Bundesrepublik nach wie vor für die meisten ärztlichen Fachgebiete Überversorgung besteht. Ebenso wie der EuGH (a.a.O.) ist das BSG (a.a.O.;Urteil vom 9. April 2008 - B 6 KA 44/07 R - [...]) deshalb zum Ergebnis gekommen, dass eine in der Altersgrenze für Vertragsärzte liegende "Benachteiligung wegen Alters" durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist, und zwar iSv Art 6 Abs. 1 Satz 2 der RL 2000/78/EG und § 10 Sätze 1 und 2 AGG.
Da - wie dargelegt - die spätestens Anfang Juli 2008 geltende Rechtslage maßgeblich ist, kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass § 95 Abs. 7 SGB V in der seit dem 1. Oktober 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzliche Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15. Dezember 2008 - nF - (BGBl. I 2426) ein Ende der Zulassung mit Vollendung des 68. Lebensjahres nicht mehr vorsieht. Die neue Rechtslage könnte ihm im Übrigen schon deshalb nicht zugute kommen, weil die bereits zum Ende des 1. Quartals 2007 erfolgte Beendung der Zulassung nicht durch späteres Recht wieder in Frage gestellt werden kann mit der Folge, dass die Zulassung gleichsam wieder auflebt (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 14). Sofern seinem Hinweis auf § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V nF - wonach Vertragsärzte, die im Jahr 2008 das 68. Lebensjahr vollendet haben, unter bestimmten Voraussetzungen ihre Zulassung nicht verlieren - der Einwand entnommen werden könnte, er sei diesen gegenüber gleichheitswidrig benachteiligt, wäre dies bereits im Ansatz verfehlt. Denn die genannte Privilegierung von Ärzten in § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V nF gilt ausdrücklich nicht, wenn der Vertragsarztsitz nach § 103 Abs. 4 SGB V fortgeführt wird. Dies ist beim Kläger gerade der Fall.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 i.V.m. 154 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Streitwertfestsetzung folgt § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Dabei war - entsprechend der ständigen Senatsrechtsprechung - von den vertragsärztlichen Einnahmen für drei Jahre (abzüglich der Praxiskosten) auszugehen. Zugrunde zu legen waren dabei die Einnahmen des Klägers aus den zuletzt abgerechneten Quartalen II/2006 bis I/2007, die nach Angaben der Beigeladenen zu 1. im abgeschlossenen Eilverfahren L 3 KA 69/07 ER 144.911,92 EUR betrugen. Hiervon waren Betriebskosten iHv von 57,9% abzuziehen (vgl Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 im Verfahren L 3 KA 69/07 ER).