Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 08.01.2010, Az.: L 6 AS 314/09 B
Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung bei anwaltlicher Vertretung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 08.01.2010
- Aktenzeichen
- L 6 AS 314/09 B
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 17652
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2010:0108.L6AS314.09B.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Braunschweig - 24.02.2009 - AZ: S 26 AS 3229/08
Rechtsgrundlagen
- § 73a Abs. 1 SGG
- § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO
- § 121 ZPO
Redaktioneller Leitsatz
Zwar konnte in sozialgerichtlichen Verfahren in der Vergangenheit regelhaft davon ausgegangen werden, dass die Sach- und Rechtslage besondere Schwierigkeiten aufweist und dass deshalb eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden kann, wenn Sozialversicherungsträger Rechtsanwälte beauftragten, da sie an sich über qualifizierte rechtskundige Beschäftigte zur Prozessvertretung verfügen. Davon kann in Rechtsstreitigkeiten gegen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende offensichtlich nicht regelmäßig ausgegangen werden. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 24. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Klägerin begehrt PKH für ein Klageverfahren, das auf die Übernahme von Instandsetzungskosten infolge eines Wasserschadens in ihrem Eigenheim als Kosten der Unterkunft (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II) gerichtet ist.
Die Klägerin bezieht seit Jahren Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Beklagte verpflichtete sich mit gerichtlichem Vergleich vom 10. April 2008, ihr Material- und Arbeitskosten für den Austausch eines Toilettenbeckens und eines Spülkastens zu erstatten, die die Klägerin im November 2005 beantragte hatte. Mit Schreiben vom 17. April 2008 bat die Klägerin um Übernahme auch der Kosten, die durch Folgeschäden aufgrund der verspäteten Kostenübernahme entstanden seien. Nachdem sie der Bitte der Beklagten, Kostenvoranschläge einzureichen, trotz Hinweises auf die Folgen bei Nichtbefolgung nicht nachgekommen war, lehnte diese den Antrag mit Bescheid vom 25. Juni 2008 wegen fehlender Mitwirkung ab und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2008).
Als sich auf die am 3. November 2008 vor dem SG erhobene Klage als Interessenvertreter für die Beklagte Rechtsanwälte meldeten, hat die Klägerin PKH beantragt, weil ihr nunmehr anwaltliche Hilfe zustehe. Das SG hat den Antrag durch Beschluss vom 24. Februar 2009 abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der am 5. März 2009 eingelegten Beschwerde.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG), gemäß § 172 Abs 1 SGG an sich statthaft und nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG ungeachtet der Frage der Zulässigkeit der Berufung in der Hauptsache nicht ausgeschlossen (Senatsbeschluss vom 6. Mai 2008 - L 6 B 48/08 AS = NdsRpfl 2008, 379). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat zu Recht die Bewilligung von PKH abgelehnt.
Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin - wie im Jahre 2005 - noch Mitglied im Sozialverband Deutschland ist und sie sich deshalb von Angestellten dieser Organisation vertreten lassen könnte (§ 73 Abs 2 Satz 2 Nr 8 SGG), was schon einer Bewilligung von PKH entgegenstünde (BSG SozR 3-1500 § 73a Nr 4; zur Unbeachtlichkeit einer Kündigung der Mitgliedschaft mit dem Ziel, PKH zu erlangen, Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - L 6 U 236/04 = NdsRpfl 2005, 262). Denn jedenfalls bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §114 Satz 1 ZPO).
Entgegen der Auffassung der Klägerin stehen ihr nicht schon deshalb PKH und die Beiordnung eines Rechtsanwalts zu, weil sich die Beklagte anwaltlich vertreten lässt. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO) ist an die Bewilligung von PKH geknüpft, die - wie ausgeführt - eine hinreichende Erfolgsaussicht und eine nicht mutwillige Rechtsverfolgung voraussetzt. Allerdings konnte in sozialgerichtlichen Verfahren in der Vergangenheit regelhaft davon ausgegangen werden, dass die Sach- und Rechtslage besondere Schwierigkeiten aufweist und dass deshalb eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden kann, wenn Sozialversicherungsträger Rechtsanwälte beauftragten, da sie an sichüber qualifizierte rechtskundige Beschäftigte zur Prozessvertretung verfügen. Davon kann in Rechtsstreitigkeiten gegen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende offensichtlich nicht regelmäßig ausgegangen werden. Denn die Sach- und Rechtslage ist im vorliegenden Verfahren schlicht und erfordert keine anwaltliche Vertretung, die im Übrigen angesichts der damit verbundenen und von den Steuerzahlern zu tragenden Kosten - die Aufwendungen der Beklagten sind nicht erstattungsfähig (§ 193 Abs 4 SGG) - nicht nachvollziehbar ist und die - wie der vorliegende Rechtsstreit belegt - Anträge auf PKH provoziert und so zu einer weiteren Belastung der ohnehin stark in Anspruch genommenen niedersächsisch-bremischen Sozialgerichtsbarkeit und zu einer weiteren Belastung der Landeshaushalte führt.
Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden; die Beklagte hat den Antrag der Klägerin zu Recht wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt (§ 66 Abs 1 Satz 1 SGB I iVm § 60 SGB I). Denn die Beibringung von Kostenvoranschlägen zur Ermittlung der Kostenhöhe ist zumutbar. Die Behauptung der Klägerin, Angebote von Handwerkern seien mit Kosten verbunden, entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung. Im Übrigen hat die Beklagte in der Mitteilung vom 8. Mai 2008 signalisiert, damit verbundene etwaige Kosten zu übernehmen. Die Klägerin hat die Kostenvoranschläge beizubringen, um der Beklagten die Prüfung einer Kostenübernahme zu ermöglichen.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).