Landgericht Braunschweig
Urt. v. 30.01.2002, Az.: 23 O 2444/00 (8)
Anspruch auf angemessene Entschädigung für Schallschutzmaßnahmen in Höhe der erbrachten Aufwendungen; Bedeutung der Nutzungsqualität der baulichen Anlage und der Besonderheiten in der Person des Eigentümers für den Anspruch auf angemessene Entschädigung
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 30.01.2002
- Aktenzeichen
- 23 O 2444/00 (8)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 30005
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2002:0130.23O2444.00.8.0A
Rechtsgrundlage
- § 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG
Fundstelle
- NVwZ 2002, 1146-1148 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Entschädigungsfeststellung wegen passiver Lärmschutzmaßnahmen an Gebäuden
In der Baulandsache
hat die Kammer für Baulandsachen des Landgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 19.12.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
den Richter am Verwaltungsgericht ... und
die Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beschluß der Beteiligten zu 5. vom 14.06.2000 - 301.11510/8-62 - wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß die Antragsteller einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz für das Gebäude .. des im Grundbuch von .. Bd. .. Bl. .. eingetragenen Grundstücks der Gemarkung .., Flur .., Flurstück .. haben.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtlichen Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegnerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500,- EUR abzuwenden, wenn nicht die Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten. Die Sicherheitsleistung kann jeweils auch durch selbstschuldnerische, unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und/oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
Streitwert: 8.000,00 DM
Tatbestand
Dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung liegt ausschließlich die Rechtsfrage zugrunde, ob die Antragsteller anspruchsberechtigte Eigentümer i.S.v. § 42 Abs. 1 S. 1 Bundesimmissionschutzgesetz (= BImSchG) sind.
Die Antragsteller sind Eigentümer des im Grundbuch von .. Bd. .., Bl. .. eingetragenen Grundstücks der Gemarkung .., Flur .., Flurstücke .., .. und .., Gebäude- und Freifläche, ... Sie erwarben das Eigentum am Grundstück durch Zuschlagsbeschluß vom 22.12.1998 im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens.
Die Antragsteller betreiben mehrere Firmen im Bereich des Heizungs- und Lüftungsbaus, der Wasserinstallation sowie der Installation von Sanitäreinrichtungen und der Einrichtungen von Komplettbädern. Sie nutzen das vorbezeichnete Grundstück für ihr Unternehmen insgesamt als Geschäftsgelände. In dem Gebäude .. .., welches sich auf dem Flurstück .. befindet, sind in den einzelnen Stockwerken die Büroräume der Mitarbeiter sowie im Keller die Lagerräume untergebracht.
Das Grundstück grenzt im Nordosten unmittelbar an die Ortsdurchfahrt .. der B ../B.., die im Jahr 1969 planfestgestellt und im Jahr 1972 für den Verkehr freigegeben wurde. Ein weiterer Planfeststellungsbeschluß, datierend vom 23.01.1998, setzte für das Grundstück in .. ein Anspruch auf passiven Lärmschutz dem Grunde nach fest.
Unter dem 03.02.2000 beantragten die Antragsteller bei der Beteiligten zu 5. die Festsetzung einer Entschädigung für Schallschutzmaßnahmen für das als Büro genutzte Geschäftsgebäude ... Die Beteiligte zu 5. wies, nachdem sie die Antragsteller auf Bedenken aufmerksam gemacht hatte, den Antrag der Antragsteller mit Beschluß vom 14.06.2000 - 301.11510/8-62 - zurück. Der Beschluß wurde den Antragstellern am 26.06.2000 zugestellt. Sie begründete die Zurückweisung im wesentlichen mit der fehlenden Anspruchsberechtigung im Sinne von § 42 Abs. 1 BImSchG: So ergäbe sich ein entsprechender Anspruch weder aus eigenem noch aus vom Voreigentümer abgeleiteten Recht. Ein eigener Anspruch scheide deshalb aus, weil die Antragsteller zur Zeit der für den Anspruch aus § 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG maßgeblichen erstmaligen Überschreitung der Grenzwerte zur Verkehrsfreigabe im Jahre 1972 nicht Eigentümer des Grundstücks gewesen seien, so daß sie - anders als der Voreigentümer - niemals unbelastetes Eigentum besessen hätten. Etwaige zusätzliche Beeinträchtigungen nach Eigentumserwerb seien nicht ersichtlich. Ein abgeleiteter Entschädigungsanspruch scheide aus, weil die Antragsteller als Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren das Eigentum am Grundstück originär erworben hätten. Der in Frage stehende Entschädigungsanspruch hafte nicht als dingliches Recht am Grundstück, sondern sei - da übertragbar - ein subjektiv-persönlicher Anspruch.
Dagegen richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung der Antragsteller vom 24.07.2000, eingegangen bei der Beteiligten zu 5. am 25.07.2000. Die Antragsteller treten der Rechtsansicht Beteiligten zu 5. entgegen: Zwar sei infolge des originären Eigentumserwerb in der Zwangsversteigerung keine Rechtsnachfolge zum Voreigentümer eingetreten. Jedoch sei der Anspruch auf passiven Lärmschutz als subjektiv dingliches Recht i.S.v. § 96 BGB - und nicht personenbezogenes - untrennbar mit dem Eigentum am Grundstück verbunden und daher gemäß §§ 90, 55, 20 ZVG, 1120 ff. BGB auf die Antragsteller als Ersteher und neue Eigentümer übergegangen.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluß der Beteiligten zu 5. vom 14.06.2000 - .. - aufzuheben und festzustellen, daß den Antragstellern ein Anspruch auf Entschädigung nach § 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG zusteht.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen. Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.
Die Antragsgegnerin nimmt zur Begründung ihres Zurückweisungsantrages auf ihren bisherigen Vortrag im Verwaltungsverfahren, insbesondere auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug. Im übrigen rügt sie die Zulässigkeit eines Feststellungsantrages: Da die Antragsteller bisher noch keine Aufwendungen für entsprechende Schallschutzmaßnahmen erbracht hätten, könnten sie auch keinen Entschädigungsanspruch haben. Ein Feststellungsantrag sei aber den Regelungen des BImSchG unbekannt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten zu 5. verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
I.
Der Antrag ist zulässig.
1.
Die Kammer für Baulandsachen des Landgerichts Braunschweig ist zuständig. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 42 Abs. 3 S. 2 BImSchG i.V.m. § 43 Abs. 1 und 2 Nds. Enteignungsgesetz (= NEG) i.V.m. § 217 Abs. 1 S. 2 Baugesetzbuch (= BauGB). Da die Zuständigkeit der Kammer für Baulandsachen grundsätzlich weit auszulegen ist, um eine Vereinheitlichung des Rechtsweges zu ermöglichen (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr-Battis, Baugesetzbuch, 7. Auflage, Vorb §§ 217-232 Rn. 2, § 217 Rn. 4) steht der sachlichen Zuständigkeit nicht entgegen, daß die Beteiligte zu 5. im angefochtenen Beschluß die Entschädigung noch nicht gemäß dem Wortlaut des § 43 Abs. 3 S. 1 BlmschG in einem schriftlichen Bescheid festgesetzt, sondern schon den Anspruchsgrund, nämlich die Anspruchsberechtigung der Antragsteller als Eigentümer i.S.v. § 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG, verneint und die Entschädigungsfestsetzung an sich abgelehnt hat. Denn es handelt sich dabei um eine der eigentlichen Entschädigungsfestsetzung immanente wesentliche Vortrage, die im Wege des Sachzusammenhanges in den Zuständigkeitsbereich der Kammer für Baulandsachen fällt (vgl. zur Zuständigkeit der Zivilgerichte Jarass, BImSchG, 4. Aufl. 1999, § 42 Rn. 27).
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 42 Abs. 3 S. 2 BImSchG i.V.m. § 43 Abs. 2 S. 1 NEG i.V.m. § 219 Abs. 1 BauGB.
2.
Der Antrag ist auch rechtzeitig innerhalb der gemäß § 42 Abs. 3 S. 2 BImSchG i.V.m. 43 Abs. 2 S. 1 NEG i.V.m. 217 Abs. 2 S. 1 BauGB geltenden Monatsfrist bei der Beteiligten zu 5. als der den angefochtenen Verwaltungsakt erlassenden Behörde gestellt worden. Der Beschluß der Beteiligten zu 5. vom 14.06.2000 wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 26.06.2000 zugestellt; der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ging am vorletzten Tag der Frist, nämlich am 25.07.2000, bei der Beteiligten zu 5. ein.
3.
Die Antragsteller können entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin in rechtlich zulässiger Weise mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung eine Feststellung begehren. Gemäß § 42 Abs. 3 S. 2 BImSchG i.V.m. § 43 Abs. 2 S. 1 NEG i.V.m. § 217 Abs. 1 S. 3 BauGB ist ein Feststellungsanstrag grundsätzlich zulässig. Die Antragsteller haben auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse: Gerade weil der Entschädigungsanspruch davon abhängig ist, daß die Schallschutzmaßnahmen tatsächlich durchgeführt werden, also dem Eigentümer eine Vorleistungspflicht auferlegt wird (vgl. Landmann/Rohmer-Hansmann, Umweltrecht, Band l, BImSchG, Stand: 01.03.2001, § 42 Rn. 8, 20 f.), müssen die Antragsteller, die Schallschutzmaßnahmen am Gebäude der .. vornehmen wollen, vor der Durchführung kostenintensiver Maßnahmen die Gewißheit darüber haben, wer im Ergebnis Kostenschuldner ist.
4.
Die Antragsteller sind auch antragsbefugt. Durch die Versagung der Entschädigungsfestsetzung hat die Beteiligte zu 5. möglicherweise ein subjektives öffentliches Recht der Antragsteller aus § 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG, wonach dem Eigentümer einer betroffenen baulichen Anlage ein Anspruch auf angemessene Entschädigung zustehen kann, verletzt.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch begründet.
Der angefochtene, zwar formell rechtmäßige, Beschluß der Beteiligten zu 5. vom 14.06.2000 war aufzuheben, weil er gegen materielles Recht verstößt und die Antragsteller dadurch in ihren Rechten verletzt. Die Antragsteller haben gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld, so daß die Beteiligte zu 5. durch die Ablehnung der begehrten Entschädigungsfestsetzung gerade das aus dieser Norm folgende subjektive öffentliche Recht der Antragsteller verletzt hat.
§ 42 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 BImSchG gewährt dem Eigentümer einer betroffenen baulichen Anlage gegen den Träger der Straßenbaulast einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld für Schallschutzmaßnahmen an den baulichen Anlagen in Höhe der erbrachten Aufwendungen, wenn im Falle des § 41 BImSchG die in der Rechtsverordnung nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG festgelegten Immissionsgrenzwerte überschritten werden, es sei denn, daß die Beeinträchtigung wegen der besonderen Benutzung der Anlage zumutbar ist.
Diese Voraussetzungen liegen vor:
1.
Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist eröffnet. Der Anwendbarkeit steht insb. nicht entgegen, daß die Verkehrsfreigabe der Ortsdurchfahrt .. auf Grund des Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahr 1969 schon im Jahr 1972 erfolgte und damit in zeitlicher Hinsicht einen Anspruch aus § 42 BImSchG sperren könnte. Denn der Anspruch nach § 42 BImSchG auf Maßnahmen des passiven Schallschutzes, um den es hier ausschließlich geht, hat seine Rechtsgrundlage im zeitlich späteren Planfeststellungsbeschlusses vom 23.01.1998. Daraus, daß im späteren Planfeststellungsbeschluß passive Schallschutzmaßnahmen i.S.v. § 42 BImSchG dem Grunde nach anerkannt worden sind, ergibt sich im Umkehrschluß, daß die mit der neuen Planung einhergehenden Änderungen wesentlich i.S.v. § 41 BImSchG gewesen sein müssen, weil sich § 42 BImSchG gerade auf die Fälle des § 41 BImSchG erstreckt. Wegen dieser erst im Jahr 1998 vollzogenen Änderung kann die Streitfrage dahinstehen, bis zu welchem Zeitpunkt die Errichtung oder die wesentliche Änderung öffentlicher Straßen durchgeführt sein muß - bis zum Zeitpunkt des Erlasses der 16. BlmSchV (21.06.1990) oder bis zum Zeitpunkt des Inkraftretens des Bundesimmissionschutzgesetz (01.04.1974) - um einen Anspruch nach § 42 BImSchG auzulösen (vgl. dazu Landmann/Rohmer-Hansmann, UmweltR a.a.O., § 42 Rn. 9; Jarass a.a.O., § 42 Rn. 9).
2.
Mit Planfeststellungsbeschluß vom 23.01.1998 wurde ein Anspruch auf passiven Lärmschutz für das Grundstück .. dem Grunde nach festgesetzt. Die Antragsteller sind auch Planbetroffene, obwohl sie im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht Eigentümer des Grundstücks oder sonst Betroffene waren. Die Zustellungsfiktion in § 74 Abs. 4 S. 3 VwVfG bewirkt, daß auch (noch) unbekannte Betroffene aus dem Planfeststellungsbeschluß berechtigt und verpflichtet sind (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfg, 7. Aufl. 2000, § 74 Rn. 147). Daraus folgt, daß eine einen Anspruch auf passive Lärmschutzmaßnahmen dem Grunde nach rechtfertigende Überschreitung der gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. der 16. BlmSchV maßgeblichen Grenzwerte im Bereich des sich auf dem Grundstück befindlichen Geschäftsgebäudes vorliegt.
3.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und der Beteiligten zu 5. sind die Antragsteller auch berechtigte Anspruchsteller i.S.v. § 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG.
a)
Anspruchsberechtigt i.S.v. § 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG ist derjenige, dem das Eigentum oder ein eigentumsgleiches Recht an der betroffenen baulichen Anlage zusteht (vgl. Feldmann, BImSchG, Bd. I, Teil II, Stand: Dezember 2000, § 42 Rn. 33; Landmann/Rohmer-Hansmann, UmweltR a.a.O., § 42 Rn. 15).
Die Antragsteller haben durch Zuschlagsbeschluß vom 22.12.1998 im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens originär Eigentum gemäß § 90 Abs. 1 ZVG am Grundstück .. erworben. Gemäß §§ 90 Abs. 2, 55 Abs. 1, 20 Abs. 2 ZVG i.V.m. § 1120 BGB sind damit auch die wesentlichen Bestandteile des Grundstücks, also gemäß §§ 93, 94 Abs. 1 S. 1 BGB insb. die sich auf dem Grundstück befindlichen Gebäude, die bauliche Anlagen i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 NBauO sind, nebst subjektiv-dinglicher Rechte i.S.v. § 96 BGB, denen der Anspruch aus § 42 BImSchG nach Ansicht der Kammer der Anspruch zumindest gleichzustellen ist, von der Versteigerung umfaßt gewesen und auf die Antragsteller als Ersteher übergegangen.
Für die dingliche Rechtsnatur - und damit entscheidend gegen den von der Antragsgegnerin und der Beteiligten zu 5. angenommenen personenbezogenen Charakter - spricht folgendes:
aa)
Bei verständiger Lektüre des Wortlauts des § 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG ergibt sich daraus, daß der Entschädigungsanspruch aus der Betroffenheit der baulichen Anlage folgt: So heißt es in § 42 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. BImSchG ausdrücklich, daß der Anspruch dem Eigentümer der "betroffenen baulichen Anlage" zusteht. Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die bauliche Anlage und deren Beeinträchtigung wird klar, daß die Entschädigung im Ausgangspunkt entscheidend von der Betroffenheit der Anlage abhängt. Auch § 42 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. BImSchG, wonach ein Anspruchsausschluß im Fall der durch eine besonderen Benutzung der baulichen Anlage bestehenden zumutbaren Beeinträchtigung in Betracht kommt, stellt für den Anspruch auf die Nutzungsqualität der baulichen Anlage und nicht auf Besonderheiten in der Person des Eigentümers ab. Schutzobjekt ist damit unter Berücksichtigung des insofern eindeutigen Wortlautes allein die bauliche Anlage (vgl. dazu Landmann/Rohmer-Hansmann, UmweltR a.a.O., § 42 Rn. 10).
bb)
Der dingliche Charakter des Anspruchs läßt sich überdies aus dessen konkreter Beziehung und Bedeutung im Planfeststellungsverfahren ableiten. Zu berücksichtigen ist, daß der Rechtsgrund des Anspruch auf passive Schallschutzmaßnahmen im Planfeststellungsbeschluß vom 23.01.1998 liegt. Da aber das Fachplanungsrecht für Verkehrsanlagen, insb. das Straßenplanungsrecht, um das es hier geht, grundstücksbezogen ist (vgl. Hoppe/Schlarmann/Buchner, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, 3. Aufl. 2001, Rn. 417), müssen auch die darin geregelten Schutzanordnungen zum passiven Schallschutz grundstücksbezogen sein.
cc)
Schließlich stützt die Kammer ihre Ansicht auf folgende Kontrollüberlegung: Werden die passiven Schallschutzmaßnahmen tatsächlich durchgeführt, so werden die eingebauten Teile, in der Regel Schallschutzfenster nach allgemeinen Grundsätzen wesentliche Bestandteile der baulichen Anlage (vgl. Landmann/Rohmer-Hansmann, UmweltR a.a.O., § 42 Rn. 15).
b)
Im Hinblick auf die Aktivlegitmation der Antragsteller kommt es ferner nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der jeweilige Eigentümer einer baulichen Anlage das Eigentum daran erworben hat. Der Anspruch scheitert nicht daran, daß die Antragsteller weder im Zeitpunkt der Verkehrsfreigabe 1972 noch im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses vom 23.01.2000 Eigentümer des Grundstücks waren. Eine derartig restriktive Auslegung des § 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG findet insb im Sinn und Zweck der Vorschrift keine Stütze.
§ 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG kommt als 3. Stufe des dreistufigen Regelungssystems des Bundesimmissionsschutzgesetzes nur dann zur Anwendung, wenn schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräuscheinwirkungen weder durch eine entsprechende Trassenführung der Verkehrswege (1. Stufe) noch durch aktive Schallschutzmaßnahmen an den Verkehrswegen (2. Stufe) verhindert worden sind (vgl. Landmann/Rohmer-Hansmann, UmweltR a.a.O., § 42 Rn. 1). Der Entschädigungsanspruch soll damit auf der letzten Stufe, also der (Auffang-)Stufe der geringsten Abwehrintensität, einen ausreichenden Schutz vor dem von Verkehrswegen ausgehenden Lärm auch dann gewährleisten, wenn dieser auf andere Weise nicht erreicht worden ist (vgl. Landmann/Rohmer-Hansmann, UmweltR a.a.O., § 42 Rn. 14).
Die Kammer hält dabei den Anspruch nicht für eine klassische Enteignungsentschädigung, sondern angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Inhalts- und Schrankenbestimmung für einen einfachgesetzlichen planungsrechtlichen Nachteilsausgleich auf der 3. Stufe des immissionschutzrechtlichen Regelungssystems, über den im Einzelfall im Wege der Kostenerstattung Aufwendungen für erbrachte passive Schallschutzmaßnahmen ersetzt verlangt werden können (vgl. Jarass a.a.O., § 42 Rn. 3; Landmann/Rohmer-Hansmann, UmweltR a.a.O., 42 Rn. 14 m.w.N.). Dafür spricht auch, daß der Anspruch auch schon bei Lärmimmissionen unterhalb der Enteigungsschwelle ausgelöst wird (vgl. Landmann/Rohmer-Hansmann, UmweltR a.a.O., § 42 Rn. 14; Jarass a.a.O., § 42 Rn. 3) und er neben dem Eigentum auch dem Schutz anderer Grundrechte, z.B. aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zu dienen bestimmt ist (vgl. Jarass a.a.O., § 42 Rn. 3).
Dieser Kostenerstattungsanspruch setzt für seine Fälligkeit die tatsächliche Durchführung von Schallschutzmaßnahmen voraus und legt dem Eigentümer damit eine Vorleistungspflicht auf (vgl. Landmann/Rohmer-Hansmann, UmweltR a.a.O., § 42 Rn. 8, 20 f.).
Der Rechtsfolge nach umfaßt der Anspruch gemäß § 42 Abs. 2 S. 1 BImSchG nur die Kosten für die erbrachten notwendigen Aufwendungen für Schallschutzmaßnahmen. Der Hinweis in § 42 Abs. 2 S. 2 BImSchG auf andere Anspruchsgrundlagen stellt insoweit klar, daß es sich um keinen umfassenden Entschädigungsanspruch für Lärmimmissionen handelt, sondern er nur für jeweils im konkreten Einzelfall erbrachte und erforderliche Schallschutzmaßnahmen gilt, deren Erstattung andere Ansprüche aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen unberührt läßt.
Wenn es sich damit also um einen einfachgesetzlichen Kostenerstattungsanspruch für planerische Nachteile handelt, der unter dem Vorbehalt der tatsächlichen Durchführung bestimmter konkreter Maßnahmen steht und den vorleistungspflichtigen Eigentümer als Anspruchsteller ausweist, handelt es sich - jedenfalls im übertragenen Sinn - um ein "Geschäft, für den, den es angeht", das bei gegebenem Anlaß, nämlich der Durchführung der Schutzmaßnahmen, Ansprüche auslöst. Aus diesem Grund kann es nicht darauf ankommen, wann der vorleistungspflichtige Eigentümer die bauliche Anlage erworben hat. Entscheidend ist allein die Tatsache tatsächlichen Vornahme der Schallschutzmaßnahmen an der betroffenen baulichen Anlage, die vom Zeitpunkt des Eigentumswerbs völlig unabhängig ist.
Für diese Sichtweise spricht schließlich der Umstand, daß ein Anspruch nach § 42 BImSchG wegen des Vorsorgecharakters des Bundesimmissionsschutzgesetzes schon dann in Betracht kommen kann, wenn der Eigentümer zwar bereits die passiven Schallschutzmaßnahmen durchgeführt hat, jedoch eine Überschreitung der maßgeblichen Grenzwerte lediglich aus prognostizierten Immissionsbelastungen abgeleitet wird (vgl. Landmann/Rohmer, UmweltR a.a.O., § 42 Rn. 18). Auch daraus folgt, daß es entscheidend auf die tatsächliche Vornahme der Maßnahmen ankommt.
c)
Ferner läßt sich der Zweck umfänglich angelegter öffentlich-rechtlicher Planfeststellungsverfahren, die - wegen der Planungssicherheit - mit Zustellungsfiktionen (s.o.) und Präklusionen arbeiten, gegen den von der Antragsgegnerin und der Beteiligten zu 5. eingenommenen Rechtsstandpunkt anführen. Es ist mit dem umfassenden Regelungswerk des Planfeststellungsbeschlusses, das gerade auch seinen Anwendungsbereich auf (noch) nicht bekannte Betroffene ausdehnt, nicht zu vereinbaren, daß einzelne Rechte und Pflichten - wie hier das Anspruch aus § 42 BImSchG - durch andere Rechtsakte, wie den Zuschlagsbeschluß in der Zwangsversteigerung, untergehen. Diese Sichtweise geht auch konform mit dem dem Versteigerungsrecht immanenten Grundsatz des lastenfreien Erwerbs (vgl. Zeller/Stöber, ZVG, 16. Aufl. 1999, § 91 Rn. 2.2): Versagte man den Antragstellern als Erstehern gerade den Entschädigungsanpruch und beließe Ihnen damit die damit einhergehenden Lärmimmissionen, so wären sie durch die Zwangsversteigerung geade nicht entlastet, sondern belastet.
d)
Auch die von den Beteiligten zitierten Entscheidungen des BGH - BGHZ 18, 128; BGH NJW-RR 1995, 911; BGHZ 129, 124; BGH NJW 1989, 2123 - lassen keine anderen Rückschlüsse für diese Fallkonstellation zu, weil sie durchweg andere Sachverhalte betreffen. Insb. kann die Entscheidung des BGH in NJW 1989, 2123 f. nicht zur Entscheidung herangezogen werden:
Dieser Fall unterscheidet sich von vorgenanntem Fall zum einen dadurch, daß es nicht um einen persönlichen schuldrechtlichen Schadensersatzanspruch des früheren Eigentümers, sondern um einen subjektiv dinglichen Anspruch geht, der unmittelbar mit Eigentum an einer von Lärmimmissionen betroffenen baulichen Anlage verbunden ist.
Zum anderen kann nicht - wie es vorstehend zitierten Entscheidung des BGH und im übrigen auch im vorgerichtlichen Schreiben der Antragsteller vom 06.06.2000 anklingt - indiziell auf das im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens eingeholte Wertgutachten abgestellt werden. Selbst wenn den Antragstellern in diesem Fall die Lärmbeeinträchtigung vor der Zuschlagserteilung bekannt gewesen sein sollte und diese sich wertmindernd in der Verkehrswertfestsetzung niedergeschlagen hat, so ist maßgeblich zu berücksichtigen, daß § 42 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 BImSchG einen Anspruch auf Beeinträchtigung des Verkehrswertes nicht umfaßt (vgl. Jarass a.a.O., § 42 Rn. 5; Hoppe/Schlarmann/Buchner a.a.O., Rn. 856; Seidel, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nachbarschutz, 2000, Rn. 198). Wenn die Antragsteller aber nach § 42 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 BImSchG einen Minderwert für die Lärmbeeinträchtigung nicht ersetzt verlangt können, sondern nur Kostenersatz für Schallschutzmaßnahmen, so kann sich auch eine etwaige Berücksichtigung von Lärmbeeinträchtigungen im Wertgutachten nicht anspruchsauschließend auswirken. Eine Schutzwürdigkeit der Antragsteller ist hier vielmehr - anders als in der BGH-Entscheidung - nach wie vor gegeben.
Abgesehen davon liefe eine Berücksichtigung des Höhe des im Zwangsversteigerungsverfahrens festgesetzten Verkehrswertes auf Zufallsergebnisse hinaus, weil das zuschlagsbegründende Meistgebot in der Zwangsversteigerung auch durch andere - immissionsunabhängige - Faktoren geprägt sein kann.
e)
Eine derartige Auslegung ist nicht unbillig, weil die Entschädigung einerseits nur einmal geltend gemacht werden kann und der Eigentümer andererseits keinen allgemeinen Entschädigungsanspruch für den Fall hat, daß er freiwillig auf die Durchführung von Schutzmaßnahmen verzichtet. Schließlich ist eine solche Auslegung vor dem Hintergrund, daß die Regelung des § 42 BImSchG wegen des Zusammenhangs mit § 41 BImSchG auf die Regelung des § 3 Abs. 1 BImSchG - schädliche Umwelteinwirkungen u.a. für die Nachbarschaft - verweist und mithin dem Gesundheitsschutz des Einzelnen dient (vgl. dazu auch Jarass a.a.O., § 42 Rn. 3), geboten.
4.
Der Anpruch auf Entschädigung i.S.v. § 42 Abs. 1 S. 1 BImSchG richtet sich gegen den Träger der Straßenbaulast; mithin ist die Antragsgegnerin passivlegitimiert.
5.
Ein Entschädigungsanspruch ist schließlich auch nicht wegen der besonderen Benutzung der baulichen Anlage ausgeschlossen. Da die betroffenen Gebäudeteile mit Ausnahme des Kellers als Büroräume genutzt werden, also vornehmlich zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, ergeben sich keinerlei Einschränkungen. Da die üblichen Bürozeiten mit der Hauptbenutzungszeit der Ortsdurchfahrt .. B ../B .. kollidieren, so sind die Arbeitnehmer der Antragsteller unmittelbar den Lärmbeeinträchtigungen ausgesetzt. Etwas anderes wäre es nur dann gewesen, wenn die betroffenen baulichen Anlagen z.B. als - selten von Menschen betretene - Lagerhallen benutzt würden oder es sich um bauliche Anlagen handelte, in denen selbst lärmintensive Tätigkeiten ausgeübt würden oder die bauliche Anlage dem Abbruch unterläge (vgl. dazu Landmann/Rohmer-Hansmann, UmweltR a.a.O., § 42 Rn. 19), was hier nicht der Fall ist.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 42 Abs. 3 S. 2 BImSchG i.V.m. § 43 Abs. 2 S. 1 NEG i.V.m. § 221 Abs. 1 S. 1 BauGB i.V.m. §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11,711 S. 1 ZPO.
Der Streitwert bemißt sich gemäß § 42 Abs. 3 S. 2 BImSchG i.V.m. § 43 Abs. 2 S. 1 NEG i.V.m. § 221 Abs. 1 S. 1 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Mangels konkreter Anhaltspunkte schätzt die Kammer das Interesse der Antragsteller unter Berücksichtigung eines 20 %-igen Abschlags der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage auf 8.000,- DM.
Die Kammer hat den nicht nachgelassenen Schriftssatz der Antragsteller vom 09.01.2002 nebst Anlage (das im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahren eingeholte Wertgutachten) nicht in ihrer Entscheidung verwertet.
Streitwertbeschluss:
Streitwert: 8.000,00 DM